Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Sic et Non. [www.sicetnon.org] Kathrin Busch Befremdliche Räume Überblick Die zeitgenössische Kunst ist von Fragen des Raumes nicht mehr zu trennen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts treibt es die Kunst aufgrund der Kritik am Illusionismus selbst der abstrakten Malerei zunehmend in den Raum und es bilden sich in einem Verfransungsprozess mit anderen Künsten neue räumliche Kunstformen heraus. 1 Diese äußerst vielfältige Raumkunst bezieht in dem Maße, wie sie in den umgebenden Raum ausgreift, verstärkt ihre jeweiligen räumlichen, institutionellen, ökonomischen und sozialen Kontexte in das Werk ein. Ihre ortsspezifisch verfahrenden Raumerkundungen gehen über die physischen Bestimmungen des Ortes hinaus und wenden sich dem gesellschaftlichen und öffentlichen Raum zu. 2 Die diese Entwicklung begleitenden kunsttheoretischen Ansätze sind geprägt von einer Aufnahme vorwiegend soziologisch ausgerichteter Raumtheorien wie diejenigen Simmels, Lefèbvres und Bourdieus, um die Produktion des Raumes sowie raumbildender Praktiken zu untersuchen, wobei Raum als Medium sozialer Transformationen gedacht wird. 3 Diese Konzentration auf soziologische Raumtheorien möchte ich durch Einbeziehung einer Theorie des unheimlichen oder pathischen Raumes erweitern, wobei neben Heidegger auch die Tradition phänomenologischer Untersuchungen zum Raumerleben berücksichtigt wird. Anstoß zu dieser Erweiterung des theoretischen Feldes gibt ein Strang zeitgenössischer Kunstproduktion, in dem die Befremdlichkeit und beunruhigende Wirksamkeit von Räumen zur Darstellung gelangt. 4 Vor allem die frühen aus der Psychopathologie stammenden Theorien des Raumerlebens von Straus und Minkowski sind geeignet, den künstlerischen Inszenierungen eines dynamischen, wirksamen und vereinnahmenden Raumes Rechnung zu tragen. Ich werde zunächst die Grundzüge des Raumverständnisses von Heidegger entwickeln, im Hinblick auf eine Theorie des unheimlichen Raumes und seiner kunsttheoretischen Implikationen auslegen, um abschließend eine kurze Darstellung dessen zu geben, was ich als pathischen Raum bezeichnen möchte. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 1 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Kunst und Raum Heidegger schreibt dem Raum in einer ungewöhnlichen Verkehrung des alltäglichen Verständnisses Geschehnischarakter zu und legt nahe, der Raum müsse, will man ihn in seinem Wesen bestimmen, als ein sich verräumlichender Raum gedacht werden. Seine Theorie eines ereignishaften Raumes möchte ich für kunsttheoretische Fragen fruchtbar machen, um die wie ich meine, problematische Privilegierung des Handlungsbegriffs in den derzeitigen Raumtheorien zu ergänzen. Will man ein Verständnis der Heideggerschen Raumtheorie gewinnen, ist es ratsam, sich zunächst der auf die antike Philosophie zurückgehenden Unterscheidung zwischen Ort und Raum, topos und chora zu erinnern. Topos meint bei Aristoteles den von einem begrenzten Körper besetzten oder eingenommenen Raum, also seinen Ort, während chora, den Raum bezeichnet, der solche Orte beinhaltet. 5 Der so gedachte Raum hat demnach ausgezeichnete Orte und ist infolgedessen ein durch die Orte strukturierter und gegliederter Raum. Diese Bestimmung des Raumes durch die Orte der Körper oder Dinge geht im neuzeitlichen Raumbegriff verloren: der Raum wird stattdessen zur „gleichförmigen dreidimensionalen Ausdehnung“ , der 6 unabhängig von dem in ihm Befindlichen Bestand hat. Dieser Vernachlässigung des gegliederten, ausgerichteten Raumes zugunsten seiner Homogenität tritt neben der Phänomenologie auch Heidegger entgegen, wenn er von einer räumenden Kraft des Raumes spricht: „der Raum räumt. Räumen heißt roden, freimachen, freigeben ein Freies, ein Offenes. Insofern der Raum räumt, Freies freigibt, gewährt er erst mit diesem Freien die Möglichkeit von Gegenden, von Nähen und Fernen, von Richtungen und Grenzen, die Möglichkeit von Abständen und Größen.