POLITIK 5 F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U NG , 2 6 . F E B RUA R 2 0 1 2 , N R . 8 7000 Becks Das Politikerbuch: Der Ghostwriter schreibt es, die Partei kauft es, nach dem Wahlkampf verstaubt es. Es gibt zwei Sorten von Politikerbüchern. Die einen werden gekauft, die anderen nicht. Die Deutschen kaufen Altkanzler und Altgediente, von Kohl bis Fischer. Und die Neuen, Verheißungsvollen: Barack Obamas „Amerikanischer Traum“ verkaufte sich 390 000 Mal, von Joachim Gaucks Memoiren wurde der Verlag 200 000 Stück los. Gerade druckt er nach. Der Rest ist kläglich. Die Politikerbiografie als Bewerbung, eilig zusammengeschraubt aus Kindheitserinnerungen und Wahlprogramm – nur wenige kaufen sie und noch weniger lesen sie. Mehr als ein paar tausend Stück kriegen die Verlage nur selten los. FrankWalter Steinmeiers Selbstbespiegelung „Mein Deutschland. Wofür ich stehe“ war ein krasses Verlustgeschäft, zumal Steinmeier ein hohes Honorar erhalten haben soll. Der C.-Bertelsmann-Verlag behauptete bis zuletzt, 60 000 Stück verkauft zu haben, dabei waren es laut dem Marktforschungsunternehmen Media Control noch nicht einmal 6000. Der Verlagsleiter Johannes Jacob gestand nun ein, dass man zu optimistisch war und zu viel ausgeliefert habe, denn das Medienecho war groß im Frühjahr 2009. Es stand die Bundestagswahl an, Steinmeier war Kanzlerkandidat. Dann aber kam die „harte Die Bücher stapelten sich im Willy-BrandtHaus. Irgendwann wurden sie entsorgt. Foto Dieter Rüchel,Vorlage Getty Images Bauchlandung“: Nach nur zwei Monaten brach der Verkauf ein. Bei C. Bertelsmann habe man gelernt: „Vorsicht mit politischen Büchern im Wahlkampf.“ Immerhin nahm die SPD 1000 Exemplare ab, die sie als Wahlkampfmittel einsetzte. Noch großzügiger war der SPD-Parteivorstand im Jahr zuvor, unter Kurt Beck als Vorsitzendem. Da hat Beck die Biografie von Beck subventioniert. Ein Buch, das es wie viele Politikerbücher auf dem freien Markt nicht geschafft hätte. Es begann mit einem Anruf vom Pendo-Verlag aus München. Verleger Christian Strasser wollte wissen, ob Beck ein Buch schreiben wolle. Sein Büroleiter im Willy-Brandt-Haus, Wolfgang Wiemer, hielt das für eine gute Idee: So könnte man Beck in der Hauptstadt bekannter machen. Beck sah sich damals noch als Kanzlerkandidaten. Der Verleger fragte, ob sich die Partei beteiligen würde, eine größere Abnahme garantieren könnte. Das sei üblich in der Branche, anders sei das Buch nicht zu finanzieren. Am 8. Juli 2008, das Buchprojekt war schon in vollem Gange, wurde der Autorenvertrag unterzeichnet. Darin stand, worum es in dem Buch geht und dass es von einer Ghostwriterin geschrieben wird, einer Journalistin, der Kurt Beck sein Leben erzählte. Im Paragraph 15 hieß es, die SPD werde 7000 Exemplare zu einem Preis von je neun Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer übernehmen. Macht 67 410 Euro aus der Kasse der Sozialdemokraten. Ein Honorar bekam Beck nicht, stattdessen ging der Teilerlös für die verkauften Bücher an den „Verein zur Unterstützung Gemeindenaher Psychiatrie in Rheinland-Pfalz“, den Becks Frau gegründet hat. Der Verlag machte Werbung und versicherte, es gebe keinen Ghostwriter, Beck schreibe selbst. „Ein bewegendes Buch aus dem Leben eines sympathischen Menschen, der derzeit in der deutschen Politik wohl die schwerste Last zu schultern hat.“ In der Vorankündigung hieß es weiter: Wenn es jemandem gelingen könne, der Partei zu neuer Kraft zu verhelfen und die auseinanderstrebenden Flügel zusammenzuführen, dann Beck. Gerhard Schröder sollte das Buch vorstellen. Es kam anders. Am 7. September 2008 legte Beck den Parteivorsitz nieder und kehrte aus dem Berliner Wolfsrudel ganz in die Landespolitik zurück. Dann trafen 7000 Beck-Biografien im WillyBrandt-Haus ein. Dort standen sie eine Weile herum. Dann entsorgte sie der Vorstand nach RheinlandPfalz. Dort werden die Bücher seitdem an Parteimitglieder verschenkt, zu Geburtstagen und Jubiläen. Erst jetzt, nach vier Jahren, geht der Beck-Vorrat der rheinland-pfälzischen SPD allmählich zur Neige. Hätte der Pendo-Verlag sich nicht von der SPD alimentieren lassen, wäre der wirtschaftliche Schaden groß gewesen. Denn nur 4000 Stück wurden auf dem regulären Buchmarkt verkauft. „Beck blieb hinter den Verkaufserwartungen zurück“, sagt Claus-Martin Carlsberg. Er war Sprecher von verschiedenen Publikumsverlagen und hat schon die Memoiren von Kohl, Schröder und den Clintons beworben. Eine Garantieabnahme vorher mit der Partei klarzumachen sei nicht unüblich. „Das ist Teil der Kalkulation.