Rock me Amadeus - Was Klassik und Rockmusik

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Sonntag, 10. Juni 2012 (11:05(11:05-12:00 Uhr) KW 23
Deutschlandfunk / Abt. Musik und Information
Wiederholung immer samstags 07:0507:05-08:00 Uhr auf Dradio Wissen –
FREISTIL
„Rock me Amadeus“ – Was Klassik und Rockmusik verbindet
Von Henrik von Holtum & Sascha Verlan
Redaktion: Klaus Pilger
DLF 2008
Manuskript
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©
- ggf. unkorrigiertes Exemplar -
Manuskript
Nico Scheffler:
Die Musik muss man fühlen, es muss einfach klick machen. Und …
Mini Schulz:
… für mich löst ein schöner, tiefer, satter Bassklang einfach körperliches Wohlbehagen aus.
Rüdiger Kurz:
Ein richtig geiles, fettes Orchester – Bum! – im Bass.
Mini Schulz:
Primär muss Musik den Körper zum Schwingen bringen. Das heißt, der Körper
sollte bitte darauf reagieren.
Nico Scheffler:
Man kann mit Metal im Prinzip dieselben Gefühle wecken, die man auch mit
klassischer Musik wecken kann.
Rüdiger Kurz:
Wenn es ganz arg laut ist, verschwimmt so 'n bisschen die Individualität.
Markus Krizokat:
Dieser fundamentale, repetitive Bass ist ein archaisches Muster, das von jedem
gut entschlüsselt, gehört. Verstanden wird.
Sprecher:
'Rock me Amadeus' – Was Klassik und Rockmusik verbindet.
Von Henrik von Holtum und Sascha Verlan
Anfang der 'Kleinen Nachtmusik'
Reinhold Friedl:
Jambadambadabadabadam … jetzt sind wir oben damdidamdidadidadidam
Reinhold Friedl:
… typischer Viertakter, ne, zweimal vier Takte: 1, 2 … badabadabadam … damdidamdidadidadidam … dann geht's los.
Reinhold Friedl:
dungdungdungdungdungdung …
Markus Krizokat:
Ja klar … bembembembembem … mehr ist das auch gar nicht …
Mini Schulz:
… Achtelbässe, Achtelbässe, Achtelbässe
Sprecherin:
Was haben klassische Musik und Heavy Metal gemeinsam? … Nichts? … Aber
warum ist es dann so einfach, von Mozart zu AC/DC zu kommen? Von der 'Klei-
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nen Nachtmusik' zu 'Let there be Rock'? … Weil ganz tief unten im Fundament,
im Bassbereich dieselbe rhythmische Figur erklingt.
Sprecherin:
Aus dem linken Lautsprecher erklingt jetzt gerade Mozart, und rechts läuft
AC/DC. Wenn wir aber ganz langsam die Höhen rausfiltern …
Mini Schulz:
Achtelbässe, Achtelbässe, Achtelbässe … Achtelbässe, bei dem Thema sind wir
jetzt, ist 'ne Kunst für sich.
Sprecherin:
Achtelbässe, Trommelbässe, repetitiver Bass, Road Bass … es gibt viele verschiedene Namen, aber keinen, der allgemein gebräuchlich wäre. Und so gibt es auch
keinen Lexikonartikel, in dem man die Geschichte dieses Phänomens nachlesen
könnte, von seinen Anfängen bis zur aktuellen Pop- und Rockmusik. Trotzdem
wissen Musiker und Musikwissenschaftler, was gemeint ist. Und ein Dialog wird
möglich über alle ästhetischen Grenzen hinweg.
Sprecherin:
Wo findet sich diese rhythmische Struktur innerhalb der Musikgeschichte? Wie
wirken die Achtelbässe? Wie gelangten sie in die Pop- und Rockmusik? Und warum haben sich die Komponisten der zeitgenössischen ernsten Musik von diesem
steten Pulsieren abgewandt?
Dass Heavy Metal und klassische Musik etwas gemeinsam haben, dieser Beweis
ist auf dem musikalischen Feld zu erbringen:
Markus Krizokat:
Also dann geht das los.
Reinhold Friedl:
dungdungdungdungdung
Markus Krizokat:
Markus Krizokat, Musikwissenschaftler und danach eben als Kurator gearbeitet
zum Beispiel am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, jetzt
gegenwärtig beim Deutschen Musikrat, aber auch immer wieder frei als Manager
für Künstler, so aus diesen Randbereichen zwischen E- und U-Musik.
Mini Schulz:
Also mein Name ist Mini Schulz, ich bin Bassspieler, ich spiele E-Bass und Kontrabass, bin selber Professor an der Musikhochschule in Stuttgart, leite da die Abteilung für Bass an sich und leite nebenher noch einen Jazzclub in Stuttgart, das
Bigs, und die Jazz-Open in Stuttgart.
Sprecher:
Kapitel eins: Achtelbässe in der Klassischen Musik
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Mini Schulz:
Ich versteh mich vornehmlich als Begleiter. Ich liebe es zu begleiten, ich liebe es,
mich mit verschiedenen Leuten in verschiedenen Stilistiken zu unterhalten, so wie
manche Menschen gerne mit Fremdsprachen umgehen. Ich spiel auch gerne mal
'n Basssolo, glaub ich, kann ich auch ganz gut, aber ich denke nicht, dass das die
vornehmliche Aufgabe des Kontrabasses oder des E-Basses ist.
