Diabetes mellitus mit monogen determinierter Störung der Beta

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M E D I Z I N
Diabetes mellitus mit
monogen determinierter Störung
der Beta-Zell-Funktion
Maturity-onset Diabetes of the Young
Hans-Christoph Fehmann1(), Mathias Z. Strowski2, Burkhard Göke3
Zusammenfassung
Eine Subgruppe des Diabetes mellitus ist der
„maturity-onset diabetes of the young“ (MODY). Typisch ist die frühe Manifestation und die
autosomal dominante monogene Vererbung.
Mutationen in sechs verschiedenen Genen verursachen jeweils klinisch unterschiedliche
Krankheitsbilder. Fünf dieser Gene kodieren
für die Transkriptionsfaktoren „hepatic nuclear
factor (HNF)-1alpha“, HNF-1beta, HNF-4alpha,
„insulin promotor factor-1“ und NeuroD/BETA2, ein Gen kodiert für die Glukokinase, einen
intrazellulären Glucosesensor im endokrinen
Pankreas. Patienten mit Mutationen im Glukokinase-Gen entwickeln infolge verminderter
Sensitivität der Beta-Zellen gegenüber Glucose
eine milde und über Jahre stabile Hyperglykämie
und sehr selten diabetische Spätkomplikationen. Die anderen MODY-Formen sind durch
ausgeprägtere und progrediente Hyperglykämie mit deutlich verminderter Insulinproduktion gekennzeichnet. Dabei können Diabetes-typische Folgekomplikationen auftreten. Eine
medikamentöse Therapie ist meist erforderlich.
In Abhängigkeit vom betroffenen Gen findet
man weitere Symptome: bei der HNF-1alpha-
D
er Typ-2-Diabetes-mellitus ist eine häufige Erkrankung, deren Ursache genetisch und pathophysiologisch heterogen ist. Typischerweise
liegt neben der Insulinresistenz an den
peripheren Insulinzielgeweben gleichzeitig ein Sekretionsdefekt während der
frühen Phase der Insulinsekretion vor.
Eine maternale genetische Komponente wird häufig beobachtet. Vom klassischen Typ-2-Diabetes-mellitus unterscheidet sich der „maturity-onset diabetes of the young“ (MODY) durch zahlreiche typische Charakteristika: Neben
einer Familienanamnese mit autosomal
dominantem Erbgang fällt besonders
das bei der Manifestation niedrige Lebensalter auf (Tabelle 1). Allerdings
wird auch der klassische Typ-2-Diabe-
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Mutation eine erniedrigte „Nierenschwelle“
für Glucose mit verstärkter Glukosurie, bei der
HNF-4alpha-Mutation einen veränderten Lipidstoffwechsel und bei der HNF-1beta-Genmutation Nierenzysten und Veränderungen der Genitalorgane. Die Verdachtsdiagnose MODYDiabetes kann molekulargenetisch bestätigt
werden, sodass die adäquate Therapie eingeleitet werden kann.
Schlüsselwörter: Diabetes mellitus, MODY, Molekularbiologie, Genmutation, Typ-2-Diabetes
mellitus
Summary
Maturity-Onset Diabetes of the Young
Maturity-onset diabetes of the young (MODY)
is a subgroup of diabetes mellitus. The early
onset and the autosomal dominant mode of
inheritance are typical features of this disease. Mutations in six different genes are
responsible. Five genes code for transcription
factors and one for glucokinase, which acts
as a pancreatic intracellular glucose sensor.
Patients with mutations in the glucokinase
tes-mellitus zunehmend bei jüngeren
Menschen diagnostiziert, sodass bezüglich des Manifestationsalters Überlappungen bestehen können.
In den letzten Jahren haben Fortschritte bei klinischen und molekulargenetischen Untersuchungen zur Identifikation von sechs MODY-Genen
und damit zur Charakterisierung von
sechs unterschiedlichen Krankheitsbil1 Praxis für Innere Medizin, Diabetologische Schwerpunktpraxis, Marburg
2 Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie, Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel (Direktor: Prof. Dr. med. Bertram Wiedenmann), Campus VirchowKlinikum, Charité – Universitätsmedizin, Berlin
3 Medizinische Klinik II, Standort Großhadern (Direktor:
Prof. Dr. med. Burkhard Göke), Ludwig-Maximilians-Universität, München
gene are characterized by a mild and stable
hyperglycemia and diminished sensitivity of
pancreatic islet beta-cells towards glucose.
Complications are unusual. Hyperglycemia is
more pronounced when the gene encoding
transcription factors (hepatic nuclear factor
(HNF)-1alpha, HNF1-beta, HNF4-alpha, insulin
promoter factor-1 and NeuroD/BETA2) is mutated, because insulin production is strongly
reduced. These patients are at risk for diabetesassociated complications. Treatment is necessary
to maintain normoglycemia. Patients with a
mutation in genes encoding transcription
factors may also have other symptoms. Mutations in the HNF-1alpha gene results in lowering of the renal threshold for glucose followed by glucosuria. Mutations in the HNF-4alpha
gene cause alterations of lipid metabolism
and patients with HNF-1beta mutations may
have renal cysts and developmental changes
of genitals. Exact diagnosis is confirmed by
genetic testing that makes an adequate therapy
possible.
