Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 1 Politischer Islam Rezensionen und Referate des Proseminars von Univ.Ass. Mag. Thomas SCHMIDINGER Upgedatet, ergänzt und strukturiert bis inkl. Vorlesung 13.12.2004 Handouts (soweit vorhanden) eingescannt bzw. als file übernommen. ® beim jeweiligen Verfasser. Vorliegende Unterlage ohne Gewähr. Sie soll allen KollegInnen die Arbeit erleichtern, akademische Handhabung und Etikette nehme ich als selbstverständlich an Download von www.schrefler4you.at Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 2 Inhaltsverzeichnis 1 Termine, Themen, Ablauf, Referate ...................................................................... 4 1.1 KOVO - Ziele, Inhalt, Methoden ........................................................................ 4 1.2 Anforderungen: ................................................................................................. 5 1.3 Buchvorstellungen: 18. 10. — 29. 11.2004 ...................................................... 6 1.4 Länderbeispiele: 29. 11.2004 — 10. 1.2005.................................................... 9 1.5 Thematische Referate: 10. 1. — 24. 1.2005..................................................... 9 1.6 Diskussionen ..................................................................................................... 9 2 Islam, Geschichte des Nahen Ostens und Politischer Islam (allgemein) ....... 10 2.1 SCHIMMEL, Annemarie: Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam. .. 10 2.2 DASHTY, Ali: 23 Jahre - Die Karriere des Propheten Muhammad.................. 12 2.3 HORNUNG, Klaus: Krisenherd Naher Osten, Geschichte und Gegenwart einer konfliktreichen Region ............................................................................ 13 2.4 MERNISSI, Fatima: „Die Angst vor der Moderne“. Freiburg 2002................... 14 2.5 KEPEL, Gilles: Das Schwarzbuch des Dschihad; Aufstieg und Niedergang des Islamismus................................................................................................ 15 2.6 TIBI, Bassam: Die fundamentalistische Herausforderung ............................... 16 3 Gihadistischer Islamismus, Terrorismus und politischer Islam ..................... 19 3.1 RASHID Ahmed : Taliban – Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad. 19 3.2 KERMANI, Navid: Dynamit des Geistes. Martyrium, Islam und der Nihilismus. Wallstein ....................................................................................... 20 3.3 KEPEL, Gilles: „Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch“........................................................................................ 21 3.4 DANESCH, Mostafa: Der Krieg gegen den Westen ........................................ 22 4 9/11 und al-Qaida.................................................................................................. 24 4.1 FOUDA Y. / FIELDING N.: Masterminds of Terror - Die Drahtzieher des 11. September berichten ................................................................................. 24 4.2 DOHNANYI, Johannes und Germana von: Schmutzige Geschäfte und heiliger Krieg – Al-Qaida in Europa ................................................................. 25 5 Europa und der Islam, Islamismus in Europa.................................................... 28 5.1 HEINE, Susanne: Islam zwischen Selbstbild und Klischee ............................. 28 5.2 CEYHUN, Ozan: Politik im Namen Allahs ....................................................... 29 6 Islam, Islamismus und Geschlechterverhältnisse............................................. 31 6.1 MERNISSI, Fatema: Der politische Harem. Mohammed und die Frauen........ 31 6.2 GERHARD, Ute /JANSEN, Mechthild M. / RUMPF, Mechthild (Hg): Facetten islamischer Welten Geschlechterordnungen Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion ............................................................................................. 33 6.3 MOGHADAM, Valentine M.: Gender & Social Change in the Middle East ...... 34 7 Islam und Homosexualität ................................................................................... 36 7.1 LSVD Berlin-Brandenburg e.V. (Hg.): Muslime unter dem Regenbogen — Homosexualität, Migration und Islam .............................................................. 36 8 Islamismus und Antisemitismus......................................................................... 37 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 8.1 8.2 9 Version 09.09.2005 Seite 3 PFAHL-TRAUGHBER, Armin: Antisemitismus in der islamischen Welt. Externe und interne Ursachen in historischer Perspektive. ............................. 37 KÜNTZEL, Matthias: Djihad und Judenhass. Über den neuen antijüdischen Krieg................................................................................................................ 39 sunnitische islamistische Theoretiker.............................................................. 40 9.1 Gamal Al-Banna: Islam and trade unions........................................................ 40 9.2 Abu l-A’la Maududi: Weltanschauung und Leben im Islam ............................. 42 10 schiitische islamistische Theoretiker ............................................................... 44 10.1 SHARIATI, Ali: Kapitalismus ........................................................................... 44 10.2 Baquir as-Sadr, Ayatullah Muhammad: Our Philosophy ................................. 47 11 Regionalstudien: Nordafrika .............................................................................. 49 11.1 SCHMIDINGER, Thomas: Islamismus und Militärherrschaft im Sudan........... 49 11.2 RUF, Werner: Die algerische Tragödie. Vom Zerbrechen des Staates einer zerrissenen Gesellschaft. ................................................................................ 51 11.3 NEWEKLAWSKY, Gerhard: „Die bosnisch-herzegowinischen Muslime“ ...... 53 12 Regionalstudien: Naher Osten und Zentralasien.............................................. 55 12.1 HOFFMANN, Judith: Aufstieg und Wandel des Politischen Islam in der Türkei .............................................................................................................. 55 12.2 BEHZAD, Khamehi: Die schiitischen doktrinären Grundlagen des politischen Systems der Islamischen Republik Iran .......................................................... 58 12.3 RASHID, Ahmed: Heiliger Krieg am Hindukusch. Der Kampf um Macht und Glauben in Zentralasien. ................................................................................. 58 13 Länderbeispiele .................................................................................................... 60 13.1 Sudan.............................................................................................................. 60 13.2 Saudi Arabien.................................................................................................. 62 13.3 Palästina ......................................................................................................... 63 13.4 Irak .................................................................................................................. 66 13.5 Iran .................................................................................................................. 69 13.6 Türkei .............................................................................................................. 78 14 Thematische Referate .......................................................................................... 80 14.1 Politischer Islam in Europa.............................................................................. 80 15 Diskussionen ........................................................................................................ 82 15.1 Diskussion mit dem Sprecher von SCIRI (Hoher Rat des islamischen Widerstands des Irak) in Österreich (22.10.2004) .......................................... 82 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 4 1 TERMINE, THEMEN, ABLAUF, REFERATE 1.1 KOVO - Ziele, Inhalt, Methoden Politischer Islam (D2) - PS Mag. phil. Thomas SCHMIDINGER Ort: Hs. 1 (A212), NIG 2. Stock Beginn: 11.10.2004 Anmeldung: -Zeit: Mo 10 - 12 Uhr Ziele, Inhalte und Methoden der Lehrveranstaltung: Ziel der Lehrveranstaltung ist es sich mit den theoretischen Grundlagen und der Ideengeschichte islamistischer Bewegungen zu beschäftigen und dabei anhand konkreter Beispiele einzelner Bewegungen und Staaten ihre Entwicklung nachzuvollziehen. Dabei soll es weniger um Methoden politischer und/oder militärischer Aktivitäten einzelner Gruppierungen gehen, sondern um die zugrundeliegenden politischen Positionen und die Quellen derselben. Islamistische Bewegungen sollen dabei als moderne politische Bewegungen mit ihren islamischen aber auch europäischen Wurzeln analysiert werden. Die Ideengeschichte des politischen Islam wird sowohl im Kontext europäischer politischer Ideologien des 20. Jahrhunderts (Faschismus, Nationalismus, Antiimperialismus) als auch der sich auf Ibn Taimiyya, Mohammed Ibn Abd alWahhab und andere islamische Denker berufenden Strömungen des Islam analysiert. Als Beispiele politischer Bewegungen des sunnitischen Islamismus soll auf die Muslim-Bruderschaft Ägyptens und ihren palästinensischen Ableger Hamas und den sudanesischen Ableger NIF, auf den auf Mawdudi und die Deobandi-Bewegung zurückgehenden islamistischen Gruppen Indiens, Pakistans und Afghanistans, sowie der Wahabismus Saudi-Arabiens näher eingegangen werden. Die islamischen Parteien der Türkei sollen als Beispiel für die (partielle) Integration des politischen Islam in ein laizistisches System behandelt werden. Ziel der Lehrveranstaltung ist es den Studierenden einen kritischen Einstieg in das politische Denken islamistischer Strömungen zu ermöglichen und eine weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema zu erleichtern. Dabei soll in der Lektüre nicht nur auf politikwissenschaftliche und islamwissenschaftliche Schriften über den politischen Islam zurückgegriffen werden, sondern auch auf Übersetzungen von Originaltexten von Sayyed Qutb, Hasan alBanna, Abu l-A´la al-Mawdudi und anderen islamistischen Vordenkern, sowie Gruppierungen wie der Hamas oder der Hizb al-Tahrir. Neben den Aspekten des Autoritarismus und des Antisemitismus sollen die Rollenbilder von Frauen in islamistischen Bewegungen analysiert werden (Antifeminismus, „islamischer Feminismus“). Beurteilungsmaßstäbe der Lehrveranstaltung: Von den Studierenden wird • ein Referat, Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 5 • • • • eine Proseminararbeit, Gruppendiskussionen und die Lektüre und Diskussion einiger Basistexte verlangt werden. Die Texte der Basisliteratur sollen von den Studierenden kurz vorgestellt und dann diskutiert werden. Für die Beurteilung sind das Referat, die Vorstellung der Basisliteratur, die Proseminararbeit und die Beteiligung an den Diskussionen ausschlaggebend. Literatur: • Gerhard, Ute / Jansen, Mechthild M. / Rumpf, Mechthild (Hg.): Facetten islamischer Welten, Geschlechterordnungen, Frauen und Menschenrechte in der Diskussion, Bielefeld, 2003 • Kepel, Gilles: Das Schwarzbuch des Dschihad, Aufstieg und Niedergang des Islamismus, München, 2002 • Schmidinger, Thomas: Integration oder Aufstand, Schiitischer Islamismus im Irak in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 6/04. S. 695 702 Erreichbarkeit: per E-mail: [email protected] 11.10.2004 - 1.VO 1.2 Anforderungen: Ihr könnt euch aussuchen ob ihr • eine Buchvorstellung (diese ist dann allen Studierenden in Kopien zu verteilen), • ein Länderbeispiel oder • ein thematisches Referat referieren wollt. Für die Länderbeispiele und die thematischen Referate sind Handouts zu verteilen, die in der Woche vor dem Referat mit mir zu besprechen sind. Von allen ist für die Leistungsbeurteilung zu erstellen bzw. abzugeben: • Zusätzlich wird von allen eine jeweils eine 1-2 Seiten lange Buchrezension (sinnvollerweise aus der Literaturliste) und • eine 10-15 Seiten lange Proseminararbeit verlangt. • Abzugeben beide Arbeiten bis Ende des Semesters (spätestens Ende April 2005) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 6 Vorhandene Rezensionen/Referate (Handouts, files) gelb unterlegt ! 1.3 Buchvorstellungen: 18. 10. — 29. 11.2004 (pro Person ca. 3 Minuten) in Panels mit anschließenden Nachfragen und Diskussion 2 18. 10. 2004: Islam allgemein: ¾ Schimmel, Annemarie: Die Zeichen Gottes, Die religiöse Welt des Islams. München, 1995 ¾ Esposito, John L.: Von Kopftuch bis Scharia. Was man über den Islam wissen sollte. Leipzig, 2004 - Armstrong, Karen: Kleine Geschichte des Islam. Berlin, 2001 ¾ Dashty, Ah: 23 Jahre, Die Karriere des Propheten Muhammad. Aschaffenburg, 2003 - Rodinson, Maxime: Mohammed. New York, 1961 18. 10. 2004: Geschichte des Nahen Ostens allgemein: ¾ Hourani, Albert: Die Geschichte der arabischen Völker. Frankfurt am Main, 1992 ¾ Rodinson, Maxime: Die Araber. Frankfurt am Main, 1981 ¾ Lewis, Bernard: Der Atem Allahs, Die islamische Welt und der Westen. München, 1998 ¾ Später, Jörg (Hg.): ... alles ändert sich die ganze zeit, Soziale Bewegung(en) im „Nahen Osten”. Freiburg, 1994 ¾ Hornung, Klaus. Krisenherd Naher Osten. Geschichte und Gegenwart einer konfliktreichen Region. Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München, 1993 ¾ ¾ Mernissi, Fatema: Die Angst vor der Moderne, Frauen und Männer zwischen Islam und Demokratie. Hamburg/Zürich, 1992 18. 10. 2004: Politischer Islam allgemein: ¾ Kepel, Gilles: Das Schwarzbuch des Dschihad, Aufstieg und Niedergang des Islamismus. München, 2002 ¾ Allam, Fouad: Der Islam in einer globalen Welt. Berlin, 2004 ¾ Al-Azmeh, Aziz: Die Islamisierung des Islam, Imaginäre Welten einer politischen Theologie. Frankfurt am Main, 1996 ¾ Meddeb, Abdelwahab: Die Krankheit des Islam. Heidelberg, 2002 ¾ Tibi, Bassam: Die fundamentalistische Herausforderung, Der Islam und die Weltpolitik. München, 2002 3 25. 10. 2004: Gihadistischer Islamismus, Terrorismus und politischer Islam: ¾ Rashid, Ahmed: Taliban, Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad. München 2001 ¾ Kermani, Navid: Dynamit des Geistes, Martyrium, Islam und Nihilismus. Göttingen, 2002 ¾ Bergen, Peter L.: Heiliger Krieg Inc., Osama bin Ladens Terrornetzwerk. Berlin, 2003 ¾ Kepel, Gilles: Die neuen Kreuzzüge. München, 2004 ¾ Shay, Shaul: The Shahids: Islam an Suicide Attacs. New Brunswick, N.J., 2004 ¾ Kepel, Gilles: Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christnen und Juden auf dem Vormarsch Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 7 ¾ Danesch, Mostafa: Der Krieg gegen den Westen. 4 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ 5 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ 6 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ 7 25. 10. 2004: 9/11 und al-Qaida: Napoleoni, Loretta: Die Ökonomie des Terrors, Auf den Spuren der Dollars hinter dem Terrorismus. München, 2004 Fielding, Nick / Fouda, Yosri: Masterminds of Terror, Die Drahtzieher des 11. Septembers berichten. Hamburg, 2003 Redaktion Jungle World (Hg.): Elfter September Nulleins. Berlin, 2002 Von Dohnany, Johannes und Germana: Schmutzige Geschäfte und Heiliger Krieg, Al-Qaida in Europa. Zürich, 2002 Levy, Bernard-Henri: Wer hat Daniel Pearl ermordet? Der Tod eines Journalisten und die Verstrickungen des pakistanischen Geheimdienstes mit al-Qaida München, 2003 25. 10. 2004: Europa und der Islam, Islamismus in Europa: Heine, Susanne (Hg.) Islam zwischen Selbstbild und Klischee. Eine Religion im österreichischen Schulbuch. Wien, 1995 Heine, Peter: Halbmond über deutschen Dächern, Muslimisches Leben in unserem Land. München, 1997 Hippler, Jochen / Lueg, Andrea: Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen. Hamburg, 2002 Ceyhun, Ozan (Hg.): Politik im Namen Allahs, Der Islamismus eine Herausforderung für Europa. o.J. Heitmeyer, Wilhelm / Meyer, Thomas: Facetten des Islamismus, Der politische Islam in Deutschland. Frankfurt am Main, 2003 8. 11. 2004: Islam, Islamismus und Geschlechterverhältnisse: Mernissi, Fatema: Der politische Harem, Mohammed und die Frauen. Freiburg im Breisgau, 1992 Abu-Lughod, Lila: The Marriage of Feminism and Islamism in Egypt: Selective Repudiation as a Dynamic of Postcolonial Cultural Politics. in: Abu-Lughod, Lila: Remaking Women, Feminism and Modernity in the Middle East. Cairo, 1998 Gerhard, Ute / Jansen, Mechthild M. / Rumpf, Mechthild (Hg.): Facetten islamischer Welten, Geschlechterordnungen, Frauen und Menschenrechte in der Diskussion. Bielefeld, 2003 Pusch, Barbara (Hg.): Die neue muslimische Frau, Standpunkte & Analysen. Istanbul, 2001 Moghadam, Valentine M.: Modernizing Women, Gender and Social Change in the Middle East. Cairo, 1993 8. 11. 2004: Islam und Homosexualität: ¾ LSVD Berlin-Brandenburg (Hg.): Muslime unter dem Regenbogen, Homosexualität, Migration und Islam. Berlin, 2004 ¾ Bochow, Michael / Marbach, Rainer (Hg.): Islam und Homosexualität, Koran, Islamische Länder, Situation in Deutschland. Hamburg, 2003 ¾ Walzer, Lee: Twice Marginalized: To Be Gay and Palestinian in Isreal. in: Walzer, Lee: between sodom and eden, a gay journey through today's changing israel. New York, 2000 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 8 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ 9 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ Version 09.09.2005 Seite 8 8. 11.2004: Islamismus und Antisemitismus: Pfahl-Traughber, Armin: Antisemitismus in der islamischen Welt. in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10/2004 Kiefer, Michael: Antisemitismus in den islamischen Gesellschaften, D. Palästina-Konflikt u.d. Transfer eines Feindbildes. Düsseldorf, 2002 Küntzel, Matthias: Djihad und Judenhaß, Über den neuen antijüdischen Krieg. Freiburg, 2002 Karmon, Ely: Radical Islamic Groups and Anti-Jewish Terrorism. in: Porat, Dina / Stauber, Roni: Antisemitism and Terror. Tel Aviv, 2003 Scheit, Gerhard: Suicide Attack, Zur Kritik der politischen Gewalt. Freiburg, 2004 22. 11. 2004: Originaltexte sunnitischer islamistischer Theoretiker: AI-Banna, Hasan: Our Mission. in: Majmu'at Rasa'il Al-Imam al-Shahid. IIFSO (Kuwait), Erscheinungsjahr unbekannt AI-Banna, Gamal: Islam and trade unions. in: International Islamic Confederation of Labour: Towards Labour & Unionism. Kairo / Genf, Erscheinungsjahr unbekannt Maududi, Abu-l-A'la: Weltanschauung und Leben im Islam. München, 1994 Qutb, Sayyid: Milestones. Indianapolis, 1990 Qutb, Sayyid: ma'arakatuna ma'a al-yahud (unser Kampf mit den Juden) Hasan al-Turabi: al-shura wa al-dimuqratia 10 22. 11. 2004: Originaltexte schiitischer islamistischer Theoretiker: ¾ Ayatullah Khomeni: al-hukuma al-islamiya. Beirut, 1979 ¾ Muhammad Baqir al-Sadr: Iqtisaduna (Our Economy) ¾ Shariati, Ali: Kapitalismus 11 22. 11.2004: Regionalstudien, Nordafrika: ¾ Kepel, Gilles: Der Prophet und der Pharao, Das Beispiel Ägyptens: Die Entwicklung des muslimischen Extremismus. München, 1995 ¾ Ibrahim, Saad Eddin: Islamic Activism and Political Opposition in Egypt. in: Ibrahim, Saad Eddin: Egypt, Islam and Democracy, Twelve Critical Essays. Cairo, 1996 ¾ El-Affendi, Abdelwahab: Turabi's Revolution, Islam and Power in Sudan. London, 1991 ¾ Woodward, Peter: Sudan: Islamic Radicals in Power. in: Esposito, John L. (Hg.): Political Islam. Cairo, 1997 ¾ Schmidinger, Thomas: Islamismus und Militärherrschaft im Sudan in: Context XXI Nr. 6-7/2004 ¾ Ruf, Werner: Die Algerische Tragödie, Vom Zerbrechen des Staates einer zerrissenen Gesellschaft. Münster, 1997 ¾ Neweklawsky, Gerhard: Die bosnisch-herzegowinischen Muslime. 12 22. 11.2004: Regionalstudien, Naher Osten und Zentralasien: ¾ EI-Maneie, Juliane: Zum Einfluß der islamistischen Bewegung auf die palästinensische Gesellschaft in den besetzten Gebieten 1986 — 1996. Würzburg, 1997 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 9 ¾ Seufert, Günter: Politischer Islam in der Türkei, Islamismus als symbolische Repräsentation einer sich modernisierenden muslimischen Gesellschaft. Istanbul, 1997 ¾ Hoffmann, Judith: Aufstieg und Wandel des politischen Islam in der Türkei. Berlin, 2003 ¾ Khamehi, Behzad: Die schiitischen doktrinären Grundlagen des politischen Systems der Islamischen Republik Iran. Münster, 2003 ¾ Schmidinger, Thomas: „Der Seufzer der bedrängten Kreatur” ReligiösPolitischer Widerstand schiitischer Parteien im Irak. in: Kreutzer, Mary / Schmidinger, Thomas (Hg.): Irak — Von der Republik der Angst zur bürgerlichen Demokratie ? Freiburg, 2004 ¾ Rashid, Ahmed: Heiliger Krieg am Hindukusch, Der Kampf um Macht und Glauben in Zentralasien. München, 2002 1.4 Länderbeispiele: 29. 11.2004 — 10. 1.2005 (Referate ca. 15 Minuten mit Handout und anschließender Diskussion) 13 29. 11. 2004: ¾ Ägypten, ¾ Sudan, ¾ Algerien 6.12. 2004: ¾ Saudi-Arabien, ¾ Palästina, ¾ Irak 13. 12. 2004: ¾ Iran, ¾ Türkei, ¾ Afghanistan 1.5 Thematische Referate: 10. 1. — 24. 1.2005 (ca. 15 Minuten mit Handout und anschließender Diskussion) 14 ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ 1.6 10. 1. 2005: Politischer Islam in Europa (Österreich, Deutschland) Islamismus und Geschlechterverhältnisse 17. 1. 2005: Ökonomische Vorstellungen islamischer Gruppierungen, Islamismus und Antisemitismus, Islamismus und Homosexualität 24.1.2005 Islamismus und Demokratie, Diskussionen 15 22.11.2004 ¾ Diskussion mit dem Sprecher von SCIRI (Hoher Rat des islamischen Widerstands des Irak) in Österreich 16 24.1.2005 ¾ Schmidinger: Schlussdiskussion Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 10 2 ISLAM, GESCHICHTE DES NAHEN OSTENS UND POLITISCHER ISLAM (ALLGEMEIN) 2.1 SCHIMMEL, Annemarie: Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam. ( München 2002 3) Von: Lisa Sinowatz Matr. 0301076 A 300/308 Annemarie Schimmel (1922- 2003) gilt als eine der renommiertesten Islamwissenschafterinnen des 20. Jahrhunderts — sowohl im Westen als auch, in der Islamischen Welt. Bereits mit 15 Jahren lernte sie Arabisch, nach dem Studium der Arabistik und Islamwissenschaft in Berlin war sie ab 1954 als Professorin für Religionsgeschichte an der Islamisch-Theologischen Fakultät der Universität Ankara tätig. Schimmel lehrte unter anderem an der Harvard University in den USA sowie den Universitäten in Marburg und Bonn. Die gebürtige Erfurterin hat unzählige Publikationen veröffentlicht, darunter Übersetzungen aus dem Arabischen, Türkischen und Persischen. Annemarie Schimmel wurde mit einer Vielzahl deutscher, aber auch internationaler Auszeichnungen und Preise gewürdigt. Darunter finden sich das Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1981) sowie der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1995), dessen Verleihung aufgrund Schimmels kritischer Stellungnahmen im Bezug auf Salman Rushdie einige Kontroversen um die Wissenschafterin aufwarf In ihrem erstmals 1995 im Münchner H.C.Beck- Verlag erschienen Buch Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam. gibt Annemarie Schimmel auf 404 Seiten einen äußerst umfangreichen Überblick über die vielen Formen des religiösen Brauchtums des Islams. Die umfassende Sammlung zahlreicher Aspekte der islamischen Religiosität lässt kaum einen relevanten Bereich aus. Die dicht gedrängte Darstellung unterschiedlicher religiöser Mythen, Riten und Praktiken aus der Welt des Islam — sei es die Beschreibung der Verhältnisse zu Essen und Sexualität oder aber der unterschiedlichen Auffassungen von Hölle und Paradies - kann in ihrer Kompaktheit allerdings auch als überladen empfunden werden. Dabei ist weniger die hohe Dichte der angeführten Beispiele, Geschichten und Exkurse sondern vielmehr die fehlende bzw. sehr unübersichtliche Strukturierung des Textes hervorzuheben. Denn auch wenn Die Zeichen Gottes — sowohl für Leserinnen mit wenig Vorwissen als auch für solche, die bereits über einschlägige Kenntnisse über die Materie verfügen — aufgrund der hohen fachlichen Kompetenz seiner Autorin mit einer enormen Informationsdichte aufwarten kann, fühlt sich der Leser/ die Leserin streckenweise in der kaum gegliederten Auflistung hunderter Beispiele religiöser Handlungsweisen und Vorstellungen etwas orientierungslos. Unterstützt wird dies durch die Verwebung der Themen Religion, Geschichte, Philosophie, Mystik, Literatur und Poesie durch die Autorin: Die gleichzeitig höchst informativen Exkurse in die Gedanken- und Gestaltenwelt der regional spezifischen religions- und glaubensverbundenen Phänomene der Türkei, Indiens, Pakistans und Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 11 Persiens sowie der arabischen Länder verstärken den auf den ersten Blick äußerst unruhigen Gesamteindruck des Werkes. Dennoch: Mit den äußerst umfangreichen Literaturangaben und Erklärungen im Anhang bietet Annemarie Schimmel den Leserinnen zu ihrer „Ethnografie des religiösen Brauchtums im Islam” jene Stütze, die - vermutlich — viele, gerade bei der Lektüre der ersten Kapitel, dringend zur Bewältigung dieses bunten Straußes unzähliger Detailinformationen benötigen. In den letzten Kapiteln, die noch einmal explizit die Vorstellungen von Gott und seiner Schöpfung sowie einen Gegenwartszugang zum Islam zum Thema haben, findet sich des Weiteren jene Essenz, die so mancher Leserin das gesamte Buch hindurch gesucht und vielerorts bereits — versteckt zwischen den Zeilen und Worten (um ein besprochenes Bild aus dem Werk zu verwenden) - erahnen hatte können. Der großteils sehr „ornamentale” Stil der Autorin findet so einen runden Abschluss, der manche durch die Lektüre gefasste Kenntnis des Lesers/ der Leserin bekräftigt oder aber andere revidieren lässt. Dieses „Korrektiv” ist nach den teils verwirrendüberbordenden ersten 4 Kapiteln auch für den Leser/ die Leserin sehr hilfreich. Ein kurzer Blick auf das Leben der Autorin kann im Bezug auf die starke inhaltliche Fragmentierung übrigens durchaus klärend sein — Eine Wissenschafterin, die - in einem Maße wie Annemarie Schimmel es getan hat — in die Welt ihres Gegenstandes eintaucht, kann ihn wohl nur über die reinen Fakten und Daten hinaus beschreiben und erklären. Diese Tatsache muss nicht bedeuten, dass Schimmel „befangen” ist — ihre Vorstellung von und ihr Verständnis für den Islam sind offensichtlich nicht nur durch eine nahezu lebenslange Beschäftigung mit diesem Gegenstand, sondern vielmehr durch die persönliche Kenntnis der islamischen Kultur und Lebenswelt geprägt. Meiner Meinung nach ist es gerade diese Vertrautheit, die ihr als „zu große Nähe” zum Islam ausgelegt werden könnte, die ihr als Westeuropäerin einen objektiveren, gerechteren Zugang zum Gegenstand ermöglichte. Auch, wenn mir persönlich die Lektüre von Die Zeichen Gottes ehrlich gesagt ein (außergewöhnlich) hohes Maß an Konzentration abverlangt hat, bot es mir im Großen und Ganzen einen sehr vielschichtigen Einblick in die vielen Kapitel der Islamischen Kultur. Besonders jene Stellen, die (in unserer westlichen Welt) populäre, vorurteilsbehaftete Themen aufgreifen und deren Wurzeln im Islam erklären, habe ich sehr gerne gelesen — gerade in politischen Diskussionen des alltäglichen Lebens kann das Wissen über solche Grundsätzlichkeiten sehr hilfreich sein, denn viele Vorurteile basieren auf Missverständnissen und der Verbreitung ebendieser. Durch Richtigstellung falscher Annahmen in der Diskussion können vielleicht einige Vorurteile abgebaut werden, oder zumindest ein bisschen Verständnis entstehen und um ehrlich zu sein war genau diese Hoffnung, etwas mehr über den Islam (kennen) zu lernen und das dann auch weiterzugeben, meine persönliche Motivation, am Proseminar Teil zu nehmen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 2.2 Version 09.09.2005 Seite 12 DASHTY, Ali: 23 Jahre - Die Karriere des Propheten Muhammad Von: Paul Schilder Das Buch „23 Jahre – Die Karriere des Propheten Muhammad“ von Ali Dashti ist 2003 in Aschaffenburg im Alibri-Verlag erschienen. Es wurde von Bahram Choubine und Judith West übersetzt, überarbeitet und herausgegeben. Es handelt sich beim vorliegenden Taschenbuch um die 2.Ausgabe (ISBN 3-932710-80-0). Das Buch umfasst 340 Seiten und kostete 19,80 EUR. Ali Dashti ist 1896 im Iran in eine schiitisch-religiöse Familie geboren. Er studierte Theologie, um später als Geistlicher tätig zu sein, doch entschied sich 1918 als Journalist zu arbeiten. Er äußerte stets seine aufgeklärt-islamische Meinung und wurde deshalb mehrmals inhaftiert. Später war er als Parlamentarier und Regierungsmitglied tätig. Bei der Machtergreifung durch Ayatollah Khomeni 1979 wurde Dashti wieder inhaftiert und starb 1981 an den Folgen der Haft. Ali Dashti bemüht sich in seinem Buch die Entstehung der Religion Islam sowie das Wirken und Schaffen des Propheten Muhammads von seinen Mythen zu trennen und objektiv (wenn das überhaupt geht) darzustellen. Das Buch ist in 6 Kapitel gegliedert, wobei jedes Kapitel um ein spezielles Thema handelt. 