Markus Krizokat:
Erst mal braucht man eben den Bass eben als Grundlegung.
Mini Schulz:
Das ist 'ne ganz klare Definition … die Aufgabe vom Bass-Instrument an sich, das
ist jetzt Wurst, ob das 'ne Tuba, 'n Kontrabass, 'n E-Bass oder 'ne Bassposaune
oder irgend 'n Bassinstrument ist, das Fundament zu liefern. Unsere Art von Musik, die abendländische Musik …
Markus Krizokat:
Wenn man jetzt nicht von nicht-tonaler, sondern von tonaler Musik spricht.
Mini Schulz:
Die funktioniert so, dass der Bass definiert die Harmonie.
Markus Krizokat:
Dann ist ja eben im Bass gerne der Grundton auch aufgehoben, die Grundtonart.
Mini Schulz:
Und letztendlich auch, in dem Moment, je rhythmischer es wird, desto mehr wird
der Bass auch zu 'nem Rhythmusinstrument.
Markus Krizokat:
Den zugrunde liegenden Rhythmus oder das Metrum, in dem Fall eben der Achtelschlag, dass man das dort bindet, ist wahrscheinlich einfach logisch. Der obere
Bereich ist ja der Melodie vorbehalten, denn oben, wir hören einfach, auch das ist
ja so 'ne Art Kognitionsprinzip, die oberstes Stimme wird quasi immer als Melodie gehört, also jemand der nicht bisschen geübt hat auch mal 'ne Mittelstimme
zu verfolgen, wird zum Beispiel bei 'ne Fuge oder so was immer erst mal die obere Melodie als Grundmelodie hören und das untere vielleicht als Begleitwerk oder
so.
Mini Schulz:
Dieser Kontrapunkt, der letztlich harmonisch die ganze Zeit gleich ist und auch
rhythmisch gleich ist, gab 's schon immer. Gibt 's sehr stark zum Beispiel in der
Vorklassik, gibt 's in der Klassik, Mozart, 'Salzburger Sinfonien' sind pure Achtelbässe.
Mini Schulz:
Gutes Beispiel in der Vorklassik ist zum Beispiel Gluck. Es gibt ihn sogar bei Bach
in der Barockmusik zum Beispiel, Pergolesi nutzt sehr viel diese Tonwiederholung.
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Mini Schulz:
Die Komponisten haben sehr früh erkannt, dass man durch dieses Bassfundament
unheimlich harmonische Spannung erzeugen kann, indem man die Mittelstimmen
oder auch die Melodiestimmen sich entfernen lässt oder wieder zurückkommen
lässt zu diesem Harmonieton, der einfach die Grundharmonie angibt. Also man
kann extreme harmonische Spannung erzeugen. Zudem hat man natürlich auch
noch die Möglichkeit, durch diese Achtel, die gespielt werden, 'ne ganz klare
rhythmische Definition zu geben, das heißt, oben drüber kann auf 'nem sehr stabilen Fundament zum Teil sehr krude, zum Teil aber auch sehr verspielt gearbeitet
werden mit den Sopranstimmen oder mit den Altstimmen.
Markus Krizokat:
Dieser fundamentale, repetitive Bass ist einfach, wie gesagt, ein Grundrezept, ein
archaisches Muster, das von jedem gut entschlüsselt, gehört, verstanden wird.
Mini Schulz:
Es funktioniert: Achtelbässe, Achtelbässe, Achtelbässe, guck!
Markus Krizokat:
Ich glaube, sie können wirklich mehrere Sachen, die gegensätzlich scheinen,
trotzdem gleichzeitig leisten. Also natürlich hat das 'ne gewisse Stabilität auch.
Mini Schulz:
Stabilität ist eine Aufgabe. Die andere Aufgabe ist vor allem, für mich sind Achtelbässe vor allem 'ne Richtung, der Musik eine Richtung zu geben. Also das geht
weit über allein den Anfang des rhythmischen Tons, der Rhythmik, es geht schon
über die Phrasierung, es geht, wie lange ist jeder einzelne Ton, kann ich mit der
Tonlänge zum Taktende hin vielleicht irgendwas befördern, harmonische Spannung erzeugen, also es ist 'ne große Kunst für sich.
Markus Krizokat:
Stabilität aber keine Langeweile. Sondern wirklich auch 'ne gewisse Kraft. Trotzdem aber auch wieder Ruhe. Also da kommen Sachen zusammen, die man vielleicht nicht so erst im Wortfeld zusammenbringen würde. Aber da ist das wirklich
gegeben. Es ist sehr viel Druck, es treibt nach vorne, es ist zwingend aber trotzdem gibt es eben auch Ruhe und Stabilität, ne sehr klare Orientierung ohne dass
ich immer das Gefühl hätte, dass es langweilen würde. Also ich hab das, wie gesagt, weil das eben sehr kräftig, sehr dynamisch trotzdem ist, obwohl das eigentlich ja ein stupides Pattern, ein ganz stumpfes Pattern eigentlich ist. Aber stumpf
will man trotzdem nicht sagen.
