DOI:10.1002/biuz.200610372 Massensterben von Dinosauriern & Co. am Ende der Kreidezeit: Auf der Suche nach dem großen Knall W OLFGANG S TINNESBECK Mehrfach kam es in der Erdgeschichte zum Kollaps ganzer Ökosysteme und dem Verlust von bedeutenden Anteilen der Lebewelt. Eine dieser Zäsuren ereignete sich vor etwa 65 Millionen Jahren und führte zum Aussterben der Dinosaurier, der Flug- und Meeressaurier und vieler weiterer Organismengruppen. Die Ursachen der Katastrophe sind trotz einer fast 30jährigen Diskussion immer noch nicht endgültig geklärt. Allerdings scheint es so zu sein, dass das Massensterben am Ende des Mesozoikums den Aufstieg der Säugetiere und letztendlich unsere eigene Entwicklung erst ermöglichte. A B B . 1 Vor etwa 65 Millionen Jahren muss ein riesiger Meteorit im Süden Mexikos aufgeschlagen sein - dabei entstand ein Krater mit bis zu 180 km Durchmesser. Aber löste diese Katastrophe auch das große Artensterben und damit das Ende der Kreidezeit aus? Bild: © DX - Fotolia.com 2 | Biol. Unserer Zeit | 4/2008 (38) © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim K R E I D E-T E R T I Ä R- G R E N Z E Der Yucatan-Krater und das Ende der Dinosaurier Zu sehen ist von der erdgeschichtlichen Katastrophe in Yucatan freilich wenig. Gesteine aus der fraglichen Zeit liegen heute tief verborgen unter hunderten von Metern jüngerer Sedimente. Um an sie zu gelangen und direkten Aufschluss über das Ausmaß und die Folgen der kosmischen Katastrophe zu erhalten, muss man aufwändige Tiefbohrungen durchführen, oder man vertraut auf indirekte geophysikalische Untersuchungsmethoden, welche aber geologisch unterschiedlich interpretiert werden können. Jedenfalls wurde der riesige Einschlagskrater in Yucatan erst relativ spät gefunden. Alan Hildebrands’ Artikel erschien 1991,immerhin mehr als 13 Jahre nach der Formulierung der Asteroideneinschlag-Hypothese durch Luis und Walter Alvarez [1, 2]. In seinem Artikel fasste Hildebrand nicht nur geophysikalische Hinweise auf einen Einschlagskrater im Untergrund Yucatans zusammen, sondern er postulierte auch einen direkten Bezug zwischen diesem Krater und dem Ende der Dinosaurier. Allerdings basierte seine Einschätzung auf lediglich einer einzigen Gesteinsprobe aus einer Bohrung, welche die mexikanische Ölgesellschaft PEMEX in den 1960er Jahren in der Gegend von Merida an der Nordküste Yucatans unternommen hatte. Schon bald aber bekam Hildebrand Unterstützung von Geologen, die Geländeuntersuchungen in Texas und Nordost-Mexiko durchführten. Dort nämlich kommen die Schichten des Überganges zwischen Kreideund Tertiärzeit auch an der Erdoberfläche vor. Bereits © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ein Jahr später,1992,formulierte der Holländer Jan Smit die These, dass Gesteine der Lokalitäten El Peñón und El Mimbral in Nordost-Mexiko (Abbildung 3) mit dem Asteroidenkrater in Yucatan in Verbindung stehen könnten [3]. Eine mehrere Meter mächtige Einheit von Sandsteinen im K/T-Übergang dieser Profile soll danach durch einen Mega-Tsunami abgelagert worden sein,der seinen Ursprung in Yucatan hatte. Schichten aus Glaskügelchen – so genannte Sphärulithe – an der Basis der Sandsteine stellen Gestein dar, welches beim Einschlag in Yucatan aufgeschmolzen und bis nach Nordost-Mexiko geschleudert wurde. Damit wäre die ganze, mehr als 8 m mächtige Gesteinsabfolge innerhalb weniger Stunden gebildet worden. Direkt oberhalb der Sandsteine lagern Tonmergel und enthalten bereits Mikrofossilien des frühen Tertiär. Sie müssen also jünger sein als der Einschlag.Smits’Tsunami-Hypothese stellt damit einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Einschlag und dem Massensterben an der K/T-Grenze her [3,4]. Die berühmte Sphärulithschicht – bis zu 5 mm große Kügelchen