Executive MBA in Bleibach vom 6. Mai 2004 Lobbyismus Kurs von Claude Longchamp, Politikwissenschafter, Institutsleiter gfs.bern © gfs.bern Einleitung Disposition 1. Einleitung 2. Politisches System/politischer Prozess 3. Lobbying-Konzepte 4. Lobbying und Macht 5. Lobbyismus in der Kritik Einleitung Alltagssprache: Lobby • Vorraum oder Empfangsraum in einem Gebäude • im politischen Kontext eine Interessengruppe, die eine gemeinsame Meinung vertritt Einleitung Entstehung des politischen Begriffs Ursprünglich Lobby des Parlaments - insbesondere des US-amerikanischen Kongresses - in der ursprünglich Vertreter verschiedener Gruppen die Parlamentarier an ihre Abwahlmöglichkeit erinnerten und so eine Form der Kontrolle ausübten. Einleitung Politikwissenschaftliche Definition Lobbyismus Form der politischen Einflussnahme, bei der BeamtInnen und ParlamentarierInnen durch Einzelne oder Gruppen • direkten und angesprochen werden und • indirekt die öffentliche Meinung beeinflusst wird. Einleitung Interessenvertretung Lobbying ist … • Interessenvertretung durch Einzelne oder Gruppen, die nicht direkt im Parlament sind, und partikulare Ziele oder allgemeine Schutzinteressen verfolgen, die durch parlamentarische Entscheidungen tangiert werden (können). • meist sind diese Interessen in Verbänden organisiert Wirtschaftsinteressen Gesellschaftsinteressen Kulturinteressen Einleitung Deutschland, Oesterreich, Schweiz Tabuthema im parlamentarischen System • Lobbyorganisationen können sich z. Bsp. beim Bundestag offiziell registrieren lassen und erhalten damit direkten Zutritt zu Abgeordnetenbüros; in der Schweiz besteht nur eine Lobbyistenvereinigung • Traditioneller Lobbyismus vor allem durch die großen Verbände wie Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen • Neuer Lobbyismus durch spezialisierte Nichtregierungsorganisationen Einleitung Grundlagenliteratur Robert Purtschert: Marketing für Verbände und weitere Nonprofil-Organisationen, Bern/Stuttgart, Wien 2001 Insbesondere S. 453-496 John L. Zorack: The Lobbying Handbook. A comprehensive lobbying guide Politisches System/politischer Prozess Disposition 1. Einleitung 2. Politisches System/politischer Prozess 3. Lobbying-Konzepte 4. Lobbying und Macht 5. Lobbyismus in der Kritik Politisches System/politischer Prozess Politisches System • Teilsystem, das institutionell geregelt für die Definition von Zielen und der Herstellung resp. Umsetzung allgemein verbindlicher Normen (Verfassung, Gesetz) zuständig ist • wird in der Regel abgegrenzt von den ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Teilsystemen Politisches System/politischer Prozess Politische Entscheidung • für die Setzung verbindlicher Normen ist das Parlament zuständig • es ist aber nicht alleine massgeblich, denn am Entscheidungsprozess sind auch Regierung, Verwaltung, Parteien, Verbände und Medien beteiligt. Politisches System/politischer Prozess Der Entscheidungsprozess Umsetzungsphase Initialisierungsphase Entscheidungs- Vorbereitungsphase phase Politisches System/politischer Prozess Politisches System/politischer Prozess Interventionsmöglichkeiten Vorparlamentarische Phase • Verwaltungsinterne Amtsstellen/Arbeitsgruppen • Ausserparlamentarische Expertenkommissionen • Vernehmlassungsverfahren medial: • Reaktiv: Veröffentlichung der Ergebnisse von Expertenkommissionen resp. der Botschaft ans Parlament • Aktiv: Medienkonferenz zu eigenen Studie, Stellungnahmen von Think Tanks Parlamentarische Phase • • • • • vorberatenden Parlamentskommissionen Fraktionen Plenumsdebatte Differenzbereinigung, 2./3. Lesung Schlussabstimmung medial: Medienkonferenzen von Kommissionen und Fraktionen Politisches System/politischer Prozess Gewichtung politischer Akteure Gewichtung der Akteure im politischen Entscheidungsprozess der Schweiz nach Kriesi (1980) Medien? 