Mini Schulz:
Wenn der Bass einfach nur ganz grade Achtel spielen würde, die Musik wäre gähnend langweilig und letztendlich zum Tode verurteilt. Mit leichten, nehmen wir
an, wir haben eine große rhythmische Glocke. Wir haben eine große Glocke, die
schlägt – bong, bong, bong, bong – und ich kann zwischendrin, kann ich die Ach-
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tel aber unterteilen, und kann den teilweise bisschen mehr Tempo geben und
kann bisschen das Tempo wieder rausnehmen. Aber letztendlich bleibt dieser
Grundschlag, nehmen wir es mal eine Viertaktige Phrase, bleiben, die genau
gleich lang, da passiert gar nichts. Kann ich nicht nur harmonisch, ich kann sogar
mit rhythmisch, ich kann ein Stückchen vor dem Beat spielen, würde man als
Jazzer sagen, ich kann sogar ein bisschen nach dem Beat spielen, ich kann Tempo
rausnehmen. Und dadurch kann ich nicht nur ne harmonische Spannung erzeugen sondern auch 'ne rhythmische Spannung erzeugen. Und das gibt wiederum
dem gesamten Tonmaterial, was drüberläuft, natürlich extrem viel Stabilität.
Markus Krizokat:
Ich denke wirklich, es ist etwas musikalisch ganz Logisches, Wichtiges, Archaisches. Wie es in der Kunstmusik bei Komponisten, die uns überliefert sind durch
die Jahrhunderte, verwendet worden ist oder nicht, das unterliegt wahrscheinlich
wirklich Moden. Aber dieser fundamentale repetitive Bass ist ein Grundrezept, ein
archaisches Muster, das von jedem gut entschlüsselt, gehört, verstanden wird.
Sprecherin:
Der Bass bildet das Fundament eines Stückes. Zunächst einmal harmonisch, weil
er den Grundton trägt. Zugleich ist der Bass aber auch das grundlegende Rhythmusinstrument. Diese Vielseitigkeit, die Stabilität zu verleihen weiß, ohne langweilig zu werden, haben die Komponisten seit jeher gekannt und auch zu nutzen
verstanden, und beileibe nicht nur die Komponisten der E-Musik, auch die PopMusik greift auf diese grundlegenden Möglichkeiten des Bass’ zurück.
Sprecher:
Kapitel zwei: Achtelbässe in der PopMusik
Mini Schulz:
Ist eigentlich völlig egal, welcher Stil das ist, ob das 'ne Heavy Metal- Nummer ist,
ob das 'ne HipHop- Nummer ist, oder ob das eine völlig abgedrehte JazzNummer ist.
Markus Krizokat:
Diese Note dieses ursprünglichen, etwas wilden, harten, archaischen, die bringt
das da überall mit rein in diese Stile und kann überall da gebraucht werden.
Mini Schulz:
Einfach nur 'ne Definitionsfrage, welcher Stil gerade da angesagt ist.
Markus Krizokat
Das Erste, was mir gleich gekommen ist, ist dieser Wave-Bereich 80er Jahre. Gerade da, wo 's so düster wird.
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Markus Krizokat:
Das waren damals so Bands wie The Cure zum Beispiel, die teilweise ein ganzes
Album auf dieses Bass Pattern gesetzt hat.
Rüdiger Kurz:
Grunge und Punk Rock.
Markus Krizokat:
Nirvana und so 'n Kram. Ich glaube, da ist auch nur die E-Saite gespielt worden.
Das hat sich in verschiedenen Richtungen jeweils weiterentwickelt, zeigt eben
auch, wie gut das funktioniert hat. Ob das jetzt irgendwie im Glam-Rock ist, oder
eben im Rock, AC/DC
Mini Schulz:
AC/DC, 'Highway to Hell' war überhaupt meine erste Platte. Von dem her ist
AC/DC für mich eingebrannt ins Gehirn, das ist sehr schön, dass du jetzt genau
mit dem Thema kommst.
Nico Scheffler:
Klar, The Rock, AC/DC, die spielen Songs mit 3 Riffs und trotzdem knallt 's ohne
Ende. Man nimmt AC/DC, stimmt das runter, macht des schneller, grunzt bisschen dazu und dann hat man 'n Death Metal-Song:
Nico Scheffler:
Also ich bin Nico Scheffler. Ich spiele Bass bei Flesh Crawl, Death Metal.
Nico Scheffler:
Es ist schwer jemandem zu erklären, der kein Metal hört: oben ist Death Metal so,
und dann fängt 's an sich zu spalten, dann kommt Brutal Death, Death Grind,
Gore Grind, Gore Death und Technical Brutal Death und was weiß ich, was es
heutzutage alles gibt.
Yo, I gotta hear that one more time, man … one, two, three
Nico Scheffler:
Brutal Death, Death Grind, Gore Grind, Gore Death und Technical Brutal Death
und was weiß ich, was es heutzutage alles gibt. Und unser Death Metal ist
schwedischer Touch, kann man sagen, schwedischer Death Metal.
Nico Scheffler:
Also wir haben halt auf H runter gestimmt, ganz normales Standard-H-Tuni
Nico Scheffler:
H-Tuning ist für mich normal, und für mich ist 'n Standard E-Tuning nicht normal. Ich kenn 's nicht anders. Also man nimmt AC/DC, stimmt das runter, macht
es schneller, grunzt 'n bisschen dazu, und dann hat man 'n Death Metal Song.