aus aufgeschmolzenem Gestein – ist für einen Laien ziemlich unansehnlich(siehe auch Abbildung 4 e und f). Trotzdem hat ein japanisches Museum einen großen Block aus der Wand herausgesägen lassen, denn die Glaskügelchen sind eine wissenschaftliche Rarität: Tröpfchen von Gestein aus dem Untergrund Yucatans, aufgeschmolzenen durch die Energie des Einschlages.Von dort wurden sie weit in die Stratosphäre hinaufgeschleudert und 800 km weit nach ABB. 2 D I E F Ü N F G LO BA L E N M A S S E N S T E R B E N D E S PH A N E RO ZO I KU M S 800 Anzahl Familien ährt man heute durch die dichten Urwälder in der Ebene zwischen Merida und Chichen Itza im Norden der Yucatan-Halbinsel, so erinnert nichts daran, dass sich in dieser Gegend im Süden Mexikos vor etwa 65 Millionen Jahren eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes abgespielt haben muss: Die Kollision des Erdballs mit einem riesigen Meteoriten (Abbildung 1) schuf hier am Ende der Kreidezeit einen Krater, dessen Durchmesser bis zu 180 km betragen haben könnte. Eine weltweite Feuerwalze und gigantische Flutwellen sollen die Folge des Einschlages gewesen sein. Aufgewirbelter Staub und Ruß – so die gängige Lehrmeinung – hätten zu einer totalen Verdunkelung der Atmosphäre geführt und einen weltweiten Zusammenbruch der Nahrungsketten zur Folge gehabt [1].Innerhalb von Tagen bis Wochen sollen annähernd 70 % der Tierarten im Meer und auf den Kontinenten an Hunger und Kälte zugrunde gegangen sein, unter ihnen die Dinosaurier, die Flug- und Meeressaurier, die Ammoniten und Belemniten, die Rudisten sowie ein Großteil des marinen Planktons. In der Geologie ist diese Zäsur seit langem bekannt. Mit dem globalen Massensterben an der Kreide/Tertiärgrenze ging die Ära des Mesozoikums zu Ende (Abbildung 2). F | PA L Ä O N TO LO G I E 5 600 1 2 3 400 4 200 0 V 600 O S D 500 400 C 300 P Tr J 200 K T 100 0 Geologische Zeit (1) Ordovizium/Silurgrenze; (2) Frasne/Famennegrenze; (3) Perm/Triasgrenze; (4) Trias/Juragrenze; (5) Kreide/Tertiärgrenze. An der Kreide/Tertiär (K/T)Grenze vor etwa 65 Millionen Jahren kam es zur Eliminierung von 40 bis 50 % der Gattungen und 75 % aller Arten, so unter anderem von Dinosauriern, Flugsauriern, Plio- und Plesiosauriern, Ammoniten, Belemniten, Rudisten (riffbildende Muscheln) sowie einem Großteil des kalkigen Planktons. www.biuz.de 4/2008 (38) | Biol. Unserer Zeit | 3 Grabgängen und Fressbauten von Krebstieren und Würmern in den 30° Sandsteinen, die doch durch TsunaMoscow Landing USA miwellen abgelagert worden sein Site 1049 Shell Creek Brazos River sollten. Das Auftreten dieser Mee30° Blak Nose restiere zeigt deutlich, dass die Ablagerung langsam und in zahlreiMexiko chen Einzelschritten erfolgt sein muss, vermutlich über einen ZeitRancho Nuevo La Sierrita Golf von Mexiko raum von hunderten oder sogar Loma Cerca El Penon tausenden von Jahren. Ein Tsunami El Mulato La Lajila hätte die Schichten dagegen in weEl Mimbral Kuba Estructura de Chicxulub Haiti nigen Stunden gebildet.Krebse,MuTlaxcalantongo 20° Coxquihui scheln oder Würmer hätten in dieBeloc sem Fall keine ÜberlebensmöglichBelize Abion Island keiten gehabt, sondern wären Armenia Site 1001 Actela Bochil San Jose plötzlich unter Tonnen von SediSanta Teresa Trinitaria ment begraben worden. Die häufiEl Caribe Guatemala Honduras gen und diversen Lebensspuren beSite 999 legen daher einwandfrei, dass die Sandsteine von Peñón über einen Orte mit Sedimentgesteinen des K/T-Übergangs in der weiteren Umgebung des Chicxulubgeologisch gesehen langen ZeitAsteroiden-Einschlagskraters in Yucatan, Mexiko. raum zur Ablagerung kamen. Damit trennen sie die Schichten mit GlasNordwesten verfrachtet, bevor sie auf die Meeresober- kügelchen unterhalb der Sandsteine zeitlich von dem fläche bei El Peñón