1.Kapitel: Die Person Muhammad – Es wird Muhammads Schaffen von seiner Geburt bis hin zu seiner Berufung beschrieben. Im Laufe der Jahrhunderte wurden Mythen bis hin zu märchenähnlichen Geschichten über Muhammad erzählt. Dashti bemüht sich diese Legenden realistisch zu betrachten. 2.Kapitel: Die Religion Islam – Es wird die Zusammenstellung des Korans beschrieben, mit seinen Gesetzen und Geboten. 3.Kapitel: Politik – Nach einer Predigerphase beginnt 622 das aktive Handeln des Propheten. Dashti beschreibt diese Zeit bis zu seinem Tod unter realpolitischen Blickwinkel. 4.Kapitel: Metaphysik – Es wird die Frage von Gott im Koran beschrieben. 5.Kapitel: Nach Muhammad 6.Kapitel: Kurzfassung Das Buch gibt einen guten Einstieg in die Materie des Islams, da es sowohl die Entstehung als auch die erste Wirkungszeit der neuen Religion beschreibt und dem Leser viel Information bietet. Ali Dashti ist ein anerkannter Autor, der aufgrund seines theologischen Studiums und seiner späteren journalistischen und politischen Tätigkeit als „Insider“ gilt. In heutiger Zeit, in der es zunehmend Auseinandersetzungen mit dem Islam gibt, kann dieses Buch ein guter Wegweiser sein, da es vor 1979 geschrieben wurde und somit von den jetzigen Wirren nicht beeinflusst wurde. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 2.3 Version 09.09.2005 Seite 13 HORNUNG, Klaus: Krisenherd Naher Osten, Geschichte und Gegenwart einer konfliktreichen Region Von: Cornelia Roider Hornung, Klaus. Krisenherd Naher Osten. Geschichte und Gegenwart einer konfliktreichen Region. Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München, 1993 Dieses Buch wendet sich dezidiert weniger an Fachleute als an politisch Interessierte, die an vertiefender Information interessiert sind. Es wurde 1991 erstmals veröffentlicht und 1993 überarbeitet. Obwohl sich die politischen Gegebenheiten im Nahen Osten in den letzten 11 Jahren weit reichend geändert haben, stellt das Buch dennoch ein interessantes Dokument geschichtlicher Gegebenheiten dar. Hornung sieht den Raum zwischen Marokko und Iran/Afghanistan als den Nahen Osten und bezeichnet diesen als den gefährlichsten Krisenherd der Weltpolitik. Beschrieben wird die Geschichte der Region und die Expansion des Islam ausgehend von Mekka und Medina im 7. Jahrhundert. Zu Beginn werden die antikolonialen Befreiungsbewegungen ab dem Ersten Weltkrieg in der Türkei, in Ägypten, im Irak, in den Golfstaaten, im arabischen Nordafrika und im Sudan erläutert. Besonders eingehend werden die Konflikte in Israel, im Libanon und am Persischen Golf behandelt. Aber auch auf das Problem der Kurdenfrage und die wohl größte Frage "Wem gehört das Öl" wird eingegangen. Hierbei werden auch die geistigpolitischen Kräfte und die politischen Systeme im Nahen und Mittleren Osten nicht außer Acht gelassen. Es werden vier Gründe für das Konfliktpotential der Region genannt: 1. die strategische Lage zwischen den drei Kontinenten Europa, Asien und Afrika 2. mehrere ethnische Gruppen und verschiedene Religionen 3. Beherbergung der wichtigsten Energiereserve der Erde 4. Gegensatz zwischen bevölkerungsarmen Ölländern und bevölkerungsreichen, ölarmen Ländern Geschildert wird auch die Politik der Staaten USA und Sowjetunion, sowie die Europas bzw. der EG, Afrikas und Asiens in Bezug auf den Nahen Osten, wobei besonders das Kapitel "Krisenherd Nahost: Ausblick" interessant ist. Darin kommt der Autor zum Schluss, dass in Bezug auf den Israelkonflikt eine Einigung nur dann zustande kommen könne, wenn der Friedensprozess von außen abgeschirmt werde. Auch vertritt er die Meinung, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser an einem Friedensprozess interessiert sind. Allerdings schreibt er auch, dass der islamische Fundamentalismus diesen Prozess gefährden könnte. Besagter Fundamentalismus hat sich von heutiger Sicht aus in den letzten Jahren leider eher verstärkt. Dass der Irak nach dem Krieg 1990 politisch nicht aufgelöst wurde, erklärt der Autor damit, dass ein Machtvakuum entstanden wäre, was eine schiitische Revolution erleichtert hätte. Dies wäre nicht im Interesse der USA und der Sowjetunion gewesen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 14 Die Ausführungen des Politikwissenschaftlers Hornung entsprechen dort nicht meinen Vorstellungen von political correctness nicht, wo er im Zusammenhang mit ethnischen Gruppen von "südsemitischen" Arabern, "turko-tatarischen" Türken und "indoeuropäischen" dem unglücklichen Begriff der "Rasse" als mit Ethnien in Verbindung gesetzt werden. Hornung, Klaus. Krisenherd Naher Osten. Geschichte und Gegenwart einer konfliktreichen Region. Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München, 1993 2.4 MERNISSI, Fatima: „Die Angst vor der Moderne“. Freiburg 2002 Von: Gesell-Payer Andrea Matr.-Nr.: 7817002, St.Kz: 300 Mernissi Fatima ist 1940 in Fez geboren und sie ist Professor für Soziologie an der Uni von Rabat. Der vollständige Titel des Buches heißt „Islam und Demokratie – Die Angst vor der Moderne“ und ist eine Übersetzung aus dem Französischen. Mernissi behandelt konkrete Themen des Islam und versucht zu begründen, was die Basis des Denkens der islamischen Welt über westliche Phänomene ist. Sie weist dabei auch auf verschiedene Unglaubwürdigkeiten des sog. Westens hin. Diese sind sehr lehrreich, um zu verstehen, warum unsere Werte im Islam nicht so gewertet werden, wie das für uns selbstverständlich ist. Z.B.: Der Westen mahnt immer zur Demokratie und Gewaltverzicht. Gleichzeitig unterstützen aber westliche Regierungen islamische Despoten. Die amerikanische Ölindustrie hat eine große Macht und steht im Rampenlicht der Öffentlichkeit, unterstützt aber aus Geschäftsund Gewinngründen den islamischen Extremismus. Die Führer dieser radikalen islamischen Gruppierungen werden von der westlichen Presse öfters zitiert und interviewt als die friedlichen islamischen Philosophen. Die Vernunft wird den westlichen Kolonisatoren zugeschrieben (obwohl im Islam sehr wichtig) und deshalb abgelehnt. Sowohl die persönliche Vernunft als auch die persönliche Meinung wird mit Egoismus und somit auch gegen die islamische Gemeinschaft (umma) gewertet. Im Koran steht z.B. „Die Gemeinschaft irrt sich nicht.“ „Auf der persönlichen Meinung zu beharren bedeutet Schwächung ... der Macht der Gemeinschaft...“ Man hat Angst vor der individuellen Meinung, weil sie imstande ist, die Gruppe/umma anfällig zu machen. Das ist die Basis über die Debatte Islam – Demokratie. Die Beharrung auf den Glauben und Vergangenheit war aber eine Waffe gegen die Kolonisatoren. Aber mit dem Ende der Kolonisation bekämpften die muslimischen Staaten die Freiheit des Denkens und der Vernunft weiter. Der Staat missbraucht das „Göttliche“ um seine Willkür zu legitimieren. Die Waffen aber importieren sie weiterhin aus dem Westen. Die arabischen Länder geben im Verhältnis zu ihrem BIP mehr Geld für Waffen aus als die westlichen Staaten. So unterstützen die arabischen/islamischen Staaten die Vormachtstellung des Westens. Seltsam findet Mernissi allerdings, dass Autos und Telefon nicht als westlich verbannt werden, sondern nur die Demokratie und die Freiheit des Denkens. Diese gefährden nämlich die Macht. Das setzt sich auch fort in der Arbeitswelt. Dort haben nämlich die Machthaber ebenfalls Angst vor selbstständig denkenden und verantwortlichen Mitarbeitern. Frauen z.B. werden eher angestellt, wenn sie in der Dschellaba zur Vorstellung kämen als wenn sie westlich gekleidet sind. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 15 Mernissi bemängelt auch, dass die Charta der UNO in den islamischen Ländern fast vollkommen unbekannt ist, weil sie ganz einfach keinen Platz im öffentlichen Leben und Denken der Menschen hat – sie wird in der Politik und im Unterricht nicht erwähnt. Sie kritisiert die arabischen Politiker, die in der UNO sehr modern und fortschrittlich tun, zu Hause aber gerade das Gegenteil, sie beharren auf Religion und Tradition, um an der Macht zu bleiben. Die Gesetze über Gleichheit von Mann und Frau wird in den Landesgesetzen gleich mit einem Verweis auf die Scharia relativiert. Mernissi kritisiert auch das Unterrichtssystem, das nicht gleichmäßigen Zugang zur Bildung für alle Schichten garantiert. Diese Kluft ist auch der Grund für die Feindschaft allem Fremden gegenüber und für die Ablehnung des Westens. Damit auch indirekt die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit, denn die Chancen eine Arbeit zu finden hängt auch davon ab, ob man das moderne Wissen beherrscht. Wie wird die Angst vor Gedankenfreiheit begründet? Islam heißt Unterwerfung. Die Einwohner von Mekka haben sich Muhammad unterworfen, sie haben ihre „Širk“ aufgegeben (ihre Freiheit, ihre 360 Götter). Im Gegenzug bekamen sie den Frieden Allahs. Die Religions- und Meinungsfreiheit erinnert an diesen alten „Širk“. Es ist negativ besetzt, denn es erinnert an die Unordnung und Konfusion vor Muhammad. Die mächtigsten dieser 360 Götter waren weibliche Gottheiten. Das soll auch der Grund für den Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Leben gewesen sein. Man hat also die Freiheit um des Friedens willen aufgegeben. Die Zukunft des Islam ist aber nur dann gewährleistet, wenn man die Sicherheit der Gemeinschaft nicht mehr auf das Verbot der Gedankenfreiheit stützt. Warum gibt es ein Abbildungsverbot des Menschen? Mit der Abbildung des Menschen hat der Kult der Idole begonnen. Im Prinzip gefällt mir das Buch von Mernissi sehr gut. Ihre Erklärungen sind geeignet, verschiedene gesellschaftliche Probleme des Islam historisch zu beleuchten. Jedoch ist für mich auch der Moslem ein eigenständiger, freier Mensch. Als solcher kann man auch eigenständig und frei denken. Frei von Religion und ihren Zwängen und Einengungen. Deswegen verstehe ich nicht, wie Mernissi die heutige Gesellschaftsproblematik teilweise mit dem Mittelalter erklärt. Gar nicht einverstanden bin ich mit ihrer Meinung, dass der Islam eine friedliche Religion ist, sie hat aber eine friedliche Variante. Vgl. AT/NT. 2.5 KEPEL, Gilles: Das Schwarzbuch des Dschihad; Aufstieg und Niedergang des Islamismus. Piper Verlag, München 2002 ISBN 3492044328, Von: Christian Wurzer Matrikelnummer: 0349281 - A 300 Das Buch beschäftigt sich mit radikalem Islamismus, wobei die historische Entwicklung seit den neunzehnsechziger Jahren, als der politische Islam den arabischen Nationalismus als bestimmende Ideologie im arabischen Raum abzulösen begann bis zu den Entwicklungen vor der Jahrtausendwende den Kern des Buches bilden. Rund um diesen Kern der historischen Fakten zeichnet Kepel ein Bild der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umstände in den verschiedensten Regionen der gesamten islamischen Welt, von Süd-Ostasien bis zum Maghreb, welche die Entwicklung eines Landes oder einer Region, im Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 16 Hinblick auf den radikalen Islamismus, in den letzten fünfunddreißig Jahren bestimmt haben. Kepel teilt sein Buch (auch formal) in drei Abschnitte Aufschwung; Ausbreitung und Widersprüche; Niedergang und Umorientierung. Die von Ideologen wie dem Ägypter Saiyid Qutb, dem Pakistani Maududi und Khomeini geschaffenen Grundlagen der islamistischen Bewegungen lösen, wie bereits erwähnt, den Nationalismus der vorhergehenden Jahre ab und erreichen mit der Revolution im Iran, sowie mit der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadats 1981 ihre ersten Höhepunkte. Kepel beschreibt die besonderen Umstände, die diesen Aufstieg möglich gemacht haben, wobei er besonders das „Bündnis“ zwischen dem frommen Kleinbürgertum und der radikalen Jugend aus den Slums der Großstätte hervorhebt, und den langsamen Abstieg durch das zerbrechen dieser Basis, infolge der Ernüchterung und Einsicht der kleinbürgerlichen Händler des Basars, welche zusammen mit der mittellosen städtischen Jugend den wichtigsten Teil dieser Basis ausmachten. Den Abschluss bildet ein Ausblick Kepels auf die zukünftige Entwicklung der islamischen Welt, in der er voller Optimismus das Ende des Islamismus und den Übergang zu einer islamischen Demokratie vorhersagt. In seinem Buch, welches in der französischen Originalfassung erstmals im Jahr 2000 erschien, kommt Kepel zu dem Schluss, dass der radikale politische Islam seinen Höhepunkt erreicht und auch bereits überschritten hat. Nach dem elften September, dem Afghanistankrieg und vor allem dem Krieg im Irak stellt sich jedoch die Frage, ob sich der Islamismus nicht auf bestem Wege zu einem neuen Höhepunkt der Gewalttätigkeit befindet, oder ob Kepel recht behält und sich eine islamische Demokratie entwickeln wird. Das Buch bietet in jedem Fall einen gut recherchierten und begründeten Einblick in die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, wenn auch einige Abschnitte, wie etwa der Tschetschenienkonflikt nur sehr oberflächlich behandelt werden. 2.6 TIBI, Bassam: Die fundamentalistische Herausforderung Von. Mag. Harald Schrefler Die zentrale These des Buches Die Terroranschläge vom 11.9.2001 (Nine Eleven) und der islamische Fundamentalismus haben den Westen in einen „irregulären Krieg“ hineingezogen. Und die zentrale These in Bassam TIBIS Buch „Die fundamentalistische Herausforderung - Der Islam und die Weltpolitik“ ist: „Der islamische Fundamentalismus versteht sich als Garant für die einzig gültige weltpolitische Ordnung der Zukunft und will dafür 1,5 Milliarden Muslime mobilisieren. Eine Herausforderung, die die Politik der westlichen Staaten tief greifend verändern wird.“ Bassam Tibi hat sein erfolgreiches Standardwerk (erstmals 1992 veröffentlicht) nunmehr mit dieser 3. Auflage (erschienen 2002) vollkommen überarbeitet. Insbesondere 2 neu Kapitel über Osama Bin Laden sind von aktuellem Interesse. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 17 Der Autor 1944 in Damaskus geboren ist Bassam TIBI seit 1973 Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen. Forschungsaufenthalte 1998 - 2000 in Havard und in vielen arabischen, asiatischen und anglikalen Ländern haben seine profunde Kenntnis der islamischen Welt vertieft. Aufbau und Aussage Das vorliegende Buch befasst sich mit dem Aufstieg des Islamismus in der 2. Hälfte des 20. Jhdt. bis 2002. Das „Haus des Islam“ (Dar al-Islam) wird ebenso betrachtet wie der Neo-Djihad (von der Gründung der Muslim-Bruderschaft 1928 bis zu Bin Laden und seinen Terrorismus). Wobei TIBI viel Platz für die Ideologie des Islamismus, der das Dar alIslam im Rahmen der Gottesherrschaft (Hakimiyyat Allah) auf den gesamten Globus erweitern will, verwendet. Die geistigen Quellen des sunnitisch-islamischen Fundamentalismus, der Gottesstaat bzw. Hakimiyyat Allah gehen jedoch auf Sayyid Qutb (1966 hingerichtet) zurück, waren also lange vor Khomeini bereits im Gespräch. Ziel der Fundamentalisten ist ein politisches System, das auf der Schari’a als Gesetz, als Lösung aller Probleme besteht. Eindeutig ist die zentrale Formel des Islam „din wa daula“(Einheit von Religion und Staat), wobei die Umma im Einzelfall die Regierungsinstitutionen zu entscheiden hat, jedenfalls aber nach den Grundsätzen der Schari’a. Erstmals versucht TIBI auch seine Gedanken zur Sicherheitspolitik darzulegen. TIBI schlägt einen Dialog mit dem liberalen Islam und Bekämpfung des Fundamentalismus vor. Für ihn ist Fundamentalismus eine Revolte gegen den Westen und die Säkularisierung, er will die bestehende Weltordnung durch eine islamische ersetzen. Wobei für ihn 3 Schlüsselereignisse in den 1990ern die weltpolitische Umbruchsituation erzeugten. Eben (1.) die Revolte des Fundamentalismus gegen die bestehende Weltordnung sowie (2.) der Zusammenbruch des Kommunismus und (3.) das Ende des Ost-West-Konfliktes. Inhalt und Überblick Die großen Überschriften des Buches sind im letzten Punkt dieser Rezension dargestellt, denn prägnanter ist der Aufbau und Inhalt durch die ausführlichen Überschriften nicht darstellbar. Trotzdem sollen Stichworte aus den einzelnen Kapiteln das Interesse zum Lesen (und Nachdenken) steigern: Die neue Weltordnung; der Golfkrieg 1991; Islamischer Fundamentalismus und die Moderne; religiöser Fundamentalismus und (Ent)Säkularisierung; sakrale islamische Weltordnung - islamischer Gottesstaat; Krise der Nationalstaaten, Bin-Ladismus; al-Qaida; islamische Diaspora; Demokratie und Fundamentalismus; die Schari’a und deren Anwendung; Din wa daula Islam ist untrennbare Einheit von Staat und Religion. Zusammenfassend ist zu sagen, TIBI behandelt die politische Revolte des islamischen Fundamentalismus gegen die bestehende Weltordnung der Moderne. Wobei der Fundamentalismus eine Synthese von Religion und Politik ist, auf den Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 18 Problemen unseres Krisenzeitalters, der Globalisierung, sozialer sowie ökonomischer Problemen und religiöser Intoleranz basierend. Eher pessimistisch schließt TIBI sein Buch:“ ...., dass die fundamentalistische Herausforderung ein anhaltendes Problem ist, für das der Westen bis heute kaum geeignete Antworten zu bieten hat. Persönliches Fazit Ein exzellent geschriebenes Buch eines großen, die Problematik von innen und vor Ort kennenden, Islam-Experten. Ohne auf Fundamentales einzugehen (was er natürlich von seinen Lesern erwarten kann) entwickelt TIBI eine überzeugende Darlegung der Probleme zwischen islamischem Fundamentalismus, dem Dar al-Islam und der westlichen Weltordnung. Ich würde mir wünschen, die gerade neu gewählte Bush-Administration würde es nicht nur lesen sondern auch Schlüsse daraus ziehen. Das Buch ist ein „must“ für jeden aktuell Interessierten, jedenfalls für Religionswissenschaftler, Orientalisten und natürlich Politologen. Inhaltsverzeichnis (die großen Kapitel) Die großen Kapitel des Buches geben einen guten Überblick über die dargelegten Entwicklungen. I Der islamische Fundamentalismus und die Weltordnung: Von Saddam, Hussein zu Osama Bin Laden. II Der islamische Fundamentalismus und die Moderne: Zwischen Islam - Reform religiöser Orthodoxie und dem islamischen Traum von der halben Moderne. III Die Revolte des islamischen Fundamentalismus gegen die Weltordnung: Kulturelle Fragmentation, Konsensverlust und Machtdiffusion in der Weltpolitik IV Islam, Fundamentalismus und souveräne Staaten: Die Gleichzeitigkeit von fundamentalistischen Universalismus und ethnischem Zerfall islamischer Nationalstaaten V Von der fundamentalistischen Herausforderung des säkularen Nationalstaates zum irregulären Krieg der Islamisten gegen die westliche Zivilisation: Bin Laden und der 11. September VI Der fundamentalistische Missbrauch der Islam-Diaspora: Westeuropa als Ruhezone VII Der Zivilisationskonflikt als Wettstreit der Modelle: Fundamentalistischer Schari’a-Staat versus säkular-demokratischer Staat VIII Schlussfolgerungen: Islamischer Fundamentalismus als eine Herausforderung ? Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 19 3 GIHADISTISCHER ISLAMISMUS, TERRORISMUS UND POLITISCHER ISLAM 3.1 RASHID Ahmed : Taliban – Afghanistans Gotteskrieger und der Dschihad Von: Teresa Peintinger 0203476 - A 300 Droemersche Verlagsanstalt, München 2001, 2. überarbeitete Auflage, ISBN 3-426-27260-1, 431 S. Englisches Original „Taliban – Islam, Oil and the New Great Game in Central Asia“, 2000 Jenes umfassende literarische Portrait Afghanistans und der Taliban-Bewegung von Ahmed Rashid, welches im Folgenden behandelt werden soll, kann man zurecht als Kernelement des Lebenswerks des gebürtigen Pakistanis bezeichnen. Von Beruf Journalist, war Rashid über 20 Jahre lang als Auslandskorrespondent für (u.a.) die britische Tageszeitung „Daily Telegraph“, den „Far Eastern Economic Review“, sowie für das internationale Radio und Fernsehen (BBC World, CNN), in Afghanistan tätig. Mit seiner kritischen Berichterstattung erregte er immer wieder Aufsehen, fiel bei der pakistanischen Regierung in Missgunst und geriet nicht selten zwischen die Fronten. 2001 wurde er mit dem Nisar Osamani Award der pakistanischen Menschenrechtsorganisation ausgezeichnet. In seiner intensiven und detaillierten Auseinandersetzung mit Afghanistan und, im Speziellen, der Taliban, setzt der Autor drei thematische Schwerpunkte. Diese umfassen einen ausführlichen geschichtlichen Überblick über das von politischen Machtkämpfen stark gezeichnete Land und das Aufkommen der „Gotteskrieger“(Teil 1), mehrere Kapitel zu den ideologischen Standpunkten der Bewegung und der Alltagsrealität (Teil 2), sowie Erläuterungen zu einem wesentlichen, ganz zentralen Faktor des internationalen Interesses: dem Kampf um das Öl (Teil3). Der Hauptpart wird zugunsten der Übersichtlichkeit durch Karten, Auszüge aus Verordnungen der Taliban sowie Tabellen zur Struktur und Chronologie und Ähnliches ergänzt. Der Fundamentalismus der Taliban, so Rashid, war in vielerlei Hinsicht neuartig, nicht nur für Afghanistan, wo es zwar mehrere radikale Extremistenbewegungen gab, die jedoch nie so recht Fuß fassen konnten, als auch für die gesamte islamische Welt. Auch hatte deren Ideologie wenig mit anderen früheren – erfolglosen – Versuchen, gemein, Theorien einer islamischen Wirtschaft, Auslandsbeziehungen und eines gerechteren sozialen Systems zu verwirklichen. So vermochten auch die Taliban nicht das weit verbreitete Phänomen in muslimischen Gesellschaften – den Zwiespalt zwischen Clan- und Stammesstrukturen versus ummah und Staat – zu lösen, welches der französische Gelehrte Olivier Roy als Quintessenz seiner Theorie des „Scheitern des politischen Islam“ betrachtet. Fest steht dass die von der Taliban ursprünglich proklamierten „wohlmeinenden“ Absichten der Wiederherstellung von Recht und Ordnung, über die Ausrufung einer puristisch islamischen Revolution, in Folge durch die Etablierung einer Terrorherrschaft, verloren gingen. Sie funktionalisierten den Islam – immer zu ihren Gunsten (Bsp: Opiumproduktion) – ohne irgendwelche Kenntnisse islamischer oder afghanischer Geschichte, der Scharia oder des Koran und duldeten keine andere Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 20 Auslegung als die eigene. Sie bekämpften ausnahmslos alles Moderne und lehnten muslimische Mäßigung und Annäherung an den Westen ab. Größtenteils als Waisen in Flüchtlingslagern in völligen Männergesellschaften aufgewachsen setzten die Taliban den ihnen gepredigten Hass auf Frauen auf brutalste Weise um, verbannten sie aus dem öffentlichen Leben. Anderen Gruppen, wie Nicht-Paschtunen oder Homosexuellen ging es nicht besser. Rashid kritisiert immer wieder die Ignoranz der internationalen Gesellschaft, insbesondere der USA, gegenüber Afghanistan nach 1989, nach der Machtübernahme der Taliban und den eindeutigen Entwicklungen in den späten 90er Jahren. Auch die UN-Politik sei ein einziges Chaos gewesen, da nie von einer gemeinsamen Plattform aus verhandelt worden sei. Der berufliche Hintergrund des Autors fällt bei der Lektüre sofort ins Auge, handelt es sich hierbei nicht etwa um eine wissenschaftliche Abhandlung sondern einen journalistischen Bericht, der stellenweise epische Stimmungselemente mit Tatsachenbeschreibung verquickt. Meiner Ansicht nach nimmt die Objektivität des Buches dadurch keinen Schaden, da Rashid, auch wenn seine eigenen Meinungen mehr mit dem Text verwoben sind als analytisch scharf davon getrennt, meines Erachtens nach ein sehr sachlicher Beobachter bleibt. Rashid publizierte im Jahre 2000, also vor der gravierenden Wende die der 11. September der internationalen Politik brachte. Die Bedingungen der Geschehnisse der darauf folgenden Jahre skizziert er allerdings schon klar ersichtlich in seinem Buch. Er warnt vor den potentiellen Entwicklungen und verweist die internationale Gemeinschaft auf diverse mögliche Lösungsansätze. Generell bietet das Buch detailliertes Hintergrundwissen und tiefe Einblicke in den Kampf um Wirtschaft und Macht, was wahrscheinlich kaum woanders derart zusammenhängend dargestellt wird. Meiner Meinung nach ist diese Lektüre äußerst empfehlenswert und nahezu unumgänglich für alle die sich mit afghanischen Thematiken beschäftigen und eine ernsthafte Auseinandersetzung anstreben. Darüber hinaus bietet sie eine gewisse Hilfestellung zum Verständnis des 11. September, den Verwicklungen der USA und den aktuellen Auswirkungen. 