Key words: diabetes mellitus, MODY, molecular
biology, gene mutation, glucokinase, diabetes
mellitus type 2
dern geführt (Tabellen 2 und 3). Nach
der alten Nomenklatur, die in der klinischen Praxis weiterhin Gültigkeit besitzt, werden diese Erkrankungen mit
MODY 1 bis 6 bezeichnet. In der neuen Nomenklatur wird MODY-Diabetes nach dem jeweiligen Gendefekt benannt, um die Tatsache zu berücksichtigen, dass in Zukunft weitere MODYGene identifiziert werden könnten.
Fünf Gene kodieren für die Transkriptionsfaktoren „hepatic nuclear factor
(HNF)-1alpha“ (MODY 3), HNF1-beta (MODY 5), HNF4-alpha (MODY
1), „insulin promoter factor-1(IPF1)/pancreatic duodenal homeobox-1“
(PDX-1) (MODY 4), NeuroD/BETA2
(MODY 6) und ein Genprodukt ist das
Enzym Glukokinase (MODY 2), der
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intrazelluläre pankreatische Glucosesensor. Diese Gene werden in den insulinproduzierenden Beta-Zellen der
Pankreasinsel exprimiert und induzieren in mutiertem Zustand Störungen
der Insulinsekretion.
Klinisch genetische Untersuchungen ergaben, dass circa ein bis fünf Prozent der Patienten mit Diabetes mellitus an einer MODY-Diabetesform erkrankt sind (40). Die sechs verschiedenen Formen von MODY sollen im Folgenden näher beschrieben werden.
Dies ist von besonderer Bedeutung, da
sich nicht nur die Prognose und Therapie des MODY von der des Typ-2-Diabetes-mellitus unterscheiden kann
(24), sondern die jeweiligen MODYFormen verschiedene Behandlungsstrategien erfordern. Therapiestudien
speziell zum MODY liegen bisher
nicht vor.
MODY 2 (Glukokinase)
MODY 2 ist die zweithäufigste MODY-Form, die sich bereits in der Kindheit oder im Erwachsenenalter, beispielsweise während der Schwangerschaft, manifestieren kann und durch
Mutationen im Glukokinase-Gen verursacht wird (26). In der Beta-Zelle katalysiert das Genprodukt, das Enzym
Glukokinase, die Phosphorylierung
von Glucose zu Glucose-6-Phosphat.
In der Leber spielt Glukokinase eine
Rolle bei der Speicherung von Glykogen in der postprandialen Phase. Heterozygotie für Mutationen des Glukokinase-Gens führt zu einer verminderten Enzymaktivität der Glukokinase.
Bislang wurden mehr als 130 verschiedene Mutationen beschrieben (27).
Mutationen in verschiedenen Regionen des Gens beeinflussen die Enzymaktivität in unterschiedlichem Maß.
Pathophysiologisch resultiert daraus
eine verminderte Glykogenspeicherung und gesteigerte Glukoneogenese
in der Leber sowie eine verminderte
Empfindlichkeit der Beta-Zellen gegenüber Glucose (12). Klinisch ist für
MODY 2 eine eher milde Hyperglykämie typisch. Da eine GlukokinaseGenmutation lediglich eine Verminderung der Empfindlichkeit für Glucose
verursacht, ist eine Beta-Zell-Erschöp-
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´
Tabelle 1
´
Charakteristische Unterschiede zwischen MODY und klassischem
Typ-2-Diabetes-mellitus
MODY
Typ-1-Diabetesmellitus
Typ-2-Diabetesmellitus
Häufigkeit
1–5 %
5–10 %
80–95 %
Häufigstes Manifestationsalter
Jugend und
früheres Erwachsenenalter
Kindheit bis
Erwachsenenalter
Späteres
Erwachsenenalter
Ätiologie
Monogen
Genetische PrädisPolygen,
position, multifaktoriell multifaktoriell
Vererbung
Autosomal dominant (Penetranz
80–90 %)
Variabel
Variabel, maternal
häufiger als paternal
Autoimmunkomponente
Nein
Ja
Nein
Habitus
Normalgewicht
Normalgewicht
Häufig Übergewicht
Beginn
Schleichend
Rapid
Schleichend
Schweregrad der
Hyperglykämie
Mild bis moderat
Schwer
Variabel
Neigung zu
Ketoazidose
Nein
Ja
Nein
Begleiterkrankungen
Sehr selten
(Malformation
von Nieren,
Genitalien)
Keine
Häufig Teil des metabolischen Syndroms mit
Hypertonus, Fettstoffwechselstörung und
Insulinresistenz
Insulinsekretion
Vermindert
Vermindert bis
fehlend
Hyperinsulinämie mit
gestörter 1. Phase der
Insulinfreisetzung
Insulinsensitivität
Normal
Normal
Vermindert
Insulinabhängigkeit bei Diagnosestellung
Nein
Ja
Nein
fung auch im langen Verlauf unwahrscheinlich. Eine Progression zu höheren Glucosekonzentrationen mit einer
hochgradig eingeschränkten Insulinsekretion wird nicht beobachtet. Daher
ist mit Spätkomplikationen sehr selten
zu rechnen. Für die meisten Patienten
ist eine konsequente Kohlenhydratkontrollierte Diät ausreichend, eine
Pharmakotherapie ist nur selten erforderlich.