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Sprecher:
"Dieses summende Chaos seltsamer Geräusche, hässlicher Grunzlaute wird dadurch noch vergrößert." – Aus der Großen Abhandlung über die moderne Instrumentation und Orchestration von Hector Berlioz,1844.
Nico Scheffler:
Also viele Leute sagen ja, man würde sich dadurch die Stimme kaputt machen,
das sei alles nur Amateure und die schreien da nur sinnlos durch die Gegend, das
ist eigentlich, das sind Vorurteile, sag ich mal, das hat schon viel mit Technik zu
tun.
Sprecher:
Kapitel drei: Der Bass
Rüdiger Kurz:
Bum!
Mini Schulz:
Also primär muss Musik den Körper zum Schwingen bringen. Das bedeutet, der
Körper sollte bitte darauf reagieren.
Nico Scheffler:
Ich find, über 'n Bass hat man beim Spielen mehr Gefühl … wenn ich 'n einzelne
Saite zupf, genau, der Druck dahinter.
Rüdiger Kurz:
Also ich glaub, als Kontrabassist musst dir ja irgendwie Körperlichkeit wichtig
sein, weil sonst würdest du keine so Riesengeige spielen.
Rüdiger Kurz:
Ich bin Rüdiger Kurz, Kontrabassist, ganz normal in Orchestern, auch neue Musik, alte Musik. Kontrabass hab ich beim Professor Lau in Stuttgart studiert, in Essen bei Nik de Groot. Mit vier oder fünf wollte ich unbedingt Klavier spielen. Ja,
dann hab ich also Klavier angefangen zu lernen, und mit 15 oder 16, 14, 15, 16,
das weiß ich eigentlich so genau gar nicht, hab ich dann noch angefangen Kontrabass dazu zu spielen, der stand eh daheim rum, weil mein Vater so als Laie
Kontrabassist ist. Und so diese klassische Musik, das hab ich in der Schule dann
auch abgewählt. Aber was ich da angefangen hab, war in Bands zu spielen, das
war mir das Wichtige irgendwie.
Mini Schulz:
Der gesamte Klang entsteht mit mir gemeinsam. Also ich spüre das Instrument
unmittelbar. Ich spür sogar den Fußboden unter mir wackeln, weil der Korpus
steht ja durch den Stachel verbunden mit dem Fußboden, mit meinen Füßen in
Verbindung, also man hat da so 'n richtigen Regelkreis, der funktioniert.
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Rüdiger Kurz:
So richtig Tanzmusik auch gespielt, und das fand ich eigentlich 'n spannendes
Erlebnis, grade als Bassist, wenn auch mal kein Schlagzeug da war und du spielst
so Walzer oder 'n Foxtrott oder so …
Rüdiger Kurz:
… und du merkst ganz genau, die können sich entweder gut bewegen oder nicht
gut bewegen, je nachdem wo du die Akzente setzt. Fand ich 'ne total interessante
Erfahrung. Und ich hab dann sozusagen auf die Füße von denen gekuckt, weil die
Stücke waren nicht so schwer, als dass ich hätte viel in die Noten kucken müssen.
Und dann hab ich probiert anhand deren Bewegungen halt, weißte, das Tempo
genau, oder für die gut zu führen, ja, dass man so in 'n Dialog mit deren Füßen
spielt. Dass du wirklich 'n gutes Gefühl hast, die können sich flüssig bewegen und
du kannst flüssig spielen, das fand ich 'ne tolle Erfahrung.
Mini Schulz:
Wenn die Wissenschaft sich später damit auseinandersetzt, ist das sicher auch’n
wichtiger Punkt und man kann über theoretische Ansätze wiederum in die Praxis
reinwirken. Letztendlich wird Musik von Musikern gemacht, diese Musiker haben
einen Körper, die müssen dieses Instrument bewegen und durch die Bewegung
am Instrument bewegt sich auch dieser Körper. Wenn dieser Körper sich nicht
rhythmisch oder sagen wir mal spannungsfrei, oder noch besser, wenn dieser
Körper sich nicht einfach locker bewegt, dann kann die Musik einfach auch nur
sehr schlecht klingen.
Rüdiger Kurz:
Und die Klassik hat vielleicht eher so 'nen, wie so ein Ballettkörper mehr, also
schon etwas verkünstelter. Ja, ne geistige Bewegung doch eher oder ne emotionale Bewegung, das meine ich.
Mini Schulz:
Abendländische Musik funktioniert so: der Bass definiert die Harmonie, und
letztendlich auch, in dem Moment, je rhythmischer es wird, desto mehr wird der
Bass auch zu 'nem Rhythmusinstrument. Das ist natürlich bei irgendwelchen romantischen Geschichten weniger ein Rhythmusinstrument und trotz allem ein
ganz wesentliches Element auch die Klangfarbe zu bestimmen.
Rüdiger Kurz:
Man spielt in 'ner bestimmten Tonlage, in 'ner bestimmten Klangfarbe
Nico Scheffler:
Also ich will jetzt nicht, dass mein Bass so dumpf organisch klingt …
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Nico Scheffler:
… sondern ich will mehr so wenn man – ich spiel ja mit 'm Plektrum nicht mit Finger – dass ich, wenn ich 'ne Saite anschlag, dass es noch so was, so 'n metallischen
Hall,Klang hat.