3.2 KERMANI, Navid: Dynamit des Geistes. Martyrium, Islam und der Nihilismus. Wallstein Verlag, Göttingen 2002 57 Seiten, €14,90 Von: Till Hilmar 0308696 Das Buch ist eigentlich ein Vortrag, gehalten am 6. November 2001. Kermani ist iranischer Schriftsteller, in Deutschland aufgewachsen. Seine zentrale Frage lautet: Wie kommt es, dass Menschen ein Flugzeug kapern und damit ihr Leben opfernd andere in den Tod reißen? Dazu schneidet der Autor 3 Geschichten an: Eine historische Rekonstruktion der Schlacht von Kerbela 680 n. Chr., die Schlacht steht als Topos für die Auseinandersetzung Schiiten – Sunniten: Der Enkel des Propheten und der Imam der Schiiten, Hussein ibn Ali steht in der Schlacht dem Kalifen Yazid (Sunniten) gegenüber. Husseins Märtyrertod wird zum zentralen Motiv Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 21 der schiitischen Geschichte, Gründungsmythos des kollektiven Gedächtnisses der Schiiten. -> Schmerzenskult der Schiiten, nicht generell islamisch Kermani definiert die Ideologie der Terroristen aber ausdrücklich als sunnitisch, obwohl Sunniten den schiitischen Märtyrerkult verachten. Die Passionsgeschichte Husseins lässt sich gut vergleichen mit der Christi, Kermani weist auch auf einen christlichen Märtyrerkult hin. Die zweite Frage sei, inwiefern der Kult westlich beeinflusst ist. Die Selbstmordattentäter des 11. September kommen aus wohlhabenden Kreisen und haben moderne Lebensläufe, Universitätsabschlüsse, etc. Der Attentäter führt ein normales „westliches” Leben und im Grunde kein doppeltes. Bin Laden entstammt selbst „westlichen” Verhältnissen, seine Höhlenauftritte, etc. sind als Tarnung zu verstehen. Kermanis These lautet nun, dass auch auf theoretischer Ebene ein Einfluss besteht: nämlich des Nihilismus Nietzsches. Das zerstörerische Handeln, gerichtet gegen sich selbst und gegen andere ist für Kermani die entscheidende Parallele; gleichzeitig die vernichtende Tat als schöpferischer Akt. Weiters aufstrebende Tendenz zum christlichen Fundamentalismus, nordamerikanische rechtsradikale Sekten arbeiten mit ähnlichen Methoden wie islamische Fundamentalisten. Als dritten Punkt und äußerst kurze Geschichte betont der Autor noch einen elementaren Einfluss des Westens, nämlich finanzielle Geschäfte, die z.B. die Formierung der Taliban und ähnlicher Gruppen erst ermöglichten. Das Buch hält sich sehr generell und erfordert Vorwissen über den Islam. Es bietet eine gute Analyse des schiitischen Hussein-Mythos, der Versuch der Verbindung zum Nihilismus fällt eher knapp aus. Die Passagen über terroristische Netzwerke sind unzusammenhängend und nicht fundiert genug – das Buch ist relativ kurz nach den Ereignissen am 11. September 2001 entstanden. 3.3 von KEPEL, Gilles: „Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch“ Sana Shah 0304317 / A 300 Das Buch „Die Rache Gottes“ ist ein wissenschaftliches Werk, das, 1991 auf Deutsch übersetzt, im Verlag Piper in München erschienen ist. Das Buch ist in vier Kapitel und einen Schluss gegliedert. Jedes Kapitel behandelt eines der drei Weltreligionen und ein Kapitel widmet sich der religiösen Kultur der Vereinigten Staaten. Gilles Kepel, 1955 geboren, studierte Soziologie und Arabistik. Er ist Professor für politische Studien am Institut d’Etudes Politiques in Paris und Gastprofessor an der Columbia University. Der Autor schildert in dem Buch das Ziel der stärker werdenden religiösen Bewegungen die jeweiligen Gesellschaften basierend auf ihrer Religion neu aufzubauen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 22 Gilles Kepel sieht in den drei Religionen eine parallele Entwicklung ab den 70er Jahren. Denn das ist die Zeit, wo es laut Kepel zu einer Säkularisierung der Gesellschaft kommt und die verschiedenen Religionen immer mehr in Bedrängnis kommen sich „aktualisieren“ zu müssen, um Anhänger zu finden. So starten in allen diesen Religionen fundamentalistische Bewegungen zur Reislamisierung, Rechristianisierung oder Rejudaisierung der Gesellschaft. Die Reislamisierungsbewegungen haben das größte Entwicklungspotenzial im Vergleich zu den zwei anderen Religionen. In den islamischen Ländern wird zunächst oft eine „Reislamisierung von oben“ versucht, bei der Fundamentalisten planen die bestehenden gemäßigten Regierungen zu stürzen, um die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen neu aufzubauen. Doch wegen des Unterdrückungsapparates der bestehenden Regierungen, gelingt weitenteils nur eine „Reislamisierung von unten“, welches durch die karitativen und sozialen Netzwerke der Moscheen den sozial Benachteiligten der Gesellschaft zu Gute kommt. Aus dem Christentum bilden sich ähnliche Bewegungen heraus, welche im Gegensatz zum Islam größere Schwierigkeiten haben sich zu etablieren, da den Jugendlichen das christliche Erbe ein fast unbekanntes Gut ist. Das Judentum platziert seine Rejudaisierungspolitik im Rahmen des israelischpalästinensischen Krieges und kämpft nicht wie die zwei vorher genannten Bewegungen gegen einen säkularen oder nicht den Vorstellungen dieser Bewegungen entsprechenden Staat, sondern gegen alle Nichtjuden, insbesondere gegen Palästinenser. Persönliche Bewertung des Buches: Zum Thema Islamischer Fundamentalismus gibt es unzählige Bücher, doch was Kepels Buch so interessant macht, sind die Parellelen die Kepel zu den zwei anderen monotheistischen Religionen aufbaut. So zeigt er, dass der Fundamentalismus keineswegs eine nur auf den Islam beschränkte Bewegung ist. Als Soziologe analysiert Kepel die Gesellschaften in den verschiedenen Ländern sehr gut und beschreibt daher die Wurzeln dieses Fundamentalismus sehr genau. 3.4 DANESCH, Mostafa: Der Krieg gegen den Westen Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, 1. Auflage, ISBN 3-455-09448-1, 256 S. Von: Anatol Rathbauer 0100917 - A 300 Der Autor: Mostafa Danesch wurde 1944 in Semnan (Iran) geboren und lebt seit 1965 in Deutschland. Dort ist Danesch, Doktor der Politologie und ausgewiesener Zentralasien-Kenner, als Journalist, Gerichtsgutachter, Autor und Filmemacher tätig. Bisherige Publikationen umfassen mehrere Interviews mit Größen der muslimischen Welt wie Ghaddafi, Khomeini oder Arafat sowie das 2002 erschiene Buch „Wer Allahs Wort missbraucht. Krisenherd islamische Welt“. Aussage und Aufbau: „Der Krieg gegen den Westen“ als Titel ist Programm; Danesch sieht die westliche Welt am Rande eines neuen großen Konfliktes im Stile des Kalten Kriegs, wobei auf einer Seite der von den USA geführte Westen und auf der anderen ein „politischer Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 23 Islam“ steht, der sich als Einheit von staatlichem und religiösem Machtanspruch versteht. Dabei betont er die Mitschuld des Westens, vor allem der USA, an den aktuellen Problemen und kritisiert die seiner Meinung nach vollkommen falsche Reaktion auf die Krise. In zwölf Kapiteln sowie einem Vor- und Nachwort versucht Danesch, seine These vom „Krieg gegen den Westen“ aus verschiedenen Blickpunkten zu beleuchten und erläutern, wobei sich dabei Kapitel, in welchen (großteils zeitgeschichtliche) Fakten präsentiert werden und solche, in denen er seine eigene Sicht der Dinge in den Vordergrund stellt, ständig abwechseln. Grob gesprochen gliedert sich das Buch dabei in drei Teile: Erstens, Etablierung des Westens als Verursacher des Konflikts, zweitens, Beschreibung des Kern-Krisenherdes, und drittens ein kurzes Fazit. Die Kapitel mit dem objektiv höheren Informationsgrad sind hierbei diejenigen, in denen der Autor glänzen kann, insbesondere wenn er sein fundiertes Wissen benutzt, um den Konflikt und die Probleme in Afghanistan oder die internationale Zusammenarbeit der radikalen Schiiten zu beschreiben. Auf der anderen Seite sind die Kapitel, die dem Formulieren seiner eigentlichen These dienen, nur schwach untermauert und halten einer kritischen Nachfrage kaum stand. Inhaltlicher Überblick: Das Buch beginnt mit einem kurzen geschichtlichen Abriss über die Region „Mittlerer Osten und Zentralasien“, in welchem Danesch sowohl auf den westlichen Kolonialismus in der Region, der früher hauptsächlich von den Briten und später von den USA betrieben wurde, sowie auf die deutlich jüngeren Ursprünge des radikalen Islamismus, wie z.B. die ägyptische Moslembruderschaft Bezug nimmt und außerdem bereits kurz versucht, den eben erwähnten Kolonialismus als Wurzel der Bedrohung durch den politischen Islam zu belegen. Es folgen einige Kapitel über die Aktivitäten des politischen Islams im Westen. Danesch erläutert darin kurz, wer Ziel des Terrors ist oder werden kann und warum und geht danach auf das ein, was er als politische Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Zusammenhang sieht. Sowohl die unangemessene Toleranz Deutschlands gegenüber muslimischen Extremisten, die zur Existenz der sattsam bekannten Kalifatsstaaten als „Parallelstaaten im Staat Deutschland“ geführt haben als auch die Reaktion der deutschen Politik, die Danesch sehr in die Nähe der Handlungsweise der USA rückt, finden hier seine Kritik. Danach widmet er sich ausführlich den USA, wobei er eine neue These aufwirft, nämlich dass die USA in ihrem Versuch, mittels einer neuen Weltordnung ihre globale Dominanz zu sichern, den Terroristen in die Hände spielen und die Welt in einen neuen Kalten Krieg mit dem Islam führen, der in allen durch ihre Intervention destabilisierten Staaten die Macht an sich reißen könnte. Ausführlich, aber relativ faktenarm erläutert Danesch das militärische Scheitern der USA in den aktuellen und jüngeren Krisengebieten, den allmählichen Abfall ihrer Verbündeten in der muslimischen Welt an den Beispielen Pakistan und Saudi-Arabien sowie die Abhängigkeit der amerikanischen Volkswirtschaft vom Erdöl. Als nächstes wird der Status Quo im Iran und im Irak beschrieben, wobei Danesch sowohl die jeweils aktuelle Situation als auch die Geschehnisse die dazu führten, erläutert. Er beantwortet Fragen nach den maßgebenden Personen, der Verbindung der schiitischen Glaubensbrüder in beiden Ländern und ihren Berührungspunkten mit den Sunniten. Außerdem leistet Danesch hier Vorarbeit für den nächsten Themenkomplex: Afghanistan. Hier schöpft er wirklich aus dem Vollen, profitierend Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 24 von seinen unzähligen Reisen in die Region, und schreibt über die Konflikte der ethnischen Gruppen im Land, die politischen Machtkämpfe, die Drogenproblematik und die Möglichkeiten, dem westlichen Desaster in Afghanistan noch eine positive Wendung zu geben, um nur einige Gebiete aufzuzeigen. Schlussendlich fordert Danesch in seinem kurzen Epilog ein verstärktes Engagement der Europäer, um dem negativen Verhalten der USA entgegenzuwirken und den „Krieg gegen den Westen“ vielleicht doch noch zu mildern oder zu verhindern. Fazit: Wie schon Jacques Schuster vom DeutschlandRadio in seiner Buchbesprechung 1 anmerkte, krankt Daneschs neues Werk an zwei Dingen: Zum einen wird man den Eindruck nicht los, all das schon einmal gelesen zu haben, und zwar im Doppelten Sinne; über weite Strecken, vor allem im ersten Teil des Buches, der leider ungefähr bis zur Mitte des Werks reicht, werden nur Informationen wiedergegeben, die man seit 2002 ununterbrochen in Tageszeitungen und Wochenzeitschriften finden kann, während gleichzeitig die Schlüsse, die Danesch aus ihnen zieht, schon von mehreren Autoren vor ihm gezogen wurden. Beides trägt nicht gerade zur Fesselung des vorinformierten Lesers bei. Zum anderen versteigt sich Danesch bei der Formulierung seiner Thesen in immer luftigere Höhen, wobei er sich argumentativ kaum absichert. Die Analyse des Krisenherds Irak-Iran-Afghanistan ist äußerst interessant und wirkt mehr als solide, doch versteht er es nicht, schlüssig darzulegen, wie und warum sich die dortigen Akteure nun gerade so dem „Krieg gegen den Westen“ zuwenden sollen, wie er das behauptet. Dazu kommt die absolut undifferenzierte Kritik an den USA und die unbelegte Behauptung, dass diese eine neue Weltordnung zu etablieren versuchen. (Obwohl natürlich die Unzulänglichkeiten ihres Kampfes gegen den weltweiten Terrorismus nicht zu übersehen sind, was Danesch auch beweist.) Was bleibt, ist ein Buch über den politischen Islam seine Verquickung mit dem globalen Terrorismus für all jene, die sich noch nie näher für das Thema interessiert und auch Huntington und Konsorten bisher übergangen haben, populärwissenschaftlich bis leicht polemisch geschrieben. Unbenommener Glanzpunkt des Buches ist die Beschäftigung mit Afghanistan; diese 60 bis 80 Seiten rechtfertigen den Kauf für jene, die bereits über etwas Basiswissen auf dem Gebiet verfügen, meiner Meinung nach allerdings nicht. 4 9/11 UND AL-QAIDA 4.1 Von: FOUDA Y. / FIELDING N.: Masterminds of Terror - Die Drahtzieher des 11. September berichten Michael Pezzei 0408675 „Masterminds of Terror” wurde verfasst von den in London lebenden Journalisten Nick Fielding und Yosri Fouda. Fielding ist Chefreporter der renommierten Tageszeitung Sunday Times, und Fouda, selbst bekennender Anhänger des Islam, ist Chef- 1 Quelle: http://www.dradio.de/dlr/sendungen/politischesbuch/309802/ Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 25 korrespondent des jungen arabischen Senders al-Dschasira, auf dem monatlich seine höchst beliebte Sendung „Streng Geheim” ausgestrahlt wird. Große Teile des Buches sind in der Form eines Romans verfasst und somit leicht lesbar. Jedoch erscheint das Buch durch die häufig verwendeten arabischen Fachausdrücke nie als unprofessionell. Störend ist, dass die Kapitel in nicht chronologischer Reihenfolge geschrieben sind. Durch diese verwirrenden Zeitsprünge fällt es dem Leser zunehmend schwer, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kapiteln und Ereignissen zu erkennen. Auch die Flut an arabischen Namen, mit denen der Leser konfrontiert wird, kann zu Verwirrungen führen, vor allem da häufig für ein und dieselbe Person mehrere Namen (Spitzname, Kampfname, richtiger Name,...) verwendet werden. Hauptthema des Buches ist ein Interview, das Yosri Fouda im Jahre 2002 mit den Drahtziehern des Anschlags auf das WTC, Ramzi Binshibh und Khalid Sheikh Mohammed, geführt haben soll. Tatsächlich existieren von dem Interview nur Tonaufnahmen, auf denen die Stimmen der Terroristen nur verzerrt hörbar sind. Daher kann die Authentizität der Aufnahmen nicht zu 100 % bestätigt werden. In diesem Interview bekennen sich die beiden erstmals zu den Anschlägen und machen so die Welt auf sich aufmerksam. Sie bestätigen außerdem, ursprünglich nukleare Ziele ins Auge gefasst zu haben, diese Pläne aber dann wieder verworfen zu haben. Doch nicht nur das Interview ist Thema des Buchs, auch die Biographien der wichtigsten Persönlichkeiten des Terrornetzwerks werden jeweils angeschnitten. Vor allem aber bietet das Buch gute Einblicke in die organisatorische Struktur von AlQaida. Auch die Geschichte der wohl zurzeit am bekanntesten Terrororganisation wird ausführlich behandelt. Interessant ist auch der Vorgang der Rekrutierung junger Männer. Das Buch zeigt die Gründe auf, die junge, hochintelligente Akademiker dazu veranlasst, ihr leben für Allah zu lassen. Das Buch zeigt auch die erschreckende Nachlässigkeit auf, mit der die Geheim- und Informationsdienste der USA im Vorfeld des 11. September gehandelt haben. Man hatte massenhaft Indizien für Flugzeugentführungen auf amerikanischen Boden, doch entsprechend gehandelt wurde nicht. Alles in allem ist das Buch sehr lesens- und empfehlenswert, denn es macht den Leser, mit den Gründen für den Anschlag auf das WTC vertraut und gibt ihm einen guten Einblick in die wohl gefährlichste Terrororganisation unserer Zeit. 4.2 DOHNANYI, Johannes und Germana von: Schmutzige Geschäfte und heiliger Krieg – Al-Qaida in Europa Von: Gräfling Christoph Matr.Nr. 0308863 Studienkennzahl A300 Inhalt Das Buch beschäftigt sich, mit der Ausbreitung fundamental islamistischer Gruppierungen, wie der Al-Qaida in Europa. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 26 Im ersten Teil wird von den Autoren der fahrlässige Umgang westlicher (insbesondere europäischer) Staaten, mit der drohenden Gefahr, die von Gruppierungen wie der Al-Qaida ausgeht, angeprangert 2 . In diesem Zusammenhang werden Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, als zu liberal kritisiert. Zudem werden Vorwürfe an Demokratien an sich vorgebracht, da sie mit ihrer „Toleranz“ den geeignete Nährboden für Organisationen wie Al-Qaida bilden 3 . Im Weiteren wird ein Überblick, über Aktivitäten von Al-Qaida (bzw. ihr Nahstehender Organisationen) in Europa gemacht. Die Themen reichen dabei, von Mujaheddin die am Balkan kämpften, bis hin zu Beziehungen zwischen Terroristen und dem organisierten Verbrechen in Europa (z.B. der Cosa Nostra etc.). Ein weiterer Teil der Ausführungen beschäftigt sich, mit der drohenden Gefahr durch Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terroristen. Kritisiert wird hierbei, das bewusste „Wegsehen“ des Westens; z.B. das Ignorieren des pakistanischen Atomprogramms, oder die anfängliche Unterstützung Afghanistans, beim Krieg gegen die UdSSR. Die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen ist für die Autoren ständig präsent, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die westlichen Industrieländer einen regen Handel, mit Sondermüll jeglicher Art als auch mit Nuklearmüll, führten bzw. führen. Unter den „Handelspartnern“ befanden/befinden sich häufig auch Länder, die unter dem Einfluss radikal islamischer Gruppierungen stehen. Aus diesem Grund ist es, so die Autoren, ein leichtes für Terroristen zumindest sog. „schmutzige Bomben“ herzustellen. Im letzten Teil des Buches die Finanzierung von Al-Qaida und ihren Unterorganisationen besprochen. Dabei werden Aspekte des Drogenhandels, des Diamantenhandels und dubioser Bankgeschäfte geschildert. Neu war, in diesem Zusammenhang, die fragwürdigen „humanitären Hilfseinrichtungen“, welche „Spenden“ zur Finanzierung diverser militärischer Projekte und Terroranschlägen verwenden. Zudem werden in diesem Abschnitt Beziehungen zwischen Islamisten, Rechtsradikalen, Revisionisten und der Mafia aufgezeigt. Formeller Aufbau Das Buch gliedert sich in Fünf Kapitel, die jeweils einem bestimmten Thema gewidmet sind. Die Darstellung und Ausführung einzelner Themen ist dabei äußerst gut gelungen. Besonders beeindruckend ist der enorme Umfang der zusammengetragenen Fakten. Die Sprache und die Argumentationslogik sind ist relativ einfach gehalten und führen somit zu einem schnellen Verständnis und einen guten Überblick über die Thematik. Störend sind dabei immer wiederkehrende Wiederholungen und die oftmals recht mühsame Auflistung verschiedener Namen und Unternehmen. Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin, dass die verwendeten Quellen häufig schwer nachzuprüfen sind; Die Autoren stützen sich oftmals auf von ihnen geführten Interviews bzw. auf Unterlagen und Bildmaterial, welches sich in ihrem Privatbesitz befindet. Positiv anzumerken ist, die anschauliche Erzählweise, die einem manchmal glauben lässt, man lese einen Kriminalroman. Persönlicher Kommentar Das vorliegende Buch ist aufgrund der enormen Informationsdichte und der guten Recherchearbeiten der Autoren äußerst interessant. Getrübt wird dies jedoch, dadurch, dass die verw. Quellen häufig nicht nachvollziehbar sind, wodurch das 2 3 „die Islamische Gefahr [wird] noch immer nicht wirklich ernst genommen“ (S44) „Die Toleranz der Intoleranz muss ein Ende haben“(S269); so schließen die Autoren ihre Ausführungen Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 27 Ganze an Glaubwürdigkeit verliert. Außerdem scheinen mir die Ansichten der Autoren z.T. übertrieben und in Bezug auf die Vorstellungen zum Wesen einer Demokratie äußerst fehl am Platz. Auch die Tatsache, dass immer wieder vom eigentlichen Thema – nämlich Al-Qaida in Europa – abgewichen wird fällt negativ auf. Am meisten gestört hat mich jedoch die Tatsache, dass Terroristen als kopflose Gewalttäter dargestellt werden – was nicht heißt, dass sie es nicht sind – aber die wahren Beweggründe für die Vorgehensweißen werden nicht wirklich angesprochen. Es wird zwar immer wieder von einer Ideologie des Osama bin Laden gesprochen und von seinem Krieg gegen die „Juden und Kreuzfahrer“, die Absichten bzw. die Ziele eines Osama bin Laden – was für mich in diesem Zusammenhang interessant gewesen wäre – bleiben dabei jedoch außen vor. Trotzdem, wer einen Überblick über die verschiedensten Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Politik, organisiertem Verbrechen und Al-Qaida bekommen möchte, hat hier die Chance dazu. Die Autoren 4 Johannes von Dohnanyi, geb. 1952 in New Haven/USA, Studium der Wirtschaftswissenschaften. Seit 1985 als Mittelmeer-, Asien- und BalkanKorrespondent der „Weltwoche“ tätig, seit 2001 auch Italien- und Eu-Korrespondent dieser Zeitung. Germania von Dohnanyi, geb. 1948 in Mailand, Sprachenstudium. Sie war als Asienkorrespondentin für „Il Giornale/Lìndependente“ und als freie BalkanKorrespondentin tätig. Derzeit freie Journalistin für Entwicklungs- und Umweltthemen (Greenpeace Magazin). Das INHALTSVERZEICHNIS I Die Anfänge des europäischen Djihad Osama bin Laden: Ein Leben für den Terrorismus Im Schatten der Gleichgültigkeit: Der islamistische Fundamentalismus breitet sich aus Bosnien: Der erste Djihad in Europa Von Bosnien nach Albanien Kosovo: Gangster und Gotteskrieger II Die neuen Waffen der Terroristen Chemische Waffen: Eine Geschichte Islamische Atome: Pakistan und die Bombe Sarin in Tokio: Illusion eines Einzelfalls Die neue Gefahr: Schmutzige Bomben III Giftmüll und Nuklearmüll – wohin damit? Eine Hand Wäscht die andere: Aufstieg der Atom-Mafia Lästiger Müll: Irgendwo muss das zeug doch hin! Müllkippen der Welt: Der Fall Somalia IV Die Finanzierung des Djihad Gelder für den Gotteskrieg V Eine fatale Mischung Von Islamisten, Rechtsextremen und Mafiosi 4 Informationen zu den Autoren beziehen sich den Klappentext des Buches Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 28 5 EUROPA UND DER ISLAM, ISLAMISMUS IN EUROPA 5.1 HEINE, Susanne: Islam zwischen Selbstbild und Klischee Von: Stephanie Promberger Eine Religion im österreichischen Schulbuch herausgegeben von Susanne Heine, erschienen1995 im Böhlau Verlag Köln Weimar Wien Der 1995 erschienene Sammelband ist das Ergebnis einer österreichischen Schulbuchanalyse unter der Projektleitung von Frau Prof. Dr. Susanne Heine, Gründerin und Leiterin des Instituts für Religionspädagogik an der evangelischtheologischen Fakultät Wien und seit 1990 Professorin für Praktische Theologie und Religionspsychologie an der Universität Zürich. Die Untersuchung folgt dem Beispiel einer bereits 1982 von der Islamischen Wissenschaftlichen Akademie in Köln veranlassten deutschen Schulbuchanalyse. Im Vorwort geht Susanne Heine auf den Anlass der Untersuchung, den Aufbau des Buches und eventuelle Zielgruppen dieses Bandes ein. Darunter findet sich auch folgender Absatz, der auch das Ziel dieses Projekts verdeutlicht: „Der Islam gehört heute zu Europa; aber wie viel wissen wir wirklich von dieser Religion und den verschiedenen Kulturräumen, die Muslime aus der Türkei, dem Iran oder den arabischen Länden zu uns bringen? Muslimische Terroristen machen Schlagzeilen; setzen sie die osmanische Eroberung fort, um Europa mit anderen Mitteln in ihre Gewalt zu bringen? Aber lassen sich solche Aktionen mit dem Islam identifizieren?“ (Susanne Heine, 1995, S IX) Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Darstellung des Islam in Österreichischen Schulbüchern und den oftmals daraus resultierenden Missverständnissen, falschen Eindrücken und Vorurteilen. Das Buch richtet sich zunächst an Menschen die im Bildungsbereich tätig sind, darüber hinaus an Journalisten und an „...Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften und solche, die sich anknüpfend an das, was sie einmal gelernt haben, einkorrektes Bild machen wollen“ (Susanne Heine, 1995, S. XI) Zu den Autoren: Der Band wurde in Zusammenarbeit mit Vertretern verschiedener wissenschaftlichen Disziplinen und verschiedener Glaubensrichtungen verfasst. Als Vertreter des Islams wirkten Ahmad Abdelrahimsai, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und afghanischer Herkunft sowie Smail Balić, Orientalist und Muslim bosnischer Herkunft. Walter Denscher ist Pädagoge und Leiter der Schulbuchabteilung im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Walter Dostal und Thomas Fillitz sind Ethnologen und gehen im Zuge dieser Untersuchung auf den Islam in dessen kulturellen und wirtschaftlichen Kontext ein. Inhalt und Einteilung des Buches: • Einführung, Susanne Heine Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 • • • • • Version 09.09.2005 Seite 29 Zur Geschichte der Muslime In Österreich -Smail Balić, Ahmad Abdelrahimsai Schulreform in Österreich -Walter Denscher Kriterien der Untersuchung -Susanne Heine Schulbuchanalyse -Susanne Heine, Walter Dostal, Thomas Fillitz Das Große Missverständnis -Walter Dostal In der Einführung wird zunächst auf Anlass und Ziele der Untersuchung eingegangen. Das Kapitel „Zur Geschichte der Muslime in Österreich“ gibt Aufschluss über den spezifischen historischen Hintergrund der Schulbuchtexte in Österreich. Es wird sowohl auf die Muslime im altösterreichischen Raum, als auch auf die „offizielle Anerkennung des Islams als Körperschaft öffentlichen Rechts im heutigen Österreichs“(Susanne Heine, 1995, S.XI) eingegangen. Dieses Kapitel versorgt den Leser mit einer guten Wissensbasis, welche es auch einem Laien auf diesem Gebiet erlaubt, die folgende Untersuchung nachzuvollziehen. Im Kaptel „Kriterien der Untersuchung“ erläutert Susanne Heine die Methoden der Analyse: Welche deklarierte oder unterschwellige Perspektive bestimmt die Darstellung (z.B. eine christliche oder eine religionskritische)? Welcher Methoden (z.B. Zitieren von Quellentexten, Vergleiche) und welcher Sprachform (z.B. informations- oder urteilsorientiert) bedienen sich die Schulbuchautoren? Welche Inhalte (z.B. die „Fünf Säulen“ oder der Dschihad) dominieren? „Das aus den Schulbuchtexten gewonnene „Material“ wird exemplarisch präsentiert und daraufhin geprüft, wieweit es dem Ziel der Orientierung am Selbstverständnis des Islams entspricht bzw. wodurch es dieses Ziel verfehlt.