“ Politiker schrieben meist nicht selbst, dazu fehlten Zeit und oft auch Talent. Dafür hätten sie ja Assistenten und Lektoren. Und Pendo-Verleger Strasser sagt: „Bücherverkaufen ist sauschwer geworden. Deswegen fragt man bei einer Partei oder Firma an, der das Buch nützen könnte.“ Davon lebten die Verlage. Und die Parteien schmücken sich mit den großen Namen der renommierten Verlagshäuser. Für einige der großen Verlage kommen aber Garantieabnahmen von Parteien nicht infrage, sie haben das stromlinienförmige Angebot gar nicht, das den Parteien gefällt. Andere machen es, streiten es aber vehement ab, wie ein linker Berliner Verlag, der einem Mitglied der Linkspartei eine Parteiabnahme in den Autorenvertrag hineinschrieb, ohne das vorher abzu- Foto Dieter Rüchel, Vorlage Helmut Fricke sprechen. Dabei war es nicht mal ein politisches Buch. Der Autor strich die Passage wieder heraus. Ministerpräsidentenbücher werden immer gerne verschenkt, 500 Exemplare von Roland Kochs „Konservativ“, erschienen im Herder-Verlag, gingen an die hessische CDU, auch die Grünen in BadenWürttemberg haben immer ein paar Dutzend Kretschmann-Biografien da und bestellen regelmäßig nach. Auch bei Parteitagen liegen sie auf Büchertischen aus. Die Grünen als Buchhändler, die Mitglieder als Zielgruppe. Der Münchner Olzog-Verlag schildert das Prinzip so: Wenn der Verleger ein Buch in Gang bringt, „bemühen wir uns, sofern sich das Projekt dazu anbietet, um Abnehmer für das Buch auch außerhalb Hätte die CDU nicht in Rüttgers’ Fotoband investiert, hätte es ihn nie gegeben. des Buchhandels. Dabei wenden wir uns an potentielle Interessenten, seien es zum Beispiel Bildungsinstitutionen, Unternehmen, Parteien.“ Man handele eventuell einen Preis für ein Abnahmekontingent aus und liefere die bestellten Bücher. „Das ist ein vollkommen normaler und einwandfreier Vorgang und für viele kleine Verlage ein wichtiger Vertriebskanal.“ Ähnlich läuft das bei Klartext, „dem Verlag im Ruhrgebiet“. Der gab vor zwei Jahren einen Fotoband über den damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers her- aus, auf Bestellung der CDU, die 750 Stück davon kaufte. Ohne die Partei, so Verleger Ludger Claßen, hätte es den Bildband nie gegeben. Die Gutenbergbibel wäre ohne Sponsor auch nicht entstanden, scherzt er. Die Brandenburger SPD hat nicht nur etwa ein Zehntel der verkauften Auflage von Matthias Platzecks „Deutsche Fragen, ostdeutsche Antworten“ abgenom- men, sondern bewirbt das Buch prominent auf der Homepage des Landesverbandes: in der Rubrik „Politik“, direkt unter dem Punkt „Abgeordnete“. Dort kann man es mit einem Klick bestellen. Der Verlag: Hoffmann und Campe, der schon 5000 Wulff-Bücher an die niedersächsische CDU lieferte und Anzeigen für das Buch mit Maschmeyer-Geld bezahlte. Kritiker der Abnahmepraxis gibt es kaum. Im Bundestag beschafft man Bücher für die Öffentlichkeitsarbeit, wenn sie überparteilich und allgemein über den Bundestag informieren. Allerdings hat man 2002 fünfzig Exemplare der Festschrift für die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth „Unterwegs mit Visionen“ gekauft. Heute sind selbst solch kleine Mengen tabu: Seit Norbert Lammert Bundestagspräsident ist, dürfen gar keine Bücher von ihm für die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments gekauft werden. Aber was passiert mit den ganzen Bücherbergen, wenn die Wahlen gelaufen und die Jubilare versorgt sind? Sie landen bei Amazon. Dort bietet einer das Beck-Buch an: „Doppeltes Geschenk, noch originalverpackt in Folie mit rückwärtigem Preisaufkleber 19,90. Das Geschenk!“ Classique Kollektion VO N LY D I A R O S E N F E L D E R www.breguet.com W E I T E R E I N F O R M AT I O N E N E R H A LT E N S I E B E I B R E G U E T I N D E U T S C H L A N D +49 6173 – 606.310