Die extrem seltene Homozygotie
für Mutationen im Glukokinase-Gen
hat neben einer Wachstumsretardierung einen ausgeprägten Insulinmangel zur Folge, der sich bereits in den ersten Lebenstagen manifestiert (49). Eine sofortige Insulintherapie ist indiziiert.
MODY 1 (HNF-4alpha) und
MODY 3 (HNF-1alpha)
MODY 1 und 3 werden durch Mutationen in den Genen „hepatic nuclear factor 4 alpha“ (HNF-4alpha) (MODY 1)
und HNF-1alpha (MODY 3) verursacht. Die Genprodukte HNF-4alpha
und HNF-1alpha entfalten ihre Wirkungen im Zellkern als Transkriptionsfaktoren. Sie werden neben der Leber
auch im Darm, in den Nieren, in den
Genitalorganen und in den pankreatischen Inseln exprimiert. Beide Transkriptionsfaktoren regulieren in den
Beta-Zellen die gewebespezifische Expression des Proinsulins sowie Proteine, die am Glucosetransport und -metabolismus sowie an mitochondrialen
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Tabelle 2
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Genetik von MODY
MODY-Form
Gen
MODY 1
Hepatic
nuclear
factor 4
alpha
MODY 2
Glukokinase
MODY 3
Hepatic
nuclear
factor 1
alpha
MODY 4
MODY 5
MODY 6
Abkürzung
HNF-4alpha
20q
GK
7p
HNF-1alpha
IPF-1
Pancreatic
duodenum
homebox-1
PDX-1
NeuroD1/
BETA2
Funktion
in der Beta-Zelle
Bindet an HNF-1alphaund IPF-1-Promotor, reguliert die HNF-1alpha- und
IPF-1-Gentranskription
Katalysiert die Phosphorylierung von Glucose
zu Glucose-6-Phosphat
Reguliert die InsulinGentranskription
Insulin
promoter
factor-1
Hepatic
nuclear
factor 1
beta
Chromosom
Lage
12q
13q
Reguliert die InsulinGentranskription
Reguliert die HNF-4alphaGentranskription
HNF-1beta
17q
NeuroD1
2q
Stoffwechselprozessen beteiligt sind
(3, 8, 22, 23, 29, 37, 39, 50, 51, 53, 54, 56,
71, 73, 74, 75, 78). In der Leber wird die
Expression von Genen beeinflusst, deren Genprodukte für die Regulation
des Lipidstoffwechsels bedeutsam sind
(68). HNF-4alpha moduliert auch die
Expression von HNF-1alpha in BetaZellen (29, 32). Daher haben MODY 1
und MODY 3 zahlreiche Gemeinsamkeiten. Im Vergleich zu MODY 2 entwickelt sich die Hyperglykämie bei
MODY 1 und 3 etwas später, häufig in
der frühen (MODY 3) oder späten
(MODY 1) Phase der Pubertät. Pathophysiologisch liegt eine deutlich verminderte Insulinproduktion vor, die im
Krankheitsverlauf noch weiter abnimmt.Typisch sind zunächst nur leicht
erhöhte Nüchternglucosespiegel sowie
ein starker Glucoseanstieg nach Glucosebelastung, der mit einer inadäquat
verminderten Insulinantwort einhergeht (11, 41, 59, 66). Die Hyperglykämie nimmt im weiteren Verlauf der Erkrankung zu und kann sehr ausgeprägt
sein. Mikro- und makrovaskuläre Spätkomplikationen treten bei MODY 1
und MODY 3 in Abhängigkeit von der
Reguliert die InsulinGentranskription
Stoffwechsellage genauso häufig auf
wie beim Typ-2-Diabetes-mellitus (33,
67).
Der MODY 3 ist die häufigste Form
von MODY-Diabetes in Europa, Nordamerika und Japan. Es wurden zahlreiche Mutationen mit unterschiedlicher
Lokalisation im HNF-1alpha-Gen gefunden (2, 4, 10, 18, 20, 21, 25, 29, 63, 64,
65, 66, 76). Interessanterweise erkranken Patienten mit MODY 3 etwa zehn
Jahre früher, wenn sie das mutierte
Gen von der Mutter erhalten haben
(38).
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Abnormalitäten haben Patienten
mit MODY 3 eine verminderte renale
Glucosereabsorption, die in einer
niedrigen „Nierenschwelle“ für Glucose mit einer verstärkten Glukosurie
resultiert. HNF-1alpha wird in den
Nieren exprimiert und ist offensichtlich für die Expression renaler Anionenaustauscher von Bedeutung (13).