“(Susanne Heine, 1995, S.59) Im Kapitel „Schulbuchanalyse“ wird auf den Inhalt verschiedener österreichischer Schulbücher eingegangen (Evangelische Religion, Römisch-katholische Religion, Deutsch/Lesebücher, Musikerziehung, Psychologie und Philosophie, Sachunterricht, Geschichte). Persönlicher Eindruck: Das Buch vermittelt sehr umfassende Information und ist aus einer neutralen Perspektive verfasst. Auch zu empfehlen, wenn man sich noch nicht intensiv mit dem Thema befasst hat, da sehr gut erklärt (Historische Rückblicke, etc.). Das Werk ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert, da es auf die Gründe für die Entstehung von Vorurteilen bereits in der „Erziehung“ aufmerksam macht und Möglichkeiten der Vermeidung ebendieser aufzeigt. 5.2 CEYHUN, Ozan: Politik im Namen Allahs Von: Romy Grashuber Das Buch will über Islamische Institutionen in Deutschland informieren und geht dabei besonders auf die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs ein, welche ich in der Inhaltsangabe noch genauer beschreiben werde. Die Organisationsstrukturen werden deutlich und es werden viele Informationen geliefert, die in der Öffentlichkeit verschleiert werden. Mir gefällt der aufdeckende Charakter des buches, wenn ich anfangs auch ein wenig skeptisch war weil Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 30 Im ersten Kapitel, das sich: „Der Islam eine Herausforderung für Europa“ nennt, wird ein Einblick in die Geschichte des Islam und seine Strömungen gewährt. Außerdem wird auf die Situation der in Deutschland lebenden Muslime eingegangen bzw. ansatzweise erklärt warum wir den Islam als Bedrohung wahrnehmen. Im zweiten Kapitel begegnet uns ein Ausdruck, den wir in diesem Buch noch oft lesen werden. „Milli Görüs“, Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs: IGMG, ist die größte und wichtigste Interessensvertretung der in Europa lebenden Türken. Milli Görüs bedeutet „Religiöse Nationale Weltsicht“ und hat offiziell ca. 35000 Mitglieder, nachdem sich aber nur der Haushaltsvorstand registrieren muss beträgt die Dunkelziffer sicher 200000. Milli Görüs organisiert Moscheevereine, Jugend-, Studenten- und Frauengruppen etc… Der Vereinsname geht auf Necmettin Erbakan zurück, der ein gleichnamiges Buch veröffentlichte und sich seit jeher gegen die Trennung von Staat und Religion auflehnt. Ziel ist ein Gottesstaat in dem die Scharia geltendes Recht ist. Milli Görüs Funktionäre sind keine fundamentalistischen Finsterlinge, sondern es wird viel Wert auf gute Bildung ihrer Elite gelegt. Speziell auf die Bildung weiblicher Führungskräfte, die im feministischen Diskurs nicht unterlegen sein dürfen. Laut Verfassungsschutz ist die IGMG verfassungsfeindlich und nicht kritikfähig, denn jeder der sie kritisiert ist „GEGEN den ISLAM“. Politisch gesehen wird mit dieser rechten Organisation ein reger Dialog geführt, ihre Vertreter sind gern gesehene Gäste bei interkulturellen Veranstaltungen. Sie haben Einfluss auf Jugendliche und das „Getto“, deshalb sind sie in einer Machtposition. Die tief verwurzelten politischen Ideologien (z.B.: Antisemitismus) werden dabei außer Acht gelassen, daher ist Milli Görüs auf dem Weg durch die Institutionen und gewinnt an Bedeutung. Doch was hat Milli Görüs zu verbergen? Mittlerweile ist sie als Religionsgemeinschaft anerkannt und darf an deutschen Schulen Religion unterrichten. Offiziell ist das natürlich nicht so, denn der Unterricht wird vom Islam Kolleg abgehalten und nur die „Islamische Föderation“ wurde als Religionsgemeinschaft anerkannt. Dass die beiden jedoch Unterorganisationen sind, lässt sich allein schon am innerfamiliären und interorganisatorischen Postenschacher der Funktionäre erkennen. In ihrem aufdeckenden Stil, werden die Organisationsstrukturen der Unterorganisationen mit den genauen Verwandtschaftsverhältnissen der führenden Persönlichkeiten von den Autoren genau beschrieben. Besonders hervorgehoben wird dabei die Rolle von Necmettin Erbakan, der auf politischer Ebene in der Türkei Karriere machte, dabei aber immer wieder mit der Verfassung in Konflikt geriet, weil er den Laizismus ablehnte. Deshalb wurde er auch 1997 als Ministerpräsident mit seiner Wohlfahrtspartei Refah vom Militär gestürzt, die Partei wurde verboten und er wegen Separatismus zu einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt. Die Zusammenarbeit zwischen Milli Görüs und Erbakan hat aber immer schon sehr gut funktioniert. Die IGMG finanziert sich durch das „Grüne Kapital“ – grün ist die Farbe des Islam. Dabei wird auf Privatisierung gesetzt, nachdem im Islam aber strikte Zinsverbot herrscht hat man ein Konzept der Anteilscheine entwickelt, Dabei investieren gläubige Muslime in türkische Unternehmen Kapital und sind am Gewinn bzw. Verlust der Holding beteiligt. Die gläubigen Muslime haben keinerlei Rechtsanspruch, Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 31 sie handeln aus reinem Vertrauen und sind teilweise auch in Deutschland beheimatet. Die Rechnung geht auf, die Unternehmen profitieren. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Kalifat von Köln, einer radikal islamistischen Organisation in Deutschland, deren Mitglieder sich durch exotische Kleidung und extremistischen Ideologien auszeichnen. In den 80er Jahren kam es zum Bruch zwischen Milli Görüs und dem Kalifat, weil sich die Reformer für einen Weg durch die Institutionen entschieden um einen Gottesstaat in der Türkei zu errichten, während die Hardliner eine blutige islamische Revolution anstrebten.(Vorbild Iran) Danach wird die türkische Fethullah Bewegung beschrieben, die anfangs sehr moderate Einstellungen zu vertreten schien, sich später jedoch auch als eher radikal und sektenähnlich herausstellte. Eine in Deutschland wichtige Rolle spielt der Verein Islamischer Kulturzentren, die sich wie Milli Görüs wirtschaftlich, politisch und kulturell immer mehr auf Deutschland konzentrieren. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt wie bei den meisten islamischen Institutionen auf der Bildung ihrer Kinder. Auch die mystischen Quellen, des Islam werden in kapitel 6 angeschnitten, wobei mich persönlich die vom türkischen Staat kontrollierte islamische Organisation „DITIB“ mehr interessiert hat, die auch für die Gründung von Islamischen Zentren verantwortlich ist. 6 ISLAM, ISLAMISMUS UND GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE 6.1 MERNISSI, Fatema: Der politische Harem. Mohammed und die Frauen Von: Alicia Allgäuer 0308380 A 300 MERNISSI, Fatema: Der politische Harem. Mohammed und die Frauen. Herder Freiburg im Breisgau, 3. Auflage 1998. ISBN 3-451-04104-9 (Taschenbuch, 300 Seiten) Zu Autorin und Buch: Fatema Mernissi wurde 1940 in Fes/ Marokko geboren. Sie ist Soziologin, studierte in den USA und Paris und lehrt an der Universität in Rabat. Sie beschäftigt sich schon jahrzehntelang mit dem Geschlechterverhältnis im Islam und hat zahlreiche Bücher dazu publiziert. Mernissi versucht in ihrem Buch, die Entstehungsgeschichte frauenfeindlicher Passagen im Koran bzw. eben solcher Hadithe 5 nachzuzeichnen und neu zu interpretieren. Ausgangspunkt ist ein Hadith („Niemals wird das Volk zu Wohlstand gelangen, das seine Geschäfte einer Frau anvertraut.“), der bis heute als Argument für die Ausklammerung der Frauen aus Politik und Entscheidungspositionen verwendet wird. Dabei stellt Mernissi den geschichtlichen Kontext zu Mohammeds Zeit in den Vordergrund. Sie stellt verschiedene Auffassungen und Interpretationen 5 Hadithsammlungen: Dokumente, in denen genaue Beschreibungen der Worte und Taten des Propheten festgehalten sind, die als Verhaltensmaßstab gelten. Sie wurden erst nach seinem Tod aufgeschrieben. Es existieren auch viele gefälschte Hadithe, weshalb die genaue Prüfung derselben unabkömmlich ist. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 32 zu ein und demselben Thema dar und zeigt somit auch Widersprüche und mögliche Fälschungen auf. Eine ihrer zentralen Thesen ist, dass die aktuelle Unterdrückung der Frau im Islam nicht auf Mohammed zurückzuführen ist, sondern auf falsche Interpretationen des Koran, und dass dies eine Rückentwicklung zur vorislamischen Zeit darstellt. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil mit dem Titel „Das Heilige Buch als politische Waffe“ widmet sich der Untersuchung der Entstehung und Überlieferung von Hadithen an und für sich und im Weiteren einigen im Speziellen, die frauenfeindliche Elemente enthalten. Mernissi untersucht, in welchem Kontext diese Hadithe entstanden und von wem sie überliefert wurden, um aufzuzeigen, dass es nicht nur eine Lesart gibt. Der zweite Teil heißt „Medina im Aufruhr – Die drei schicksalhaften Jahre“ und beschäftigt sich mit dem Leben Mohammeds und der Leute seines Umfelds in den „drei schicksalhaften Jahren“, (627-630) im Speziellen im Hinblick auf deren Umgang mit und Einstellung zu den Frauen und auf einige Suren des Koran, die sich auf das Geschlechterverhältnis beziehen. Ebenso werden die Frauen des Propheten beschrieben, die einen eigenen Willen zeigten und oft selbst Mohammed widersprachen, und andere aufbegehrende Frauen, die oftmals in der Geschichtsschreibung verschwiegen wurden. Dabei werden Regeln wie das Tragen des Schleiers (Hijab), Erbschaft, Sexualität und Gewalt gegen Frauen auf deren Ursprünge und Gehalt untersucht. Im Anhang können außerdem wichtige Ereignisse und die verwendeten Quellen zum Koran, den Hadithen und der Biographie Mohammeds nachgelesen werden. Ein sehr häufig zitiertes Werk ist der Tafsir, ein 9-bändiger Kommentar zum Koran von Tabari (gest. 922), ebenso wie die Hadithsammlung von Bukhari (9.Jh.). Bewertung: Das Buch ist recht einfach geschrieben und somit leicht verständlich – auch für Personen, die wenig Vorkenntnisse über den Islam haben. Mernissi geht von einer historischen Perspektive aus und rollt von Grund auf Geschehnisse aus Mohammeds Leben und seiner Umgebung auf, bevor sie zur Auslegung betreffender Stellen des Koran kommt. Somit wird der Kontext der Entstehung mancher Suren und Hadithe auch für Islam-Laien klar gemacht. Allerdings sind manche Stellen sehr ausführlich beschrieben, wobei auch viele Namen genannt werden, die mit der Zeit schwierig sind einzuordnen. Es werden immer auch die originalen arabischen Begriffe in diesem Zusammenhang verwendet, deren Bedeutung sehr gut erklärt wird. Mernissi geht zum Teil von einer recht weltlichen Perspektive aus, indem sie die Offenbarungen Gottes an Mohammed in einen unmittelbar weltlichen Kontext stellt und beispielsweise auch Mohammeds Befindlichkeit berücksichtigt. Die Offenbarungen kommen nicht „aus heiterem Himmel“, sondern sind meist Antworten auf direkte Fragen oder Geschehnisse. Sie schreibt als Muslimin, also aus einer „inneren“ Perspektive, und stellt nichts am Islam grundsätzlich in Frage, sondern an den Interpretationen dessen. Sie ist Mohammed gegenüber sehr unkritisch und beschreibt nur positive Eigenschaften. Im Gegensatz dazu werden v.a. bestimmte Personen um Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 33 Mohammed, die vorislamische Gesellschaft und die Frauenfeindlichkeit und Gleichheitsgegnerschaft kritisiert. Juden für deren Das Buch bietet eine ganz neue Sichtweise auf einige frauenfeindliche Passagen und Praktiken, ebenso wie auf die Persönlichkeit Mohammeds, der selbst für die Gleichberechtigung aller Muslime und Musliminnen gewesen sein soll. Die Autorin macht den Blick frei für Kritik an verschiedenen Überlieferungen, die frauenfeindliche Praktiken rechtfertigen, aber ihrer Meinung nach nicht mit Mohammeds Intentionen übereinstimmen, der sich für einen demokratischen Islam einsetzte. Sie zeigt eindrücklich, dass es immer schon verschiedene Interpretationen des Koran und der Hadithsammlungen gab und dass das, was heutzutage als allgemeingültig betrachtet wird, keinesfalls die einzige Wahrheit darstellt, sondern im Gegenteil auch auf handfesten Interessen basierte und danach ausgelegt wurde und wird. Somit hat Fatema Mernissi auch ein Zeugnis geschaffen dafür, dass mit der männlichen Geschichtsschreibung und Religionsinterpretation kritisch umgegangen werden soll. 6.2 GERHARD, Ute /JANSEN, Mechthild M. / RUMPF, Mechthild (Hg): Facetten islamischer Welten Geschlechterordnungen Frauen- und Menschenrechte in der Diskussion Von: Judith Goetz 0160228 Der aus 16 Beiträgen bestehende Sammelband „Facetten islamischer Welten“ präsentiert die Ergebnisse einer Internationalen Konferenz zum selbigen Thema, die im Oktober 2002 in Frankfurt/ Main abgehaltenen wurde. Neben den Veranstalterinnen der Konferenz, Ute Gerhard, Mechthild M. Jansen und Mechthild Rumpf, die auch gleichzeitig als Herausgeberinnen des Bandes die vorliegende Publikation 2003 ermöglichten, wurde der überwiegende Teil der Beiträge von deutschsprachigen Frauen verfasst, die sich in irgendeiner Form mit Arabistik, Religions- Politik-, Islamwissenschaft befassen. Im Mittelpunkt des in drei Teile untergliederten Bandes stehen die unterschiedlichen Betrachtungen der AutorInnen im Bezug auf Geschlechterverhältnisse und den als modernitätsfeindlichen geltenden Islam. Während der erste Teil versucht, an Hand von drei Beiträgen, das Konfliktfeld zu skizzieren, welches sich durch eine profunde Auseinandersetzung mit diesem Thema ergibt, und politisch, kulturelle und religiöse Zugangweisen differenziert werden, verdeutlicht der zweite Teil diese geschlechterhierarchischen Ordnungen an Hand der Diskussion um Menschenrechte. Der letzte Abschnitt setzt sich mit der Situation von (jungen) Musliminnen heute sowie einigen Fallbeispielen und Studien auseinander. Grundlegend für die Herangehensweise einer Vielzahl der AutorInnen ist die Annahme, dass es keinen einheitlichen Islam gebe, sondern dieser als eine Vielfalt von unterschiedlichen religiösen Strömungen, Lebensformen und Vorstellungen von Geschlechterordnungen und Koranauslegungen zu betrachten wäre. Eine Betonung des Islams als „eine Religion wie allen anderen“ versucht, politischen Auslegungen wie sie von fundamentalistischen Gruppierungen betrieben wird, und kulturellen Praxen wie der Unterdrückung von Frauen, die das westliche Bild des Islams Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 34 dominieren, entgegenzuwirken. Dazu kommt die Betonung der Unterscheidung im Bezug auf das islamische Rechtsdenken zwischen sharia, der Gesamtheit von Gottes Gesetzen und figh- Wissenschaft, einem Teil der Religionswissenschaft der versucht, aus dem Koran und der Sunna sharia- Rechtsätze abzuleiten. Während die Erstgenannte als ewig heilig angenommen wird, wohnt der zweiten das Potential inne, im Laufe der Zeit durchaus veränderbar zu sein. Der reform- islamische Ansatz geht davon aus, dass die fiqh- Regeln, nicht göttlicher Wille, sondern von Männern vollzogene Interpretationen sind und ermöglicht die vom Koran suggerierten Geschlechterordnungen neu zu betrachten und zu diskutieren, Perspektiven und Reformstrategien für Frauen zu forcieren. Diese Herangehensweise an den Diskurs rund um Geschlechterverhältnisse und Islam wird auch in Zusammenhang mit Menschen- und insbesondere Frauenrechte gesetzt. Eine grundlegende Kritik an Menschenrechten bleibt nicht ausgespart und auch die unterschiedlichen Vereinnahmungen der Menschenrechte von okzidentalischer Seite einerseits und muslimischer Seite andererseits finden Erwähnung. Natürlich fehlen in diesem Zusammenhang auch der Diskurs über die Unvereinbarkeit von islamischen Rechten und Menschenrechten sowie über das Kopftuch nicht. Das Kopftuch steht auch im Mittelpunkt der im dritten Teil des Bandes angeführten Beiträge, die sich mit der Situation von Musliminnen heute befassen. Das Kopftuch fungiert im Bezug auf Identitätskonzepte einerseits als Symbol für den Islam, andererseits aber als Ausdruck der Geschlechterasymmetrien und so wird an Hand der Muslimas der Konflikt, wie Islam und religiös sowie politisch motivierten Symbolen beispielsweise im öffentlichen Dienst umgegangen werden sollte, ausgetragen. In der neuen muslimischen Frau wird ein neuer Zugang zur Kopftuchdebatte erkannt, da sich, einiger Autorinnen zufolge, Frauen positiv auf ihre religiöse Identität berufen, die durch das Kopftuch im Alltag sichtbar wird und für den modernen Islam steht. Der Intention der Herausgeberinnen, zu der nach dem 11. September 2001 hervorgetretenen Diskussion rund um den Islam einen Beitrag zu leisten, ist den Autorinnen zweifellos gelungen. Eine feministische Kritik an islamischen Geschlechterpositionen bleibt jedoch großteils ausgespart und wird durch einen Relativierungsversuch des Korans als eine religiöse Schrift wie alle anderen auch ersetzt. Vergessen wird dabei, dass auch alle anderen Schriften Frauen diskriminieren. Es wird also vielmehr versucht, eine Auslegung der Schrift zu formulieren, die der Benachteiligung von Frauen entgegenwirkt. 6.3 MOGHADAM, Valentine M.: Gender & Social Change in the Middle East Von: Kager Ruth 0406905 „Gender & Social Change in the Middle East“ von Valentine M. Moghadam ist im Jahre 1993 in den USA und in London im Verlag „Lynne Rienner Publishers“ erstmals erschienen. Das Buch umfasst 309 Seiten und ist nur in englischer Ausgabe erhältlich. Im Juni 2003 wurde eine zweite, überarbeitete Auflage herausgegeben. ISBN: 1-55587-354-5 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 35 Die Autorin: Geboren in Teheran, Iran, studierte Valentine Moghadam Soziologie in Kanada und in den USA. Moghadam arbeitete für das „United Nation University’s World Institute for Development Economics Research“ (WIDER) in Helsinki, war Delegierte auf zwei UN- Konferenzen und lehrt heute Soziologie an der Illinois State University. Ihr Forschungsgebiet umfasst die Bereiche Globalisation, transnationale feministische Netzwerke, Zivilgesellschaft und citizenship im Nahen Osten. Sie publizierte mehrere Werke zu diesen Themen. Intention und inhaltlicher Überblick: Wie bereits im Titel angedeutet, stehen soziale und gesellschaftliche Veränderungen im Nahen Osten, Nordafrika und Afghanistan und deren Bedeutung für den Status der Frau im Mittelpunkt. Unterschiedliche Antworten der Frauen und ihre Beteiligung am Prozess werden beleuchtet. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Frau aus der Mittelschicht. Sie kristallisiert sich im Zuge Moghadams Argumentation gar als Hauptakteurin in dieser Entwicklung heraus. Weltliche feministische Bewegungen als wichtiger Indikator für soziale Veränderung einerseits, und Frauenaktivismus im Rahmen der Islamisierung andererseits werden aufgezeigt. Dass Frauen vielerorts in der Region immer noch stark benachteiligt sind, könne laut Moghadam nicht nur dem Islam zugeschrieben werden. Hier spielen andere Faktoren wie das Ausmaβ an Verstädterung, Industrialisierung, wirtschaftliche Entwicklung, Politik und Regulierung durch den Staat, die Zugehörigkeit zu einer Klasse und der regionale und globale Kontext genauso eine Rolle. So erkläre sich auch die durchaus unterschiedliche Position der Frauen in der Region. Es geht der Autorin also auch um eine Entmystifizierung des Islam. Nach Moghadam seien Analysen von ökonomischen, politischen, kulturellen Entwicklungen in einer Gesellschaft unvollständig ohne Genderdynamiken zu berücksichtigen. Ihr Blick ist hierbei ein marxistischfeministischer. Aufbau des Buches 1. Kapitel: Einleitung und Überblick 2. Kapitel: Wirtschaftliche Veränderungen und deren Bedeutung für die Frau; Wie, wann und wo ist die Frau im Arbeitsmarkt vertreten? 3. Kapitel: Effekt radikaler Reformen und Revolutionen; Solche Bewegungen sind wichtig für das Vorankommen der Frau. Im Gegensatz dazu: Mit der Islamisierung werden Frauen stärker als zuvor in einen traditionellen Kontext eingebunden. Doch auch hier gibt es Gelegenheit zur Emanzipation. 4. Kapitel: Familie, Patriarchat und Neopatriarchaler Staat; In Zeiten rapider sozialer Veränderung ist es leicht Mythen von Familie zu konstruieren. Das Patriarchat muss in sozialen Dimensionen verstanden werden, nicht in Symbiose mit der Religion. 5. Kapitel: Islamische Bewegungen und Antworten der Frauen darauf; Islamisierung wird als Produkt der widersprüchlichen Coexistenz von Modernisierung und Tradition gesehen. Bei dieser „islamischen Reformation“ sind auffallend viele Frauen Führungsfiguren. Sind es Patriarchale Frauen oder islamische Feministinnen? 6. und 7. Kapitel: Gesonderte Betrachtung der Länder Iran und Afghanistan; 8. Kapitel: Die Autorin zieht eine abschlieβende Bilanz; Persönliches Fazit: Valentine Moghadams Darstellung ist sehr detailliert und wird mit zahlreichen statistischen Daten unterstützt. Für mein Verständnis der Materie waren die Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 36 regionalen Vergleiche jedoch anschaulicher als all die Zahlen. Letztere sind aufgrund der groβen vergangenen Zeitspanne mehr als hinfällig. Leider habe ich erst bei Abschluss der Lektüre von der überarbeiteten Ausgabe erfahren. Dieses Buch hat einen eher einführenden, stark erklärenden Charakter, sodass mir als „Neuling“ in der Thematik sehr geholfen war. Trotzdem fielen mir zahlreiche Wiederholungen desselben Sachverhalts auf, die einen bereits bewanderten Leser wohl langweilen würden. Was mir besonders gefallen hat, ist die kompetente Erklärung der Sachverhalte in Hinblick auf Gender und der allgemein objektive Standpunkt der Autorin. 7 ISLAM UND HOMOSEXUALITÄT 7.1 LSVD Berlin-Brandenburg e.V. (Hg.): Muslime unter dem Regenbogen — Homosexualität, Migration und Islam Querverlag 2004-11-07 Von: Mona El Khalaf 0307639 Zu Beginn eine Erläuterung zur Entstehungsgeschichte des Buches: „Islam und Homosexualität” hieß eine Vortragsreihe, die im Berliner Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES), von Oktober 'o2 bis Ende 'o3 stattfand. Unter den Referenten waren Islam- und Sozialwissenschafter, Politiker, Psychologen, Sozialarbeiter und unmittelbar Betroffene dieses Problemfeldes. Das Buch kann als umfassende Bestandaufnahme gesehen werden, die die Auffassung von Homosexualität und Homosexuellen im Koran, in Prophetensprüchen und Überlieferungen erklären will. MILES will mittels Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit Hass, Diskriminierung und Gewalt entgegenwirken. Insgesamt wurden 15 Beiträge dokumentiert, die sehr genau auf die Problematik von Migration und Homosexualität eingehen, wobei das Augenmerk auf Deutschland und die Niederlande fällt. Ausgangspunkt sind hauptsächlich arabischund türkischstämmige Migranten. Folgende Fragen werden aufgeworfen: *Wie steht der Koran zur Homosexualität? *Mit welcher Einstellung begegnen muslimische Immigranten Homosexuellen in öffentlichen und in privaten Bereichen? *Vor welche Schwierigkeiten werden muslimische Homosexuelle gestellt? *Welche Lösungsvorschläge gibt es bisher? *Wie wird ablehnendes Verhalten fundiert? *Wie kann Integration und gegenseitiges Verständnis gefördert und somit gegen Parallelgesellschaften gearbeitet werden? ... und noch viele mehr... Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 37 In den Beiträgen, die meist sehr emotionsgeladen und reißerisch verfasst wurden, wird beispielsweise immer wieder auf die im Koran geschriebene Geschichte Lots und dessen Volk zurückgegriffen. Sie kann als Beleg Homosexualität sei Sünde und zieht den Zorn Gottes auf sich gedeutet werden, obwohl nicht explizit von Sex gesprochen wird. Auch wurden verschiedene Vorfälle im Bezug auf Homosexualität die Bestrafungen nach sich zogen näher beschrieben. Unter anderem liest man über Steinigung und Peitschenhiebe, die je nach Situationskonstellation vollstreckt wurden. Obwohl diejenigen von den muslimischen Migranten, die eine ablehnende Haltung gegenüber Homosexualität einnehmen, sich häufig auf den Koran berufen, meinen Gundermann und Kolb, dass nicht Religion schuld ist an Repressionen, sondern deren Missbrauch durch Autoritäten. Ein schwerwiegende rolle spielen auch die verschiedenst interpretierten Übersetzungen des Koran, da diese die ursprüngliche Aussage meist verzerren. In zwei kurzen Berichten wird über Islam und Homosexualität in den Niederlande geschrieben. Hier wurde der Konflikt der Homo- und Xenophobie, vor allem zwischen muslimischen Jugendlichen und Homosexuellen, ausführlich diskutiert. Diese Thema wurde mit dem 3. November umso brisanter, als der Filmemacher Theo van Gogh von einem Niederländer marokkanischer Herkunft erschossen wurde. Auslöser soll sein neuester Film „Frauenmisshandlungen in islamischen Familien” gewesen sein. Dies weist auf die schon länger anhaltende Krise in den Niederlanden hin. Viele Beispiele für Repression und Ausschreitungen gegen Homosexuelle in Deutschland werden angeführt. Kurzinterviews berichten von muslimischen Homosexuellen und deren Schwierigkeiten sich anzunehmen wie sie sind, ihre sexuellen Neigungen auszuleben und sich zu 'outen'. Der Ausweg kann beispielsweise eine Doppelidentität, zum einen Eheschließung, zum anderen eine geheime Beziehung zu führen, sein. Insgesamt werden auch die diversen Verbände und Organisationen, die z.B. Beratungsdienste einführten und Raum für speziell zu diesem Thema passende Diskurse schafften, ausführlichst beschrieben. 