Bass-Sound metallisch
Markus Kritzkat:
Und dass es natürlich klanglich verschiedene Ästhetiken gibt, dass ist natürlich
klar und hat mit der Soundsästhetik des jeweiligen Musikstils zu tun. In der
Rockmusik erheblich offener, obertonreicher, im Synthiepop oder so was, oder
eben im Rave dann eben teilweise sogar auch auf elektronischem Wege, also
Synthies gespielt, oder eben mit 'm sehr dezenten Fingerring. Also wirklich mit
sehr sanfter Spielweise so dass nicht so viele Obertöne erzeugt werden, die mehr
so für den Rock stehen oder das Kreischende.
Rüdiger Kurz:
Man spielt in ner bestimmten Tonlage, in 'ner bestimmten Klangfarbe, die das
Instrument zu Teilen vorgibt, aber wo natürlich ne Variationsbreite da ist. – 'n EBass kann wesentlich aggressiver und offensiver sein als ein Kontrabass?
Rüdiger Kurz:
Aber was ich am Kontrabass mag ist, das Singende und das Volumen manchmal
und die Geschmeidigkeit im Klang.
Mini Schulz:
Jeder einzelne Kontrabasston ist viel härter erkämpft als ein E-Bass Ton, also das
ist meine Erfahrung. Ich spiel inzwischen auch fast 90% Kontrabass, selbst bei
Rockaufnehmen, wird inzwischen sehr viel Kontrabass verwendet, einfach weil es
noch viel erdiger ist. E-Bass ist was sehr Komfortables, man kann E-Bass in einer
grandiosen, phantastisch majestätischen Lautstärke spielen, ohne dass man sofort 'ne Rückkopplung hat. Und man kann natürlich auf dem E-Bass tolle Techniken spielen, die auf dem Kontrabass unmöglich wären aufgrund der Trägheit des
Instruments. Der E-Bass reagiert viel schneller, viel viel schneller.
Mini Schulz:
Garantiert hab ich mich in diese Töne verliebt und mir würde es wahrscheinlich
auch genügen, wenn ich, ich hab Tage, an denen würde ich gerne nur, vielleicht
über den Tag verteilt, 30 verschiedene Einzeltöne spielen, die unglaublich schön
und tief brummen und resonieren, weil es tut einem unglaublich gut. Also für
mich löst ein schöner, tiefer, satter Bassklang einfach körperliches Wohlbehagen
aus.
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Rüdiger Kurz:
Ja, wenn so tiefe Töne so böööaaa, richtig so rauskommen booaaa, tief aus’m
Körper irgendwo oder aus der Erde, ich weiß nicht woher. Oder ein richtig geiles,
fettes Orchester – bum! – im Bass
Nico Scheffler:
Genau, der Druck dahinter.
Rüdiger Kurz:
Die armen Geiger, das ham die nie! Das macht knack!
Rüdiger Kurz:
lacht. Das ist doch Scheiße.
Sprecher:
Kapitel 4: Der weiße Hai oder die Angst der Neuen Musik vor dem Rhyth
Rhythmus.
Markus Krizokat:
Zwar nicht klassischer Trommelbass, aber was mir auch noch einfällt, kein klassischer Trommelbass, aber weil alternierend in der Tonfolge, aber mit dem gleichen
Effekt ist doch auch der weiße Hai düdümdüdümdüdüm.
Markus Krizokat:
Also nicht klassisch, weil es eben diese Alternation da irgendwie gibt zwischen
zwei Tönen. Und ganz typisch für diesen Trommelbass in Rock- und Pop-Musik
oder wenn auch im Film, ist natürlich auch irgendwie der Wechsel eben in diesen
Einheiten, also es ist ja eben nicht nur die E-Saite bei 'Smoke on the Water'.
Markus Krizokat:
Natürlich schon sehr lange, aber es gibt ja doch noch mal einen Wechsel. Wir
haben einmal den Harmoniewechsel, da muss noch mal 'ne andere Saite gegriffen werden. Und da ist es natürlich nur ein Lauter-Werden und mit dem finalen
Zubiss des Hais dann am Ende.
Markus Krizokat:
Aber auch da steckt natürlich wieder viel von dem Muster mit drinne, dieses Archaische, Treibende. In diesem Fall hat dieses Alternierende eben 'ne Unsicherheit. Auch da wieder perfektes Beispiel für dieses Gestische, unentschlossen zwischen zwei Tönen hin und her. Das wird sicherlich auch jeder als solches verstehen. Wenn ich nur mache: bumbumbumbumbum.
Markus Krizokat:
Lauter werdend, dann hab ich schon drinne, von wegen okay, es ist lauter werdend, es ist zwingend, es ist fordernd, es ist drängend, aber wenn ich noch diese
Alternierung drinne habe düdümdüdümdüdüm dann pendle ich also zwischen
zwei Polen, ich bleib nicht hier, ich bleib nicht da, ich bin also in Bewegung, unsicher, rastlos, ohne Ziel, man weiß nicht wo das hingeht, Angst, Unsicherheit, wo
geht das jetzt eigentlich hin. Und das ist einfach, das ist in der Figur, es ist im
Gestus, das ist also als Pattern so erkennbar.