aufschlugen und durch 400 m tie- Massensterben,welches erst nach deren Ablagerung erfes Wasser auf den Boden herabsanken. Ähnliche Kü- folgte [7]. gelchen wurden in ganz Zentralamerika entdeckt und Trotz dieser kritischen Belege änderte sich an der mittels radiometrischer (39Ar/40Ar) Messungen auf ein öffentlichen Meinung nichts. Es könne sich unmöglich Alter von 64,9 bis 65,3 Millionen Jahren datiert [5]. um Lebenspuren handeln, wurde uns geantwortet, da Als diese Alterdaten in den Jahren 1992 und 1993 die fraglichen Gesteine ja zweifelsfrei als Einschlag-Tsuvorlagen, schien eigentlich alles klar zu sein. Der Yuca- namiablagerungen erkannt worden seien. Auf Fachtatan-Asteroid musste einfach Schuld sein am Tod der Di- gungen waren fast alle Teilnehmer derart überzeugt, nosaurier. Die Hypothese wurde umgehend von den das Rätsel des Dinosaurierendes endlich gelöst zu haMedien aufgegriffen und zum wissenschaftlichen Fak- ben, dass es keiner weiteren Diskussionen mehr betum gemacht. Nicht nur in Hollywood-Filmen wie „Ar- durfte. mageddon“ und „Deep Impact“ wurde sie als Tatsache Das Alter der Glaskügelchen dargestellt, sondern auch in der wissenschaftlichen LiDie entscheidenden Entdeckungen machten wir in den teratur. So war die Sachlage, als ich gemeinsam mit den Kol- späten 1990er Jahren, ebenfalls wieder in El Peñón und legen Gerta Keller von der Universität Princeton in an anderen Lokalitäten in Nordost-Mexiko. Im Rahmen New Jersey, USA, und Thierry Adatte von der Universi- von Diplomarbeiten hatten wir die kreidezeitliche tät Neuchâtel,Schweiz,die ersten Zweifel an durch den Schichtfolge unterhalb der K/T-Grenze systematisch Einschlag ausgelösten Tsunamis und dem Alter des Ein- auskartiert und auf einer Distanz von mehr als 120 km schlagkraters auf Yucatan formulierte. Als unser Aufsatz detailliert vermessen. Dabei stellten wir fest, dass unEnde 1993 in der renommierten geowissenschaftlichen terhalb der Sandsteine weitere Sphärulithlagen in die Zeitschrift Geology erschien, wurden wir belächelt Sedimente des Oberkreidemeeres eingeschaltet waren. und als altmodisch hingestellt [6]. Als wir wenig später Zu Beginn betrachteten wir diese Entdeckungen voller versuchten, unsere Daten auf einer internationalen Ge- Skepsis – vielleicht handelte es sich ja nur um Schichtländetagung vorzutragen, war der Erfolg nur gering. verdoppelungen durch Gleitrutschungen lockerer Einzelne Kollegen gingen sogar so weit, unsere wissen- Sedimente am Meeresboden, ähnlich wie bei einer in Falten gelegten Tischdecke. Oder konnte es sich um schaftliche Qualifikation in Abrede zu stellen. tektonische Gesteinsbewegungen während der GeErste Erfolge birgsbildung handeln? Nach und nach aber fanden wir Gesteinsproben aus dem Peñón-Steinbruch und ande- die zusätzlichen Schichten mit Glaskügelchen in dutrer Lokalitäten in der Region zeigen eine Reihe von zenden von Aufschlüssen, zum Teil bis zu 10 m unter- ABB. 3 4 | Biol. Unserer Zeit | 4/2008 (38) www.biuz.de © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim K R E I D E-T E R T I Ä R- G R E N Z E halb der Basis der Sandsteine. Auch heute, nach mehr als 65 Millionen Jahren, liegen sie in ihrer horizontalen Position, ungestört durch Erdbeben, Hebungen oder Gebirgsbildung. Rutschungen, tektonische Verschiebungen oder Auffaltung schieden also als Ursachen für die tiefer liegenden Sphärulith-Schichten aus; vielmehr musste es sich um wirkliche Sedimentlagen handeln, die zum Teil über viele Kilometer in die feinen Schlicksedimente des Oberkreidemeeres eingeschaltet sind. Kurz aufeinander folgende Einschläge unterschiedlicher Asteroiden in ein und derselben Region kamen als Ursache der wiederholten Sphärulithlagen ebenfalls nicht in Frage. Dazu war die Chemie der Glaskügelchen zu