8 ISLAMISMUS UND ANTISEMITISMUS 8.1 PFAHL-TRAUGHBER, Armin: Antisemitismus in der islamischen Welt. Externe und interne Ursachen in historischer Perspektive. in: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2004 Von: Florian Sowa Dr. Armin Pfahl-Traughber, geb. 1963, ist Politik- und Sozialwissenschaftler in Köln. Er hat zahlreiche Bücher und Beiträge in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, die sich vielfach in engerem oder weiterem Sinne mit Extremismus, insbesondere Rechts-extremismus, Rassismus und Geschichte befassen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 38 In seinem Artikel „Antisemitismus in der islamischen Welt. Externe und interne Ursachen in historischer Perspektive“, erschienen in: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2004, setzt er sich mit der Herkunft des Antisemitismus im arabischen Raum auseinander. Dabei stützt er sich auf zahlreiche Quellen und bedient sich einer sachlichen Sprache. Seine Analysen und Schlüsse sind logisch und nachvollziehbar, der Aufbau des Artikels chronologisch und dabei mit thematischen Schwerpunkten. Seine Ausführungen sind verständlich und gut recherchiert. Inhaltlich spannt er einen Faden von den ersten abwertenden Nennungen der jüdischen Bevölkerung im Koran (also im 7. Jahrhundert) bis zu Formen antisemitischer Betätigung im ausgehenden 20. Jahrhundert. Er vergleicht die Diffamierungen der Juden im Koran mit jenen in der christlichen Welt, ortet Übereinstimmungen aber auch Differenzen. Die negative Sicht der jüdischen Bevölkerung sieht er in ihrer weit gehenden Unbeirrbarkeit in ihrem Glauben trotz der Missionierungsversuche durch Mohammed. Dieser betrachte sie nicht ohne Bitterkeit als minderwertig und unbelehrbar. Weiters geht er auf Massaker an Juden im maurischen Spanien des 11. Jahrhunderts ein, die er allerdings nicht religiös begründet sieht, sondern einerseits durch Neid auf den sozialen Aufstieg einer kleinen Zahl an Juden und andererseits durch die wechselseitige Zurechnung der Juden zum Gegner während der Zeit der Reconquista bedingt. Dennoch ortet er in dieser Zeit keine weit verbreiteten Hassgefühle gegen Juden, wohl aber das Fundament für spätere Angriffspositionen, nämlich durch die Konzentration der jüdischen Bevölkerung auf Berufe in Wirtschaft und Handel. Ein Beispiel für aus dem europäischen Antisemitismus übernommene Vorurteile bringt er anhand des Aufkommens von Verschwörungstheorien im 19. Jahrhundert: Der Umsturz der laizistischen Jungtürken 1908 innerhalb des Osmanischen Reiches wurde, angestachelt durch christliche Diplomaten und Journalisten, einer Verschwörung der Juden gegen den Islam zugeschrieben. Interessant ist bezüglich aus Europa importierten Gedankenguts auch die Annäherung islamistischer Parteien an den Nationalsozialismus in den 1930er und 1940er Jahren: Zahlreiche Elemente der NS-Ideologie und Strukturen der Reichspropaganda wurden in das Programm der radikalen islamistischen Jungägyptischen Partei oder der Baath-Partei Syriens aufgenommen. Beispiele, Zusammenhänge und Querverweise gestalten das Lesen dieses Artikels durchgehend spannend und interessant, regen auch unbedingt zur Konsultation von Sekundärliteratur und anderen Werken des Autors an. In Summe gesehen handelt es sich bei dem Beitrag „Antisemitismus in der islamischen Welt“ um ein durchaus lesenswertes, qualitativ wertvolles Stück Arbeit. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 8.2 Version 09.09.2005 Seite 39 KÜNTZEL, Matthias: Djihad und Judenhass. Über den neuen antijüdischen Krieg. Von: Matej Beres 0050200 A300 Freiburg, 2002 Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Publizist und arbeitet als Berufsschullehrer in Hamburg. Er veröffentlicht zahlreiche Artikel zum Thema Islamismus, Antisemitismus und deutschen Außenpolitik. 6 Neben dem Buch Djihad und Judenhass schrieb er noch Goldhagen und die deutsche Linke und Der Weg in den Krieg. Deutschland, die Nato und das Kosovo. In diesem 2003 erschienen Buch widmet dich Küntzel dem Phänomen des Djihad, also dem heiligen Krieg der Gläubigen gegen Ungläubige. Das Wort Djihad bedeutet soviel wie Anstrengung, und hatte eigentlich die individuelle Bemühung um den Glauben bedeutet. Die Neuinterpretation des Begriffs ist auch der Ausgangspunkt des Islamismus, den folgende Namen hauptsächlich geprägt haben. Hassan alBanna, der Gründer der Muslimbrüderschaft, und Amin el-Husseini, der Mufti vom Jerusalem. Al-Banna legte als erster Prediger der Neuzeit Djihad militant aus um gegen die Juden zu kämpfen. Küntzel beschreibt in seinem Buch die Entstehungsgeschichte der Muslimbrüderschaft, die, wie schon gesagt, durch die Führerfigur des al-Banna sehr geprägt war, der genau wie der Mufti sehr judenfeindlich gestimmt waren. Der Aufschwung des Islamismus und Faschismus ist in der gleichen Zeit passiert, beides als Antwort auf Krisen des Kapitalismus. Gemeinsam haben sie auch das Ideal einer volksgemeinschaftlichen Identität sowie den Judenhass. Besonders der Nationalsozialismus verhalf der islamistischen Bewegung mit Finanzen, Waffen und vor allem ideellen Ansporn im Bestreben nach der Zerstörung des weltweiten Sionismus. Heute findet der Nationalsozialismus Beführwörter und Bewunderer, Holocaust und Israel werden ignoriert, Mein Kampf verkauft sich sehr gut im Nahen Osten. Die Frage Palästinas wurde durch zielgerichtete Kampagne diese Trios immer mehr zugespitzt und thematisiert. Beführwörter einer friedlichen Lösung mit den Juden, die ein Zusammenleben förderten, wurden einfach getötet. Al-Banna und al-Husseini, dessen Großneffe Jassir Arafat ist, hätten ohne einander nicht die Kraft gehabt, ihre Ideologien durchzusetzen. Seit dieser Zeit wird der Zusammenhalt der arabischen Welt über den Widerstand gegen den Zionismus und Israel definiert. Der Antisemitismus ist also nicht eine Beigabe des Modernen Djihadismus, sondern dessen Kern, der Hauptfeind wurde im Juden identifiziert, verschiedenste Verschwörungstheorien entwickelt und so kam es zur ideologischen Annäherung an den Nationalsozialismus. Ein großer Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Islamismus in Ägypten unter Nasser bis Mubarak sowie dem Djihad der Hamas. Hier ist vielleicht interessant zu bemerken, wie der Islamismus die Bevölkerung dort terrorisiert hat, in dem moderate Muslime oder andere Ideologien einfach getötet worden sind, wenn sie sich den orthodoxen Bräuchen nicht beugen wollten. Auch die Charta der Hamas wird näher 6 Vgl. http://www.matthiaskuentzel.de (Zugriff: 27.10.2004) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 40 gebracht, die für Ausrottung und Säuberung des Zionismus plädiert. Mit dieser Charta setzt also die Hamas die Politik des Mufti von Jerusalem und el-Husseini fort. Das letzte Kapitel analysiert die jüngsten Entwicklungen seit dem 11. September 2001 in Israel und auf der ganzen Welt und stellt fest, dass es danach zu einer großen Welle des Antisemitismus und sehr großer Anzahl an Selbstmordattentaten kam. Wie schon gesagt, der Djihadismus geht Hand in Hand mit dem Antisemitismus und ist untrennbar mit diesem gekoppelt. Es waren aber vor allem die Siegesmächte nach dem 2. Weltkrieg, die das Fortschreiten des Islamismus nicht gehemmt haben, weil sie ihre Beziehungen mit arabischen Ländern nicht verlieren wollten. Die zionistische Einwanderung und Gründung des Staates Israel verhalf dem Islamismus als Konstitutionsvoraussetzung und zur Homogenität dessen beiträgt. Jeder Schritt der israelischen Regierung wird automatisch durch die Sichtweise des nötigen Feindes verzerrt und bestimmt. „Der Sieg der zionistischen Idee ist der Wendepunkt für die Erfüllung eines Ideals, dass mir so wesentlich ist: die Wiederauferstehung des Orients“ sagte Ahmed Zaki, ein ägyptische Politiker zum fünften Jahrestag der Balfour-Deklaration und dies sieht der Autor als eine neue Hoffnung für die Zukunft. Das Buch ist ziemlich kurz, jedoch enthält es sehr viele Thesen und Analysen. Ich würde vorschlagen, sich auch mit anderen Werken zum Thema zu beschäftigen, um eine komplexere Sichtweise zu bekommen. Positiv finde ich die Einbeziehung der Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Islamismus und auch der eindeutigen Position des Autors, der sich an manchen Stellen sehr kritisch äußert. Er bringt viele erstaunliche Zusammenhänge und erläutert also dadurch vieles, was in der Berichterstattung über diese Problematik nur selten angedeutet wird Auf jeden Fall ist das Buch interessierten Lesern empfehlenswert. 9 SUNNITISCHE ISLAMISTISCHE THEORETIKER 9.1 Gamal Al-Banna: Islam and trade unions Von: Friedrich Bossert Matrikelnummer: 0407691 Der Autor: Gamal Al-Banna wurde 1920 in Ägypten in einer gebildeten Familie geboren. 1950 war er bereits einer der Führungspersonen einer Textilarbeitergewerkschaft. Zwei Jahre später beschloss er sich stärker für die Ausbildung der Gewerkschafter einzusetzen und verlegte und übersetzte seither Bücher über Geschichte, Organisation und Techniken der Gewerkschaftsbewegung. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher die sich mit gewerkschaftlichen. historischen und vor allem auch politischen und religiösen Themen auseinandersetzen. In den 80er Jahren war er Vorsitzender der I.I.C.L. (International Islamic Confederation of Labour). Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 41 Islam and trade unions Der Autor beginnt seinen Text mit einer Kritik an einer in der islamischen Welt weit verbreiteten Ansicht. Die meisten führenden Muslime lehnen Gewerkschaften als nicht mit dein Islam vereinbar ab. Traditionelle islamische Organisationen haben deshalb oft den Bezug zu den Arbeitern verloren, so Gamal Al-Banna. Das liege aber nicht an Unvereinbarkeit von Arbeiterbewegung und Islam sondern an der ignoranten Herangehensweise vieler islamischer Denker. Um dies zu bekräftigen bringt er als Beispiel die Existenz von Gilden in islamischen Städten über ein Jahrtausend hinweg. Diese hatten laut ihm wesentliche Gemeinsamkeiten mit modernen Gewerkschaften etwa in der Tatsache der Interessenvertretung ihrer Mitglieder und der Verteidigung ihrer Rechte. Die Ziele der Gewerkschaften sind die Ziele des Islam Gamal Al-Banna sieht als das Ziel der Gewerkschaften die Gerechtigkeit. Dies sei aber ebenfalls das Hauptziel des Islam. Soziale, ökonomische und politische Prinzipien sind ein integraler Bestandteil des Islam. Die Gewerkschaften verkörpern insofern Gerechtigkeit, dass sie sich gegen Ausbeutung und unmenschliche Arbeitsbedingungen einsetzen. Desweiteren schreibt Gamal Al-Banna, dass der Islam in der Auseinandersetzung zwischen Arm und Reich eindeutig auf Seite der Annen Position bezieht. Der Prophet selber zog es vor ein Leben lang arm zu bleiben. Dies ist eine weitere Gemeinsamkeit von islamischen und gewerkschaftlichen Prinzipien. Gewerkschaftliche Praktiken sind mit dem Islam vereinbar (a) Das Recht Gewerkschaften zu etablieren Im Gegensatz zu vielen islamischen Denkern geht Gamal Al-Banna davon aus, dass der Islam Gewerkschaften nicht nur akzeptiert sondern für deren Existenz appelliert. Erstens da sie der Verwirklichung des obersten Ziels der Gerechtigkeit dienlich sind, und zweitens da sie helfen Egoismus zu überwinden und das Interesse der Gemeinschaft in den Vordergrund stellen. Laut des Autors Folgen die Arbeiter also den Geboten des Islam wenn sie sich zusammenschließen um ihre Interessen zu vertreten. (b ) Das Recht zu Streiken und zu Boykottieren Viele Verse des Koran betonen, laut dem Autor, dass es wichtig sei nichts zu tun was gegen die Prinzipien des Islam verstößt. Jedoch verstößt Ungerechtigkeit und Ausbeutung ganz enorm gegen diese. Nach Gamal AIBann ergibt sich daraus die Pflicht der Arbeiter für ihre Rechte und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Da es dabei primär um das Ziel der, Gerechtigkeit geht seien Boykott und Streik durchaus ein erlaubtes Mittel, dass der Islam sogar unterstützt w e n n a l l e schonenderen Methoden davor ausgeschöpft wurden. In der Abwesenheit von islamischer Gerechtigkeit bestehe dazu sogar keine Alternative. Existiert andererseits diese islamische Gerechtigkeit, gäbe es keine Gründe mehr für Streiks. (c) Kollektive Verhandlungen und Abschlüsse Der Islam erkennt den Abschluss von Verträgen prinzipiell an. Der Islam setze aber Voraus, dass die beiden Vertragspartner volle Freiheit und Gleichheit besitzen und sich an islamische Prinzipien halten. Wird ein Vertrag jedoch unter Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 42 Bedingungen des Drucks oder der Bedürftigkeit, der Ungleichheit und der Verletzung islamischer Regeln geschlossen so ist er nicht legal. Gamal Al-Banna führt an, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zumindest ökonomisch, nicht annähernd gleich seien. Dazu kommt, dass der Arbeiter unter Druck stehe, da er sich und seine Familie zu ernähren habe. Da der Arbeiter deswegen unfaire Verträge oft annehmen müsse werde dadurch auch das Prinzip der Gerechtigkeit verletzt. Gamal Al-Banna leitet deswegen folgende Regeln für Vertragsabschlüsse aus dem Koran ab: ¾ Es muss ein schriftlicher Vertrag bestehen ¾ Der Schreiber soll neutral sein ¾ Derjenige der Verantwortung übernimmt diktiert die Bedingungen (-> Laut Autor sollte es in diesem Fall der Arbeiter sein, nicht wie üblich der Arbeitgeber) ¾ Ist eine Seite zu zu schwach oder daran gehindert die Bedingungen zu diktieren so übernimmt dies ein „Beschützer” (-> Nach Gamal Al-Banna sei für diese Aufgabe niemand besser geeignet als die Gewerkschaft. da Arbeiter in dritte Welt Ländern oft weder lesen können, noch das juristische wissen haben um einen Vertrag richtig beurteilen zu können bzw. ökonomisch zu schwach sind um selbst zu verhandeln.) Ohne eine gewerkschaftliche Vertretung könne kaum einer dieser Punkte eingehalten werden. und so würde ein Vertrag, vorteilhaft für den Unternehmer und unfair für den Arbeiter, entstehen. Der Koran macht nach Gamal AI-Banna also die Notwendigkeit von Gewerkschaften sichtbar. 9.2 Abu l-A’la Maududi: Weltanschauung und Leben im Islam Von: Elmaz Orhan 9.2.1 Islam – Gesetz des Universums Islam: Unterwerfung, Hingabe, Frieden – kafara: bedecken, verbergen; Willensfreiheit 9.2.2 Wirken und Sinn des Glaubens Glauben an die Existenz Gottes: „…denn wie kann ein Mensch, der keinen festen und reinen Glauben an Gott besitzt, Ihm Gehorsam entgegenbringen?“ (S 31) Iman (Glaube): festes Vertrauen, das aus Wissen und Überzeugung erwächst. Mu’min: jemand., der glaubt – Muslim: verbringt sein ganzes Leben in dieser Ergebung Die Menschen kann man in 4 Kategorein einteilen (S 34 f): 1. Echte Muslime 2. Muslime, die bestraft werden 3. Rebellen (ohne Glauben) und Ungehorsame 4. Rebellen, Übeltäter und Verbrecher Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 43 9.2.3 Das Prophetentum Offenbarung und Prophetentum = Gnade Gottes „Gottes wahrhaftige Propheten sind überall erschienen, in jedem Land und bei jedem Volk“ (S 51); vgl Aya „Und wir haben ja bereits in jeder Gemeinschaft einen Gesandten erweckt […]“ (Qur’an: Sura 16, Aya 36) ,,Die Überlegenheit des Ostens bestand nicht nur auf militärischem Gebiet. Wissenschaft, Philosophie, Poesie und die Künste blühten ... in der mohammedanischen Welt zu einer Zeit, als Europa noch in Barbarei versunken war. Die Europäer nennen diese Zeit in unverzeihlicher Egozentrik ,Schwarzes Mittelalter'; doch sie war lediglich in Europa ,schwarz' - oder tatsächlich nur im christlichen Europa, denn Spanien, das mohammedanisch war, besaß eine hochentwickelte Kultur." (Bertrand Russell in Pakistan Quarterly, Vol.IV. „Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam als Religion für euch zufrieden.“ (Qur’an Sura 5, Aya 3; M.; S 86) 9.2.4 Die Glaubens-Artikel Der Glaube an den Einen Gott (Allah), an Seine Engel, Seine Bücher, Seine Propheten und an das Leben nach dem Tod Gebet und Gottesdienst: a) Das Gebet, das Fasten, die Zakat, der Hadsch b) Verteidigung des Islam: „Der einzige Leitfaden in unserem Benehmen muss sein, dass wir stets die Belange aller Muslime wahrnehmen und uns bereitwillig dem Dienst des Islam widmen (140) c) Dschihad 9.2.5 Din und Scharia Scharia: Gesetz Gottes, zeigt Richtlinien für Verhaltensweise im Leben auf fiqh": Gesetzgebung, 4 Rechtsschulen erhalten geblieben, Ausführung der Anordnungen tasawwuf: Maßstab des geistigen Gehorsams und der Aufrichtigkeit (z.B. beim Gottesdienst) 9.2.6 Die Grundsätze der Scharia Grundprinzip: Recht/ bindende Pflicht, alle seine echten Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen alles auf solche Art tun, dass nicht nur die Rechte anderer Menschen unverletzt und deren Bestrebungen ungefährdet bleiben, sondern dass alle Menschen in Verfolgung ihrer Ziele möglichst fest zusammenhalten, sich gegenseitig unterstützen und miteinander kooperieren. Grundsatz: das kleinere Übel für einen größeren Nutzen in Kauf zu nehmen und den kleineren Vorteil zur Vermeidung eines größeren Schadens aufzugeben Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 44 Die Scharia erlegt jedem Menschen vier Arten von Rechten und Pflichten auf (vgl S 153-172): 1. Die Rechte Gottes, denen jeder Mensch Geltung verschaffen muss Glaube, Führung, Gesetz, ehren und anbeten 2. Die Rechte, die er sich selbst gegenüber hat Verbot der völligen Selbstverleugnung. vollkommenes Verbot des Selbstmords 3. Die Rechte, die andere Menschen über ihn haben: Wohlergehen des einzelnen und aller, keine Unterdrückung 4. Die Rechte der gesamten Schöpfung Keine Verschwendung Die Scharia erlaubt nicht, dass ein Unterschied von Mensch zu Mensch gemacht wird, außer was den Glauben und die Religion betrifft. Der Islam macht keinen Unterschied aufgrund von Rasse, Landeszugehörigkeit, Hautfarbe, Sprache oder etwas Ähnlichem. Er spricht die gesamte Menschheit an und lässt keinerlei Diskriminierung zu. Zugleich ist dieses Gesetz aber auch ewig gültig. Es gründet sich nicht auf die Traditionen irgendeines besonderen Volkes, und es ist nicht für einen bestimmten Zeitabschnitt der menschlichen Geschichte vorgesehen. Es basiert auf denselben natürlichen Prinzipien, aus denen heraus der Mensch erschaffen wurde. Und da diese Natur zu allen Zeiten und unter allen Umständen gleich bleibt, muss sich das Gesetz, das sich auf ihre reinen Prinzipien stützt, auch auf jede Zeit und auf alle Verhältnisse anwenden lassen (vgl. S 173). Der Islam ist die einzige Religion, die sich in einem ständigen Anpassungsprozess an die in unaufhörlicher Evolution begriffene menschliche Gesellschaft in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien und ewigen Werten des Lebens befindet. Quellenverzeichnis: Maududi, Abu-l-A’la: Weltanschauung und Leben im Islam, Islamisches Zentrum München 1994 (Schriftenreihe des Islamischen Zentrums München Nr. 24 ) ISBN 3-89263-024-0 Online z.B. unter http://www.al-islam.com/articles/articles-g.asp 10 SCHIITISCHE ISLAMISTISCHE THEORETIKER 10.1 SHARIATI, Ali: Kapitalismus Von: Sariye Simsek undMurat Simsek 9809310/A300 / 9802391/A300 Ali ShAli Shariati gehörte zu den bekanntesten Figuren der beginnenden iranischen Revolution gegen das Schah-Regime, jahrzehntelang die zentrale Stütze westlicher Machtausübung in der Region. In den achtziger Jahren machte die iranische Revolution auf Shariatis Gedanken und Ideen aufmerksam, als wären es ihre eigenen. Shariati war Vorrevolutionär und Nachrevolutionär. Gleichzeitig lieferte Shariati wesentliche Beiträge für eine islamische Befreiungstheologie. Der 1934 in der Provinz Chorassan(Horassan) geborene Sohn einer Gelehrtenfamilie Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 45 studierte in Mesched (MESHED) persische Literatur. Sein Vater war bereits Gründer eines „islamischen Revolutionszentrums”. Während seines Studiums wurde er durch die antiimperialistische Dynamik der Regierung von Mossadegh (Dr. Mohammad Mossadegh war von 1951 bis 1953 Premierminister des Iran und gilt in vielen Ländern als Symbol des Antiimperialismus.) beeinflußt und schloß sich später dem Widerstand gegen den Schah an. Ab 1960 studierte er Soziologie und islamische Geschichte in Paris und übersetzte Werke von Che Guevara, Frantz Fanon und Jean Paul Sartre ins Persische. Nach seiner Rückkehr in den Iran war Shariati zunehmender Verfolgung ausgesetzt, wurde 1973 verhaftet und gefoltert. 1976, kurz nach seiner Flucht ins Ausland, wurde er vom Schah-Geheimdienst Savak in London ermordet. Das Buch "KAPITALISMUS" entstand von Reden, die Ali Shariati in verschiedenen Orten über Ökonomie gehalten hat. Dieses Buch beinhaltet Ideen über zwei Systeme, die in seine Zeit weltweit wirksam waren. Von denen das erste ist Kapitalismus und zweite ist Sozialismus. Ali Shariati hat durch seinen von Islamtraditionen abweichenden Blinkwinkel eine neue Ansicht geöffnet. In seinem Werk setzt er sich mit Sozialismus und islamischen Ansichten auseinander. Daraus stellt er seine Theorie heraus. In diesem Buch hat er einen historischen und soziologischen Blickwinkel zu den Systemen. Ali Shariati hat die Wirkungen vom Kapitalismus über Individuum, Gesellschaft und Menschheit erforscht und auch bewertet. Nach ihm ist der Kapitalismus kein einziges System, sondern es hat viele Merkmale von anderen Bereichen in sich. Diese Wirkung hat sich im Westen als Nationalismus gezeigt. Der Westen, der sich vom Mittelalter auf(zu) Neuzeit etabliert hat, bringen der Menschheit Nationalgedanken mit. Also ab dieser Zeit wird jede Nation ihre Sprache sprechen (früher nur Lateinisch) und jede Nation wird sich selber nach ihrer eigenen Nationalität nennen. Franzosen werden Franzosen, Engländer werden Engländer usw. Als im Westen all diese geschieht, störte die im Osten zunehmende Macht des Islam den Kapitalismus. Deswegen sollte diese ständig wachsende Macht gestoppt werden. Um es zu schaffen, hat er im Osten oder unter die Islamwelten Nationalismus verbreitet. Nach dieser Zeit wird auch die Islamwelt unter Nationen geteilt und durch ihre Nationen genannt. Der Westen hat auf diese Welt „Teile – Herrsche” Prinzip (Methode) angewandt.Diese Teilung hat die Islamwelt von Wurzeln erschüttert. Mit Imperialismus hat der Kapitalismus die Ost-Gesellschaften nicht nur wirtschaftlich von sich abhängig gemacht, sondern dadurch wird die Sozialen und Kulturelen Werte der Gesellschaft unter den negativen Einfluss des Kapitalismus geraten. Das passierte, weil die OstIntellektuellen ihre Aufgaben vernachlässigt haben. Die Menschen, die Vorteile davon haben eine Basis für Kapitalismus vorbereitet. Die Ost-Intellektuellen stellten sich gegen die Religion und haben auch diese ignoriert. Nach Ali Shariati war es der Fehler der Intellektuellen. Denn von Entwicklungen im Westen war es nicht mehr zu entkommen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 46 Die Ost-Intellektuellen haben nicht wie Protestanten, die im Mittelalter – Europa in Bewegung setzten, große Reformen verursacht. Sie haben die Gesellschaft neuerlich nicht Bewegung bringen können und neue freie Gedanken verbreiten können. Nach Ali Shariati ist der Kapitalismus, der überall zu sehen ist, ein untrennbarer Teil der Gesellschaft. Am Anfang hat sich der Kapitalismus auf das AusbeutungsPrinzip gegründet. Diese Ausbeutung hat sich nicht nur gegen Individuum gerichtet, sondern auch gegen die Gesellschaft. Durch Imperialismus werden von kolonisierten Völkern, Rohstoffe mit Gewalt genommen oder mit sehr niedrigen Preisen gekauft. Diese Rohstoffe werden bearbeitet und den Völkern mit mehrfachen Preisen zurück verkauft. Dadurch entstanden neue Märkte. Der Kapitalismus war/ist auf diese Märkte angewiesen. Die produzierten Güter sollten von Menschen mit Kaufkraft gekauft werden. Deswegen hat Kapitalismus neue Mittel gefunden, um die Menschen zum Kauf zu locken. z.B. Kredite,,, Die Menschen ohne Kaufkraft haben diese Methoden sehr schnell angenommen und angewandt. Die Menschen kauften auch die Sachen, die sie wirklich nicht brauchten. So wird der erste Stein einer Konsumgesellschaft gelegt. Diese Ausbeutung hat sicherlich nicht lange gedauert. Denn die Individuen, die sich als Verlierer in diesem System fanden, haben gegen diese Ausbeutung widerstand geleistet. Der Kapitalist, der seine Zukunft in Gefahr sah, fand einen neuen Weg, um sich zu retten. Dieser Weg war, dass er auf die Anforderungen der Arbeiter einging. So haben die Menschen gesellschaftliche Vorrechte (Privilegien), Sozialversicherung, Kaufkraft und Wohlstand für Familien bekommen. Die Kapitalisten wussten auch, dass sie ihre Produkte nicht verkaufen können, wenn die Kaufkraft der Menschen nicht steigt. Eine anderer Nachteil, den der Kapitalismus mit sich gebracht hat, ist die Verfremdung des Menschen sich gegenüber. Der Mensch kann denken, analysieren, teilen mit anderen und „ Wir” sagen. Mit Kapitalismus ist er sich fremd geworden. Obwohl er früher ein Teil eines Ganzen war, ist er nun mehr ein Teil der Arbeit. Solange der Mensch, er religiös befangen ist, sein Wesen nur zu vergegenständlichen weiß, indem er es zu einem fremden phantastischen Wesen macht, so kann er sich unter der Herrschaft des egoistischen Bedürfnisses nur praktisch betätigen, nur praktisch Gegenstände erzeugen, indem er seine Produkte, wie seine Tätigkeit, unter die Herrschaft eines fremden Wesens stellt und ihnen die Bedeutung eines fremden Wesens — des Geldes — verleiht. Schließlich wird der Mensch zu Maschine, zwar bis zum Ende seines Lebens. Ein echter Mensch ist jener, der Arbeitet und dem Bewusst ist, was er tut. Er weiß, was er gemacht hat und was seine Ziele sind. Bis jetzt herrschte der arbeitende Mensch während der Arbeit und bestimmte er selber, wie er arbeitet. Aber nun bestimmt die Arbeitsmaschine, wie er arbeiten soll. Eine andere Verwüstung, dass der Kapitalismus den Menschen zugefügt hat, ist die Fachmann-Syndrome. Sie bedeutet, von Menschen mit mehreren Dimensionen einen eindimensionalen Menschen zu schaffen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 47 Vor unserer Zeit haben die Menschen begonnen zu bestimmen, wie die Maschinen arbeiten sollen. Aber in unserer modernen Zeit haben die Maschinen die Menschen unter ihre Gewalt genommen. Statt den Menschen zu bedienen, herrscht die Maschine über die Menschen. Die Technologie ersetzt die menschlichen Gedanken und Selbstbestimmung. Auf diese Art und Weise wird der Mensch geändert und letztendlich von Maschinen ersetzt. Der Mensch verliert seine Begabung gibt sich nur in eine Richtung. Früher haben die Menschen wegen verschiedene Anliegen/Lebenserwartungen gelebt. Der Mensch bestimmte seine Ziele, sein Glauben und seine Persönlichkeit. Heutzutage bestimmt der Kapitalismus all diese. Nach Ali Shariati, Rationalismus und Maschinezierung können gleichwertig angesehen werden. Wenn der Rationalismus einem anderen Teil der Technologie darstellt, dann ist die Technologie stärker als die menschlichen Eigenschaften, die Werte, Gefühle und Eigenschaften des Menschen werden durch Rationalismus unterdrückt. Wenn die Menschen in Formen getrieben werden, kann man nicht von menschlicher Existenz reden oder Mensch wird widerstehen. Ali Shariati hat erklärt, dass Heutiges Menschen-Typus durch den Einfluss der Technologie, wirtschaftlicher System und der Bürokratie entstand. Schließlich ist es ein wichtiger Aspekt unserer modernen zivilisierten Zeit, dass der Mensch in eine bestimmte Form gebracht wurde. Ali Shariatis Thesen, die Geschichte spiegle nicht so sehr den Kampf Religion gegen Nicht Religion wider, sondern einen sozialen Kampf der Unterdrückten gegen die Privilegierten, der in der Menschheitsgeschichte zumeist religiöse Formen hafte, ist eine Kritik an der islamischen Bewegung genauso wie an den Kreuzfahrern des Laizismus mit ihrer westlich-modernistischen Dogmatik der Aufklärung — die analog der Religion eine wechselnde Rolle in der Geschichte menschlicher Befreiungskämpfe spielte. Die Grundlage von Shariatis Kritik ist ein Geschichtsverständnis basierend auf der sozialen Auseinandersetzung zwischen den armen und privilegierten Klassen. 