“ 7 Einen Raum einzuräumen, heißt demnach nicht, in ihm Dinge zu platzieren, sondern ausgehend von den Dingen und ihren Orten Raum zu eröffnen. Heidegger nennt als Beispiel den Bau Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 2 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 einer Brücke, die weniger schon vorhandene Ufer verbindet, als diese vielmehr als Ufer erst hervortreten lässt und die umgebende Landschaft zur Wahrnehmbarkeit bringt. In einer Verkehrung sowohl der gewöhnlichen wie auch der antiken Vorstellung befinden sich demnach die Orte nicht im vorgegebenen Raum, sondern sie eröffnen ihn. Das Einräumen geschieht als Artikulation des Raumes durch Formen der Verortung. Der Raum ist nur zugänglich als ein über Orte gegliederter Raum. Seine Ausrichtungen, Begrenzungen und Entfernungen sind nicht absolut gegeben, sondern strukturieren sich durch Plätze, Bauwerke oder Wege und sind abhängig von praktischen Bezügen. Als ein solcher strukturierter Raum muss er eingeräumt werden. Damit geht die Möglichkeit einher, dass er sich jeweils anders figuriert, so dass die Geschichtlichkeit von Raum und Raumordnungen denkbar wird. Der Geschehnis- oder Ereignischarakter von Raum ist nun kunsttheoretisch insofern von Interesse, als das Einrichten von Orten auch durch Kunstwerke geschehen kann, die ebenso wenig wie Dinge oder Bauwerke im Raum vorgefunden werden, sondern diesen in spezifischer Weise zugänglich machen. Die Kunst ist weder Gestaltung noch „Besitzergreifung des Raumes“ , sondern ein Stiften von Orten, die ihrerseits den 8 Raum in seiner jeweiligen Artikulation freigeben. Dank der Orte stiftenden Kraft der Kunst wird Raum und damit jener Bereich erschlossen, in dem Dinge und Menschen begegnen. Für die Kunst ist zudem bezeichnend, dass die Gabe des Raumes selbst zum Vorschein kommt, insofern in der Kunst die Räumlichkeit als solche thematisch wird. 9 Obwohl Heidegger seine Raumtheorie in Auseinandersetzung mit der modernen Plastik gewinnt, ist es berechtigt seine Überlegungen auf die nicht mehr plastisch zu nennende zeitgenössische, installative Raum-Kunst zu übertragen. Seine Beschreibungen lassen sich fruchtbar machen für jene raumbezogenen Arbeiten, die – von der Minimal Art über institutionskritische bis hin zu interventionistischer Kunst – in den Umraum ausgreifen, der dadurch in seine spezifische Wahrnehmbarkeit eingerückt wird. Damit wird der Umraum seinerseits zu einem Bestandteil des Werkes. 10 Die Raumkunst ist im Sinne Heideggers also notwendigerweise ortsspezifisch, da der jeweilige Umraum erst durch das Werk zum Vorschein kommt. Wird der Raum nun nicht als eine an sich vorhandene Gegebenheit angenommen, Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 3 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 wird auch die These von einer Produktion von Räumen durch künstlerische Verortungen, Handlungen oder soziale Interaktion verständlich. An diese Einsicht in die gesellschaftliche Produktion von Räumen knüpft sich vielfach das Interesse der zeitgenössischen Kunst. Ihre Raumerkundungen verbinden sich mit einer räumlichen Praxis der Aneignung und Hervorbringung von Raum, wie sie beispielsweise von Michel de Certeau dargestellt wird. 11 Insbesondere die Produktion von Raum durch soziales Handeln wird gegenwärtig für Kunstprojekte in Anspruch genommen. Dieser neuen ortsbezogenen Kunst entspricht in der Kunstkritik ein erweiterter Raumbegriff, der über das der sinnlichen Erfahrung Zugängliche hinausweist auf den Raum als Verkörperung gesellschaftlicher Strukturen. 12 Infolgedessen gewinnt der Rekurs auf soziologische Raumbegriffe in der Kunstkritik an Bedeutung. Raum wird als „soziales Gebilde“ gefasst, als „ein sich ständig im Prozess befindliches Produkt sozialer Beziehungen“ 13 und als „Medium sozialer Veränderungen“ . 14 Als ein Beispiel dafür, dass die skulpturalen Eingriffe der ortsspezifisch arbeitenden Künstler eine soziale und urbane Dimension beinhalten, lassen sich die Arbeiten Gordon Matta-Clarks nennen. Vor allem seine seit 1972 vorgenommenen Cuttings sind hierfür signifikant. In Splitting (Abb. 1: Gordon Matta-Clark, Splitting, 1974) zersägt Matta-Clark ein typisches amerikanisches Vorstadthaus entlang der Vertikalen, kippt eine Haushälfte zur Seite und entfernt die vier oberen Haus-Ecken. Mit den Einschnitten in das Haus überführt er Architektur in Skulptur und versetzt damit das Gebäude in die Funktion der Hervorbringung und Interpretation von Raum. Durch Öffnung der Wände und Decken transformiert er die Wahrnehmungs- und Lichtverhältnisse des Raumes und setzt den Umraum mit seinen sozialen, ökonomischen und stadtplanerischen Implikationen ins Werk. Diese Umnutzung der Architektur in Kunst lässt sich als Aneignung und Produktion von Raum verstehen. Matta-Clark legt also ein Handeln mit oder durch Raum zugrunde, welches zum einen das Haus als Heimisches, SchutzGewährendes außer Kraft setzt und eine andere Seite des Häuslichen, nämlich seine Fragilität und damit auch das Unbehaustsein – als ein Moment des Unheimlichen – zum Vorschein bringt. (Abb. 2: Gordon Matta-Clark, Splitting, 1974) Durch die Freilegung der Bausubstanz und der architektonischen Struktur treten zum anderen die räumlichen Anordnungen und die damit einhergehenden Vorgaben an das Wohnen Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 4 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 zutage und werden in ihrer – auch – normierenden Konstruktion reflektierbar. 