einheitlich und die Wahrscheinlichkeit solcher gezielter Einschläge einfach zu gering. Aus den vorhandenen Daten leiteten wir folgendes Szenarium ab (Abbildung 4): Nach dem Einschlag in Yucatan und dem ballistischen Transport fielen heiße Glaskügelchen bei El Peñón und andernorts ins Meer, sanken auf den Meeresboden hinab und bildeten eine zusammenhängende Schicht. Diese originären Sphärulithe sind in die normalen Meeresablagerungen der Oberkreide eingeschaltet.Aufgrund der in diesen enthaltenen Mikrofossilien mussten die Glaskügelchen etwa 200 000 bis 300 000 Jahre vor dem Massensterben gebildet worden sein. Zu späteren Zeiten allerdings, und zwar nach tausenden von Jahren, wurden die abgelagerten Kügelchen häufig wieder freigelegt und durch Strömungen in tiefergelegene Meeresbereiche befördert. Dies erklärt das Auftreten zusätzlicher Sphärulithlagen in höheren Profilbereichen, beispielsweise die zunächst entdeckte Schicht unmittelbar unterhalb der Sandsteine [8]. Damit hatten wir den lang gesuchten Beweis gefunden. Der Asteroideneinschlag in Yucatan ABB. 4 | PA L Ä O N TO LO G I E G EO LO G I S C H E S PRO F I L D E R S E D I M E N TA B FO LG E I N E L PE Ñ Ó N b c d a e f a) Mit grüner Farbe sind Schichten mit so genannten Sphäruliten – kleinen Kügelchen von geschmolzenem Gestein – dargestellt. In El Peñón und anderen Lokalitäten in Nordost-Mexiko befinden sich diese Schichten eingeschaltet in kalkig tonige Meeresablagerungen der obersten Kreidezeit. Bei der ältesten dieser Schichten, in der Abbildung ganz unten, handelt es sich um die originäre Ablagerung; sie erfolgte etwa 200.000 bis 300.000 Jahre vor der K/T-Grenze und zeigt das Alter des Impaktes an. Alle weiteren Sphärulithschichten entstanden durch Freilegung der ursprünglichen Schicht durch Wasserströmungen. Die Sphärule wurden umlagert und an anderer Stelle erneut sedimentiert. b) Kalksteinbank, die in umgelagerte Sphärulithe eingeschaltet ist. Kalksteine entstehen durch langsame Ablagerung feinen Kalkschlammes. c) Wohnbau eines Krebses in der oben genannten Kalkschicht. Sie zeigt, dass der Meeresboden bewohnt war und dass die Ablagerung der Sphärulithe zu unterschiedlichen Zeiten erfolgte, getrennt durch den Kalkstein. Es kann sich also nicht um schnelle Ablagerungen durch einen Tsunami handeln. d) Fressbauten von Würmern (Chondrites) und Wohnbauten von Krebsen (Thalassinoides). Diese Spurenfossilien belegen, dass der Meeresboden über lange Zeiträume besiedelt war. Der Sandstein kann also nicht durch ein plötzliches Ereignis abgelagert worden sein. e und f) Sphärule aus der untersten (originären) Sphärulithschicht. Diese Kügelchen entstanden beim Einschlag des Asteroiden in Yucatan durch Aufschmelzen von Gestein. Sie wurden ballistisch bis nach Nordost-Mexiko verfrachtet und sanken dort auf den Meeresboden herab. © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 4/2008 (38) | Biol. Unserer Zeit | 5 ABB. 5 K R I T I S C H E S I N T E RVA L L AU S D E M YA X CO P O I L- B O H R K E R N I N Y U C ATA N Mergelkalk, offen marin mit planktonischen Foraminiferen (P. eugubina, P1 a, frühes Paläozan Glaukonitschicht an der KT-Grenze bioturbierter Dolomit mit planktonischen Foraminiferen (CF1, spätes Maastricht) Dolomit mit Schrägschichtung und planktonischen Foraminiferen (CF1, spätes Maastricht) musste älter sein als die K/T-Grenze und das weltweite Massensterben. Auch konnte dieser Einschlag nicht ganz so katastrophal gewesen sein, wie immer behauptet worden war. Aus den letzten 200 000 bis 300 000 Jahren der Kreidezeit sind keine plötzlichen Massensterben bekannt. An der K/T-Grenze selbst muss es zu einem weiteren Einschlag gekommen sein, denn in Schichten diesen Alters finden wir eine weltweite Anreicherung des Elementes Iridium und erst