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Markus Krizokat
Das klappt schon ziemlich verlässlich. Das sieht man auch in der Neuen Musik
jetzt zum Beispiel, neue Musik hören ja wirklich sehr viele Leute auch mal irgendwie im Kontext zum Beispiel von Filmen, aber das ist dann halt immer für
Horror, Chaos, Gefahr und so weiter. Weil da 'ne Unstruktur da ist, es ist einfach,
es wird keine Struktur irgendwie erzeugt, keine Ruhe, es kommen nur plötzlich irgendwie ganz rasante Celli-Einwürfe …
Markus Krizokat:
… und dann wieder paar Schläge vom Schlagwerk.
Reinhold Friedl:
Es ist natürlich in der neuen Musik so, dass eigentlich Rhythmus Sünde ist, also
diese rhythmischen Strukturen, irgendwas was, auch gerades Metrum ist 'ne
Sünde, aber das liegt an so 'nem Spätexpressionismus, dass man denkt, jede Partitur muss so komplex wie möglich aussehen.
Markus Krizokat:
In alten Jahrhunderten gab es keine Trennung in dem Sinne zwischen populärer
Musik und dem was heute Klassik genannt wird und damals ja nicht E-Musik genannt werden würde. Also Komponisten haben Gassenhauer-Melodien eingebaut
in ihre Opern und diese Opern sind wiederum auch vom ganzen Volk gehört
worden. Mozart ist von allen gehört worden. Von allen. Heute werden Komponisten von einem Promillesatz der Menschen gehört. Wie es dahin gekommen ist,
wäre zu diskutieren, ist aber alleine schon gefährlich, weil ich hab auch wirklich,
natürlich kann man die geschichtlichen Stationen sich anschauen, wie das so
passiert ist, aber so richtig erklären kann es halt wirklich keiner. Wer das gut erklären könnte, hätte die nächste Musikwissenschaftsprofessur inne.
Reinhold Friedl:
Es gab 'n tolles Beispiel, genau, ich war mal in Norwegen auf so 'ner Tagung, und
da hat das Ensemble Contemporain, also dieses renommierte Pariser Ensemble
'n Stück vorgestellt mit 'nem Komponisten, und dann haben die in der Tat 'n
Walzer gespielt, das klang auch wie 'n Walzer, es klang 'n bisschen sehr hölzern
und komisch. Dann stellt sich heraus, dass der Komponist den Walzer einfach um
'n Sechzehntel verschoben notiert hat, also nicht eins-zwei-drei, sondern (Beatbox), kommt auch eins-zwei-drei raus, ist halt nur nicht auf den Taktzeiten, auf
den schweren eigentlich, aber es klingt natürlich letztendlich eigentlich gleich
Lacht … aber ich mein, da wird dann auch so 'n Unsinn gemacht, weil der Rhythmus eigentlich schon 'n Tabu ist, oder 'n Tabubruch wäre, dass man sagt, ich
schreib wirklich 'n Walzer oder so.
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Markus Krizokat:
Ist quasi der Unterschied zwischen Bedeutung lesen und selbst empfinden. Das
hat übrigens die Musikwissenschaft oder die Musikpsychologie 'ne zeitlang irgendwie gar nicht gesehen, dass es diesen Unterschied gibt zwischen Bedeutung
lesen und selbst empfinden. Ich kann natürlich mir ganz klar sagen, dass das irgendwie hier 'n Trauermarsch ist, und das erkenne ich auch, und erkennt auch jeder andere. Wenn ich aber mit dem irgendwas verbinde, was mich total froh
macht oder wenn es die Niederlage eines Gegners von mir ist, ne, hab ich 'n völlig anderes Empfinden, das ist 'ne völlig logische Angelegenheit, da muss man ja
nicht zweimal drüber nachdenken, aber das geht vielen oft durch die Lappen, ne.
Und dann denkt man, ich muss frohe Musik spielen, da mach ich irgend 'n Menschen froh, bullshit. Natürlich wird der sagen können, dass es frohe Musik ist, natürlich begreift der, dass es frohe Musik ist, aber stimmt mich jetzt halt null froh,
überhaupt nicht.
Sprecher:
Kapitel 5: Der Bass als Rhythmusinstrument
Mini Schulz:
Ja, Aufgabe vom Bass, Instrument an sich, das ist jetzt wurscht ob das 'ne Tuba,
'n Kontrabass, ein E-Bass oder ne Bass-Posaune oder irgendein Bass-Instrument
ist, ist es, das Fundament zu liefern. Und letztendlich, in dem Moment, je rhythmischer es wird, desto mehr wird der Bass auch zu 'nem Rhythmusinstrument.
Reinhold Friedl:
damdidamdidadidadidam
Reinhold Friedl:
Dann geht’s los.
Reinhold Friedl:
Ich bin Reinhold Friedl, bin Musiker, hab das weltberühmte Zeitkratzer-Ensemble
und bin aber auch Pianist und Komponist.
Reinhold Friedl:
Warum ist es aufgelöst in Achtelketten? Könnt jetzt zu – dadadadadam, als Begleitfigur spielen - Booooom. Und nicht bo-bo-bo-bo-bo. Was ist der Vorteil?
Wenn es pulsiert? Rhythmus gibt 's. Der Rhythmus, ja klar.