10.2 Baquir as-Sadr, Ayatullah Muhammad: Our Philosophy Von: Eva Philipp 0212242 Der Autor: Ayatullah as-Sadr wurde 1936 in Kazimiyya, im Irak geboren und war einer der führenden schiitischen Aktivisten seiner Zeit. 1958 besuchte er die Nadschaf Akademie, schloss sich ab den fünfziger Jahren der Aktivitäten der Da'wa Organisation an. 1959 schrieb er sein bekanntestes Werk „Our Philosophy” und 1961 folgte „Our Economy”. Sein zweites Werk „Our Philosophy” sollte das Argument entkräften, dass der Islam keine Lösungen für wirtschaftliche Probleme der modernen Welt habe. Schon seit jungen Jahren hatte er sich gegen die Verbreitung der kommunistischen Weltansicht eingesetzt, er setzte Kommunismus mit Atheismus gleich. 1977 wurde er das erste Mal wegen eines Aufstandes gegen das Ba'ath Regime verhaftet, 1979 als der Führer des islamischen Widerstandes gegen die Regierung im Irak anerkannt. 1980 wurde er von der irakischen Regierung unter Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 48 Saddam Hussein unter Hausarrest gestellt und nachdem er drei Aussagen gegen die Regierung gemacht hatte, am 8. April zusammen mit seiner Schwester Bint al Huda hingerichtet. Über den Verbleib seines geheim begrabenen Leichnams teilen sich die Meinungen. Aufbau des Buches: „Our Philosophy” wurde von Shams C. Inati vom Arabischen ins Englische übersetzt und ist 1959 unter dem Titel „Falsafatuna” erschienen. Der Text ist in zwei Hauptteile unterteilt, der erste (bestehend aus zwei Kapiteln) beschäftigt sich mit der Theorie und den Werten des Wissens und der Kritik an bestehenden Gesellschaftssystemen – dem Kommunismus und dem Kapitalismus. Der zweite Teil (bestehend aus fünf Kapiteln) widmet sich philosophischen Ideen und Vorstellungen über die Welt, sowie Ursachenerforschung und religiösen Aspekten. „Our Philosphy” kann teilweise als Erweiterung von „Our Economy” betrachtet werden, da Kritik an marxistischen Ideen auch in diesem Werk eine wichtige Rolle spielen. „Our Philosophy” ist nach zehnmonatiger Arbeitszeit entstanden. Am Anfang des Textes bittet Sadr um objektives und genaues Lesen und um Verständnis seiner philosophischen Aussagen. Inhalt des Buches: Die philosophische Schrift des as-Sadr ist eine Ansammlung von grundlegenden Begriffen der Welt und der Weise des Betrachtens. Sie enthält Elemente von Kritik primär am Kommunismus, sowie auch an materialistischen Werten bzw. kapitalistischen Weltordnungen. Auch widmet sie sich der Suche nach dem richtigen Gesellschaftssystem für den Menschen, dass ihm ein glückliches soziales Leben bringen kann. Verschiedene philosophische Fragen werden aufgearbeitet und ausführlich diskutiert: Im ersten Kapitel beschreibt Sadr das Primärkriterium des menschlichen Gedankens – den Verstand – und beschreibt seine Theorie des Wissens. Das zweite Kapitel erklärt den Wert des Wissens näher. Im zweiten und ausführlicheren Teil von „Our Philosphy” behandelt das erste Kapitel philosophische Begriffe über die Weltordnung und versucht Erklärungen für diese zu finden. Das zweite Kapitel handelt von der Dialektik, oder dem Streitgespräch; die Ideen von Marx und Hegel werden aufgegriffen und auf materialistische Ansätze hin untersucht und kritisiert. Im dritten Kapitel wird die Grundregel der Kausalität behandelt: Für alles gibt es einen Grund, die menschliche Natur strebt nach dem Verstehen, Bewerten und Einordnen aller Dinge, um ihren Grund, ihre Ursache zu enträtseln. Das vierte Kapitel behandelt die Rolle der Religion und Gott. Der Konflikt von materialistischer Weltanschauung und Religion wird erläutert: Ziel ist es, den theologischen Begriff der Welt und das religiöse Dasein mittels philosophischer Gesetze und Wissenschaften verständlich zu machen. Nicht religiöse Regeln des Islam werden erläutert oder auch nur erwähnt, es geht um einen Gesamteindruck von Gott und religiöser Anschauung, die der Materialismus entbehrt. Das fünfte und letzte Kapitel handelt wieder vom Wissen. Marx und Engels werden zitiert, die These vom materialistischen Kommunismus und dessen Werkzeugen - die Dialektik und das Wissen - werden aufgegriffen und kritisiert. Eigene Meinung: Sadr schreibt ausführlich über philosophische Fragen, Probleme der Menschheit und bietet scheinbar universalgültige Lösungsvorschläge an. Seine Ausführungen sind oft Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 49 nicht leicht zu verstehen, da sie erstens sprachlich verworren formuliert sind bzw. vor gut fünfzig Jahren geschrieben wurden — zur Zeit des kalten Krieges. Diese Tatsache muss man beim Lesen im Hinterkopf behalten, um seine Denkmuster und Kritikpunkte vollständig verstehen zu können. Sadrs Kritik am westlichen Materialismus ist teilweise nachvollziehbar, teilweise zu religiös angehaucht, um objektiv verstanden werden zu können. „Our Philosophy” ist schwer zusammenzufassen, da es nie konkrete Themen behandelt oder klar ausformuliert, sondern (wie die meisten philosophischen Schriften) viele Aspekte auf einmal zu erklären versucht und das oftmals mit schwammigen Thesen, die rein interpretative Auslegungssache sind. Obwohl teilweise recht lang formuliert, würde ich „Our Philosophy” als Lektüre weiterempfehlen, da es die Schrift eines der wichtigsten schiitischen Aktivisten der vergangenen Jahre ist. Wer die aktuelle Situation im Irak und die andauernden Aufstände gegen die amerikanischen Besatzer besser einordnen und verstehen möchte, sollte die Ursprünge des schiitischen Widerstandes und deren Grundideen — schon zu Zeiten des militanten Saddam Regimes - in der Geschichte untersuchen. „Our Philosophy” ist auf jeden Fall eine interessante Basis für die schiitische Philosophie des Iraks. Auch eine genauerer Beschäftigung mit der Person Ayatullah Muhammad Baquir asSadr ist empfehlenswert seine Lebensgeschichte- zeigt Zusammenhänge zwischen der Politik des Irans und dem Irak. Auch die fragliche Rolle des Westens zur Zeiten islamischer Revolutionen im Irak — as Sadrs Hinrichtung durch das Saddam Regime rief keine großen Proteste des Westens hervor — sollte kritisch überdacht werden. 11 REGIONALSTUDIEN: NORDAFRIKA 11.1 SCHMIDINGER, Thomas: Islamismus und Militärherrschaft im Sudan in: Context XXI Nr. 6-7/2004 Von: Judith Baumgartner Zeittafel der politischen Entwicklung im Sudan 1954: Islamistische Kleinstgruppen und Studentlnnenverbindungen schließen sich zu einer gemeinsamen Organisation zusammen. Die Muslim- Brüder, al- Ikhwan al- Muslimun 1956- 1958: 1. demokratische Phase des unabhängigen Sudans. 1958: Die Muslim- Brüder unterstützen, als noch keine eigenständige Partei, bei den Parlamentswahlen diejenigen, die sich für eine islamische Verfassung einsetzen. 1964: Oktoberrevolution: Sturz General Abbuds. Die Muslim- Brüder gründen eine eigene Partei, die Jabhat al- mithaq al- islami (Islamic Charter Front). Kommunisten und ICF sind die wichtigsten Organe des Staates. 1964- 1969: 2. demokratische Phase Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 50 1965: Der ICF gelingt es, durch eine Veränderung in der Verfassung, die Sudanesische Kommunistische Partei (SCP) aus dem Parlament auszuschließen und zu verbieten. 1966: ICF arbeitet im Verfassungskomitee mit, welches die islamische Verfassung realisieren sollte. Putsch der Freien Offiziere unter Gafaar Muhammad Numairi kommt dem zuvor. Islamische Gruppierungen arbeiten im Untergrund zusammen. 1970: Massaker auf der Aba- Insel. Islam. Organisationen erleiden vernichtende Niederlage. 1977: „Nationale Versöhnung”. Wichtige Männer, wie z.B. Dr. Hasan Abd Allah alTurabi, bekommen Positionen im Machtsystem zugewiesen. Es kommt zur Spaltung der Muslim- Brüder: Turabi versöhnt sich mit dem Militärdiktator, eine große Gruppe geht in Opposition. 1979: Turabi soll sudanesisches Gesetz der Scharia angleichen. 1983: Die Scharia, verfasst in den Septembergesetzen, tritt in Kraft. 1985: Wut d. Bevölkerung führt zum Sturz Numairis und richtet sich auch gegen Muslim-Brüder. Es folgt eine Übergangsregierung, Rückkehr zum Mehrparteiensystem. Turabi gründet die al- Jabha al- islamiya al- qawmiya (National Islamic Front) 1986- 1989: 3.demokratische Phase 1986: 1. Parlamentswahlen: NIF etabliert sich als 3. stärkste Partei, hinter der Umma- Partei und der DUP (Democratic Union Party). Wichtigste Frage betrifft die Septembergesetze Eine Abschaffung würde die Beendigung des Bürgerkrieges im Südsudan darstellen. Dort kontrolliert die SPLA (Sudanese People Liberation Army) weite Teile des Landes. 1989: Septembergesetze sollten abgeschafft werden, Putsch unter Umar Hasan alBashir kam dem zuvor. Sympathisiert mit Turabi. Sudan wird in islamischen Staat verwandelt. 1996: Direktwahl al- Bashirs zum Präsidenten. Makroökonomische Daten verbessern sich, Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. 1999: Turabi wird abgesetzt. Unruhen im Süden können nicht eingedämmt werden. 2003: Auf internationalen Druck: Waffenstillstand zw. Regierung und SPLA. 2004: Friedensvertrag. Regime muss sich um Guerillagruppen im Westen (Darfur) kümmern. Seit 2003 ist die Bevölkerung dort Opfer systematischer Vertreibungen und Massakern geleitet von regierungsnahen arabischen Janja- wid- Milizen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 51 11.2 RUF, Werner: Die algerische Tragödie. Vom Zerbrechen des Staates einer zerrissenen Gesellschaft. Münster: Agenda- Verlag, 1997, 171 S. ISBN 3-929440-94-6. Von: Elisabeth Sperka Autor und Fragestellung: Das 1997 erschienene Buch von Walter Ruf ist eine wissenschaftliche Befassung mit den Wurzeln und dem Verlauf des algerischen Bürgerkrieges, der 1992 seinen Anfang nahm. Werner Ruf, geboren 1937, ist Professor für Internationale und Intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Gesamthochschule Kassel. Er lehrte an der New York University, der Université Aix Marseille III und an der Universität Essen. Im Zuge seiner Forschungen hielt er sich vier Jahre in Nordafrika auf. In seiner Studie unternimmt er den Versuch, Spezifika der „algerischen Tragödie“ herauszuarbeiten, die Entwicklungslinien einer Gesellschaft auf objektive Faktoren und Prozesse zu untersuchen, welche die unlösbar scheinenden gewalttätigen Auseinandersetzungen in der algerischen Gesellschaft nachvollziehbar machen. Mit Tragödie meint Ruf eine Menge an für die algerische Gesellschaft und Geschichte charakteristische Faktoren, die zur Krise geführt haben. Ruf selbst schreibt in seinem Vorwort, dass er dieser Aufgabe objektiv wie möglich gerecht werden, er ein Stück politikwissenschaftliche Selbstreflexion betreiben will. Aufbau und Inhalt: Das Buch ist nebst Vorbemerkungen, einer Chronologie bedeutender Ereignisse und Landkarten in sieben Kapitel gegliedert, welche jeweils verschiedene Aspekte und historische Entwicklungen Algeriens behandeln. Jedes dieser Kapitel schließt mit einem Fazit, welches die wichtigsten Ergebnisse hervorhebt. Das erste Kapitel umreißt die koloniale Vergangenheit Algeriens, in welcher, so die zentrale These des Autors, Faktoren angelegt wurden, die eine entscheidende Rolle auf dem Weg in die heutige Situation gespielt haben. 1830 nahm Frankreich Algerien in Besitz und machte es zu französischem Staatsgebiet, womit vorhandene soziale und ökonomische Strukturen vernichtet wurden. Durch den Siedlungskolonialismus kam es zu brutalen Enteignungen und Entpersonalisierungen. Den Einheimischen muslimischen Glaubens wurde die volle Rechtspersönlichkeit verwehrt, sie wurden unter das statut musulman gestellt, was zur Bildung einer Gegenidentität beitrug. Gleichzeitig führte das Verbot des Unterrichts der arabischen Sprache zur Entstehung eines kulturell- identitären Vakuums. Die Vormachtsstellung französischer Siedler verhinderte die Industrialisierung des Landes. Alles zusammen führte zu einer politischen Kultur der Gewalt. Die Migration zwischen dem europäischen Frankreich und Nordafrika ist das Thema des zweiten Kapitels. Die durch die Migration hergestellte Durchdringung zweier Gesellschaften zog die Entstehung von Trennlinien innerhalb beider Gesellschaften mit sich, die durch den rechtlichen Status verschiedener Bevölkerungsgruppen, soziale Zugehörigkeit und Arten von Identitätsbildung bedingt sind. Somit kam es zu einer Zerissenheit der algerischen Gesellschaft, welche sich auch auf europäischem Boden fortsetzt. Den durch diese Zerissenheit heraus schwierig gestalteten Freiheitskampf und Unabhängigkeitskrieg und das relativ demokratische Algerien bis 1989 behandelt das dritte Kapitel. In diesem wird das Entstehen verschiedener Identitätsbegründungen Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 52 politischer Bewegungen, insb. der (sozialistisch eingestellten) Nationalen Befreiungsfront (FLN) als spätere Staatspartei, sowie die Machtkämpfe zwischen demokratischen Bewegungen und dem Militär, das schließlich 1989 durch eine „liberale Verfassung“ de facto die Gewaltenteilung abschaffte, behandelt. In diesem Teil wird vor allem die Problematik einer „algerischen Identität“ behandelt, die in dieser Zeit durch Berufung auf den Islam zunehmend fingiert wurde und den eigentlichen Konfliktpunkt der verschiedenen Parteien im Bürgerkrieg darstellt. Der gescheiterte Versuch des Aufbaus einer nationalen Ökonomie wird im vierten Kapitel thematisiert. Durch die koloniale Vergangenheit war zum Zeitpunkt der Abspaltung von Frankreich keine eigenständige Wirtschaft vorhanden, welche die Regierung mithilfe von Auslandsanleihen aufzubauen suchte, was zu einer zunehmenden Abhängigkeit des Staates und faktisch zur „Entsouveränisierung“ das Landes führte. Mit der Verfassung von 1989 wurden neben der Staatspartei auch andere Parteien anerkannt, unter ihnen als wichtigste die Islamische Heilsfront (FIS), welche in den ersten freien Parlamentswahlen von 1992 mit ihrer auf moralische Kategorien Bezug nehmende Propaganda die Macht übernommen hätte, wären diese nicht durch einen Putsch, der als Auslöser des Bürgerkriegs gilt, abgebrochen worden. Im sechsten Kapitel wird schließlich der Verlauf und die Lösungsversuche der algerischen Krise seit 1992 diskutiert. Die Gewalttätigkeit zwischen dem Militärregime und den militanten islamistischen Gruppen (vor allem die AIS als bewaffneter Arm der FIS) konnte auch nach mehr als fünf Jahren Repression durch das Militär nicht beendet werden. Der Autor befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit dem „Kampf der Kulturen“ Huntingtons 7 , welche die islamische Kultur als besonders gefährliche Kultur identifiziert. Besonderes Augenmerk wird den Vermittlungsversuchen zwischen den verschiedenen Gruppen und Parteien in Rom geschenkt. In den „Perspektiven“ des siebten Kapitels werden die wichtigsten Faktoren, die die Krise bedingen, nochmals zusammengefasst und in Beziehung zueinander gesetzt. Damit werden die Gründe für das Scheitern der bisherigen Lösungsversuche belegt und neue Alternativen bzw. Bedingungen im Verhalten der beteiligten wie auch nicht beteiligten Staaten aufgestellt. Während seiner ganzen Abhandlung greift der Autor auf bereits bestehende Thesen und Theorien zurück, widerlegt oder berichtigt sie. Auch werden bereits in Form von Fußnoten näher auf die jeweiligen Probleme eingehende Werke empfohlen. Fazit: Mithilfe eines klaren Aufbaus und einer leicht verständlichen Sprache, so werden etwa neu eingeführte Begriffe definiert und erklärt, hat Ruf ein gutes Einstiegswerk in die Thematik geschaffen. Seine Argumentationslinie ist klar, auf ausgelassene Punkte und Fragen verweist er explizit. Seiner eigenen Vorgabe aus dem Vorwort, eine möglichst objektive Darstellung der Fakten zu bieten, wird er gerecht, in dem er u.a. auch mehrere Argumente und widersprüchliche Theorien gegenüberstellt, wodurch eine kritische Betrachtungsweise ermöglicht wird. Das Buch ist also nicht nur als Überblick der und Einstieg in die Thematik der algerischen Krise zu empfehlen, sondern auch als Beispiel einer politikwissenschaftlichen Analyse der Folgen der Kolonialisierung. 7 Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations? In: Foreign Affairs, Sommer 1993, S.22-49. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 53 11.3 NEWEKLAWSKY, Gerhard: „Die bosnisch-herzegowinischen Muslime“ Verfasst von: Esned NEZIC, 8 0300153 - A300 Über den Autor: Gerhard Neweklowsky wurde 1941 in Linz geboren, und ist seit 1979 Professor der Slawistik an der Universität Klagenfurt. Seit seinem Studienjahr an der Universität Sarajevo, befasst er sich mit den Sprachen, Traditionen und Kulturen des ehemaligen Jugoslawiens. Er ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gremien. Das Buch „Die bosnisch-herzegowinischen Muslime“ erschien 1996 im Klagenfurter Wieser – Verlag. Über das Buch Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Während sich der erstere mit der Geschichte Bosniens und der Herzegowina befasst, bearbeitet der Autor im zweiten die Bräuche und die Alltagskultur der bosnischen MuslimInnen. Neweklowsky’s Buch ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern vielmehr eine sympathische Erzählung über die größte Volksgruppe in Bosnien und Herzegowina, die den meisten türkischen Einfluss in ihren Traditionen und ihrer Kultur im Allgemeinen hat. Das osmanische Reich regierte in Bosnien und Herzegowina mehr als 400 Jahre, bis 1878, als das Land durch den Berliner Kongress von ÖsterreichUngarn okkupiert wurde. Der Autor geht sehr tief in die Geschichte der MuslimInnen ein, schildert ihr Verhalten und ihren Stellenwert während der osmanischen, österreichisch-ungarischen und jugoslawischen Zeit. Wobei das letztere eine sehr geringe Rolle im Buch spielt, der Autor hat sich mehr auf die die ersten zwei Epochen konzentriert. Da das Buch 1996 erschienen ist, gehe ich der Annahme, dass es in den Kriegsjahren verfasst wurde und der Autor vielleicht noch nicht über genaue Daten verfügte, was die Todeszahlen und Zerstörungsausmaße betrifft. Die bosnischen MuslimInnen stammten von den Bogumilen, den Gläubigern der vom 13. bis 15. Jahrhundert unabhängigen, selbständigen bosnischen Kirche, ab. Sie nannten sich ausschließlich Kristjani („Christen“). Der Terminus „Bogumilen“ wurde zu dieser Zeit in Bosnien-Herzegowina nie gebraucht. Im mittelalterlichen Bosnien gab es drei Kirchen – die römisch - katholische, orthodoxe und eben die bosnische (Bogumilen), die sich zwar an das Neue Testament hielt, einige Dinge aber auf ihre eigene Weise erklärte, wie z.B. dass Jesus keinen menschlichen, sondern nur einen scheinbaren Körper hatte. Die römische Kirche kannte die bosnische nicht an und verurteilte sie sogar. Die Bogumilen bezeichneten sich jedoch selbst als „gute Christen“. Im Jahr 1463 belagerten die Türken, ohne allzu großen Widerstand seitens der Bevölkerung, Bosnien und Herzegowina. Das bosnische Königreich, das von der zweiten Hälfte des 14. bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts existierte, wurde von den Türken regelrecht „überrollt“ und in Besitz genommen. Zu dieser Zeit begann auch die Islamisierung der bosnischen Bevölkerung. Sie hängt mit den türkischen Eroberungen, mit der Setzung militärischer und administrativer Maßnahmen zusammen. Die Mehrheit der Bogumilen, die zu diesem Zeitpunkt die bevölkerungsreichste Gruppierung war, konvertierte, aufgrund von Gemeinsamkeiten mit ihrer Religion, und der Angst vor dem Katholismus, zum Islam. Während der 8 Neweklowsky Gerhard, 1996, Die bosnisch-herzegowinischen Muslime, Klagenfurt Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 54 osmanischen Herrschaft gab es in Bosnien und Herzegowina fünf Religionen: die Bogumilen in einer geringeren Zahl als vorher, Muslime, Katholiken, Orthodoxe und die Juden (seit dem 17. Jahrhundert). Man genoss unter den Türken die Religionsfreiheit, obwohl es bei den Katholiken und Orthodoxen sicherlich Einschränkungen gab. Die bosnischen MuslimInnen waren in Istanbul sehr angesehen, und konnten auch hohe Stellungen innerhalb des osmanischen Reiches besetzen. 1878 erhielt Österreich – Ungarn schließlich den Zuspruch, das kleine BosnienHerzegowina zu okkupieren. Von Anfang an widersetzten sich Orthodoxe, bzw. bosnische SerbInnen und die bosnischen MuslimInnen oder auch „Bošnjaci» der österreichischen Besatzung, während sie die Katholiken bzw. bosnischen KroatInnen begrüßten. Die letzteren sahen in Österreich-Ungarn den großen Bruder. Der religiöse Hintergrund spielte dabei die wichtigste Rolle. Doch die muslimische und orthodoxe Bevölkerung war nicht im Stande es gegen die starken Besatzer aufzunehmen, und so mussten sie verzweifelt die neue Herrschaft akzeptieren, obwohl natürlich noch immer Untergrundorganisationen wie das „Junge Bosnien“ (Mlada Bosna) bestehen blieben. Ein Mitglied dieser Gruppierung, Gavrilo Princip, verübte auch 1914 das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophia. Im Nachhinein, merkte man/frau, dass die Österreicher (und die Ungarn) das Land entwickelten und europäisierten. Die Straßen und die Bahnen wurden ausgebaut, die Industrie gelang endlich auch in das unterentwickelte Bosnien-Herzegowina. Die Österreicher nahmen aber während ihrer Regierungszeit besondere Rücksicht auf die muslimische Glaubensgemeinschaft, da sie über das meiste Land verfügten. So genossen auch sie neben den Katholiken und Orthodoxen, und natürlich auch den Juden die Religionsfreiheit und konnten ohne Probleme ihre Traditionen ausüben. Die MuslimInnen in Bosnien und Herzegowina hatten das Problem, dass sie kein Nationalitätsbewusstsein hatten. Sie bezeichneten sich als „MuslimInnen“, also als Religionsgruppe, nicht aber als Nation. Deshalb kam es immer zu diesem Problem, dass die kroatische und serbische Seite die bosnischen MuslimInnen immer als Teil ihrer Volksgruppe ansahen. Erst 1974, als es in der Sozialistischen und Föderativen Rebublik Jugoslawien (SFRJ) zu einer Verfassungsreform kam, erhielten die bosnischen MuslimInnen das Recht sich als Nation zu bezeichnen – jedoch nur als „MuslimInnen“ und nicht als „BosniakInnen“. Der Terminus „BosniakInnen“ ist mit Unterbrechungen seit dem 12. Jahrhundert in Gebrauch. Mit dem Dayton – Vertrag 1995 hat man/frau in der bosnisch-herzegowinischen Verfassung die Bezeichnung „BosniakInnen“ für die bosnischen Moslems verankert. Sie werden auch heute so bezeichnet. Es ist ein sehr objektives Buch, Neweklowsky hat keinen verurteilt oder wegen irgendetwas beschuldigt. Und deshalb kann ich es auch empfehlen, da ich über nichts gestolpert bin, was mich zur Weißglut hätte treiben können – wie es bei manchen Werken, die subjektiv verfasst wurden, sehr wohl der Fall ist. Es ist ein schönes Buch, dass sehr gut ins Bücherregal passt, mit vielen Farbfotos, die die bosnisch-muslimische Geschichte visuell gut wiedergeben. Und das braucht man auch, meiner Meinung nach, in einem Geschichtsbuch - vor allem wenn es sich um die Geschichte einer Nationalität bzw. Religionsgruppe handelt. Da spielen Landkarten, alte Grafiken und Statistiken eine sehr wichtige Rolle. Wer mehr über die bosnischen MuslimInnen erfahren möchte, dem ist sicherlich dieses Buch eine gute Stütze, da es sehr übersichtlich und klar gegliedert ist. Sehr nett ist auch der Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 55 Begriffsglossar am Ende des Buches, wo man für typische bosnische Wörter die deutsche Übersetzung findet. Insgesamt gesehen, kann ich den Autor nur loben, da er ein sympathisches Werk verfasst hat, das sehr wichtig ist, um mehr über die Alltagskultur der MuslimInnen in Bosnien zu erfahren. Jedoch sollte man auch daran denken, dass das Buch bereits 1996 verfasst wurde, und sich bis heute vieles, was in diesem Buch geschildert wird, verändert hat. Ein Beispiel möchte ich nur nennen: die Toleranz. 1996 war es noch zu früh um gute Erfolge mit Toleranzprojekten starten zu können. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre bis heute gaben sich aber internationale Organisationen, wie die Europäische Union, der Europarat und andere, die Mühe mehr Toleranz zwischen die Menschen zu bringen. Auch ich selbst nahm an verschiedenen intensiven Seminaren teil, die mir noch weiter die Augen öffneten. Meine unmittelbare Umgebung wurde nämlich durch den BürgerInnen- bzw. Aggressionskrieg 1992 – 1995 nationalisiert, sie verloren jede Objektivität, was natürlich unter den gegebenen Prozessen allzu verständlich war. Und das ist bei den meisten Menschen in BiH der Fall. Langsam aber finden die verfeindeten BürgerInnen wieder zueinander. Und die bosnischen MuslimInnen tragen mit ihren 40% der Gesamtbevölkerung sicherlich einen wichtigen Teil dazu bei. 12 REGIONALSTUDIEN: NAHER OSTEN UND ZENTRALASIEN 12.1 HOFFMANN, Judith: Aufstieg und Wandel des Politischen Islam in der Türkei Von: Lukas Löschner 0304679 A 300/352 These: Der Aufstieg (und Wandel) des politischen Islam in der Türkei war kein plötzliches Erwachen der islamischen Identität, sondern muss im Kontext der sozioökonomischen und politischen Transformation nach 1980 betrachtet werden. Begriffe: Politischer Islam /„Islamismus: a) neue Erstarken des Islam im politischen Bereich b) "a political movement which uses the discourse and symbols of Islam to come to power" Untersuchungszeitraum (1980 – 1997): Militärputsch 1980: Auflösung des Parlamentarismus und Demokratie / Entpolitisierung der Gesellschaft / Aufstieg der islamistischen Bewegung zu einer pol/wirt Kraft Prozess des 28. Februar 1997: Verbot der RP durch Militär / Säkularisierung Wirtschaftsliberalisierung (ab 1980) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 56 Als Reaktion auf zunehmende wirtschaftliche und gesellschaftliche Instabilität in den 70er Jahren führte die Gerechtigkeitspartei (AP) radikale Wirtschaftsreformen durch. Mit Hilfe von hohen IMF-Krediten wurde eine neoliberale, exportorientierte Wirtschaftspolitik – die in der Folge auch massive Kürzungen der Sozialausgaben bedeutete – eingeschlagen. Militärputsch (12. September 1980) Die sozialen Folgen der W-Liberalisierung machten sich sehr schnell bemerkbar. Um eine Eskalierung der Situation zu vermeiden, unternahm die Militärführung einen Putsch und beseitigte die Regierung. Alle demokratiepolitischen Mechanismen wurden beseitigt und jegliche politische Beteiligungsrechte eingeschränkt – die türkische Gesellschaft wurde radikal „entpolitisiert”. Mit der Verfassungsänderung von 1982 wurden diese Einschnitte weiter verfestigt. Parallel zu den wirtschaftspolitischen Reformen wurde auch eine neue Staatsideologie, die „Türkisch-Islamische Synthese” (TIS), eingeführt. Sie sollte den islamischen Glauben in der Gesellschaft verfestigen und somit den Türken zu einer neuen islamischen Identität verhelfen. Mit dem Stocken der Wirtschaftsreformen und der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft („Gewinner" / „Verlierer” der Reformen) in den 1980er Jahre gewann die TIS – und in der weiter Folge der politische Islam – an großer Bedeutung. Restrukturierung des politischen Systems (1980-1987) Nach dem Militärputsch und der „Entpolitisierung” der türkischen Gesellschaft entstand ein Machtvakuum. Vor allem die politische „Linke” wurde durch das Organisations- und Streikverbot marginalisiert. 1983 fanden erstmals seit dem Militärputsch Wahlen statt, wobei der Parteienwettbewerb stark eingeschränkt war. Die ANAP (Mutterlandspartei) gewann die Wahl und setzte durch die „Verbindung von Fortschritt und Pragmatismus mit religiöser Bekenntnis und Tradition” die Staatsideologie (IST) weiter fort. Durch einen massiven Ausbau der religiösen Bildungseinrichtungen und der Errichtung von religiösen Netzwerken wurde die islamische Identität zunehmend gestärkt. Diese religiösen Netzwerke waren das „Auffangbecken” für all jene, die vom Sozialabbau betroffen waren und durch die Ausschaltung der Gewerkschaften keine „Netzwerke” zur Verfügung hatten. 1987 fiel ein Referendum über die Aufhebung des Parteienverbots positiv aus. Dies hatte zur Folge, dass die leitenden Politiker der 70er Jahre sich wieder politisch betätigen durften und eigene Parteien gründeten. Allerdings führte dies zu einer Fragmentierung der politischen Landschaft. Die Islamistische Bewegung in den 1990er Jahren Wenngleich in der türkischen Gesellschaft bereits ab den 50er Jahren eine ReIslamisierung bemerkbar war, so gewann der politische Islam erst in den 90er Jahren an Bedeutung und Einfluss. Wesentliche Träger des politischen Islam waren die Refah-Partei (RP, Wohlfahrtspartei) und der Unternehmerverband MÜSIAD (Verein Unabhängiger Industrieller und Unternehmer). Mit ihrem Programm „Gerechte Ordnung” übte die RP scharfe Kritik an der Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 57 bestehenden Gesellschaftsordnung und den durch die Wirtschaftsliberalisierung entstandenen Einkommensunterschieden. Als Alternative zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen präsentierte sie eine neue Wirtschaftsordnung auf islamischer Grundlage, die sich auf eine offene Marktwirtschaft einerseits, und einer starken sozialen Komponente andererseits, stützte. Somit traf sie den „Nerv der Zeit” und entwickelte sich von einer Randpartei (Ende 80er) zur stimmenstärksten Partei, die von 1995-97 eine Koalitionsregierung anführte. Allerdings konnte sie als Regierungspartei — bis auf die Versorgung ihrer (islamistischen)Klientel — ihr Programm nicht umsetzen und brachte daher auch keine wesentlichen strukturellen Verbesserungen. Stattdessen wurde sie als Bedrohung für das Militär und die säkulare, westlich-orientierte Zivilgesellschaftselite wahrgenommen. Tatsächlich hatte die RP, zusammen mit MÜSIAD, eine anti-westliche Außenpolitik und -wirtschaft betrieben. Anfang 1997 wurde die RP im „Prozess des 28. Februar” vom Militär (und vom VfG) verboten. Parallel zum Aufstieg (und Abstieg) der RP verlief auch die Entwicklung des Unternehmerverein MÜSIAD, der zweiten Stütze des politischen Islam in den 1990er Jahren. Der Verein wurde 1990 von einer neuen (traditionell-islamischen) Unternehmerschicht, die sich im Zuge der Wirtschaftsliberalisierung gebildet hatte, gegründet. Seine Mitglieder waren vorwiegend Klein-und Mittelbetriebe aus den traditionellen Wirtschaftszentren im (mittleren) Osten der Türkei. Mit der Vision eines „Islamischen Kapitalismus” (Verbindung von Kapitalismus und traditionellen islamischen Werten) übte MÜSIAD auch scharfe Kritik an der türkischer Wirtschaftsentwicklung und der Abhängigkeit vom „westlichen Kapitalismus”. Die Mitglieder von MÜSIAD forcierten engere Wirtschaftsbeziehungen mit der „arabischen Welt.” Während der 90er Jahre wuchs MÜSIAD zu einer wirtschaftspolitischen Kraft in der Türkei. Dies hatte sie dem Aufstieg der RP zu verdanken, die MÜSIAD aufgrund der ideologischen Näher (anti-westliche Haltung, islamische Werte, etc.) den Zugang zu staatlichen Ressourcen ermöglichte. Zwar war MÜSIAD von den Säkularisierungsmaßnahmen ab 1997 nicht direkt betroffen, jedoch wurde sie durch das Verbot der RP in ihrem Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Wirtschaftspolitische Entwicklung seit 1997 Mit dem Verbot der RP kam es zu einer Distanzierung von TIS und der Rückkehr zum strikten Laizismus. Islamische Vereine und Erziehungseinrichtungen wurden geschlossen, das Kopftuchverbot weiter verschärft. Es kam zur Neuaufnahme von Krediten bei IMF und Weltbank und einem erneuten Versuch makroökonomische Stabilität herzustellen. Diese Reformen scheiterten und resultierten 2001 in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1980. Der Vertrauensverlust der Bürger in den Staat und Regierung ermöglichte den Aufstieg der AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei), eine (indirekte) Nachfolgepartei der RP. Sie hatte eine gemäßigte, konservativ-demokratische, westlich-orientierte Ausrichtung. Die AKP konnte sich vom (wert-konservativen) politischen Islam distanzieren und bot eine "Systemalternative"... Die AKP bezeichnete sich als eine „islamistische Partei mit westlicher Orientierung, die in Übereinstimmung mit den Prinzipien der kemalistischen Türkei handelt, gemäßigt und Europa-freundlich ist” Demnach machte der Parteivorsitzender und Regierungschef Tayyip Erdogan den EU-Beitritt der Türkei zum gemeinsamen Ziel der türkischen Gesellschaft. Die Perspektive eines EU-Beitritts hat die wirtschaftlichen und politischen Reformen der letzten Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 58 Jahren beschleunigt. 12.2 BEHZAD, Khamehi: Die schiitischen doktrinären Grundlagen des politischen Systems der Islamischen Republik Iran Von: Klikovits Mara 0305809 Zum Buch: Band 4 der Reihe „Serie Politica”; Herausgeber: Professor Dr. Wilfried Röhrich; Autor: Behzad Khamehi Zum Inhalt: 1. Teil: Grundzüge des islamischen Glaubens, Quellen, Prophetentum, Gottesbild sowie das Bild der Menschen im Islam. „Nicht ein harmonisches, unbeschwertes materielles Leben ist Ziel des menschlichen Daseins, sondern die Verwirklichung der göttlichen Werte und die Erfüllung der göttlichen Gebote.” (Khamehi, Die schiitischen doktrinären Grundlagen der islamischen Republik Iran; 15) 2. Teil: Veranschaulichung der Verbindung von Politik und Islam am Beispiel der Islamischen Republik Iran; Zu den wichtigsten Einrichtungen des dortigen politischen Systems zählen: • Islamische Führer: wird auf Lebenszeit ernannt und setzt die allg. politische Richtlinien fest. • Expertenversammlung: wird direkt vom Volk auf 8 Jahre gewählt und prüft die Kandidaten für das Amt des Führers, erscheint keiner als geeignet wird einer aus ihrer Reihen gewählt • Präsident der Islamischen Republik Iran: wird vom Volk unter Voraussetzungen wie iranische Abstammung, Staatsbürgerschaft, Gottesfürchtigkeit und Glaube auf 4 Jahre gewählt. • Islamische Beratende Versammlung: ist die Repräsentation des Volkes und wird auf 4 Jahre gewählt. Es gibt insgesamt 270 Abgeordnete, wobei religiöse Minderheiten jeweils 1 Abgeordneten stellen. • Wächterrat: schützt die islamischen Gebote sowie die Verfassung und kontrolliert die Präsidentschaftswahl. • Schlichtungsrat: ist ein Vermittlungs- und Schlichtungsausschuss dessen Mitglieder vom Führer der Islamischen Republik Iran ernannt werden. 12.3 RASHID, Ahmed: Heiliger Krieg am Hindukusch. Der Kampf um Macht und Glauben in Zentralasien. Von: Philip Thom 0402092 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 59 Ahmed Rashid ist ein pakistanischer Journalist, der u.a. für den Daily Telegraph, das Wall Street Journal und den Far Eastern Economic Review Artikel publiziert. Er hat sich neben seinem Heimatland Pakistan auch auf Afghanistan und Zentralasien spezialisiert. Seine bekanntesten Werke sind Taliban und Dschihad, für die er zahlreiche Preise erhalten hat. Ahmed Rashid beschreibt in diesem Buch die politische und religiöse Situation in Zentralasien. Zu diesem Gebiet zählt er fünf Länder: Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan. Diese waren bis 1991 ein Teil der Sowjetunion und haben große Probleme ein demokratisches System in ihren Staaten zu etablieren. Die Kernfrage Rashids ist, ob sich diese in dieser Region der „ethnisch geprägte Nationalismus“ oder der „islamische Fundamentalismus“ durchsetzen wird. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die ehemalige Provinz in Nationalstaaten aufgesplittert. Durch die plötzliche Unabhängigkeit traten zahlreiche Probleme auf: Zum einen bildeten die Grenzziehungen Stalins die Vorlage der für die neuen Grenzen und schafften ethnisch heterogene Staaten. Zum anderen wurde der Islam weiterhin unterdrückt, wenngleich auch nicht so extrem wie zu Sowjetzeiten, was friedliche Moslems mit radikalen Kräften zusammenschweißte. Außerdem standen die zentralasiatischen Staaten in starker wirtschaftlicher Abhängigkeit zu Moskau und mussten ihr Wirtschaftssystem modifizieren. Des Weiteren nützten die ehemaligen sowjetischen Stadthalter die Gelegenheit, um sich auch nach der Unabhängigkeit an der Macht zu halten. Die Länder Zentralasiens haben es trotz enormer Öl- und Erdgasvorkommen nicht geschafft eine wirtschaftlich stabiles, demokratisches System zu etablieren. In Tadschikistan kann man seit der Beendigung des Bürgerkriegs noch am ehesten von einer Demokratie sprechen. Die Einbeziehung der Partei der Islamischen Wiedergeburt in die tadschikische Regierung, minderte die Sympathie der Bevölkerung für den religiösen Fundamentalismus. Andere Staaten missbrauchen bis heute den islamistischen Terrorismus zur Diskreditierung aller Moslems und zur Aufrechterhaltung ihrer repressiven Autokratien. Da sie zudem im Krieg gegen den Terrorismus auf der „richtigen“ Seite kämpfen, werden sich militärisch unterstützt und über ihre Menschenrechtsverletzungen wird hinweg gesehen. Rashids Kritik richtet sich gegen Russland und die USA, deren militärischen Hilfen nie an politische oder wirtschaftliche Reformen geknüpft waren. Das Grundproblem ist allerdings, dass die zentralasiatischen Staaten nur regimetreue Moslems ihre Religion praktizieren lassen. Da der Islam in diesen Ländern massiv unterdrückt wird, bietet das in Kombination mit der schlechten Wirtschaftslage, einen Nährboden für den militanten Islamismus. Daraus folgt der Umkehrschluss, dass die gesellschaftliche und politische Eingliederung des Islam, den Fundamentalisten, wie etwa der IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) und der Hizb ut-Tahrir al Islami (Partei der Islamischen Befreiung), ihre Unterstützung in der Bevölkerung entziehen würde. Sein finaler Ausblick in die Zukunft ist facettenreich. Wenn die zentralasiatischen Staaten den Terror unterbinden können und ihre autokratischen Regime in Demokratien umwandeln, dann würde dies ein gutes Investitionsklima erzeugen. Ausländische Konzerne, vor allem aus der Ölbranche, sind bereits heute sehr an den gewaltigen Bodenschätzen Zentralasiens interessiert. Rashids Einschätzung nach werden sich die Russland, China und die Vereinigten Staaten um die Vorherrschaft in dieser geostrategisch wichtigen Region streiten. Sollte die Stabilisierung nicht Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 60 gelingen, wird Zentralasien in religiösen Fundamentalismus, Korruption und Armut untergehen. Ahmed Rashid ist zweifellos ein absoluter Kenner der zentralasiatische Staaten. Meiner Meinung nach geht er mit den autokratischen, postsowjetischen Regimes viel härter ins Gericht als mit den islamistischen Terroristen. Ohne ihm Sympathie gegenüber den militanten Fundamentalismus zu unterstellen, zeigt sich seine Zuneigung zum Islam. Er versucht das Problem richtigerweise an der Wurzel zu packen, vernachlässigt allerdings die Behandlung der Symptome. Des Weiteren empfiehlt er den Staaten wirtschaftliche Reformen auf Anweisung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds umzusetzen, was zu einem Wirtschaftsaufschwung führen würde. Ob diese Maßnahmen allerdings tatsächlich der Bevölkerung zugute kommen ist zu bezweifeln. Nichts desto trotz ist es absolut bewundernswert welche Anstrengungen und Risiken Ahmed Rashid auf sich genommen hat, um Fakten vor Ort zu recherchieren. Seine profunde Kenntnis der IMU und deren Handlungen ist so detailliert, dass es ihn fast verdächtig macht. Auch seine geheimnisvollen Schilderungen des charismatischen IMU-Führers Dschuma Namangani helfen dem Sachbuch die Geschehnisse nicht zu trocken hinüberzubringen. Alles in allem ist „Heiliger Krieg am Hindukusch“ ein sehr aufschlussreiches und informatives Werk aus einer Region, die von der mediale Berichterstattung nur sporadisch erfasst wird. 13 LÄNDERBEISPIELE 13.1 Sudan Referenten: Anna Schubert, Martin Reif, Tobias Vogel Bildungs- und Kulturpolitik: Islamisierung von Unis und Schulen (Arabisch als einzige Unterrichtssprache), verpflichtete Koranschulen, getrennter Unterricht ab 5. Klasse, Vor Abschluss der Uni Militärtraining und islamische Reeducation Kultur: Zensur in Theater- u Musikstücken, Führungspersonen bei Massenmedien mit regimenahen Personen bestückt, Wirtschaftspolitik: Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 61 Islamischer Neoliberalismus, Liberalisierung und Privatisierung, Subventionsabbau, Aufhebung der Preiskontrollen, Subventionsabbau, Devaluierung der Währung. Konsequenz: Massenarmut Auflösung der Mittelschicht, aber Makroökonomie erfolgreich (Stabilisierung der Inflation + hohes Wirtschaftswachstum Innenpolitik und Justizpolitik: Forcierung der Islamisierung, Sharia, Missionsarbeit im Süden, Moscheebauprogramm, Kampf gegen Alkoholproduktion und -genuß, Geschlechtertrennung im öffentl. Verkehr, Islam. Kleiderordnung für Frauen Aussenpolitik: Hälfte der 90er: Isolation: Konflikte mit allen Nachbarstaaten, Golfstaaten, westl. Staaten sowieso 2. Hälfte der 90er: Entspannung mit Golf- u Nachbarstaaten, Aufhebung UN-Sanktionen 96, Entspannung mit USA nach 11.September (Antiterrorkampf) Opposition: NDA (National Democratic Alliance): Zusammenschluss sehr vieler oppositioneller Gruppen: • Umma • DUP (Democratic Unionists Party) • SPLM / SPLA (Sudanese People's Liberty Movement / Armee) • uvm. Südkonflikt Dafurkonflikt Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 62 13.2 Saudi Arabien Referenten: Maria-Anna Lankmair, Christina Ritschel, Michael Sagmeister Geschichte Mitte 15. Jh 1803 1812 1932 1945 1953 1964 1975 1982 Familie Al Saud siedelt sich in der Nähe von Riad an Besetzung von Mekka und Medina von Osmanen vernichtend geschlagen, Zerstörung des Reiches Proklamation des neuen Königreiches Saudi Arabien Gründung der Arabischen Liga Tod Ibn Sauds – Sohn Saud übernimmt Thron Saud wird gezwungen abzudanken – Bruder Faisal II. besetzt Thron Tod Faisals II. – Bruder Chaled Ibn Abd al Aziz übernimmt Tod von Chaled Ibn Abd al Aziz – seither Fahad Ibn Adb al Aziz am Thron Politisches System Staatssystem ist eine Islamische absolute Monarchie unter dem König Abd al- Aziz Al Saud, der auch Gleichzeitig der Premierminister ist. Als Verfassung dienen der Koran und Sunna. Sunna beschreibt was der Prophet Muhammad gesagt, getan, bzw. nicht gesagt oder getan hat. Der König steht gleichzeitig an der Spitze der gesetzgebenden, ausführenden und der richterlichen Gewalt. Seit 1992 besteht erstmals eine Verfassung in schriftlicher Form. Der Wahhabitismus gilt heute als Staatsreligion in Saudi Arabien, das konvertieren zu anderen Religionen ist verboten. Gesellschaft & Kultur Die Position der Frauen ist in Saudi Arabien durch den Wahhabitismus sehr beschränkt. So dürfen sie zum Beispiel nur in Begleitung eines männlichen Verwandten und von Kopf bis Fuß verschleiert auf die Straße. Auch das Autofahren ist Frauen untersagt. Menschenrechtsverletzungen stehen laut Amnesty International an der Tagesordnung. So kommt es regelmäßig zu Inhaftierung gewaltloser politischer Oppositioneller, Folterungen von Gefangenen, Anwendung von Prügelstrafen sowie Amputation der Gliedmaßen als Bestrafung. Die Kultur und das Leben in Saudi Arabien folgen genau festgelegten Regeln Öffentliche Kinos, Theater oder Schauspielhäuser existieren nicht, Kulturveranstaltungen unterliegen strenger Zensur. Bildung Wie auch das sonstige gesellschaftliche Leben ist das kulturelle und wissenschaftliche Leben an die engen Grenzen des Wahhabitismus gebunden. In Saudi Arabien herrscht keine Schulpflicht, nur knapp über 60% der Kinder und Jugendlichen besuchen eine Schule. „Schule” bedeutet in Saudi Arabien vor allem „Religionsschule”. Saudiarabische Kinder erhalten ihre Grundausbildung in Koranschulen, und auch ein Großteil der Universitäten legt das Hauptaugenmerk auf religiöser Weiterbildung. Uni-Absolventinnen finden jedoch auf Grund ihres Geschlechts in der saudiarabischen Gesellschaft in der Regel keine Beschäftigung. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 63 Wirtschaft Mit den Ölfunden 1938 war Saudi Arabien plötzlich im Mittelpunkt des weltweiten wirtschaftlichen und strategischen Interesses. Saudi Arabien ist heute der größte Rohölproduzent der Erde. Die saudiarabische Wirtschaft sieht sich immer wieder von den Vorgaben des Wahhabitismus blockiert (Bankenwesen, ausländische Investoren). Dennoch haben gerade die Wahhabisten Interesse an einer profitablen Wirtschaft: mit diesen Einnahmen kann sich Saudi Arabien als „Exporteur” des Wahhabitismus profilieren. Gleichzeitig macht die wirtschaftliche Bedeutung Saudi Arabien quasi „immun” gegen internationale Proteste auf Grund zahlreicher Menschenrechtsverletzungen. Terrorismus Saudi Arabien stand und steht immer wieder im Verdacht Terrororganisationen finanziell zu unterstützen. Al Quaida etwa ist in ihrem Selbstverständnis eine wahhabistische Organisation, die Taliban wurden jahrelang finanziert. Osama Bin Laden und der Großteil der Attentäter des 11. September sind bzw. waren saudiarabische Staatsbürger. Nach außen hin versucht Saudi Arabien jedoch mit internationalen Anti-Terror Konferenzen und dem engen Verhältnis zu den USA jeden Terror-Verdacht zu entkräften. Quellen: Kopf, Wilhelm (2001) Erben der Wüste, Olms Versch. (2004) Der Fischer Weltalmanach, Frankfurt am Main Looney, Robert E. (1990) Economic development in Saudi Arabia, Greenwich Bart, Hans K & Schlicphake, Konrad (1998) Saudi Arabien, Gotha Looney, Robert E. (2004) Can Saudi Arabia Reform its Economy in Time to Head Off Disaster? in Strategic Insights, Volume III, Issue 1, http://www.ccc.nps.navy.mil/si/2004/jan/IooneyJan04.asp, 27.11.2004 Background Note: Saudi Arabia, http://www.state. gov/r/pa/ei/bgn13584.htm, 23.11.2004 CIA World Factbook Saudi Arabia, http://www.cia.gov/cia/publications/factbooklgeos/sa.html, 24.11.2004 http:I/wvvw.datenbank-europa.de http://www.erdkunde-Wissen. de http://www.auswertiges-amt. de http: //www. erdkunde-onl i ne. de/1491. htm http://de.wikipedia.orglwiki/saudi-Arabien 13.3 Palästina Von: Marco SCHMIED, 93 32 504, A 300, Um die Frage des politischen Islam am Beispiel Palästina zu diskutieren, soll zunächst die Gegenwart betrachtet werden, in der es noch keinen palästinensischen Staat gibt, sondern nur teilautonome Gebiete existieren. Diese wären das Westjordan Land und der Gazastreifen. Es ist für die Betrachtung des Falls Palästina durchaus dienlich, das Problemfeld Religion (Islam) vom Problemfeld Politik getrennt zu analysieren, obwohl es einige Ideologen gibt, die es ablehnen, den Islam und die Politik zu trennen. Der Versuch, diese Problematik in diese zwei Hauptaspekte zu zerlegen, könnte allerdings die Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 64 Interaktion dieser Felder weniger unverständlich und abstrakt erscheinen lassen. Weiters könnten somit der Islamismus als Ideologie, die auf dieses Gebiet wirkt, sowie die gebietsspezifische Politik leichter interpretiert werden. Einteilung in: 1. islamische — kulturelle Entwicklung auf dem Gebiet Palästinas 2. politische Aspekte Zu 1): Islamische — kulturelle Entwicklung auf dem Gebiet Palästinas Die Haltung der Muslime gegenüber dem Judentum war bereits zu Mohammeds Zeiten nicht von einem positiven Miteinander geprägt. Die Juden in Medina erkannten Mohammed nicht als Propheten an. Das hatte zur Folge, dass die Juden durch Mohammed aus diesem Gebiet vertrieben wurden. Aus der Sicht der islamischen Geschichte war auch Jerusalem ein Staat mit besonderem Status. Als Beispiele zur Veranschaulichung: Dort waren auch Gebetseinrichtungen der damaligen Muslime. Aus der mystischen religiösen Sicht war Jerusalem die Stadt der nächtlichen Entrückung Mohammeds. (der isra Koran Sure 17 Vers 1). Durch den Omajaden Kalif Abd -el- Malik wurde der Felsendom errichtet und durch den Kalifen AI-Walid wurde die Al-Aqsa-Mosche erbaut, um einige religiöse Aspekte zu nennen. Einige Denker aus dem Bereich des Islamismus (Muhamad Abduh, Hasan al Banna und Sayyid Qudb) bedienten sich dieser Aspekte, um ihre Theorien zu untermauern. Auch unter diesen Gesichtspunkten bildeten sich einige Gruppierungen wie die Muslimbruderschaft, die auch einen islamischen Staat „ als Ziel anstreben, wo immer Muslime leben. Somit kann es aus deren Sicht keinen israelischen Staat, wie er in der Gegenwart besteht, geben. Allein diese Kontroverse zeigt bereits ein Konfliktpotential. Zu 2): Politische Aspekte Die chronologische Abfolge des „arabischen Dilemmas”, welches sich durch viele Niederlagen abzeichnet und mit der Gründung des Staates Israels seinen Höhepunkt fand, zeigt durch den verlorenen Sechstage Krieg die politische und militärische Unterlegenheit der Arabischen —Islamischen Welt. Diese Aspekte beinhalten einen erheblichen Mobilisierungsfaktor für den so genannten politischen Kampf um die verlorenen Rechte. Daraus entstanden Gemeinschaften, die sich weiter entwickelten und in weiterer Folge voneinander abspalteten. Um zwei Hauptakteure zu nennen, werden nur PLO FATAH und HAMAS genannt. Die PLO engagierte sich eher unter marxistischen Aspekten für einen Staat Palästina und schreckte auch vor Gewaltakten nicht zurück. Die HAMAS spaltete sich von der PLO ab und entwickelte ihre eigene Ideologie, die dem Islamismus entsprach und diametral die PLO als zu säkular und korrupt bezeichnete. Auch diese Gruppierung ist massiv für Attentate verantwortlich, die durch die »religiöse Pflicht” gerechtfertigt werden. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 65 Um die gegenwärtige Situation kurz zu betrachten sei die II. Intifada erwähnt. Am 28. September 2000 besuchte Ariel Scharon demonstrativ das islamische Heiligtum, die Al Aqsa Moschee. Das wurde als Auslöser für die II Intifada gesehen. Ein Teilaspekt der Empörung könnte auch sein, dass Scharon bereits im SechstageKrieg bei der Rückeroberung des Sinai eine große Rolle spielte. Diese Niederlage spielt ideologisch noch immer eine bedeutende Rolle. Und es zeigt sich welches Mobilisierungspotential und Kräfte das Zusammenwirken von religiösen und politischen Aspekten in sich birgt. Beilagen zur Veranschaulichung des Problemfeldes. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 66 13.4 Irak Volksgruppen: Irak: 24 Millionen Einwohner, darunter Kurden (4 Millionen), Assyrer, Chaldäer, Armenier, Turkmenen, Beduinen. R e l i g i ö s e Pl ur al it ät : 95% der Bevölkerung sind Muslime. 