hier kam es zu dem bekannten Massensterben. Der zugehörige Krater bleibt unbekannt. Er könnte irgendwo auf der Welt unter jüngeren Schichten begraben, aber auch bereits wieder erodiert worden sein. Genauso gut aber könnte der Einschlag im offenen Ozean erfolgt und der entsprechende Meeresboden aufgrund späterer plattentektonischer Bewegungen unter Kontinentplatten subduziert (verschluckt) worden sein. Unsere Ergebnisse wurden in den Jahren 2001 und 2002 veröffentlicht [8,9]. Trotzdem blieben die meisten Fachkollegen davon überzeugt, dass nur der Einschlag in Yucatan als globaler Killer in Frage käme. Der Bohrkern aus dem Yucatan-Krater Dolomit, rekristallisiert Der Kern besitzt eine Länge von etwa 70 cm und enthält die obersten Zentimeter der Impaktbrekzie (ganz unten), sowie überlagernde dolomitische Kalksteine des späten Maastricht (die letzten 200.000-300.000 Jahre der Kreidezeit) und des frühen Paläozäns (ältestes Tertiär). Die K/T-Grenze ist durch eine dunkelgraue, glaukonit-reiche Tonlage gekennzeichnet. Der Kalkstein wurde langsam, d.h. über geologische Zeiträume, im ruhigen Wasser eines offenen Meeres abgelagert. Dafür sprechen das feine, von Organismen verwühlte Sediment, die planktonischen Foraminiferen und das Tonmineral Glaukonit. 6 | Biol. Unserer Zeit | 4/2008 (38) www.biuz.de Ein Bohrkern aus dem Yucatan-Krater selbst war zwingend erforderlich, um die Gründe für das Aussterben der Dinosaurier zu ermitteln. Mehr als eine Dekade nach der Entdeckung des Kraters in Yucatan stellte das Internationale Kontinentalbohrprogramm (ICDP) mehrere Millionen Dollar zur Verfügung, um nahe der Stadt Merida eine Forschungsbohrung abzuteufen. Sie sollte die letzten Zweifel darüber ausräumen, ob dieser Einschlag für das globale Massensterben am Ende der Kreidezeit verantwortlich war. Die Bohraktivitäten begannen am 9. Dezember 2001 auf einer Hacienda namens Yaxcopoil, etwa 60 km vom Zentrum des Kraters entfernt. Bis zum April 2002 wurde ein © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim K R E I D E-T E R T I Ä R- G R E N Z E Kern von insgesamt 1511m erbohrt und anschließend zur Nationaluniversität in Mexiko-Stadt (UNAM) transportiert. Dort wurde der Bohrkern der Länge nach durchgesägt und in 1m lange Stücke geschnitten. Eine Hälfte wurde archiviert und die andere Hälfte für wissenschaftliche Untersuchungen freigegeben. Zwischen 794 und 894 m Tiefe enthält der Yax-1Bohrkern ein 100 m mächtiges, buntes Gemisch zertrümmerter und partiell aufgeschmolzener Gesteine sowie Schmelzkügelchen. Diese Diese so genannte Brekzie entstand durch die gewaltigen Energien beim Einschlag des Asteroiden (Abbildung 5). Unterhalb der Brekzie lagern ältere kreidezeitliche Sedimentgesteine, die in einer flachen Lagune mit extrem hohen Salzgehalten gebildet wurden. Oberhalb der Brekzie und damit jünger als der Einschlag lagert eine 50 cm dicke Schicht aus Kalkstein, welcher im offenen Meer abgelagert wurde und die Kalkschalen von planktonischen Foraminiferen enthält. Diese einzelligen Mikroorganismen (<1mm) sind in den meisten Meeresablagerungen enthalten und werden von den Paläontologen häufig zur Altersdatierung von Sedimentgesteinen verwendet. Die Arten, die wir innerhalb der 50 cm dicken Schicht aus Kalkstein identifizierten, lebten vor dem Ende der Kreidezeit und starben erst an der K/T-Grenze aus. Die ältesten tertiären Foraminiferen tauchten im Bohrkern erst darüber auf, und zwar unmittelbar oberhalb einer dünnen (1cm) Schicht aus grünem Ton [10,11]. Die kritischen 50 cm Die Resultate aus Nordost-Mexiko werden damit durch den Yaxcopoil-Bohrkern bestätigt. Sie zeigen, dass der Yucatan-Impakt zeitlich vor der K/T-Grenze erfolgte und damit das Massensterben nicht verursachen konnte. Entscheidend für diese Bewertung sind