Markus Krizokat:
In diesem Fall eben der Achtelschlag. Dass man das dort bindet ist wahrscheinlich einfach logisch. Der obere Bereich ist ja der Melodie vorbehalten. Die oberste
Stimme wird immer quasi als Melodie gehört.
Reinhold Friedl:
Also erstmal ist so ein hoher Ton, die Pulsation gar nicht so wahrnehmbar ist wie
beim tiefen Ton. Also beim tiefen Ton ist es ja viel wirkungsvoller. Weil du das
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beim hohen Ton gar nicht so gut hörst, lass mal 'ne Flöte pulsieren, das hörst du
ja gar nicht so sehr.
Reinhold Friedl:
Also da kannst ne Flatterzunge machen oder so was, oder du musst ... 'n Triller
machen, ansonsten hörst du's ja gar nicht richtig, wenn ne Flöte jetzt f-f-f-f-f pustet, mein Gott, kann se auch gleich f--- pusten, ist kein großer Unterschied. Wenn
ein Bass das macht, ist das schon ein ziemlicher Unterschied.
Markus Krizokat:
Musik ist Organisation von Zeit, das ist ja völlig unstrittig. In Musik ist die Zeit
organisieren.
Reinhold Friedl:
Na gut, jetzt gibt 's natürlich unterschiedliche Sachen. Es gibt ja auch verschiedene Tempi, das spielt ja auch 'ne Rolle. Also wenn ich 'ne Bassdrum hab, wie bei
yxx von xyxy oder was, und es macht rrrum … bum … da werd ich jetzt nicht grad
exstatisch, das ist eh klar. Wenn ich irgendwie Heavy Metal hab und hab zwei
Bassdrums links, rechts und es macht bobobobbobobob
Reinhold Friedl:
… und ich hüpf dazu auf und ab, ist es natürlich echt was anderes. Dann werd ich
wahrscheinlich eher exstatisch, also spielt das Tempo schon eine Rolle, würd ich
sagen.
Nico Scheffler:
Geschwindigkeit ist schon im Death Metal 'ne verdammt wichtige Rolle, also desto schneller, desto besser. Für mich bedeutet Geschwindigkeit abrocken. Also
grad bei manchen Parts, wo man praktisch wirklich nur noch schnell spielen ist,
grad die melodiösen Parts, wo man einfach nur noch das typische Tremolopicking, also ich persönlich nenn 's so.
Sprecher:
"Das anhaltende Tremolo der Kontrabässe ist jedoch von ausgezeichneter Wirkung und der Ausdruck erhabensten Schauers!"Hector Berlioz.
Nico Scheffler:
Grad im Studio gibt's echt Momente, da verzweifelt man an dieser Spielart, weil
halt da echt, da kommt 's halt auf den Takt und auf den Schlag an. Wir haben unseren Takt, sag mr mal 'n Vier Vierteltakt auf 200 Beats per Minute, machen wir
zum Beispiel (– klopft auf die Knie –) ja, das ist ungefähr so. Muss halt, jeder Anschlag muss halt sitzen. Wenn man halt nicht … Unsere Gitarristen haben da
nicht so Probleme damit, ich hab eher Probleme damit, weil wenn ich auf längere
Zeit so schnell spielen muss, dann kommt halt trotzdem manchmal ein Anschlag
mit rein, der halt nicht ganz stimmt, dann – zack – neu aufnehmen.
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Sprecher:
"Man kennt die wutvollen Stöße, welche die Kontrabässe dem Orchester versetzen, indem sie das hohe F mit Anlauf der vier kleinen Noten h, c, d, e erfassen –
in der Höllenszene des "Orpheus", bei den Worten: Wenn ihm mit schrecklichem
Drohen / den Eingang der Cerberus wehrt! Dieses rauhe Gebell, eine der höchsten Eingebungen Glucks, ist hier noch um so fürchterlicher, als der Tonsetzer dabei die dritte Umkehrung des verminderten Septimakkords (f - gis - h- d) anwendet." – Hector Berlioz.
Mini Schulz:
Du kannst als Bassist sowieso alles bestimmen, aber das sagen wir heute natürlich nur ganz leise. Aber als Bassist hast du eine unglaublich machtvolle Position,
von unten raus. Aufgabe vom Bass-Instrument an sich, das ist jetzt Wurst, ob das
'ne Tuba, 'n Kontrabass, 'n E-Bass oder 'ne Bassposaune oder irgend 'n Bassinstrument ist, ist, das Fundament zu liefern. Und letztendlich auch, in dem Moment, je rhythmischer es wird, desto mehr wird der Bass auch zu 'nem Rhythmusinstrument. Das ist natürlich bei irgendwelchen romantischen Geschichten weniger ein Rhythmusinstrument und trotz allem ein ganz wesentliches Element auch
die Klangfarbe zu bestimmen. Und ganz klar auch in der Dynamik mitzuarbeiten.
Also ein Bass, der dynamisch sehr weitgefächert spielt, kann ein ganzes Orchester
völlig anders zum Klingen bringen, genauso auch ein Jazz-Bassist kann unglaublich Dampf machen, indem er die Dynamik hochzieht und dann wieder runterfallen lässt und Raum gibt, um Musik atmen zu lassen.