15 Dies wird insbesondere anhand eines zweiten Cuttings, Bingo (Abb. 3: Gordon MattaClark, Bingo, 1974), explizit, bei dem Matta-Clark die Fassade eines Wohnhauses in Segmente aufteilt und abträgt. Mit der Öffnung des Hauses wird dieses als eingeteilt in Wohnzellen sichtbar, die mit der Separierung der Bewohner einhergeht, so dass offensichtlich wird, dass die Architektur eine bestimmte Nutzung und Lebensweise diktiert und die baulichen Vorgaben eine soziale Dimension beinhalten. Daher ist die Öffnung des Innenraums auch metaphorisch als Wendung gegen die regulierende Funktion baulicher Ordnung zu verstehen. Wenn mit dem Offenlegen der Häuser auf die gesellschaftlich prägende Wirksamkeit von Architektur verwiesen wird, so kann den raumbildenden Eingriffen neben der Produktion von Raum eine Reflexion auf die bestimmende Kraft von Raumordnungen zugeschrieben werden. Unheimliche Räume Wenn also die Raumtheorie Heideggers mit den Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst darin überein kommt, dass die Kunst raumbildend ist, so lässt sich jedoch mit Heidegger an der These von der Herstellung des Raumes eine präzisierende Kritik anbringen, insofern der Raum zwar, wie Heidegger schreibt, „um als Raum zu räumen, den Menschen“ 16, benötigt, dies aber nicht heiße, der Mensch mache oder produziere den Raum. Vielmehr bestimmt der Raum seine Einrichtung, für die der Mensch gebraucht wird, seinerseits. Obwohl der Raum nicht anders zugänglich wird als über die Einrichtung von Orten, verfügt der Mensch nicht über den Raum. Mit dieser Unverfügbarkeit kommt eine unheimliche oder auch pathisch zu nennende Dimension des Raumes zum Zuge. Denn der Raum ist nicht nur deshalb unheimlich, weil er – entgegen dem Alltagsverständnis – als Geschehen zu denken ist, sondern weil dem – wie Heidegger es nennt – „Walten“ der Orte eine Wirksamkeit bezüglich des Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 5 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Menschen zuzuerkennen ist. Die Kunst bringt nicht nur spezifische Raumbezüge zum Vorschein, sondern rückt die Tatsache in die Wahrnehmbarkeit, dass der Raum in seiner jeweiligen geschichtlichen Fügung das menschliche Dasein bestimmt. In diesem vereinnahmenden „Walten“ des Raumes – und hier muss man im „Walten“ die Gewalt mithören – ist seine Unheimlichkeit zu situieren. 17 Man könnte von einer Heimsuchung durch den Raum sprechen. Das Einräumen des Raumes sucht den Menschen heim. In solcher Heimsuchung bringt sich der Raum hervor, sie ist also ihrerseits verräumlichend. Unheimlichkeit kann demnach nicht nur als eine Dimension der Raumerfahrung oder als Merkmal bestimmter Räume gelten, sondern der Raum muss mit Heidegger ausgehend vom Unheimlichen neu gedacht werden. 18 Das Unheimliche kann in zweierlei Hinsicht als konstitutives Moment von Raumerfahrung gelten, da mit dem Geschehnischarakter von Räumen zum einen der Geschichtlichkeit von Raumordnungen und zum anderen der bestimmenden Kraft dieser Raumordnungen für den Menschen Rechnung getragen wird. Die im Hinblick auf eine Theorie des unheimlichen Raumes gelesenen Ausführungen, möchte ich zur Verdeutlichung mit Heideggers Kunstwerk-Aufsatz in Verbindung bringen, denn man kann behaupten, dass für Heidegger auch Kunst und Kunstwerk in ihrem Wesen unheimlich sind, so dass man der Kunst ein besonderes Vermögen der Freilegung der ursprünglichen Unheimlichkeit des Raumes zuschreiben darf. Die Kunst ist für Heidegger nicht durch den Gegenstand ihrer Darstellung unheimlich, sondern durch die Unterbrechung bestehender Gewissheiten. 19 Im Kunstwerk- Aufsatz heißt es, die Kunst vermöge das Gewohnte und bisher „geheuer Scheinende“ 20 außer Kraft zu setzen und in eine neue Zugänglichkeit zu dem, was ist, einzurücken. Das Werk ist unheimlich, sofern es das Vertraute unvertraut und die Selbstverständlichkeit der Erschlossenheit fragwürdig sein lässt. Heidegger zeichnet die Kunst bekanntlich dadurch aus, dass das Verhältnis von sinnhafter Erschlossenheit der Welt und ihres Grundes, der seinerseits nicht in die Erschlossenheit einholbar ist, sich im Werk als Gegenwendigkeit von Zugänglichkeit und Entzug artikuliert. Dies möchte ich hinsichtlich der Raumkunst verdeutlichen. Wenn Heidegger behauptet, dass wir durch das Werk „jäh anderswo“ sind, „als wir gewöhnlich zu sein pflegen“ 21, so weil in der Kunst, wie bereits dargelegt, die