dabei der 50 cm dicke Kalkstein und die darin enthaltenen planktonischen Foraminiferen der Kreidezeit. Sie belegen, dass der Ozean bei Yucatan auch nach Bildung des Impakt-Kraters noch reichlich Mikroplankton enthielt und dass die Artenvielfalt erst wesentlich später abfiel, nämlich an der tatsächlichen K/T-Grenze. Wir stellten diese Ergebnisse im April 2003 auf dem Europäischen Geowissenschaftlichen Kongress in Nizza vor und lösten sofort eine hitzige Debatte aus. Dabei geht es um zwei unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bezüglich des Kalksteines: (1) Jan Smit und andere Kollegen schlugen vor, dass dieser innerhalb von Stunden durch schnell zusammen geschwemmtes Material aus der Umgebung des Kraters gebildet wurde. Oder aber, (2) die Ablagerung erfolgte langsam und durch normale geologische Ablagerungsprozesse. Dann ist der Yucatan-Krater älter als die K/T-Grenze. Die Natur und die Ablagerungsbedingungen der 50 cm dicken Kalkschicht werden damit zu einem kritischen Test für das Alter des Asteroideneinschlages. Das schnelle Zusammenschwemmen von Kratersedi© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | PA L Ä O N TO LO G I E ment erfordert hohe Wasserenergien und Strömungen. Durch Tsunamiwellen wird Sediment aus dem umgebenden Ringwall herausgeschwemmt und ins Kraterinnere verfrachtet. Für ein solches Szenarium gibt aber keinerlei Hinweise, etwa Gesteinsbruchstücke oder feineres Sediment aus der Impaktbrekzie. Im Gegenteil, ein Großteil des Kalksediments besteht aus mikroskopisch feinen Partikeln und ist sehr fein geschichtet,ähnlich wie die Seiten eines Buches. Diese Form der Ablagerung deutet auf sehr ruhiges Wasser hin. Die einzigen Unterbrechungen dieser Stillwasser-Verhältnisse sind drei Intervalle von jeweils 1cm,in denen eine diagonale Schichtung auf leicht erhöhte Strömungsenergien beim Absetzen des Sedimentes hinweisen. Außerdem identifizierten wir fünf dünne Lagen mit hohem Tongehalt und Glaukonit. Diese grünen Schichten sind von Organismen durchwühlt worden und belegen damit, dass der Meeresboden besiedelt war. Diese Horizonte können also nicht durch ein einzelnes Ereignis schnell gebildet worden sein. Für den Glaukonit gilt ähnliches: dieses Tonmineral benötigt für seine Bildung lange Zeiträume von tausenden von Jahren, sowie ein wenig bewegtes Tiefenwasser. Diese Umstände zeigen also eindeutig, dass der Kalkstein und die darin enthaltenen grünen Lagen über einen sehr langen Zeitraum entstanden. Die darunter liegenden Einschlaggesteine müssen demnach wesentlich älter sein als das Massensterben an der K/T-Grenze [10,11]. Planktonforaminiferen in dem 50 cm dicken Kalkstein zwischen Einschlagbrekzie und der K/T-Grenze liefern dazu die entscheidende Altereinstufung. Trotz ihrer schlechten Erhaltung gelang es, eine diverse Faunenvergesellschaftung zu identifizieren. Die Arten der Yaxcopoil-1 Kalkschicht lebten während der letzten 300.000 Jahre der Kreidezeit und haben damit ein ähnliches Alter wie die Planktonforaminiferen aus den Meeresablagerungen oberhalb der ältesten Sphärulithschicht in Nordost-Mexiko. Auch die stabilen Kohlenstoff-Isotopen des Kalksteines weisen auf ein endkreidezeitliches Alter hin [10, 11]. Die Analyse belegt einheitlich hohe Werte, wie sie für die oberste Kreide üblich waren, gefolgt von einem scharfen Abfall an der K/T-Grenze hin zu niedrigen Werten. Bei einer Durchmischung von unterschiedlichen Gesteinstypen und -altern durch Einschlagwellen wären die Isotopenwerte dagegen sicher zufällig ausgefallen und würden keine gleichmäßige Verteilung aufweisen. Katastrophen von Außen und von Innen Der Einschlagkrater in Yucatan geht also auf einen großen Einschlag zurück, der sich etwa 200.000 bis 300.000 Jahre vor der K/T-Grenze ereignete. Ein