Die Expression renaler Anionenaustauscher ist bei Patienten mit MODY 3
vermindert.
Kürzlich wurde über einen Polymorphismus im HNF-1alpha-Gen berich-
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tet, der mit einer peripheren Insulinresistenz assoziiert ist (15). Die Insulinsekretion war nicht verändert. Am ehesten ist hier der hepatische Glucosemetabolismus gestört. Detaillierte Studien
stehen noch aus.
Aus praktischer Sicht ist zu beachten,
dass ein Teil der Patientinnen mit Gestationsdiabetes Träger von HNF-1alpha-Genmutationen ist (61). Ein Anteil
der Antikörper-negativen Patienten mit
Typ-1-Diabetes-mellitus und einer ausgeprägten Familienanamnese trägt Mutationen im HNF-1alpha-Gen und muss
als MODY 3 klassifiziert werden. Für
die Prognose und Therapie ist dies von
Bedeutung.
Im Gegensatz zu MODY 3 ist MODY 1 (Mutation in HNF-4alpha-Gen)
eher selten zu finden (77). Daher stützen sich Erkenntnisse über die pathophysiologische Bedeutung dieses Gens
auf Beobachtungen von experimentellen Mutationsmodellen. Die Penetranz
der MODY-1-Genmutation ist geringer
und das durchschnittliche Manifestationsalter ist höher als bei MODY 3. Heterozygotie für HNF-4alpha-Genmutationen führt beim Menschen zu einer
hochgradig eingeschränkten Insulinfreisetzung. Darüber hinaus wurden verminderte Plasmaspiegel von Triglyzeriden und Apolipoproteinen bei heterozygoten Trägern von Mutationen des
HNF-4 alpha-Gens beschrieben (42).
Im Zellmodell resultierte die Überexpression einer dominant negativen
HNF-4alpha-Mutante in einer Störung
des mitochondrialen Stoffwechsels mit
nachfolgender Reduktion der Insulinproduktion und -sekretion (69). Enzyme des Glucosestoffwechsels waren geringer exprimiert, und HNF-1alpha war
fast nicht nachweisbar, da – wie bereits
erwähnt – HNF-4alpha die Expression
von HNF-1alpha reguliert (56, 62). Homozygotie für HNF-4alpha-Genmutationen führt sogar zu einem letalen Phänotyp im Tiermodell (14).
Zusätzlich zu den beschriebenen
Mutationen wurde in einer Familie eine
Mutation im Pankreas-spezifischen
Promotor des HNF-4alpha-Gens entdeckt (59).An diese DNA-Sequenz bindet normalerweise der Transkriptionsfaktor PDX-1. Offenbar wird die Funktion der Beta-Zellen durch komplexe
Interaktionen auf der Ebene der Gen-
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transkription reguliert. Die Entdeckung
weiterer MODY-Mutationen und deren
Nachbildung im Zellmodell wird hier
neue Erkenntnisse liefern.
Für die Therapie dieser beiden
MODY-Formen reichen diätetische Maßnahmen meist nicht aus, und eine rasche
Umstellung auf eine medikamentöse Behandlung ist dann häufig erforderlich.
Als Option bieten sich zu Beginn (niedrig dosierte) Sulfonylharnstoffe an, die
aufgrund ihrer insulinotropen Wirkung
eine wirksame Senkung der Hyperglykämie bei beiden MODY-Formen
hervorrufen (52). Bei weiterer rückläufiger Insulinsekretion ist eine intensivierte
Insulintherapie nach dem Basis-BolusPrinzip anzustreben.
MODY 4 (PDX-1/IPF-1)
MODY 4 wird durch Mutationen im
Transkriptionsfaktor „pancreatic duodenum homeobox-1“, auch „insulin
promoter factor-1“ (PDX-1, IPF-1) genannt, verursacht (31, 57). Die Expression von PDX-1 ist für die Entwicklung des Pankreas von entscheidender
Bedeutung (1, 28, 35, 58). Homozygotie für diese Mutation führt im Tiermodell zur Pankreasaplasie mit neonatalem Diabetes mellitus und exokriner Pankreasinsuffizienz (58). Beim
´
Tabelle 3
Menschen wurde eine homozygote
Punktmutation des PDX-1-Gens beschrieben, die analog zum Tiermodell
mit einer Agenesie des Pankreas assoziiert war (58). Die heterozygote
PDX-1-Mutation beim Menschen hat
einen milden Diabetes mellitus mit
eingeschränkter Glucose-induzierter
Insulinsekretion zur Folge, der autosomal dominant vererbt wird (17).
PDX-1 ist in pankreatischen BetaZellen für die Aufrechterhaltung dieses
Phänotyps verantwortlich, indem es die
Expression Beta-Zell-spezifischer Gene reguliert und das Glukagon-Gen
supprimiert. Im Zellmodell hat die Ausschaltung von PDX-1 eine verminderte
Expression von Proinsulin, den Prohormon-Konvertasen PC 1/3 und PC 2
(diese Enzyme schneiden Insulin aus
Proinsulin heraus), des ATP-sensitiven
Kaliumkanals (Rezeptor für Sulfonylharnstoffe) und des Rezeptors für „glukagon-like peptide-1“ zur Folge (9, 70).