jeweiligen Raumordnungen als solche hervortreten. Die Kunst besitzt darüber hinaus Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 6 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 die Kraft, dass „alles sich anders uns zukehrt“ 22, weil in der künstlerischen Erschließung der geschichtlichen Raumordnung zugleich aufscheint, dass in dem jeweils erschlossenen Raum der Grund der Raumordnungen selbst nicht zugänglich ist. Damit aber wird die selbstverständliche Gegebenheit der Räumlichkeit fragwürdig. Der eingerichtete Raum enthält seinerseits nicht das, wodurch er gegeben ist. Der Grund der Räumlichkeit bleibt entzogen. Dadurch wird gleichsam die „Abgründigkeit“ der Raumordnung thematisch. Oder anders formuliert: Mit der Tatsache, dass der Raum eingeräumt ist, taucht auf, dass er auch anders gegeben sein könnte, ohne dass allerdings das Räumende, also das die Raumordnung Bestimmende seinerseits verfügbar wäre. Die eine andere „Geräumigkeit“ 23 erschließende Kraft der Kunst, ihr heterotopisches Vermögen – wie mit Foucault zu formulieren wäre – , bleibt daher von einem Moment der Unerschließbarkeit und Unverfügbarkeit durchzogen. Letztere verweist auf eine unhintergehbare Passivität gegenüber der Wirksamkeit des Raumes. Von kunsttheoretischem Interesse ist das Einräumen des Raumes also nicht nur durch das Offenlegen verdeckter oder eingelagerter Raumstrukturen, wie wir es in der ortsspezifischen Kunst durch raumerschließende und raumbildende Praktiken realisiert finden, sondern bedeutsam ist auch das Aufdecken des entzogenen Grundes der Raumordnungen. Dieses Verhältnis von Erschlossenheit und Entzug artikuliert sich gemäß Heidegger im Werk als ästhetischer Überschuss, also als das, was den Rezipienten angeht, ohne sich ihm vollständig zu erschließen. Um diese Dualität von Raumerschließung und Unerschließbarkeit geht es, wie ich meine, in den Arbeiten der englischen Künstlerin Rachel Whiteread. Whiteread nimmt Abgüsse von Räumen vor, sowohl der Hohl- und Umräume ausgewählter Dinge alltäglicher Verrichtungen als auch der Volumen ganzer Zimmer oder Häuser. Ihr dienen dabei die Gegenstände selbst als Gussform, so dass die entstandenen Plastiken die Negativformen ihrer Vorlagen ausbilden. 24 Die Hohlräume verkörpern sich zu dreidimensionalen Objekten aus Materialien wie Beton, Kunststoff oder Gummi. Die Arbeiten von Whiteread beziehen ihre ästhetische Kraft aus der Irritation des Raumgefühls, weil alle Raummerkmale sich verkehren, die Raum-Volumina sich gleichsam materialisieren – so dass der Raum nicht leer, sondern angefüllt, also plastisch und opak erscheint. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 7 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Besonders signifikant ist die 1993 in London entstandene Arbeit „House“(Abb. 4: Rachel Whiteread, House, 1993), für die Whiteread den Turner-Preis erhielt. Als Gussform dient hier ein 3stöckiges Londoner Arbeiter-Reihenhaus aus dem 19. Jahrhundert, das zum Abriss freigegeben einer öffentlichen Parkanlage weichen soll. Whiteread füllt es von innen mit einer Betonschicht aus, um anschließend die als Verschalung fungierenden Außenwände entfernen zu lassen. (Abb. 5: Rachel Whiteread, House, 1993) Entgegen dem visuellen Eindruck besteht die Arbeit nicht aus massiven Betonblöcken, sondern in die Räume wird mithilfe einer Gitterkonstruktion eine zweite Wand eingezogen, so dass gleichsam ein Gebäude im Gebäude errichtet wird, das wie eine Negativ-Maske alle Raummerkmale übernimmt. Der entstandene Raum ist also selbst ein Hohlkörper, der eine eingemauerte, nunmehr unzugängliche Leere umschließt. Die Plastik zeigt die Hülle eines Innenraumes, aus dem man ausgeschlossen ist. Whiteread arbeitet hier nicht nur mit der Verkehrung von Hohlform und Ausfüllung, sondern auch mit dem Verhältnis von sichtbarem, öffentlichzugänglichem Raum und privatem, normalerweise hinter Wänden verborgenem Innenraum des Wohnens. Zum einen lässt sich die Arbeit als Denkmal verstehen, welches ein übrig gebliebenes Haus einer im viktorianischen Stil erbauten Siedlung in ein „archäologischen Relikt“ verwandelt und damit Aspekte der Stadtplanung und – sanierung thematisiert. (Abb. 6: Rachel Whiteread, House, 1993) Zum anderen transformiert die Arbeit das Haus aber auch in das Grabmal seiner selbst, das von seinem Nicht-mehr-Sein zeugt, weil die Herstellung der Plastik mit der Zerstörung des Hauses einhergeht. Damit aber wahrt die Arbeit das Moment des Entzogenen. Das zugänglich Gemachte wird damit gerade unzugänglich. In dem Maße, wie die Arbeit das Innen nach Außen kehrt, scheint sie ein in Beton gegossenes absolutes Geheimnis zu wahren, dem vielleicht noch nicht einmal mehr das Merkmal des Unheimlichen zuzuschreiben wäre. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 8 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Pathisches Raumerleben Der Gegenüberstellung von sichtbarem, öffentlichen Raum und opaken, unzugänglichen und darin geheimnisvollen Raum, möchte ich im weiteren folgen, um meiner These, dass neben der raumbildenden und raumerschließenden Bedeutung der Kunst, eine pathische Dimension Beachtung finden muss, zu festigen. Ich werde dafür die Ebene der Raumkonstitution verlassen, um mich mithilfe phänomenologischer Ansätze der Raumerfahrung zuzuwenden. Die Untersuchung des pathischen Raumes führt von Straus, Binswanger und Minkowski in den 1930er Jahren, über Merleau-Ponty und Caillois bis hin zu neueren architekturtheoretischen Ansätzen u.a. von Anthony Vidler und Mark Wigley, die dem unheimlichen Raum in der postmodernen Architektur nachforschen. 25 Ausgangspunkt für die pathische Raumform ist der von der Phänomenologie beschriebene gelebte Raum – ein mit Qualitäten aufgeladener, inhomogener Raum im Unterschied zum quantitativ, messbaren, geometrischen Raum. Gemeint ist der Raum, wie er sich dem Erleben darbietet. Innerhalb des gelebten Raumes lassen sich zwei Raumformen unterscheiden: Zum einen der helle, visuell erschlossene Raum, der dem Alltagsverständnis vom leeren, dreidimensionalen Raum 26 entspricht. Grundlegend für den visuellen Raum ist die Erfahrung möglicher Distanz. Es ist ein Raum der fest umrissenen Grenzen und Abstände zugleich ist es der Raum der Handlungen, Begegnungen und der Sozialität. Daneben ist eine andere Raumerfahrung aufweisbar, in welcher der Raum in einem durchdringenden und vereinnahmenden Charakter erscheint. Diese Raumform, die in Raumphobien ihre prägnanteste Ausformung findet, lässt sich im Dunkeln, oder allein schon bei geschlossenen Augen nachvollziehen. Während sich der helle, visuelle Raum gleichsam vor dem Wahrnehmenden ausbreitet, ist der dunkle oder auch nächtlich genannte Raum Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 9 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 umhüllend und opak. Er erscheint „viel materieller, viel handgreiflicher und viel durchdringender als die durchsichtige Helle des optischen Raumes.“ 27 Dem dunklen Raum wird zugeschrieben, er büße die Orientiertheit nach Orten und Lagen ein, zugunsten einer erfüllten oder umfänglichen Raumstruktur. Merleau-Ponty spricht „von einem Wurzelschlagen der Dinge in unserem Leib, einer schwindelerregenden Nähe der Gegenstände, einer Verschlingung von Mensch und Welt“ 28. Nicht nur die Umgrenzungen der Dinge, auch die Körperbegrenzungen werden diffus, überträgt sich der Raum doch auf die „körperliche Zuständlichkeit“ 29. Es sei daher gerechtfertigt von einem pathischen Raumerleben zu sprechen, weil der Raum in seiner Eigenmächtigkeit erscheint. Im Begriff des Pathischen ist neben der Empfindungsdimension aufgrund des Bestimmtseins durch den Raum auch das Moment der Passivität impliziert. Wie insbesondere im pathologischen Raumempfinden Schizophrener deutlich wird, scheint der dunkle Raum auf das Subjekt überzugreifen bis hin zur Auflösung der Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Subjekt und Umraum. Der dunkle Raum bedroht daher die Identität. Es lässt sich nun aber zeigen, dass in der krankhaften Modifikation nur zum Vorschein kommt, was auch das normale Raumerleben bestimmt: nämlich dass der Raum, wie er sich dem Erleben darbietet, sich in seiner „affektiven Tonalitäten“ 30 auf den Menschen überträgt. Es wäre daher irreführend, nur dem dunklen Raum eine pathische Kraft zuzusprechen. Die Gegenüberstellung von hellem und dunklem Raum unterwandernd lässt sich vielmehr aufweisen, dass sogar der helle, scheinbar distanzierte Raum der Handlungen vereinnahmend sein kann, und auch hier Grundzüge des gemeinhin vernachlässigten pathischen Raumes wirksam sind. Auch im hellen Raum ist das Subjekt einer Einrückung und Anähnelung an den Raum ausgesetzt, die Minkowski selbst als „Nivellierungsarbeit“ 31 des Raumes anspricht, weil das Subjekt wie die Dinge seinen Ort in diesem Raum einnimmt und „wenigstens von dieser Seite [s]eines Wesens her, den Dingen der Umwelt ähnlich“ 32 wird. Unter dem Blick der Anderen, als sichtbares wird das Subjekt in den Raum eingerückt und nimmt wie die übrigen Dinge im Raum einen Ort ein. Der helle Raum ist eben deshalb ein sozialer Raum, in dem – wie Merleau-Ponty ausführt – das Subjekt nicht nur sehend, sondern auch sichtbar ist. 33 Gerade dieses Zugeständnis, dass selbst im hellen