zweiter, womöglich noch größerer, erfolgte an der K/TGrenze selbst und stimmt zeitlich mit dem globalen Massensterben überein.Auf diesen Einschlag deutet die www.biuz.de 4/2008 (38) | Biol. Unserer Zeit | 7 ABB. 6 I N T E R PR E TAT I O N D E S K / T- Ü B E RG A N G S Diese Darstellung basiert auf den Ergebnissen aus Yucatan (Yaxcopoil-Bohrkern) und Nordost-Mexiko (El Peñón u.a. Lokalitäten). Danach hat es mindestens zwei Asteroiden-Einschläge gegeben. Der Impakt in Yucatan ist durch die Sphärulithe in Nordost-Mexiko und die Brekzie in Yaxcopoil gut belegt und erfolgte etwa 200 000 bis 300 000 Jahre vor der K/T-Grenze. Hier kam es zu einem weiteren Einschlag, der eine weltweite Iridiumanomalie hinterließ. Der zugehörige Krater wurde bisher nicht entdeckt. weltweite Anreicherung von Iridium hin, ein zugehöriger Krater wurde bisher aber noch nicht entdeckt (Abbildung 6). Zumindest weitere drei kleinere Einschläge werden diskutiert; sie sind bisher aber nur ungenau datiert. Diese Anhäufung kosmischer Katastrophen in einem relativ kurzen Abschnitt der Erdgeschichte lässt sich am ehesten mit einem Kometen- oder Asteroidenschauer erklären [12]. Zu allem Überfluss wurde das Leben am Ende der Kreidezeit durch eine weitere Katastrophe aus dem Inneren der Erde unerträglich gemacht: Zeitgleich mit den Asteroideneinschlägen kam es im Norden des Indischen Subkontinentes zu massivem Vulkanismus. Über einen Zeitraum von etwa einer halben Millionen Jahren ergossen sich die so genannten Dekkan-Trapp-Basalte über eine Fläche von 1000 x 2000 km und bildeten Gesteinsdecken, die auch heute noch Mächtigkeiten von über zwei Kilometern erreichen. Durch die riesige Menge an freigesetzten vulkanischen Gasen wurde die Atmosphäre vergiftet und es kam zu einer globalen Erwärmung, die selbst im tiefen Ozean noch 4° Celsius betrug [13]. 8 | Biol. Unserer Zeit | 4/2008 (38) www.biuz.de Die ökologischen Auswirkungen dieser zeitgleichen globalen Katastrophen müssen verheerend gewesen sein. In den Ozeanen führte die massive Klimaerwärmung zu einer Herabsetzung der Zirkulationsdynamik. Die Meeresströmungen veränderten ihren Verlauf und verlangsamten sich. Damit gelangten nährstoffreiche Tiefenwässer in viel geringerem Maße an die Oberfläche als zuvor und die Umwälzung des Wasserkörpers geriet ins Stocken.Verknappung der Nahrung und Vergiftung des Wassers waren die Folge und führten zu enormem biologischen Stress und Wettbewerb, vor allem für die hoch spezialisierten tropischen Arten. Deren Populationen wurden dezimiert; bereits während der letzten 500 000 Jahre der Kreidezeit sank die Artenvielfalt von Dinosauriern, Ammoniten, Muscheln etc. rapide. Ein letzter verheerender Schlag führte dann zum endgültigen Kollaps der hochgestressten Ökosysteme. Der Asteroideneinschlag am Ende der Kreidezeit war groß genug, um eine feine Iridiumschicht auf der gesamten Erde zu verteilen. Wie sähe die heutige Erde wohl aus,wenn es damals nicht zu diesem letzten finalen Akt gekommen wäre? © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim K R E I D E-T E R T I Ä R- G R E N Z E Hätten die Dinosaurier überlebt? Oder hätte der massive Vulkanismus auch dann zu ihrem Aussterben geführt, wenn es die Serie von Asteroideneinschlägen nicht gegeben hätte? Diese Frage wird sich wohl nie mit letzter Sicherheit beantworten lassen. Klar ist aber, dass das globale Massensterben am Ende der Kreidezeit den Verlauf der Evolution verändert hat. Der Aufstieg der Säugetiere wäre ohne den Tod der Dinosaurier anders verlaufen oder vielleicht nie erfolgt. Letztendlich hat also die damalige Doppelkatastrophe unsere eigene Entwicklung erst möglich gemacht. | PA L Ä O N TO LO G I E [10] G. Keller, T. Adatte, W. Stinnesbeck et al., Chicxulub impact predates the K-T boundary mass