1. Wirtschaftsverbände Gerichte? 2. Bundesrat/Verwaltung EU? 3. Parlament/Parteien Politisches System/politischer Prozess Lobbying als Beruf In Brüssel gibt es zwischen 1800 und 3000 Interessengruppen mit über 10.000 Beschäftigten. Politisches System/politischer Prozess Lobbying gegenüber der EU Nach einer regelrechten Gründungswelle im Gefolge der Römer Verträge nach 1957, fand in den 80er Jahren mit dem europaweiten Paradigmenwechsel (Weißbuch zum Binnenmarkt, institutionelle Reformen, Erweiterung, Einheitliche Europäische Akte) ein quantitativer wie qualitative Entwicklungssprung für den Lobbying-Sektor statt. Neben der immer breiter werdenden Streuung von Interessen, insbesondere in die Richtung von Umwelt- und Verbraucherschutz, verstärkt sich die Präsenz kommerzieller Lobbyisten. Politisches System/politischer Prozess These 1: Innerhalb des Verbandswesens differenzieren sich verschiedene Funktionen zusehends, zu denen auch das politische Lobbying gehört. NPO können dieses sinnvoll als Teil ihres Marketings betreiben. Politisches System/politischer Prozess Leistungsabgabe-Marketing Eigenmarketing • Personal • "Milizler" • Mitgliederpflege • Freiwilligen Interessenvertretung • PR • Social Marketing Dienstleistungsmarkting/Produktemarketing Marketing als Auftragsdurchführung • Kooperative Kommunikation • Verbands-Marketing Lobbying-Konzepte Disposition 1. Einleitung 2. Politisches System/politischer Prozess 3. Lobbying-Konzepte 4. Lobbying und Macht 5. Lobbyismus in der Kritik Lobbying-Konzepte Politisches Marketing Führungskonzept politischer Akteure, die bestrebt sind, ihr Handeln durch professionelle Arbeit zu verbessern: • Zieldefinition • Analyse Ausgangslage • Strategiebildung Lobbying-Konzepte Strategie und Umsetzung Strategie Verringerung der Soll/IstDifferenz Umsetzung Operationen basieren auf … • Planung • Realisierung und • Evaluierung. Lobbying-Konzepte Arten des Lobbyings LobbyingArten GesetzgebungsLobbying Vollzugs-Lobbying SubventionsLobbying Lobbying-Konzepte Stand-By resp. Operationskonzepte Stand-by Operationen Permanent etablierte Form des Lobbyings, die aus dem Konzept folgt, aber nach Aussen aktiv handeln muss Speziell aufgebaute Form des Lobbyings, die aus Entscheidungen der Organisation folgt und nach Aussen aktiv handeln muss Beobachtung Handlung Lobbying-Konzepte Stand-By-Konzept Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying Austauschpartner Lobbying-Konzepte Übergeordnete Vorgaben Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying Austauschpartner Kernaufgabe von economiesuisse ist die Mitgestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene; die Schwergewichte liegen in den Bereichen: • • • • • • • • • • • • Agrarwirtschaft Aussenwirtschaft Bildung und Forschung Finanzen und Steuern Infrastruktur KMU-Fragen Kommunikation (ICT) Konjunktur und Währung Rechtsfragen Sozialpolitik Staats- und Sicherheitspolitik Wettbewerbsfragen Lobbying-Konzepte Kritik bisheriges Lobbying Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying Austauschpartner Checkliste 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Wissenslücken in wichtigen Themen