Rüdiger Kurz
Die kriegen einfach einen wesentlich größeren Raum. Das ist … macht ja auch ein
anderes Zeitmaß auf die Lautstärke. Ja, warum ist es in Diskos so laut? Doch eigentlich damit die, weil du da drin zu einem gewissen Teil die Zeit aufheben
möchtest. Du hörst doch laute Musik eigentlich um die Zeit aufzuheben. – Ja, das
ist schon Dröhnung. Aufgehen. Insofern, dass eine gewisse Grenzenlosigkeit über
Lautstärke passiert. Wenn es ganz arg laut ist, verschwimmt ja so 'n bisschen die
Individualität. – Es hat was Befreiendes manchmal von der individuellen Enge.
Laute Musik verwischt die Individualität – in 'nem positiven, also das ist jetzt
nicht negativ gemeint, sondern das verwischt ein bisschen die Grenzen zwischen
Leuten.
Das geht auch auf anderen Wegen, aber es geht halt auch auf dem LautstärkeWeg. Also dieser Lautstärke-Weg ist halt irgendwie eine Möglichkeit um besonderes... das geht bei der Klassik genauso natürlich, die ganz lauten Passagen auch.
Nico Scheffler:
Wenn 's los geht, einfach abzugehen. Wenn ich auf der Bühne bin und anfang,
dann bin ich mal kurz weg, ich bin dann irgendwo anders. Und nach dem Auftritt
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schalt ich wieder ab, und dann weiß ich, ok, ich bin wieder da, jetzt war alles super.
Sprecher:
"Düsteres, Schauriges, Grübeln und Versunkenheit wiederzugeben, dazu eignen
sich die Kontrabässe ganz besonders." – Hector Berlioz.
Nico Scheffler:
Lautstärke, also es muss auf jeden Fall laut sein, es sollte nur nicht so laut sein,
dass man nicht mehr definieren kann, ok wo ist die Gitarre, wo ist der Bass oder,
wo geht der Gesang in dem Lärm unter. Es muss schon alles abgestimmt sein. Es
muss einfach, die Musik muss man fühlen, es muss einfach klick machen, und …
Nico Scheffler:
Man kann mit Metal im Prinzip dieselben Gefühle wecken, die man auch mit
klassischer Musik wecken kann. Auf jeden Fall. Es können aggressive Gefühle sein
…
Rüdiger Kurz:
Da gibt es manchmal auch so richtig rasend aggressive Stellen einfach. Es gibt
manchmal, wenn man viel so Abstrichsachen spielt, so 'n richtiges Sforzato
durchs Orchester halt knallt, das ist auch irgendwie.
Nico Scheffler:
Es können so richtig aufsteigende, ich sag mal heroische Stimmungen sein, so.
Nico Scheffler:
Dass man irgendwo steht und sich am größten und besten fühlt.
Nico Scheffler:
Da denk’ ich an Wagner.
Rüdiger Kurz:
Romantische Musik … würd ich jetzt. Ja, das findest du bei romantischer Musik
sonst. Ja, diese individuelle Aggression würd ich der romantischen Musik zuordnen.
Nico Scheffler:
Das macht schon in einem was, das weckt was auf.
Markus Krizokat:
Dieses Kriegerische, diese antreibende Impuls … bambambambam … hat auch
was von Aufwecken, von Glockenschlagen, also von der Aktivität auch eben, das
Durchgehende und so.
Markus Krizokat:
Da sind also einfach ganz viele von diesen Mustern drin, die wahrscheinlich wirklich von allen Kulturen so verstanden werden müssten.
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Markus Krizokat:
Das ist einfach sozusagen die Kognitionsprinzipien, die wir haben. Und da muss
sich eben auch die neue Musik fragen, ob sie das nicht ständig quasi überschreitet.
Markus Krizokat:
Wahrscheinlich ist das kulturell verschiebbar, aber nicht völlig umpolbar, denn
der Mensch ist einfach genetisch immer noch mal Mensch. Und Gehirne sind
nicht völlig verschieden. Ob man also einfach diese Musik nicht entschlüsseln
kann oder wenn dann zur Entschlüsselung wirklich so lange bräuchte und sich so
bemühen müsste, dass es dann auch wirklich keinen Spaß mehr machen würde.
Sprecherin:
"Musik soll den Körper zum Schwingen bringen", sagt Mini Schulz. Und Markus
Krizokat verweist auf die grundlegenden Kognitionsprinzipien. Wir erleben Musik
immer über den Körper, über den Umfang unserer Stimme, vor allem aber über
unseren Herzschlag. Und genau hier wirken die Achtelbässe auf eine ganz elementare Art und Weise. Dass sowohl Klassik als auch Rock diese rhythmische
Struktur nutzen, deutet auf ein gemeinsames kulturelles Erbe hin. Ein europäisches Erbe, denn beispielsweise die afrikanische Rhythmik funktioniert ganz anders.
Sprecher:
Rock me Amadeus. Was Klassik und Rockmusik verbindet.
Von Henrik von Holtum und Sascha Verlan.
Mit: Reinhold Friedl, Markus Krizokat, Rüdiger Kurz, Mini Schulz und Nico
Scheffler.
Es sprachen: Kathrin Hahner und Hendrik Stickan.
Realisation: die Autoren
Redaktion: Klaus Pilger.
Eine Produktion des Deutschlandfunks 2008.
ENDE
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