Soziale Integration durch Partizipation am Beispiel öffentlicher Plätze Jens S. Dangschat, TU Wien, ISRA Bürgerbeteiligung stärken – Veränderung gestalten Evangelische Akademie Loccum / Stiftung Mitarbeit Loccum, 23.-25.09.2011 inhalt 1. Wirtschaftlicher & sozialer Wandel 2. Raumverhalten: Vom “Mensch an sich” zur Individualisierung 3. Konzentration & Integration 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes 5. Die Gestaltung des Öffentlichen Raumes als Beitrag zur sozialen Integration sozialer wandel 1. Wirtschaftlicher und sozialer Wandel 1. Zunahme sozio-ökonomischer Ungleichheiten (Vertikale Polarisierung – Armuts- vs. Wohlstandsgebiete) 2. Zunahme sozio-kultureller Ausdifferenzierungen (Soziale Milieus, Lebensstile – Wertewandel & -pluralisierung) 3. Demographischer Wandel Î ‘greying society’ Í sinkende Geburtenrate, steigende Lebenserwartung) Î Zunahme des Anteils kleiner und kinderloser Haushalte Î Zunahme des Anteils an Menschen mit Zuwanderungshintergrund 4. Die “Verräumlichung” sozialer Ungleichheit im inter-regionalen und intra-städtischen Maßstab raum-verhaltens-kontexte 2. Raumverhalten – vom „Mensch an sich“ … Einfache Vorstellung Raumgestalt Sozialverhalten raum-verhaltens-kontexte 4. Raumverhalten – vom „Mensch an sich“ … Einfache Vorstellung Raumgestalt Sozialverhalten Erweiterte Vorstellung Raumgestaltung Raumaneignung = Raumnutzung Funktionen von Institutionen Sozialverhalten Individuen Gruppen GLOBALER RAUM Kapitalakkumulation Globale Regulation (im Sinne neo‐liberaler und/oder sozialpolitischer Ziele) Regionale und lokale Regulation SOZIALER SOZIALER RAUM RAUM SYMBOLISCHER RAUM Sozialstruktur Sozialstruktur Soziale Netzwerke Soziale Netzwerke Politische Kultur Politische Kultur Deutungskultur Deutungskultur Wahrnehmung von Architektur Stadtplanung Infrastrukturen Sozialstrukturen PHYSIKALISCHER RAUM Raumstrukturen (Lage, Erreichbarkeit, Klima) Materiell‐physisches Substrat (Gebäude), Infrastrukturen INTERAKTIONS‐ UND HANDLUNGSRAUM Interaktives und kommunikatives Verhalten Aktionsraum Mental map Integration Desintegration 2. Raumverhalten – vom „Mensch an sich“ … traditionelle handlungstheorie Sozialstruktur Alter Familienstand Nationalität Geschlecht Bildung Einkommen Erwerbstätigkeit Verhalten Wahl des Wohnstandortes Angebot im Wohnumfeld Infrastruktur / Nachbarn / Besuchende Wahl des Aktionsraumes Angebot im Bewegungsraum Infrastruktur / Erreichbarkeit / ”Andere” innovative handlungstheorie SOZIALSTRUKTUR 2. Raumverhalten – vom „Mensch an sich“ … Alter Familienstand Geschlecht Ethnie Nationalität Bildung Einkommen Erwerbstätigkeit SOZIALE LAGE Ökonomisches Kapital Soziales Kapital Kulturelles Kapital SOZIALES MILIEU Wertvorstellungen Lebensziele Ablehnung von Zielen / Wertvorstellungen Verhalten Wahl des Wohnstandortes Angebot im Wohnumfeld Infrastruktur / Nachbarn / Besuchende Wahl des Aktionsraumes Angebot im Bewegungsraum Infrastruktur / Erreichbarkeit / ”Andere” definitionen Eine Integration in einer städtischen Gesellschaft ist – im Gegensatz zur ländlichen – immer eine partielle Integration 3. Konzentration & Integration d.h. man lässt sich nur zeitweise und/oder anlassweise auf „die Anderen“ ein Eine Person / eine soziale Gruppe ist im öffentlichen Raum dann integriert, wenn sie den Abstand zu „den Anderen“ selbst bestimmen kann Es gibt (auch) ein Recht auf Nicht-Integration coping-strategien in „überforderten Nachbarschaften“ 3. Konzentration & Integration Vier Möglichkeiten, um auf zu „enge“ sozial(-räumliche) Situationen zu reagieren: a) eine zeitlich und räumlich selektive Form des Nutzens des gemeinsamen Öffentlichen Raumes durch subtile Formen des Ausweichens und sich aus dem Weg Gehens (Vermeidungsstrategie einer zivilisierten Parallelgesellschaft), b) durch Diskussion über eine „angemessene Nutzung“ resp. eine „angemessene Ausstattung“ des Öffentlichen Raumes (Partizipationsund Aushandlungsstrategie), c) Fortzüge, zu Hause bleiben, Aufsuchen anderer Orte in der Stadt resp. durch Wochenendtrips (Exit-Strategien) und d) durch Protest, demonstratives Besetzen (skaten), Zeichen setzen (Graffitis) und Provozieren von Konflikten um die Nutzung des Öffentlichen Raumes (Voice-Strategie). coping-strategien im öffentlichen raum Zwei grundlegende sozial-räumliche Strategiemuster: 1. Teilnahme im Öffentlichen Raum, der in seinen Funktionen und der sozialen Zusammensetzung vielfältig ist und 3. Konzentration & Integration 2. der Rückzug in die jeweiligen Wohnquartiere, die zunehmend sozial homogen sind. Letzteres hat im Prinzip zwei negative Folgen: a) Die Bereitschaft, sich übergreifend als Gemeinschaft zu verstehen, verliert an Bedeutung und damit schwächt sich die Bereitschaft zur Solidarität und b) man begegnet sich zunehmend mit Vorbehalten, ist verunsichert, hat Angst, man wehrt sich, weist zurück, möchte „die Anderen“ am liebsten „weg haben“. 