Koordinationslücken in der Lobbyingarbeit Lobbying ohne Einfluss Lücke der Repräsentativität Selbstzufriedenheit Geschwächte Positionen aus bisherigen Verhandlungen Unfähigkeit, neue Erkenntnisse in den politischen Prozess einzubringen Zu viele Themen mit zu vielen Details Mehrspuriges Engagement Ungenügendes Wissen resp. Verständnis für die politische Agenda Lobbying-Konzepte Austauschpartner Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying Austauschpartner externe Zielgruppen • • • • • Zuständige Amtsstellen Verantwortliche Personen Meinungsführer in Kommissionen, Fraktionen Meinungsführer in den Medien Netzwerke, Mentoren interne Zielgruppen • Vorstand • Ausschüsse • Mitglieder Lobbying-Konzepte Monitoring Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying Austauschpartner Aufbau des Monitorings, das heisst der kontinuierlichen Beobachtung von Entwicklungen in politisch relevanten Themen und deren Umfeld als Frühwarnsystem • Gesetze, Verordnungen durchforsten • Forschung auswerten • Öffentlicher Diskurs verfolgen Lobbying-Konzepte Bewertungen Bewertungen Monitoring Vorgaben bisheriges Lobbying • Ergebnisse des Monitorings müssen laufend beurteilt werden. Austauschpartner • Im Normalfall ist das Aufgabe der Geschäftsstelle, in speziellen Fällen der Ausschüsse oder des Vorstandes. • Entscheidungen müssen intern abgestützt sein und zu realistischen Vorgaben führen. Lobbying-Konzepte Voraussetzungen für erfolgreiches Lobbying "Erfolgsfaktoren" • • • • Phase der Entscheidfindung (je früher, desto besser) Charakteristik der Entscheidung (je fachspezifischer, desto besser) Verfügbare Lobbying-Kapazitäten (je adäquter, desto besser) Nutzbares Beziehungsnetz (je grösser, desto besser) Lobbying-Konzepte Voraussetzungen für erfolgreiches Lobbying • Haltung der öffentlichen Meinung (je unterstützender, desto besser) • Übereinstimmung mit PolitikerInnen und BeamtInnen (je identischer, umso besser) • Verhalten konkurrenzierender Interessengruppen (je desinteressierter, umso besser) • Verhalten unterstützender Interessengruppen (je engagierter, umso besser) • Möglichkeiten der Allianzbildung (je umfassender, umso besser) (Nach Buholzer 1998, S. 15) Lobbying-Konzepte Operatives Lobbying Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Auftrag Politischer Prozess Kooperationspartner Zielgruppen Lobbying-Konzepte Ziele Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Politischer Prozess • Operationsziele müssen festgelegt werden. Zielgruppen • Sie sollen ambitioniert, aber auch realistisch sein. Lobbying-Konzepte Auftrag Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Konkretisierung der Zielsetzung als Operation mit Politischer Prozess Zielgruppen • Titel • Thema • Zentrale Verantwortlichkeiten Lobbying-Konzepte Politischer Prozess Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Bestimmung Politischer Prozess Zielgruppen • Des Standes der Entscheidfindung • Der Interventionsmöglichkeiten • Der Agenden Lobbying-Konzepte Zielgruppen Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag • Sachliche Übereinstimmung/ Differenz Politischer Prozess Zielgruppen • Beziehungsnetz • Verhältnis • Angebote Soweit wie möglich auf Austauschpartner abstellen! Lobbying-Konzepte Kooperationspartner Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Politischer Prozess • Partner im eigenen System (Dachverbände, Zentralvorstand) Zielgruppen • Partner in anderen, aber verwandten Systemen • Parteien, Medien Lobbying-Konzepte