Raum eine Anähnelung des Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 10 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Subjekts an seine Umgebung stattfindet, die im dunklen Raumerleben sich zu einer Durchmischung von Subjekt und Umraum steigert, lässt die strikte Trennung beider Raumerfahrungen im ‚normalen’ Raumerleben fragwürdig erscheinen. Insbesondere Caillois 34 und im Anschluss an ihn Lacan 35 haben sich diese Einsicht zunutze gemacht, um die pathische Wirksamkeit des Raumes als eine Art „Verführung durch den Raum“ 36 zu beschreiben. Es gibt eine Anziehung durch den Umraum, welche die Gefahr oder das Verlangen des Selbstverlustes für das Subjekt birgt. Denn so wie die Fähigkeit, sich vom umgebenden Milieu abzuheben, Bedingung der Individuierung ist, so droht mit der Übertragung der Raumcharaktere auf das Subjekt die Rückkehr in einen vorsubjektiven Zustand der Undifferenziertheit. 37 Aufgrund dieser die Identität auflösenden Tendenz entfaltet der dunkle Raum seinen unheimlichen Charakter und erscheint als verschlingende Kraft, durch die das Subjekt vom Raum absorbiert zu werden droht. 38 Die Unheimlichkeit des dunklen Raumes speist sich aus der Angst und dem unbewussten Begehren, dem Raum ähnlich zu werden, in das umgebende Milieu – wie bei der Mimikry oder Camouflage – einzugehen und sich selbst Verschwinden zu machen. Aufgrund des Zusammenhangs von Subjekt und Raum und der Subjektwerdung durch Positionierung im Raum, kann vom „Raum in seiner unbewußten Dimension“ 39 gesprochen werden. Mag die Angst vor der Verführung oder dem Verschlungen-werden durch den Raum ein pathologisches Extrem sein, so verweist dieses Phänomen doch auf den pathischen Grundzug auch der normalen Raumwahrnehmung. Jede Raumwahrnehmung ist eine gestimmte oder durch Befindlichkeit erschlossene Wahrnehmung, in der gewissermaßen eine Ansteckung und atmosphärische Übertragung der Raumqualitäten auf das Subjekt, mithin eine Anähnelung des Subjekts an den Raum statt hat. In diesem Sinne ist der pathische Raum zugleich unheimlich, weil er von einem der Subjektkonstitution vorgelagerten Zustand der Ungeschiedenheit von Subjekt und Raum zeugt. „Der Ort gliedert sich somit dem Leib ein ebenso wie der Leib dem Ort.“ 40 Weil damit die Trennwände von Innen- und Außenraum durchlässig werden, übertragen sich Ausstrahlung, Atmosphäre und Stimmung des Raumes auf das Subjekt, dessen Leib gleichsam zum Resonanzkörper des Raumes wird. Der Raum entfaltet darin seine affektive und vereinnahmende Wirksamkeit, die man sich in der Kunst vielfach zunutze macht. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 11 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Als prägnantes Beispiel mögen die Raumarbeiten Gregor Schneiders gelten. Über Jahre hinweg hat er in dem ihm von seinen Eltern überlassenen Eigenheim, dem Haus u r in Rheydt, Wände vor Wände sowie Decken vor Decken gezogen und in bestehende Räume ganze Zimmer eingebaut (Abb. 7: Gregor Schneider, Haus u r, 1985-2002). 41 Um seinen Einbauten den Charakter der täuschenden Echtheit zu geben, installiert Schneider vor die Fenstereinbauten zwischen den doppelten Wänden taghelle Lichtquellen und hinter den Scheiben Ventilatoren, damit durch die Gardinen ein Windzug geht. Allerdings bleibt es nicht bei dieser täuschenden, nur ein wenig ver-rückten Verdoppelung bestehender Räume, sondern die Besucher gelangen selbst in jene bei der Ineinanderschachtelung von Räumen entstandenen unheimlichen Zwischenräume (Abb. 8: Gregor Schneider, Totes Haus u r, 2001). Einerseits erschließt sich ihnen hier die Konstruiertheit der Räume, andererseits öffnet sich vor ihnen ein Labyrinth weiterer Räume, die allerei Phantasien über menschliche Abgründe nahelegen: scheinbar abgelegene Räume mit befleckten Matratzen, verborgene an Verließe erinnernde Schächte (Abb. 9: Gregor Schneider, Totes Haus u r, 2001) oder ein sogenanntes total isoliertes Gästezimmer, aus dem kein Hilfeschrei dringen würde – ebenso wenig wie aus dem mit Blei ausgeschlagenen Raum, dessen Tür, fällt sie einmal ins Schloss, von innen nicht zu öffnen ist. Von den Räumen des Haus Ur geht eine pathische Wirksamkeit aus, die vor allem die psychische Aufladung und phobische Besetzung von Räumen nutzt. Sie verdankt sich dem Umstand, dass „das Bild des Hauses zur Topographie unseres intimen Seins“ 42 werden kann, wie es Bachelard in der Poetik des Raumes formuliert. Die befremdliche Atmosphäre, die Schneiders Räume hinterlassen, verdanken sich allerdings weniger ihrer manifest sichtbaren Gestaltung als dem erzeugten Gefühl, dass in diesen Räumen etwas auf unzugängliche