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes öffentlicher raum 1. Überbewertung des Wohnortes & Unterbewertung des Aktionsraumes / Vernachlässigung des Arbeitsortes in Wissenschaft und Verwaltung 2. Identifikation mit dem Wohnumfeld nimmt an Bedeutung zu (Gegenbewegung zu Globalisierung) 3. “Druck”, sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten, nimmt für soziale Randgruppen zu 4. Der öffentliche Raum wird zunehmend instrumentalisiert (Privatisierung, Kommerzialisierung, städtebauliche Gestaltung, “Politik der Lebensstilisierung”, “Bühnen” der Selbstdarstellung) Î Auf”räumen” des Öffentlichen Raumes Î ‘designing out’ sozialer Probleme 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes inszenierung des öffentlichen raumes Aneignung des öffentlichen Raumes durch Sport, Spiel und Festivitäten Festivalisierung des öffentlichen Raumes Aneignung durch kulturelle Aktivitäten Aneignung durch politische Meinungsbildung Zunahme von Massenevents im öffentlichen Raum (Love-Parade, CSD) 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes problematisierung des öffentlichen raumes Konsum und Verkauf illegaler Drogen Obdachlosigkeit Betteln Armut Betteln Konsum legaler Drogen 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes kommerzialisierung des öffentlichen raumes Aneignung von Räumen durch ökonomisches Kapital Einkaufserlebnis in der Erlebnisgesellschaft Architektur schafft Konsumräume 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes (illegale) aneignung des öffentlichen raumes Symbolische Aneignung durch Graffiti Repräsentationssystem in der Stadt ist auch Ausdruck von Machtstrukturen 4. Bedeutungsgewinn des Öffentlichen Raumes ordnung des öffentlichen raumes Den Anordnungen des Platzwartes ist unbedingt Folge zu leisten Regelungen und Verordnungen schränken Aneignungsmöglichkeiten ein 5. Die Gestaltung des Öffentlichen Raumes … 7 stufen der gestaltung des öffentlichen raumes 1. Städtebaulich-funktionale Analyse des gebauten Raumes 2. Statistische Analyse des Wohnumfeldes 3. Stärken-Schwächen-Risiko-Chancen-Analyse (SWOT) 4. Partizipationsverfahren möglichkeiten der partizipation 5. Die Gestaltung des Öffentlichen Raumes … 1. Anlässe schaffen (Stadterneuerung, Wohnungsmodernisierung) 2. Institutionell verankern (LA 21, Soziale Stadt etc.) 3. NGO’s stärken (auch wenn die BürgerInnen fordernder werden) 4. Integrations-positive Netzwerke stärken* (‘strengthening the weak ties’, ‘bridging’) 5. Räume schaffen für die Unterrepräsentierten 6. Aktivierung * Anhut & Heitmeyer (2000) gehen davon aus, dass nicht die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung für die Integration vor Ort relevant ist, sondern die lokale Kultur, die Toleranz und Offenheit probleme der partizipation 5. Die Gestaltung des Öffentlichen Raumes … 1. Es kommen immer die “Falschen” / die Selben 2. Legitimität / Repräsentativität wird in Zweifel gezogen 3. Kritik, wenn die Ergebnisse nicht passen 4. Es dauert zu lange / es ist zu teuer 5. Unklare Spielregeln (was kann/soll entschieden werden, was ist das Ergebnis) 6. Schlechte Durchführung (stark personenabhängig) 5. Die Gestaltung des Öffentlichen Raumes … 7 stufen der gestaltung des öffentlichen raumes 1. Städtebaulich-funktionale Analyse des gebauten Raumes 2. Statistische Analyse des Wohnumfeldes 3. Stärken-Schwächen-Risiko-Chancen-Analyse (SWOT) 4. Partizipationsverfahren 5. Beteiligung beim Neu- und Umbau (‘Muskelhypothek’) 6. Intervention 7. “Bespielung” des Öffentlichen Raumes nach dessen “Fertigstellung” Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: Technische Universität Wien Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung Fachbereich Soziologie (ISRA) Paniglgasse 16 / Mezzanin, 1040 Wien Tel.: +43 (0)1 58801 27311 http://isra.tuwien.ac.at