4 Zusammenfassung Im Rahmen dieser Arbeit wurden enzymkinetische und strukturelle Untersuchungen an der α-Ketosäuredecarboxylase aus Mycobacterium tuberculosis (MtKDC), welche den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden, und an der Oxalyl-CoA Decarboxylase aus Escherichia coli (EcyfdU ) durchgeführt. Zunächst wurden die Gene rv0118c und rv0853c, welche für die mykobakterielle Oxalyl-CoA-Decarboxylase bzw. eine α-Ketosäuredecarboxylase codieren, aus genomischer DNA kloniert. Trotz umfangreicher Variation der Expressionsbedingungen konnten die Enzyme nicht löslich exprimiert werden. Daher wurden Rückfaltungsexperimente durchgeführt, um katalytisch aktive Enzyme zu erhalten. Geeignete Rückfaltungsbedinungen wurden nur für die MtKDC, aber nicht für die mykobakterielle Oxalyl-CoA-Decarboxylase gefunden. Kinetische und strukturelle Untersuchungen der Oxalyl-CoA-Decarboxylase wurden deshalb für das homologe Enzym aus Escherichia coli (EcyfdU ) durchgeführt. Sowohl für die MtKDC als auch für die EcyfdU wurden Reinigungsprotokolle aufgestellt. Kinetische Untersuchungen zeigten, dass die MtKDC ein breites Spektrum an α-Ketosäuren decarboxyliert. Im Gegensatz zu den Pyruvatdecarboxylasen bevorzugt die MtKDC aromatische und verzweigtkettige α-Ketosäuren, während Pyruvat mit einer deutlich niedrigeren Effizienz umgesetzt wird. Sigmoide Abhängigkeiten der katalytischen Aktivität von der Substratkonzentration und lag-Phasen in den Progresskurven zeigen, dass die MtKDC durch ihr Substrat allosterisch reguliert wird. Ein Vergleich der Aktivierungseffizienzen der untersuchten α-Ketosäuren zeigte, dass die MtKDC in Analogie zur Substratspezifität durch Pyruvat am schwächsten und durch verzweigtkettige und aromatische α-Ketosäuren stärker aktiviert wird. Weiterhin konnte demonstriert werden, dass die MtKDC nicht nur durch ihre Substrate, sondern auch durch Aminosäuren allosterisch reguliert wird, wobei die verzweigtkettigen Aminosäuren L-Leucin, L-Valin, L-Isoleucin und die aromatische Aminosäure L-Phenylalanin die stärksten Aktivatoren sind. Unterschiede in der Aktivierungspotenz von L- und D-Aminosäuren wiesen zudem darauf hin, dass nicht nur die chemische Struktur der Seitenkette sondern auch die absolute 4 Zusammenfassung 89 Konfiguration am Cα-Atom für die optimale Bindung der Aktivatoren von Bedeutung ist. Es konnte gezeigt werden, dass zwischen Substrat- und Aminosäurebindung eine positive Kooperativität besteht und dass die Aminosäuren eine höhere Affinität zum regulatorischen Zentrum der MtKDC besitzen als die Substrate. Aus Untersuchungen zur Geschwindigkeit der C2-H-Deprotonierung des Cofaktors und der Verteilung der bei der Katalyse gebildeten Reaktionsintermediate in An- und Abwesenheit von Aminosäure mittels 1 H-NMR-Spektroskopie geht hervor, dass vor allem die C-C-Bindungsbildung zwischen Substrat und enzymgebundenem Cofaktor in Gegenwart von Aminosäure beschleunigt wird. Basierend auf den experimentellen Daten wurde ein Modell der MtKDC-Katalyse postuliert. Dieses Modell vermag die Aktivierung durch Aminosäuren und α-Ketosäuren, die Anfangsaktivitäten als auch die positive Kooperativität zwischen Aminosäureund Substratbindung zu erklären. Das Modell besteht aus zwei Bereichen, dem Substrataktivierungsteil und dem Aminosäureaktivierungsteil. Die Annahme einer Enzymspezies mit geringer katalytischer Aktivität (El ) trägt den beobachteten Anfangsaktivitäten Rechnung. Kooperative Effekte werden durch die Bindung des Substrates sowohl im regulatorischen als auch im aktiven Zentrum erklärt. Strukturelle Aspekte der Aminosäureaktivierung der MtKDC wurden mittels CD-Spektroskopie, Röntgenkleinwinkelstreuexperimenten und Gelfiltrationsexperimenten analysiert. CD-spektroskopische Untersuchungen deuten darauf hin, dass Aminosäuren Änderungen am oder in der unmittelbaren Umgebung des Cofaktors induzieren. Röntgenkleinwinkelstreuexperimente und Gelfiltrationsexperimente zeigen, dass die Aktivierung der MtKDC mit globalen strukturellen Änderungen und einer Verschiebung des Dimer-Tetramer-Gleichgewichtes in Richtung des Tetramers verbunden ist. Versuche, die dreidimensionale Struktur der MtKDC in An- und Abwesenheit von Aktivator aufzuklären, blieben erfolglos. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die MtKDC sowohl in ihrer Substratspezifität als auch in ihrem Aktivierungsverhalten deutlich von den substrataktivierten Pyruvatdecarboxylasen unterscheidet und dass die MtKDC am Abbau von verzweigtkettigen und aromatischen Aminosäuren entsprechend des Ehrlichwegs beteiligt ist. Für die kinetische Charakterisierung der EcyfdU wurde das Substrat Oxalyl-CoA chemisch synthetisiert und ein direkter optischer Test etabliert, der es ermöglichte, die enzymatische Decarboxylierung von Oxalyl-CoA zu Formyl-CoA zu verfolgen. Die kinetischen Konstanten des Substratumsatzes der EcyfdU wurden bestimmt und es wurde gezeigt, dass die katalytische Aktivität der EcyfdU durch CoA und AcCoA kompetetiv inhibiert und durch ADP leicht erhöht wird. Im Gegensatz zur Oxalyl- 4 Zusammenfassung 90 CoA-Decarboxylase aus Oxalobacter formigens (Ofoxc) stellt ADP nur einen schwachen Aktivator der EcyfdU dar. Weiterhin gelang es, die Kristallstruktur der EcyfdU im Komplex mit ThDP, ThDPAcCoA und ThDP-ADP aufzuklären. Die Struktur der EcyfdU ist nahezu identisch zur Struktur der Ofoxc. ADP bindet in einem Rossmann Faltungsmotiv. Im Gegensatz zu anderen allosterisch regulierten ThDP-Carboxylyasen wird in den Kristallstrukturen durch die Gegenwart von Aktivator keine signifikante Änderung der Anordnung der Dimere im Tetramer beobachtet und die strukturellen Aspekte der Aktivierung der Oxalyl-CoA-Decarboxylasen durch ADP bleibt zu klären. Ausblicke In dieser Arbeit konnte erstmalig gezeigt werden, dass eine ThDP-abhängige durch α-Ketosäuredecarboxylase Es wäre interessant Aminosäuren herauszufinden, α-Ketosäuredecarboxylasen, welche ein ob allosterisch auch andere vergleichbares aktiviert wird. ThDP-abhängige Substratspektrum wie die MtKDC haben, allosterisch reguliert sind und die Aminosäureaktivierung somit eine Möglichkeit zur Regulation von Enzymen ist, die am Aminosäurekatabolismus über den Ehrlichweg beteiligt sind. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass unter den ThDP-abhängigen α-Ketosäuredecarboxylasen, die eine Rolle im Aminosäureabbau spielen, nicht nur nichtregulierte Vertreter (KdcA, EcIPDC) sondern auch substrataktivierte Enzyme (AbPPDC) beschrieben worden sind. Sollte sich herausstellen, dass die AbPPDC in gleicher Weise wie die MtKDC allosterisch durch Aminosäuren aktiviert werden, könnte durch Kristallstrukturen der AbPPDC mit Aminosäuren weitere Einblicke in den Aktivierungsmechanismus ThDP-abhängiger α-Ketosäuredecarboxylasen erhalten werden. Die Untersuchungen, welche an der EcyfdU durchgeführt wurden, zeigen, dass die Aktivierung von Oxalyl-CoA-Decarboxylasen durch ADP unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Die Frage, warum die EcyfdU -Aktivität nur schwach und die Ofoxc-Aktivität dagegen deutlich durch ADP beeinflusst wird, blieb unklar. Um weitere Einblicke in die molekulare Ursache der ADP-Aktivierung zu erhalten und ein Aktivierungsmodell aufzustellen, als auch die physiologische Bedeutung der ADP-Aktivierung besser zu verstehen, sind weitere strukturelle und vor allem kinetische Untersuchungen (stopped-flow-Messungen, H/D-Austauschexperimente und Intermediatanalysen mit Wildtyp und Enzymvarianten) an den Oxalyl-CoADecarboxylasen aus Oxalobacter formigens, E. coli sowie anderen Organismen nötig.