Weise anwesend ist beziehungsweise sich etwas Entzogenes unabweislich niederschlägt. Die wiederholt transformierte Verschachtelung der Räume, deren Ursprungszustand inzwischen unrekonstruierbar ist, 43 schlägt sich in der Raumwahrnehmung als Beunruhigung nieder: Indem die Doppelbödigkeit der Räume die sonst unthematischen Um- und Hohlräume der Zimmer aktualisiert, verlieren die Wände – wie in der paranoischen Raumwahrnehmung – ihre schützende Festigkeit und verraten ihre Porosität. Die Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 12 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 verborgenen Kehrseiten der Räume ragen beunruhigend in die gestalteten Räume hinein und scheinen sich auf ihre Bewohner zu übertragen. Mit der raumerschließenden Kraft von Orte-bildenden Kunstwerken oder künstlerischen Eingriffen, so wollte ich zeigen, wird nicht nur die Dimension der Produktion von Raum thematisch, sondern auch seine pathische Wirksamkeit. Das Pathische ist dem Raum dabei in zweierlei Hinsichten zugehörig: zum einen aufgrund der bestimmenden Kraft von Raumordnungen und zum zweiten aufgrund der Affektion durch den Raum, also der Übertragungen der Atmosphäre eines Raumes auf seine Bewohner. Fußnoten 1 Vgl. Theodor W. Adorno, „Die Kunst und die Künste“, in: ders., Ohne Leitbild. Parva Aesthetica, Frankfurt a.M. 1967, S. 168-192; hier: S. 158. 2 Damit überlagern sich die künstlerischen Raumbestimmungen mit der kulturwissenschaftlichen These vom ‚spatial turn’ und der Forderung einer Neukartierung des kulturellen Raumes. Zu künstlerischen Formen der Kartierung vgl. Paolo Bianchi u. Sabine Folie (Hg.), Atlas Mapping, Wien 1997 sowie Nina Möntmann, Yilmaz Dziewior u. Galerie für Landschaftskunst (Hg.), Mapping a City, Ostfildern-Ruit 2004. 3 Vgl. Nina Möntmann, Kunst als sozialer Raum, Köln 2002. Einen Überblick über soziologische Raumtheorien gibt Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt a.M. 2001. 4 Vgl. beispielsweise den Ausstellungskatalog Bewitched, Bothered and Bewildered. Spatial Emotion in Contemporary Art and Architecture, hrsg. v. Heike Munder u. Adam Budak, Genf 2003. 5 Vgl. Martin Heidegger, Bemerkungen zu Kunst – Plastik – Raum, St. Gallen 1994, Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 13 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 S. 10. 6 Heidegger, Bemerkungen zu Kunst – Plastik – Raum, S. 11. 7 Heidegger, Bemerkungen zu Kunst – Plastik – Raum, S. 13. 8 Heidegger, Die Kunst und der Raum, St Gallen 1969, S. 11. 9 Diese, wie man sagen könnte, reflexive Dimension der Kunst lässt sich auch in der Architektur auffinden, wie die Bauwerke von beispielsweise Daniel Libeskind oder Peter Eisenman beweisen. 10 Vgl. Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation, Frankfurt a.M. 2003, S. 254. 11 Vgl. Michel de Certeau, Kunst des Handelns, übers. v. Ronald Voullié, Berlin 1988, insb. S. 179ff. 12 Vgl. diesbezüglich Pierre Bourdieu, „Physischer, sozialer und angeeigneter Raum“, in: Stadt-Räume, hrsg. v. Martin Wentz, Frankfurt a.M. 1991, S. 25-34. 13 Möntmann, Kunst als sozialer Raum, S. 9 u. 13. 14 Vgl. Ralph Ubl, „Raumskeptiker – Lefebvre und Augé“, in: Texte zur Kunst 47 (2002), S. 135-136; hier: S. 135. 15 Diesen Aspekt hat vor allem Dan Graham an den Arbeiten von Matta-Clark herausgestellt, Dan Graham, „Gordon Matta-Clark“, in: ders., Ausgewählte Schriften, Stuttgart 1994, S.111-124, vgl. außerdem Mark Angélil, „Anarchitektur“, in: Werk, Bauen und Wohnen 6 (1992), S. 26-31; Jeff Rian, „Gordon Matta-Clark. Rocking the foundation“, in: Frieze. Contemporary art and culture (1993), S. 30-35; Friedemar Malsch, „Gordon Matta-Clark“, in: Kunstforum International (1992), S. 172-183. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 14 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 16 Heidegger, Bemerkungen zu Kunst – Plastik – Raum, S. 15. 17 Diese konstitutive Unheimlichkeit, die schon in Sein und Zeit unter dem Begriff des „Un-zuhause“ (S. 189) thematisch ist, wird in dem verkennenden Glauben einer Verfügung über den Raum und dem vertrauten und gewohnten Umgang mit den Dingen verdeckt – darin produziert sich eine Unheimlichkeit zweiten Grades, insofern das ursprüngliche „Un-zuhause“ verborgen bleibt. In Sein und Zeit wird die Unheimlichkeit vor allem im Kontext der Grundbefindlichkeit der Angst (§ 40 u. § 57) thematisiert und im Hinblick auf das „ursprüngliche geworfene In-der-Welt-sein als Un-zuhause“ (S. 276) expliziert. 18 Umgekehrt wäre zu fragen, ob sich der räumliche Sinn des Begriffs des Unheimlichen von dieser Raumkonzeption her erhellt. 