Daher liegt beim MODY 4 am ehesten
eine kombinierte Störung aus einer verminderten Insulinproduktion, einer gestörten Proinsulin-Prozessierung und
einem Sekretionsdefekt vor. Auf Sulfonylharnstoffe sollte bei verminderter
Expression ATP-sensitiver Kaliumkanäle verzichtet werden. Bei Hyperglykämie ist eine Insulintherapie anzustreben.
MODY 5 (HNF-1beta)
MODY 5 wird durch Mutationen im
HNF-1beta-Gen verursacht. Strukturell
weist das Genprodukt HNF-1beta eine
hohe Homologie mit HNF-1alpha auf.
Beide Transkriptionsfaktoren können
Heterodimere bilden und gemeinsam
an die entsprechenden DNA-Sequenzen binden. Die Funktionen von HNF1beta in Beta-Zellen sind noch nicht
ausreichend charakterisiert.
Das klinische Bild dieser extrem seltenen Genmutation ist sehr typisch und
unterscheidet sich von den anderen
MODY-Formen. Neben dem Diabetes
mellitus liegt eine Nierenerkrankung
mit Nierenzysten und Nierenhypoplasie vor (6, 44, 46, 48), die in bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden
können (7). Deshalb kann MODY 5 im
Rahmen der Abklärung von entsprechenden Nierenerkrankungen diagnostiziert werden. Für die recht typische
Assoziation von Nierenerkrankungen
mit dieser MODY-Form wurde sogar
der klinische Terminus „renal cysts and
diabetes“ (RCAD) eingeführt. Bis zu
50 Prozent der Betroffenen erleiden
noch vor dem 45. Lebensjahr eine terminale Niereninsuffizienz mit der Konsequenz einer lebenslangen Dialyse
oder Nierentransplantation. Diese Erkrankung darf nicht mit einer diabeti-
´
Pathophysiologie und klinische Aspekte des MODY 1–6
MODY 1
MODY 2
MODY 3
MODY 4
MODY 5
MODY 6
Pathophysiologie
Reduzierte
Insulinsekretion
verminderte
Glykogensynthese
Reduzierte
Insulinsekretion
Reduzierte
Insulinsekretion
Reduzierte
Insulinsekretion,
defekter Rezeptor
für Sulfonylharnstoffe
Reduzierte
Insulinsekretion
Unbekannt
Schweregrad
der Hyperglykämie
Schwer
(progressiv)
Mild
Schwer
(progressiv)
Mild
Schwer
(progressiv)
Limitierte
Datenlage
Komplikationen
Angiopathie
Keine oder
extrem selten
(schwere)
Angiopathie,
Neuropathie,
Nephropathie
Unbekannt
Retinopathie
Unbekannt
Andere
Manifestationen
Niedrige
Triglyceride
Reduziertes
Geburtsgewicht,
insulinpflichtiger
Diabetes (nur bei
homozygoter
Mutation)
Renale
Glukosurie
Pankreasaplasie
(bei homozygoter
Mutation)
Nierendefekte
(Zysten, Hypoplasie, Niereninsuffizienz),
Malformation der
Genitalien
(Vaginalaplasie,
Uterushypoplasie)
Limitierte
Datenlage
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schen Nephropathie verwechselt werden. Da die homozygote HNF-1betaDeletion bereits im frühen Embryonalstadium letal ist und heterozygote Tiere
normale Nieren haben, sind zugrunde
liegende Mechanismen dieser Defekte
weitgehend unbekannt. HNF-1betaMutationen können mit anderen Abnormalitäten vergesellschaftet sein. Neben einer Pylorusstenose findet man
bei den betroffenen Frauen zusätzlich
angeborene Veränderungen an den Genitalorganen wie Vaginalaplasie und ein
rudimentärer Uterus (34, 44).
MODY 6
(NeuroD1/Beta 2)
MODY 6 wird durch Mutationen im
Transkriptionsfaktor NeuroD1 (Synonym: Beta 2) verursacht (45, 47). Bislang wurden nur wenige Familien mit
NeuroD1/Beta2-Mutationen identifiziert. Neben einer Regulation der Insulin-Genexpression scheint dieser Transkriptionsfaktor für die Entwicklung der
endokrinen Pankreasinseln von Bedeutung zu sein (16). Im Tierexperiment ist
die Entwicklung eines Diabetes mellitus
bei NeuroD1/Beta2-defizienten Mäusen vom genetischen Hintergrund abhängig. Ob dies beim Menschen auch so
ist, bleibt zu klären. Es wurde jedoch
über eine Assoziation eines NeuroD1/
Beta2-Polymorphismus mit Typ-1-Diabetes-mellitus in Japan berichtet (35).
Andere MODY-Formen
wahrscheinlich
Bei etwa 20 Prozent der Patienten mit
einem klinisch gesicherten MODY lassen sich keine Mutationen in einem bekannten MODY-Gen nachweisen (43).