Leistungs-Mix Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Politischer Prozess Zielgruppen • Informationen aufbereiten (Fachkompetenz, Vertrauen) • Beziehungen anbieten (Netzwerke) • Legitimation vermitteln (Organisierbarkeit, Repräsentativität) • Zustimmung verschaffen (Grösse, Mobilisierungsfähigkeit) • Finanzen (Verfügbarkeit) • Umgang mit Macht (Marktmacht, Demonstrationsmacht) Lobbying-Konzepte Organisation / Finanzen Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Entscheid zwischen Politischer Prozess Zielgruppen • Permanenter Organisation und Projektorganisation • Organigramm/Pflichtenhefte • Teambildung • Aktionsbudget erstellen Lobbying-Konzepte Kommunikation Direkte Kommunikation Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Auftrag Politischer Prozess Zielgruppen • persönlich • schriftlich Indirekte Kommunikation • Über Mentoren oder nahestehende Dritte • Über Vorgesetzte Begleitkommunikation • Für öffentliche Meinung • Für Fachpublikum/Wissenschaft Lobbying-Konzepte Erfolgskontrolle Erfolgskontrolle Zielsetzung Organisation Leistungen Kooperationspartner Laufende Berichterstattung über: Auftrag Politischer Prozess Zielgruppen • Fortschritt/Rückschritte • Bewertung von Aktionen • Lerneffekte, Benchmarking • Szenarien Lobbying-Konzepte These 2: Das politische Lobbying verändert die Einflussnahme von der punktuellen Aktion zum systematisch betriebenen Prozess. NPO dies sich dem Trend nicht anschliessen, verlieren an Einflussmöglichkeiten. Lobbying-Konzepte Weitere Erfolgsfaktoren • Kontinuität des Lobbyings • eigene Expertenstäbe • dauerhaftes Networking • Aktionsfähigkeit Lobbying und Macht Disposition 1. Einleitung 2. Politisches System/politischer Prozess 3. Lobbying-Konzepte 4. Lobbying und Macht 5. Lobbyismus in der Kritik Lobbying und Macht Machtmöglichkeiten des Lobbyings Parlamentarisches System • Wahlhilfen • Abwahldrohung Halbdirekte Demokratie Zusätzlich Referendumsfähigkeit = Veto in Sachfragen Lobbying und Macht Exkurs Schweiz Referendumsfähigkeit • Kapazität, kritische Öffentlichkeit herzustellen • Kapazität, kurzfristig Unterschriften zu sammeln • Kapazität, Abstimmungskämpfe zu führen Tatbeweis: Referendumsabstimmungen gewonnen Lobbying in der Kritik Disposition 1. Einleitung 2. Politisches System/politischer Prozess 3. Lobbying-Konzepte 4. Lobbying und Macht 5. Lobbyismus in der Kritik Lobbying in der Kritik Lobbyismus in der Kritik Lobbyisten versuchen mit Geld und Zeit Kontakte zu einflussreichen Personengruppen aufzubauen, um die Interessen einer Minderheit (Partikularinteressen) gegen die Interessen der Mehrheit (Allgemeinwohl) durchzusetzen Lobbying in der Kritik Lobbyismus für nichtvertretene Interessen Lobbyisten sind zwingend nötig für Interessen, die sich nicht direkt vertreten können wie Natur, Tiere, zukünftige Generationen. Sie vertreten dabei unpersönliche Kollektivinteressen. Lobbying in der Kritik Demokratie-Theorie umstritten Einerseits ist Lobbyismus … Andererseits zeigt sich … • eine Form der direkten pluralistischen Einflussnahme auf das politische System • dass die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreichen Lobbyismus nur von bestimmten Lobbys erbracht werden können • ein Weg direktdemokratischer Tendenzen in einer Demokratie • ein notwendiges Gegengewicht zur Macht des Parteienstaates • dass Lobbyismus mit mangelnder Transparenz und Korruption in Zusammenhang gebracht werden kann Lobbying in der Kritik www.gfsbern.ch www.polittrends.ch © gfs.bern