19 Vgl. Martin Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, Stuttgart 1995, S. 67. 20 Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 67. 21 Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 29. 22 Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 39. 23 Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, S. 41. 24 Vgl. Christoph Grunenberg, „Stumme Tumulte der Erinnerung“, in: Ausstellungskatalog Rachel Whiteread, Kunsthalle Basel, Basel 1994, S. 11-27, hier: S. 12; siehe auch Doris von Drathen, „Rachel Whiteread. Gefundene Form. Verlorener Gegenstand“, in: Parkett 38 (1993), S. 22-26. 25 Vgl. Anthony Vidler, unHEIMlich. Über das Unbehagen in der modernen Architektur, übers. v. N. Keßler, Hamburg 2002; Mark Wigley, Architektur und Dekonstruktion. Derridas Phantom, übers. v. Christian Rochow unter Mitarbeit v. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 15 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 Axel Haase, Basel u.a. 1994. 26 Erwin Straus, „Die Formen des Räumlichen. Ihre Bedeutung für die Motorik und die Wahrnehmung“, in: ders., Psychologie der menschlichen Welt. Gesammelte Schriften, Berlin u.a. 1960, S. 141-178, hier: S. 143. 27 Eugène Minkowski, „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, in: ders., Die gelebte Zeit, Bd. 2, übers. v. L. Kayser u. M. Perrez, Salzburg 1972, S. 232-267, hier: S. 238. 28 Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, übers. v. R. Boehm, Berlin 1966, S. 338. 29 Straus, „Die Formen des Räumlichen“, S. 152. 30 Minkowski, „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, S. 243. 31 Minkowski, „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, S. 261. 32 Minkowski, „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, S. 261. 33 Vgl. Maurice Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare gefolgt von Arbeitsnotizen (1964), übers. v. Regula Giuliani und Bernhard Waldenfels, München 1994. 34 Vgl. Roger Caillois, "Mimetismus et psychasthénie légendaire", in: ders., Le Mythe et l'homme, Paris 1938; in engl. Übersetzung: „Mimicry and Legendary Psychasthenia“, in: October: art, theory, criticism, politics, Cambridge 1984, 17-32. 35 Vgl. Jacques Lacan, Das Seminar. Buch XI (1964), übers. v. Norbert Haas, Berlin/Weinheim 1987. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 16 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 36 Caillois, „Mimicry and Legendary Psychasthenia“, S. 28. 37 Legt man jedoch mit Freud den Todestrieb zugrunde als das Streben nach einem früheren Zustand und der entropischen Aufhebung von Differenz, dann speist sich der unheimliche Charakter des dunklen Raumes gerade aus dem unbewussten Begehren, in das Anorganische des umgebenden Milieu einzugehen und sich selbst Verschwinden zu machen. 38 Nach Freud verweist das Unheimliche auf einen früheren, überwundenen Zustand, zu dem zurückzukehren der Wiederholungszwang tendiert. Vgl. Sigmund Freud, „Das Unheimliche“, in: ders., Psychologische Schriften. Studienausgabe, Bd. IV, Frankfurt a.M. 1989, S. 241-274; insb.: S. 260f. 39 Vgl. Victor Burgin, „Der paranoide Raum“, in: Other Spaces. Die Affäre der Heterotopie, hrsg. v. Roland Ritter u. Bernd Knaller Vlay, Graz 1998, S. 48-69; hier: S. 50. 40 Edward S. Casey, „Vom Ort zum Raum in kürzester Zeit. Phänomenologische Prolegomena“, in: Phänomenologische Forschungen (2003), S. 55-95; hier: S. 66. 41 Einige Zimmer aus dem Rheydter Haus hat Schneider auf der Biennale von Venedig 2001 unter dem Titel Totes Haus u r in den deutschen Pavillon implantiert, wobei von der bestehenden Architektur im Inneren nichts mehr zeugte. Betrat man in Venedig zwischen den Säulen des antikisierten SandsteinPavillons das Gebäude durch die von Schneider eingepasste Eingangstür, so befand man sich unversehens im Inneren eines jener typisch deutschen 50er Jahre Eigenheime mit Flur, Treppe, Kaffeezimmer, Gäste- und Kellerräumen – ausgekleidet mit Rauhfaser-Tapete, knarrenden Dielen und muffigem Geruch, vgl. Gregor Schneider, Totes Haus u r, Biennale di Venezia 2001, hrsg. v. Udo Kittelmann, Ostfildern 2001. 42 Gaston Bachelard, Poetik des Raumes, übers. v. K. Leonhard, Frankfurt a.M. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 17 Kathrin Busch: Befremdliche Räume. #4/2005 1987, S. 26. 43 Dies gilt selbst für Gregor Schneider, der es, nach eigenen Aussagen, darauf abgesehen hat, eine Raumkonstellation zu bauen, in der er sich selbst nicht mehr auskennt, vgl. Amine Haase, „Vermauertes Drama“, in: Hannelore Reuen – Gregor Schneider, Ausstellungskatalog Hamburger Kunsthalle 2003, S. 5-47; hier: S. 7. Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz. 18