Es wird daher vermutet, dass noch weitere MODY-Gene existieren (27). Möglicherweise gehört der Transkriptionsfaktor Islet-1 dazu. Eine Islet-1-Mutation wurde in einer japanischen Familie
mit MODY gefunden (55). Ob es sich
um einen Einzelfall oder um eine häufigere Mutation handelt, bleibt abzuwarten. Bei einem Patienten, dessen Familie
einen MODY-Diabetes aufweist, wurde
eine Mutation im Gen der Transglutaminase 2 gefunden. Transgene Mäuse mit
Grafik 1
Differenzialdiagnose
Typ-1-/-2-Diabetes
mellitus und MODY
Es ist sehr schwierig, anhand
klinischer Kriterien eine klare Abgrenzung gegenüber
Diabetes mellitus vom Typ 2
zu erreichen, da dieser insbesondere bei Jugendlichen einen sehr variablen Verlauf
hat.
Der Typ-2-Diabetes mellitus ist häufig eine Komponente des metabolischen
Syndroms, wohingegen bei
MODY-Diabetes meistens
keine Begleiterkrankungen
vorliegen. Das Manifestationsalter liegt beim Typ-2Diabetes-mellitus oft höher
als beim MODY, obwohl zuDifferenzialdiagnose von MODY, Typ1- und Typ-2-Diabetes
nehmend jüngere Menschen
an Typ-2-Diabetes mellitus
einem defekten Transglutaminase-2- erkranken. Der Diabetes mellitus vom
Gen weisen eine eingeschränkte Insu- Typ 2 kommt familiär gehäuft vor
linsekretion auf (5). Möglicherweise ist und insgesamt viel häufiger (80 bis 95
das Transglutaminase-2-Gen ein weite- Prozent aller Diabetiker) als MODYrer MODY-Kandidat.
Diabetesformen (ein Prozent bis fünf
Prozent) (Tabelle 1). MODY wird autosomal dominant mit hoher Penetranz vererbt, wohingegen UmweltSchwangerschaft und
faktoren wie Bewegungsmangel und
Gestationsdiabetes
Fehlernährung für den Ausbruch der
Die häufigsten Mutationen, die mit Ge- Typ-2-Diabeteserkrankung wesentlich
stationsdiabetes einhergehen, betreffen sind.
das Glukokinase- und HNF-1alphaEine besondere Herausforderung
Gen (19, 61, 72). Abhängig davon, ob bietet die Abgrenzung zum Typ-1-Diadie Mutation bei der Mutter oder beim betes-mellitus, der häufigsten Form
Fetus vorliegt, kommt es zu unter- des Diabetes bei Kindern und Jugendschiedlichen phänotypischen Manife- lichen, der sich bei schlankem Habitus
stationen. Mutationen des maternalen manifestiert und mit Insulin therapiert
Glukokinase- oder HNF-1alpha-Gens werden muss (Tabelle 1). MODY bekönnen einen Gestationsdiabetes aus- ginnt schleichend, weist eine milde
lösen. Beim unbehandelten oder unent- Hyperglykämie auf, zeigt einen Insulindeckten Gestationsdiabetes erhöht sich anstieg im Plasma unter Glucosebedas Geburtsgewicht durch die materna- lastung, neigt nicht zur Ketoazidose,
le Hyperglykämie und konsekutive fe- besitzt keine Autoimmunkomponentale Hyperinsulinämie. Im Gegensatz ten und spricht auf orale Antidiabetidazu können fetale Mutationen durch ka oder geringste Dosen von Insulin
eine verringerte Insulinsekretion zu ei- gut an (Tabelle 1). Da keine sicheren
nem niedrigen Geburtsgewicht führen. klinischen Kriterien zur UnterscheiDeshalb sollte beim Gestationsdiabetes dung existieren, müssen zur Differenoder bei niedrigem Geburtsgewicht so- zialdiagnose sowohl biochemische Lawie positiver Familienanamnese an das borparameter als auch eine ausführliVorliegen eines MODY gedacht wer- che Familienanamnese herangezogen
den.
werden (Grafik 1).
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Diagnose von MODY
An einen MODY sollte gedacht werden, wenn
> eine autosomal dominante Vererbung vorliegt,
> keine Autoantikörper nachweisbar
sind und
> das Manifestationsalter in der frühen Adoleszenz liegt.
Der Verdacht auf Mutationen des
Glukokinase-Gens kann geäußert werden, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, ferner bei persistierender, milder (Nüchtern-) Hyperglykämie, einem leicht pathologischen Glucosebelastungstest oder beim Gestationsdiabetes. Ebenso hinweisend ist ein
milder Schweregrad des Diabetes mellitus in der Familienanamnese, wobei eine negative Familienanamnese die Erkrankung jedoch nicht ausschließt. In
diesem Fall lässt sich bei einem Elternteil, dem Träger einer GlukokinaseGenmutation, eine mäßiggradige Nüchternhyperglykämie nachweisen. Berichten zufolge kann bei Vorliegen der
beschriebenen Kriterien in bis zu 80
Prozent eine Mutation des Glukokinase-Gens gefunden werden (19). HNF1alpha-Genmutationen sind wahrscheinlicher bei Jugendlichen mit ausgeprägter Hyperglykämie vorzufinden,
die auf Sulfonylharnstoffe oder kleinste
Insulinmengen gut ansprechen und unter dieser Therapie durch überdurchschnittlich häufige Episoden von Hypoglykämien auffallen. Typisch ist auch
das fehlende Ansprechen auf orale
Antidiabetika anderer Klassen (beispielsweise Metformin). Positive Familienanamnese, renale Glukosurie bei erniedrigter „Nierenschwelle“ und starker Anstieg von Glucose im Glucosebelastungstest sind ebenfalls hinweisend
auf
HNF-1alpha-Genmutationen.