extinction, Proceedings of the National Academy, 2004, 101, 3753–3758. [11] W. Stinnesbeck, G. Keller, T. Adatte, et al., Yaxcopoil-1 and the Chicxulub impact. Journal of International Earth Sciences, 2004, 93, 1042–1065. [12] G. Keller, W. Stinnesbeck, T. Adatte, D. Stüben, Multiple impacts across the Cretaceous-Tertiary boundary , Earth Science Reviews 2003, 62, 327–363. [13] G. Keller, The end-cretaceous mass extinction in the marine realm: year 2000 assessment, Planetary and Space Science 2001, 49, 817–830. Der Autor Zusammenfassung Am Ende der Kreidezeit ereignete sich ein weltweites, massives Artensterben, dem die Dinosaurier, die Ammoniten und ein Großteil des marinen Planktons zum Opfer fielen. Nach einer gängigen Hypothese soll der Einschlag eines Asteroiden die Ursache gewesen sein. Die Einschlagstelle wird in der Nähe des Dorfes Chicxulub auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko vermutet. Bei genauerer Bearbeitung stellt sich heraus, dass die Gründe für das Massensterben wesentlich komplexer waren: Vermutlich kam es zu einer Verknüpfung mehrerer zeitlich getrennter Ereignisse und Faktoren. Neben intensivem Vulkanismus und den daraus resultierenden Schwankungen des Klimas und des Meeresspiegels war auch eine Serie von Asteroiden-Einschlägen beteiligt. Der Yucatan-Einschlag ist aber bis zu 300.000 Jahre älter als die Kreide/Tertiär-Grenze und damit nicht der Auslöser des globalen Artensterbens. Literatur Wolfgang Stinnesbeck, geb. 1955, studierte Geologie und Paläontologie an der Universität Bonn und promovierte dort im Jahr 1986 über die endkreidezeitliche Fauna der Quiriquina Schichten in ZentralChile. Von 1987 bis 1996 war er im Rahmen einer CIM-GTZ-Stelle mit dem Aufbau und der Leitung der Abteilung Paläontologie an der Facultad de Ciencias de la Tierra der UANL im mexikanischen Linares betraut. Von dort wurde er 1996 als Professor für historische Geologie an die Universität Karlsruhe berufen. 2007 wechselte er an die Universität Heidelberg und ist dort als Professor für den Bereich Biostratigraphie und Paläoökologie verantwortlich. Korrespondenz: Prof. Dr. Wolfgang Stinnesbeck Geologisch-Paläontologisches Institut Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 270 69120 Heidelberg Email: [email protected] [1] L. W. Alvarez, W. Alvarez, F. Asaro, H. V. Michel, Extraterrestrial cause for the Cretaceous-Tertiary extinction, Science 1980, 208, 1095–1108. [2] A. R. Hildebrand, G. T. Penfield, D. A. Kring et al., Chicxulub crater: A possible Cretaceous/Tertiary Boundary impact crater on the Yucatan Peninsula, Geology 1991, 19, 867–869. [3] J. Smit, A. Montanari, N. H. M. Swinburne et al., Tektite bearing deep-water clastic unit at the Cretaceous-Tertiary boundary in northeastern Mexico, Geology 1992, 20, 99–103. [4] J. Smit, The global stratigraphy of the Cretaceous-Tertiary boundary impact ejecta, Annual Reviews in Earth and Planetary Sciences 1999, 27, 75–113. [5] C. C. Swisher et al., Coeval 40Ar/39Ar ages of 65 million years ago from Chicxulub crater melt rock and Cretaceous-Tertiary boundary tektites, Science 1992, 257, 954–958. [6] W. Stinnesbeck, J. M. Barbarin, G. Keller et al., Deposition of channel deposits near the Cretaceous-Tertiary boundary in northeastern Mexico: Catastrophic or „normal“ sedimentary deposits? Geology 1993, 21, 797–800. [7] A. A. Ekdale, W. Stinnesbeck, Ichnology of Cretaceous-Tertiary (K/T) boundary beds in northeastern Mexico, Palaios 1998, 13, 593–602. [8] W. Stinnesbeck, P. Schulte, F. Lindenmaier, Late Maastrichtian age of spherule deposits in northeastern Mexico: Implication for Chicxulub scenario, Canadian Journal of Earth Sciences, 2001, 38, 229–238. [9] G. Keller, T. Adatte, W. 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