HNF-4alpha-Genmutationen sind bei
Kindern und Jugendlichen mit schwerer
Form des Diabetes mellitus und positiver Familienanamnese zu erwarten. Sie
sind jedoch sehr viel seltener im Vergleich zu Mutationen des HNF-1alphaGens. Die beiden letztgenannten Formen von MODY ähneln dagegen dem
Typ-2-Diabetes-mellitus, beginnend mit
einer rapiden Verschlechterung vom
Stadium der gestörten Glucosetoleranz
bis hin zur schweren Hyperglykämie
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und gestörten Insulinsekretion. Familiäre Assoziation von Nierenerkrankungen (Zystennieren, Nierenzysten)
und Malformation von Genitalorganen
mit einer Frühmanifestation von Diabetes im Jugendalter, der im Verlauf
weiter progredient ist, spricht für HNF1beta-Genmutationen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die klinische
Verdachtsdiagnose durch den Nachweis einer Mutation im verantwortlichen Gen bestätigt. Dabei wird auf die
genomische DNA zurückgegriffen, die
einem MODY 2 haben häufig nur eine
leichte Hyperglykämie, die im Verlauf
auch nicht progredient ist. Spätkomplikationen sind nicht zu erwarten und
eine medikamentöse Therapie ist nicht
erforderlich. Obwohl GlukokinaseGenmutationen einen relativ milden
Phänotyp aufweisen, müssen Schwangerschaften besonders sorgfältig überwacht werden, und eine (intensive)
Therapie mit Insulin lässt sich oft nicht
vermeiden. Hierbei bedarf das fetale
Wachstum besonderer Aufmerksam-
Grafik 2
Verteilung der Genmutationen von MODY und Therapieoptionen
aus den Lymphozyten des peripheren
Bluts gewonnen wird. Der Nachweis einer Mutation wird in einem akkreditierten und zertifizierten Labor für Genanalysen durchgeführt (weitere Informationen beim Verfasser). So lässt sich
in bis zu 80 Prozent der Fälle durch
den Nachweis einer Mutation eines
der bekannten Gene die Diagnose von
MODY sichern.
Therapie
Die Wahl einer geeigneten Therapieform wird im Wesentlichen durch den
Schweregrad der Hyperglykämie und
deren Ursachen sowie die sich daraus
ableitenden Risiken von Spätkomplikationen determiniert. Patienten mit
keit, da in Abhängigkeit vom Mutationsstatus (Fetus oder Mutter) exogenes Insulin zu einer Verminderung des
Körpergewichts des Neugeborenen
beitragen kann. MODY 1, 3 und 5 weisen einen vergleichbaren Schweregrad
der Hyperglykämie auf, wohingegen
MODY 4 eine intermediäre Stellung
zwischen den drei genannten MODYFormen und MODY 2 einnimmt. Bei
MODY 1 und insbesondere MODY 3
sprechen die Beta-Zellen zunächst gut
auf Sulfonylharnstoffe an. Diese Therapieform kann oft sogar jahrzehnte
lang fortgesetzt werden, jedoch muss
beachtet werden, dass aufgrund extrem ausgeprägter Sensitivität gegenüber Sulfonylharnstoffen rezidivierende Hypoglykämien auftreten
können. Bei weiter nachlassender In-
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 Heft 13
 26. März 2004
Deutsches Ärzteblatt
M E D I Z I N
sulinproduktion ist eine Insulintherapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip anzustreben. Zur Vermeidung von Spätkomplikationen ist das Therapieziel,
die normnahe Glykämie mit möglichst
normalem HbA1c-Wert zu erreichen.
Bei MODY 4, 5 und 6 ist eine Insulintherapie empfehlenswert.
Praktische Konsequenzen
Die Kenntnis der MODY-Gene und
die Identifizierung von betroffenen Familien muss Konsequenzen haben: Betroffene Familienmitglieder, hier besonders Kinder und Jugendliche, sind
nach exakter Diagnosestellung engmaschig zu beobachten. Andererseits
kann der Nachweis des Wildtyps bei
Familienmitgliedern dazu führen, dass
eine entsprechende Vorsorge nicht erforderlich ist.
Aus psychosozialer Sicht kann der
Nachweis pathologischer Hyperglykämien in jugendlichem Alter oder
kurz nach der Geburt zu erheblichen
Belastungen der Betroffenen und ihrer
Familienmitglieder führen, die auf der
Befürchtung basiert, dass die möglicherweise notwendige Therapie mit Insulin lebenslange Einschränkungen
nach sich ziehen wird. Vor diesem Hintergrund, und insbesondere vor den
sich daraus ableitenden therapeutischen Konsequenzen, ist die korrekte
Diagnosestellung und klare Abgrenzung vom Typ-1- (und Typ-2-) Diabetes-mellitus mit anschließender ausführlicher Aufklärung besonders wichtig.
Bei Identifikation eines MODYDiabetes können sich jedoch für den
betroffenen Menschen noch weitere
Konsequenzen ergeben. Eine humangenetische Beratung ist hier indiziert.
Die Kenntnis einer Mutation erlaubt
auch bei Angehörigen eine prädiktive
Diagnostik. Genetische Tests sind noch
ziemlich aufwendig und deshalb auch
teuer. Sie zielen in erster Linie auf den
Nachweis oder Ausschluss von Mutationen im Glukokinase- und HNF-1alpha-Gen, die circa 70 bis 80 Prozent aller Mutationen ausmachen. Der Nachweis einer Mutation im GlukokinaseGen stellt einen vergleichsweise benignen Befund dar, da der nachfolgende
Diabetes mellitus mild und nicht progredient ist und Komplikationen extrem selten zu erwarten sind. Besonders im Falle einer Schwangerschaft
kann jedoch die Glukokinase-Genmutation ein ernstzunehmendes Risiko
mit sich bringen. Neben engmaschigen
Kontrollen muss beim Auftreten von
Gestationsdiabetes nach Versagen diätetischer Maßnahmen häufig auf Insulin zurückgegriffen werden.Trotz oftmals erforderlicher hoher Insulindosierung während der Schwangerschaft lässt sich die Hyperglykämie bei
Müttern mit Glukokinase-Genmutation postpartum zumeist sehr effizient
durch Diät oder geringe Dosen oraler
Antidiabetika behandeln. Im Gegensatz dazu hat die Erstmanifestation eines Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft eine schlechtere Prognose und
erfordert nicht selten die Fortsetzung
einer Therapie mit Insulin. Patienten
mit anderen Mutationen sollten ebenfalls engmaschig kontrolliert werden,
um rechtzeitig eine adäquate Therapie
einleiten zu können.
Der Kollege Prof. Dr. H. C. Fehmann starb während der
Revision des Manuskripts. Die Überarbeitung wurde
daraufhin von Dr. M. Strowski, Berlin, und Prof. Dr. B.
Göke, München, übernommen, die langjährige Kollegen und Freunde des Verstorbenen waren. Sie wurden
beraten von Frau Prof. Dr. U. Plöckinger, Berlin, und Dr.
M. Epe, Hamburg. Alle Beteiligten werden sich an Prof.
Dr. Fehmann als vorzüglichen Menschen und engagierten Arzt und Wissenschaftler erinnern.
Manuskript eingereicht: 6. 1. 2003, revidierte Fassung
angenommen: 8. 12. 2003
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2004; 101: A 860–867 [Heft 13]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet
unter www.aerzteblatt.de/lit1304 abrufbar ist.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Mathias Z. Strowski
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie, Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Virchow-Klinikum
13353 Berlin
E-Mail: [email protected]
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DISKUSSION
zu dem Beitrag
Stellenwert der primären
Chemotherapie beim
Mammakarzinom
von
Prof. Dr. med. Bernd Gerber
Priv.-Doz. Dr. med.
Gunter von Minckwitz
Dr. med. Günter Raab
Dr. med. Martin Schütte
Prof. Dr. med. Jörn Hilfrich
Prof. Dr. med.
Jens-Uwe Blohmer
Dr. med. Serban Costa
Dr. med. Holger Eidtmann
Priv.-Doz. Dr. med.
Christian Jackisch
Priv.-Doz. Dr. med.
Andreas du Bois
Prof. Dr. med.
Manfred Kaufmann
in Heft 37/2003
Prätherapeutische
Testmethode
Es ist wirklich lobenswert, wenn bezüglich der sehr eingreifenden und
präoperativ allenfalls relativ indizierten Chemotherapie vom Prinzip des
Versuchs und Irrtums abgewichen
wird. So erfolgt hier kein Ersatz der
kausal nicht nachvollziehbaren Medizin durch einen Schematismus wie
vonseiten der evidenzbasierten Medizin vorgeschlagen wird, sondern es findet eine Individualisierung statt in
Form einer Prüfung des Ansprechens
auf die Behandlung und der Prognose
für den Patienten.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob
dies nur als In-vivo-Chemosensitivitätstest möglich ist, dessen Ergebnis
erst nach einer Versagensquote von im
Mittel circa 75 Prozent vorliegt. In der
Mehrzahl der Fälle muss anschließend
mit der nächsten Chemotherapie doch
wieder ins Blaue hinein behandelt
werden. Ein solcher Fatalismus mit
eventuell tödlichen Folgen könnte nur
akzeptiert werden, wenn es keine an-
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