2/3 Schiiten (Südosten), 1/3 Sunniten (Kurden) im Nordosten. Restliche Bevölkerung besteht aus Christen (Nestorianer), Mandäern und Yeziden. Allgemeine Erklärung zu den Schiiten: Anm.: Im Beitrag sind immer die Zwölferschiiten (Imamiten) gemeint, die sich auf Zwölf Imame berufen, die der direkten Blutlinie des Propheten entstammen sollen. Iran: 85% Schiiten Aserbaidschan mit ca. 65-70% Schiiten Bahrain mit 70% Schiiten Irak mit 60-65 % Schiiten Irak und Bahrain sind ein Sonderfall unter den arabischen Ländern wegen ihrer schiitischen Mehrheit. Irak ist historische Wiege der schiitischen Theologie, und Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 67 beherbergt 6 Grabstätten der Zwölf Imame (Karbala: Rumpf des enthaupteten Prophetenenkels 'al-Husayn, Nagaf: Alis Grab) Politische Gruppierungen im Irak: Viele Partizipanten im Kampf im Vormacht im Irak, darunter schiitische und sunnitische, sowie zahlreiche andere Gruppierungen. Die Schiiten lassen sich in verschiedene Richtungen einteilen, die 2 wichtigsten sind tendenziell traditionalistisch-unpolitische Kräfte und radikal-militante Kräfte. Sunnitische Gruppierungen sind radikal-islamische Kurden sowie Verfechter der Sharia. Großayatollah Sistani und die Hawza: War Meisterschüler des Großayatollahs al-Khoi und beerbte ihn in der Nachfolge als religiöser Patron. Steht der Hawza (theologische Hochschule) vor und gilt als einflussreichster schiitischer Kleriker, ihm folgen ca. 30%. Favorisiert die SCIRI, hält Muqtada Sadr in Schach und setzte sich für ehest mögliche freie irakische Wahlen ein. Muqtada Sadr und die Sadriyun 30-jähriger radikaler Führer, der erbittert gegen die USA kämpft und versucht dem älteren und theologisch viel versierteren Sistani zu trotzen, beruft sich deshalb auf seinen berühmten Vater. Seine Anhänger (Sadriyun) kontrollieren vielerorts das öffentliche Leben, auf militante Weise. Da 'wa Partei Zu Deutsch Partei des islamischen Rufes (Hizb al-Da'wa al-Islamiyya) Älteste schiitische Partei des Irak mit sunnitischer Unterstützung. Keine eindeutige religiöse Führung (Kazim Husseini-Ha 'eris, ehemaliges Mitglied, Muhammad Hussein Fadhallah, ehemalige Führer der Hizbullah). Fordern die Einführung von „islamischen Zuständen” im Irak SCIRI und die Badr-Brigade Supreme Council for Islamic Revolution in Iraq. Nimmt in Anspruch die Vertretung aller sunnitischen und schiitischen Muslime zu sein, und fordert die Gründung eines islamischen Staates nach iranischem Vorbild. Muhammad Baqir al-Hakim getötet, von seinem Bruder ersetzt, sorgte für inneren Zusammenhalt. Verfügen über gute finanzielle Mittel, Medienpräsenz und eine militärische Einheit (Badr-Brigade), die „verschwand” als die Besatzer die Entwaffnung des Volkes forderten. Hizbullah Antiiranische Hizbullah steht in keiner Verbindung zur libanesischen Gruppierung. Ihr Programm ist überwiegend gemäßigt, ihr Führer Abdal Karim Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 68 al-Muhammadawi, kämpfte selbst gegen Hussein und wird oft zur SCIRI gezählt. Islamische Amal Ayatollah Muhammad Taqi Modarresi (Führer), in div. Anschläge gegen Hussein verwickelt, warnt vor offener Auseinandersetzung mit den USA, würde in Bürgerkrieg enden. Eher geringerer Einfluss. Ansar al-Islam und Ahl al-Sunna wa al-Jama'a Unterstützer / Kämpfer des Islam, eher radikal-islamische Organisation aus sunnitischen Kurden. Berühmtheit durch Selbstmordattentate und vermutete Al-Qaida Beziehungen. AI jama'a ist weniger radikal als Ansar und koordiniert politische Aktionen sunnitischer Gruppen. Das Muslim Ulama Council Propagiert die Einsetzung der Sharia als oberste Rechtsnorm, ruft zum Boykott gegen die von amerikanischer Seite ausgerichteten Wahlen auf. Setzt sich nicht aktiv mit schiitischer Provokation auseinander, kritisiert aber iranische Führung wegen Sadr-Unterstützung. Aktuelle Lage im Irak: Falluja Laut westlichen Medien sunnitische Rebellenhochburg (Saddam- Getreue, Zarqawi), gegen die vor 3 Wochen eine amerikanische Großoffensive gestartet wurde, um ein „Exempel” zu statuieren. Selbst nach Ende der Großoffensive und einem militärischen Erfolg st fragwürdig wie lange der „Frieden” anhält. Denn werden in einer Stadt die Aufstände erstickt, flammen sie ein anderen Regionen wieder auf. Wahlen und Übergangsregierung Es wurde ein irakischer Verwaltungsrat eingesetzt, der im Juli 2004 von einer irakischen Übergangsregierung abgelöst wurde. Doch erste freie Wahlen scheinen schwieriger zu sein als erwartet. Auf Druck lokaler Theologen und deren Organisationen einigte man sich auf den 30. Januar 2005 um die erste irakischen Wahlen nach der amerikanischen Besetzung durchzuführen. Nicht alle sind damit zufrieden, Attentate, Beteiligungsverweigerungen und Proteste scheinen die Wahlen zu bedrohen und eine sunnitische Beteiligung fast unmöglich zu machen. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 69 13.5 Iran Referenten: Christhian Rengifo, Mag. Harald Schrefler, Jakob Walser 1 2 Einleitung .............................................................................................................. 69 Daten zum Land.................................................................................................... 69 2.1 Die alten Reiche .............................................................................................. 70 2.2 Ökonomie - einige Zahlen ............................................................................... 70 3 Der Islam - die Schiiten ........................................................................................ 70 3.1 Der Koran........................................................................................................ 70 3.2 Die Spaltung der Glaubensgemeinschaft ........................................................ 70 3.3 Religion der 12 Imame .................................................................................... 70 3.4 Die heiligen Stätten ......................................................................................... 70 4 Die Pahlawi Dynastie und Ayatollah Khomeini.................................................. 71 4.1 Reza Schah Pahlawi ....................................................................................... 71 4.2 Mohammad Reza Schah Pahlawi ................................................................... 71 4.3 Savak - der iranische Geheimdienst................................................................ 71 4.4 Ayatollah Khomeini.......................................................................................... 71 5 Die islamische Revolution ................................................................................... 72 5.1 Der Mahdi ?..................................................................................................... 72 5.2 Der Gottesstaat - die „Islamische Republik Iran“ ............................................. 72 6 The role the Ulama played in the coup d’état 1953 and the Iranian revolution 1979 ..................................................................................................... 73 6.1 Premier Mossadeq (May 1951 - August 1953) ................................................ 73 6.2 The Iranian revolution 1979............................................................................. 73 7 Staat und Religion ................................................................................................ 74 7.1 Das Verhältnis von schiitischer Geistlichkeit und Herrschaft........................... 74 7.2 Die iranische Verfassung ................................................................................ 74 8 Der Iran in den letzten zwei Jahrzehnten ........................................................... 74 8.1 Von der Revolution 1979 bis zum Tode Chomenis ......................................... 74 8.2 Die Gruppen, die seit 1979 an der politischen Willensbildung beteiligt sind.... 74 8.3 Entwicklung nach Khomeinis Tod.................................................................... 75 8.4 Die Ära Chatami .............................................................................................. 75 9 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 76 10 Politische Karte (inkl. Erdölanlagen) .................................................................. 77 Einleitung ¾ Statements der Bush-Administration:Islamische Republik Iran in der Nähe der „Schurkenstaaten“ ¾ andererseits die Verleihung des Nobelpreises an Shirin Ebadi ¾ 9/11:zusätzlich noch eine Auseinandersetzung mit Dar al-Islam (Haus des Islam) sinnvoll. ¾ Herzstück der Islamischen Republik Khomeinis ist das Prinzip der Herrschaft der Rechtsgelehrten. Daten zum Land ¾ Ethnien auch heute anerkannt, zB traditionellen Provinzbezeichnungen (z.B. Kurdistan) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 70 ¾ Die Koppelung von Staat und Religion gab es bereits im Altertum. Ardashir I (224 n.Chr.) „dass die Religion die Grundlage der Herrschaft und diese die Hüterin der Religion sei.. Die alten Reiche ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ Kyros II., der Große: achämenidisches Weltreich ( 549 - 330 v. Chr.). Darius I., dem Gr. und seinem Sohn Xerxes I.: größte Ausdehnung und Blüte. Persepolis die Gesandten der halben Welt im Stein des Terrassenaufganges Safawiden (1501 - 1732): erstmals eine schiitische Dynastie 1925 putschte Reza Khan, seit 1923 Ministerpräsident. 1936 Krönung als Reza Schah Ökonomie - einige Zahlen Einwohner (in Mio.) BSP / Kopf (in US-$) Inflationsrate (in %) Analphabetenrate (in %) Lebenserwartung (Jahre) 1970 1980 1990 2000 28,4 39,1 54,4 64,0 2.250 2.580 1.630 23,4 18,6 22,5 65 49 36 24 55 66 71 % 1980 zu 2000 + 64 % - 28 % - 4% - 51 % + 29 % ¾ Scheitern der wirtschaftlichen Ziele (sollte nicht nur der Gottesstaat gegründet werden ?). Der Islam - die Schiiten Der Koran ¾ „Er hat herabgesandt zu dir das Buch mit der Wahrheit ..,.“ (Sure 3,4) Die Spaltung der Glaubensgemeinschaft ¾ Shiat Ali („die Partei Alis“) anerkannte die ersten 3 Kalifen nach Mohammed nicht, sondern der Prophet habe Ali als Nachfolger (in den Hadiths) bestimmt. ¾ Husain, Alis jüngster Sohn, in der Schlacht von Kerbala 680 getötet. ¾ „Seit diesen bitteren Niederlagen entwickelte sich der schiitische Islam zu einer Religion der Rebellion und des Märtyrertums.“ Religion der 12 Imame ¾ Schiitische Muslime glauben an die Unfehlbarkeit ihrer religiösen Führer (Imame) auch in der Führung der Gemeinde. ¾ Weitere Trennungen: Fünfer-Schiiten (Zaidiya) und Siebener-Schiiten (Ismaeliten) ¾ „unehelicher“ Sohn des 11.Imam: al-Muhdi- übernahm die Regentschaft, verschwand ¾ 12. Imam soll als Mahdi (der Auserwählte) kommen um ein Reich der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu errichten. ¾ Bis er aber zurückkommt, wird die Gemeinschaft von den Gelehrten (ulama) gelenkt; Die heiligen Stätten ¾ Wahlfahrten zur den heiligen Stätten nehmen einen besonderen Platz bei den Schiiten ein. Qom ¾ Wesentlichstes Heiligtum: Imamzadeh Fatimahs, Tochter des 7. Imam ¾ Und von hier, der gesamtiranischen Feyziyeh (theologische Hochschule), rief Imam Khomeini am 4.6.1963 zum Sturz des Schahs auf. ¾ 1993 studierten 25000 Studenten, 2003 wird von 45000 gesprochen. Maschhad Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 71 ¾ das größte schiitische Heiligtum des Landes; das Mausoleum Imam Rezas, des 8. Imam, Kerbala ¾ In Kerbala (Irak) befindet sich das Grabmal des 3. Imam Husain. ¾ Zur Erinnerung an das Märtyrertum Husains Prozessionen (extreme Selbstgeißelungen) ¾ Dass Reza Schah diese Prozessionen 1928 verbieten ließ, vergrößerte seine Unbeliebtheit Die Pahlawi Dynastie und Ayatollah Khomeini Reza Schah Pahlawi ¾ 1925 begründete Reza Khan die Pahlawi -Dynastie ¾ Er betrachtete den Islam als etwas Nicht-Iranisches, war geprägt von der ‚arischen Kulturkraft ’. ¾ ‚Verwestlichung’ und Entislamisierung: Säkularisierung, Zurückdrängen der Religion Aufhebung der Geschlechtertrennung, Entschleierungsgesetz Neue Gesetzbücher. Schulwesen Mohammad Reza Schah Pahlawi ¾ 1941 wurde Reza Schah durch die Alliierten abgesetzt ¾ Großbritannien wurde durch die USA als Supermacht am Golf (und des Öls) ersetzt. ¾ Sein Nachfolger: Mohammad Reza Schah Pahlawi, sein Sohn, der 1941-1979 regierte. ¾ Trotz vielen Wirren und Machtkämpfen aber konsolidierte sich der Iran langsam. ¾ Gleichzeitig begab sich der Schah in volle Abhängigkeit der USA und der Briten. ¾ Politische Opposition wurde brutal verfolgt. Verschlechterung wirtschaftliche Situation der - ländlichen - Bevölkerung. Mohammad Mossadegh ¾ nur 2 Jahre amtierende, Mossadegh-Regierung, Absetzung 1953. ¾ versuchte gegen Diktatur und Ausplünderung der Ölquellen zu kämpfen. Die „Weiße Revolution“ ¾ zur Verwestlichung und Modernisierung wurde 1963 die „weiße Revolution“ beschlossen. ¾ Das agrarische Feudalsystem sollte abgeschafft, der religiöse Landbesitz unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Den Frauen wurde das aktive und passive Wahlrecht zuerkannt, das Analphabetentum sollte bekämpft werden. ¾ Kritik des Gelehrtentums, das sich seiner sozialen und kulturellen Hoheit beraubt sah ¾ Khomeini telegrafierte 1962 : „Die Ulama erklärten öffentlich, dass das Frauenwahlrecht und der Verzicht auf die Bedingungen, nur als Moslem das aktive und passive Wahlrecht ausüben zu dürfen, im Gegensatz zum Islam und zur Verfassung stehen. Wenn Sie glauben, Sie könnten den Heiligen Koran.........ersetzen, befinden Sie sich im Irrtum.“ ¾ 1967 erließ der Schah das „Gesetz zum Schutz der Familie“ ¾ „Die Revolution ging von der Moschee aus“ sagte Ayatollah Taleghani ¾ 1975 ließ sich Schah Muhammad Reza prunkvoll in Persepolis auf den Pfauenthron setzen Savak - der iranische Geheimdienst ¾ Unterdrückung der Freiheit, Missachtung der Menschenwürde durch den Savak Ayatollah Khomeini Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 72 ¾ wurde am 4.11.1964 ins Ausland verbannt.“ ¾ 1963. Khomeini forderte Re-Islamisierung und den heiligen Krieg gegen Mohammad Reza. ¾ 1971 Veröffentlichung „Die Islamische Regierung“ in der er den „Gottesstaat“ propagierte. Die Ulama (eine „wilayat -i-faqih“, einer ,Regierung der Rechtsgelehrten’) solle nun herrschen und die religiösen Gebote im Sinne Gottes durchsetzen. Die islamische Revolution Der Mahdi ? ¾ 1977 immer stärkere Protestbewegungen. Ziel: eigene Kultur, auf den Islam besinnen ¾ Khomeini forderte die Abschaffung der Monarchie, verurteilte die Ausbeutung durch das Ausland sowie die soziale Ungerechtigkeit und Armut. Von Nedschef aus ließ er Tonbänder mit seinen Reden im Iran verteilen und erreichte so die Massen. ¾ Bei den Frauen wurde der Tschador das Symbol des Widerstandes gegen die Verwestlichung. ¾ 8. September: Millionen fordern öffentlich den Sturz des Schah. Über 3000 Menschen getötet ¾ Khomeinis versprach Rede- und Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Sturz des Schah-Regimes und Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. ¾ Und gar nicht wenige hielten Khomeini für den Mahdi. Er hat diesen Mythos nie zerstört. ¾ Am 12. Jänner 1979 gründete er in Paris den „Islamischen Revolutionsrat“ ¾ Am 16. Jänner 1979 verließ Mohammad Reza Schah das Land fluchtartig Der Gottesstaat - die „Islamische Republik Iran“ ¾ Khomeini wird von Millionen bei seiner Ankunft (1.2.1979) begrüßt ¾ Revolutionsgerichte und Revolutionsgarden wurden eingerichtet ¾ Am 30. März 1979 stimmten 20 Mio. Iraner, allen voran die Frauen, für eine „Islamische Republik Iran“, nur 140.000 waren dagegen. ¾ So konnte Khomeini am 2. April 1979 zum iranischen Volk sprechen: „Den heutigen Tag erkläre ich zum 1. Tag der Regierung Allahs.“ ¾ Wahlmodus. Die Wahlzettel waren zur Hälfte grün, zur anderen rot. Die konkrete einfache Frage war, ob die Monarchie durch eine islamische Republik abgelöst werden solle. ¾ Mit 98,2% bejahten die Wähler die Frage. Es gab weder eine Verfassung noch genaue Vorstellungen eines islamischen Gottesstaates (außer vielleicht bei Khomeini selbst). ¾ Khomeini prangerte öffentlich die Unmoral der Gesellschaft an und forderte die Säuberung von westlichen Einflüssen. Islamisierung hatte Vorrang vor allen anderen Problemen. ¾ Der Revolutionsrat arbeitete eine neue Verfassung aus, die am 2. und 3. Dezember 1979 in einer Volksabstimmung angenommen wurde. ¾ Die wesentlichen Punkte dieser Verfassung: • Der Islam (Zwölfer-Schiismus) ist offizielle Religion des Landes. • Die Souveränität in der Islamischen Republik liegt bei Gott, das Volk hat sich den Anordnungen Gottes zu unterwerfen. • Der Imam fungiert als Stellvertreter Gottes und hat weltliche und religiöse Macht. • Im Art. 5 wird der religiöse Führer als höchstes und machtvollstes Amt anerkannt, der über Nationalversammlung und Staatspräsident steht .Lt Artikel 7 ist dies Ayatollah Khomeini Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 73 • ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ Als religiöse Kontrollinstanz wurde der „Wächterrat“ geschaffen, der sich aus 6 schiitischen Schriftgelehrten und 6 weltlichen Juristen zusammensetzt. Als nächstes wurde die Schari’a wieder eingeführt. Auspeitschung und Steinigung waren wieder modern. Die Verbesserungen für die Frauen wurden abgeschafft, das Heiratsalter wieder herabgesetzt und Polygamie erlaubt. Gesetze über die Verschleierung der Frauen wurden beschlossen. Über die Einhaltung der islamischen Gebote wachten Revolutionsgarden. Pasdaran (Wächter der Revolution) kämpften gegen die „Sünden“ der Kleiderordnung, wie gegen Zina, die Unzucht. Die Universitäten wurden geschlossen und erst 1984 wieder eröffnet. Eine Religionsprüfung gehörte zu den Zulassungsbedingungen. The role the Ulama played in the coup d’état 1953 and the Iranian revolution 1979 “We [The Ulama] had no direct experience of constitutionalism. But what we heard from those who had seen countries with constitutional régimes was that constitutionalism conduces to the security and prosperity of a country. So we conceived an enthusiastic interest and made arrangements for establishing a constitution in this country” Sayyd Muhammad Tabataba. 9 Premier Mossadeq (May 1951 - August 1953) ¾ The Majles (Iranian Parliament) nationalized the Anglo Iranian Oil Company (AIOC) in March 1951 and elected Mossadeq as Prime Minister (he took office in May). ¾ The goal of Mossadeq was national sovereignty: control over extraction, production, and distribution of the oil. The negotiations between Iran and the AIOC to strike a new oil deal failed: because of the importance of the AIOC for England, the British government decided to remove Mossadeq from the scene: They turned to the CIA for help. ¾ The CIA and the British brought together their assets (connections and knowledge) in Iran to prepare the coup (after the British were expelled of Iran, the CIA was completely in charge of the operation, named TRAJAX). ¾ The British had de cooperation of Ayatollah Mohammad Behbahani and Ayatollah Abul-Qassem Kashani (he was the most valuable element from the Ulama to carry out the coup). The Iranian revolution 1979 ¾ Ayatollah Khomeini leaded this revolution from his exile in Paris. There were 3 different types of Ulama before the revolution. -The apolitical Ulama: avoid politics and concentrate in spiritual concerns. -The moderate oppositional Ulama: to have channels of communication with the Shah to influence his policies. -The militant opposition: establishment of a new form of Islamic government. 9 Quoted in The Cambridge History of Iran (see Literature) Page 753. Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 74 ¾ Because of different national policies that the Shah carried out (during the 70’s) damaged the Ulama, these three groups joined forces to oppose and eventually topple the Shah. Staat und Religion Das Verhältnis von schiitischer Geistlichkeit und Herrschaft ¾ herrschaftliche Auslegung der Religion (Herrschaft des Rechtsgelehrten) durchaus umstritten ¾ Distanz der Schiiten zur Staatsmacht an sich: Außer der Herrschaft des Mahdi ist jede politische Herrschaft illegitim ¾ Spaltung der Geistlichkeit schon zur Zeit der Revolution: 1. rückwärtsgewandter Quietismus, skeptisch gegenüber der Moderne, reaktionär in Bezug auf Frauen 2. politischer Islam: Ayatholla Chomeni und Taleghani ¾ Nach der Revolution 1979 bildet sich eine dritte Strömung, die das fest gefügte Weltbild der Traditionalisten in die Wirklichkeit eines von Theologen beherrschten Staates überträgt. Die iranische Verfassung ¾ Die „Herrschaft des Rechtsgelehrten“ ¾ Der oberste Rechtsgelehrte legt 1. die Richtlinien der Politik fest 2. kontrolliert Justiz Geheimdienst, Streitkräfte, staatliche Medien, religiöse Stiftungen (diese verwalten einen Grossteil der iranischen Wirtschaft) 3. er kontrolliert den Wächterrat, der alle Wahlen beaufsichtigt, und die Verfassungstreue aller Kandidaten prüft. (So wurden beispielsweise bei den Wahlen zum Expertenrat 1998 von 396 Bewerbern 241 abgelehnt, wegen „mangelnder theologischer Qualifikation“, wobei einige der Abgelehnten zu den namhaftesten Geistlichen des Landes zählten) ¾ die Büros des Revolutionsführers sind über das ganze Land verteilt => Parallelregierung Der Iran in den letzten zwei Jahrzehnten Von der Revolution 1979 bis zum Tode Chomenis ¾ nach und nach Ausschluss aller an der Revolution beteiligten liberalen, nationalistischen oder laizistischen Gruppen ¾ Übrig bleibt die IRP (sozusagen die „Jakobiner“ die Extremsten): Islamischrepublikanische Partei. Sie stützte sich vor allem auf Teile der Geistlichkeit, ärmere, religiös geprägte Bevölkerung, sowie die kulturell und ökonomisch wichtige Welt der Basarhändler. ¾ 1987 Auflösung der Partei. Seit der Auflösung der IRP gibt es keine Parteistrukturen mehr. Die Gruppen, die seit 1979 an der politischen Willensbildung beteiligt sind Konservative (traditionelle Rechte): ¾ stand hinter Chomeni (Khomeini) bzw. seinem Nachfolger Chameni (Khameini). ¾ Geistige Orientierung an Werten der schiitischen Volksfrömmigkeit ¾ Wirtschaftliche Position: Vertritt die Interessen des Basars, skeptisch gegenüber hohen Investitionen in die Infrastruktur ¾ Innenpolitisch: autoritär-repressive Linie, islamistisch Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 75 ¾ Außenpolitisch: Pragmatisch, da sie die guten Beziehungen zum Basar nicht ruinieren will, der auf gute Beziehungen zum Ausland angewiesen ist Technokraten oder so genannte Moderne Rechte: ¾ im Westen oft die „Moderaten“ genannt ¾ hinter Ex-Präsident Rafsandschani ¾ für wirtschaftliche Öffnung, wirtschaftsliberale Ansätze: Staatseinnahmen in Industrieprojekte stecken, statt Kaufkraft der Bevölkerung und Außenhandel zu subventionieren. ¾ Der Wirtschaftsliberalismus findet allerdings keine Entsprechung im Bereich des politischen, es gibt zwar Versuche die Islamisierung zu lockern, aber auch die Ideen für politische Freiheiten halten sich in Grenzen ¾ ideologisch vertreten sie eine pragmatischere Position, sie stellen die islamische Republik nicht in Frage, hoffen aber auf industrielle Aufbauhilfe aus dem Ausland Linksislamisten ¾ Zu ihnen gehörte in den 80ern auch der heutige Präsident Chatami ¾ Lange Zeit waren sie gegen jede Öffnung gegenüber dem Westen, für den Export der Revolution, im Westen daher oft die „Radikalen“ genannt ¾ Wirtschaftlich propagieren sie einen starken Staat, teilweise sozialistische Programme ¾ Ihre Kulturpolitik war aber bereits in den 80ern wesentlich toleranter als die der übrigen Neue Linke ¾ eng mit den Konservativen verbunden ¾ Mordaufrufe gegen Rushdie und andere ¾ Radikalislamisten . Entwicklung nach Khomeinis Tod ¾ Khomeini (Chomeni) war eine charismatische Führerfigur, er verstand es, geschickt die Machtbalance zwischen den vier Gruppen auszutarieren ¾ Nach dem Tod Chomenis schlossen sich Konservative und Technokraten zusammen, um die Linksislamisten aus den Machtzentren zu verdrängen, ¾ In der Folge verloren die Technokraten allerdings mehr und mehr an Einfluss, der Erfolg ihrer langfristig angelegten Wirtschaftspolitik blieb aus, die Konservativen konnten ihre Macht ausbauen und radikalisierten sich. ¾ Folglich entstand ein neues Bündnis zwischen Technokraten und Linksislamisten, beide verband die Angst vor einem konservativen Machtmonopol. Bei den Präsidentschaftswahlen 1997 siegte der Kandidat dieses Bündnisses, Sejjed Mohammad Chatami. Die Ära Chatami ¾ ¾ ¾ ¾ Probleme der politischen Liberalisierung, Machtlosigkeit des Präsidenten Studentenproteste Widerstand der Konservativen stillschweigende Säkularisation im Gottesstaat? ‚Dar al-Islam - Dar al-salam’ Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 76 Khomeini, Khameini 10 Literaturverzeichnis AUTOR, Vorname: Titel. Untertitel. Auflage. In: Band. Jahr. Seite. Ort Jahr. (url (Datum)) ABRAHAMIAN, Ervand: ABRAHAMIAN, Ervand: Iran: Between two revolutions. New Jersey: Princeton University Press, 1982. Summer 2001. AVERY,Peter / HAMBLY, Gavin / MELVILLE, Charles Eds. : BILL James A. / LOUIS, W.M. Rogers Eds.: BUCHTA, Wilfried: FAGHFOORY, Mohammad H.: “The 1953 Coup in Iran” (article), in Science and Society, vol. 65, no. 2, Summer 2001. The Cambridge History of Iran, Volume 7. Mussadiq, Iranian nationalism, and oil. Schiiten. “The Ulama-State relations in Iran: 1921-1941”.(article), in the International Journal of Middle East Studies, vol. 19, no. 4, November 1987. FISCHER: Weltalmanach 2003. CD. FISCHER-BARNICOL, Die Islamische Revolution. Hans : Die Krise einer religiösen Kultur als politisches Problem. FLOOR,Willem M.: “The revolutionary Character of the Ulama: Wishful thinking or Reality?” (article), in the International Journal of Middle East Studies, vol. 12, no. 4, December 1980. FOSTER, John Editor. A century of revolutions. Cambridge: Cambridge University Press, 1991. Great Britain 1988. München 2004. 4, November 1987. Frankfurt 2002. Stuttgart 19804, December 1980. United States: University of Minnesota Press, 1994. 3, August 1987. GASIOROWSKI, Mark “The 1953 Coup D’état in Iran” J.: (article), in the International Journal of Middle East Studies, vol. 19, no 3, August 1987. 1, February 1983. HANSON,Brad : “The “Westoxication” of Iran: Depictions and Reactions of Behrangi, al-e Ahmad, and Shariati.” (article), in the International Journal 10 www.angelfire.com (1.12.2004) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 77 of Middle East Studies, vol. 15, no. 1, February 1983. HASHEMI, Kazem/ Verfolgung durch den Gottesstaat 1998. ADINEH, Javad: Menschen und ihre Rechte im Islam. www.proasyl.de/li/iran 1.11.2004 HOLBERG, A.: 20 Jahre iranische Revolution. 1999. www.pda.ch/vorwaerts/(1.11.2004) KEDDIE, Nikki: Modern Iran: Roots and results of Yale University Press, 2003. revolution. (United States of America: Yale University Press, 2003). KERMANI, Navid: Iran. Die Revolution der Kinder. München 2001. KHOSROZADEH, Die verpasste Chance. Göttingen 2003. Behrouz: erhard-arendt.de/ IRAN1.11.2004 RASHAD, Mahmoud: Iran. Köln 2002. RINSER, Luise: Khomeini und der Islamische Percha 1979. Gottesstaat. SCHULZE, Reinhard: Geschichte der islamischen Welt München 2002. im 20. Jhdt. TIBI, Bassam: Die fundamentalistische München 2002. 3.Auflage. Herausforderung. Der Islam und die Weltpolitik. TIBI, Bassam: Fundamentalismus im Islam. Darmstadt 2000. Eine Gefahr für den Weltfrieden ? WINKLER, Kirsten: Iran. Bielefeld 2001. ZENDEHDEL, Hassan: Iran Gardan Publication. CD 2001. Teheran 2001. Politische Karte (inkl. Erdölanlagen) Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 78 13.6 Türkei Referenten: Yakup Sahin, 0226174 Mehmet Yazgi, 0250629 Hüseyin Bolat, 0307272 Arnel Ahmovic, Kurze Einführung in die Geschichte der Republik Nach dem 1.Weltkrieg wurde die Türkei durch die Alliierten und Griechenland besetzt. Es folgte der Befreiungskampf der Türken unter der Führung von Mustafa Kemal. Am 29.Oktober 1923 wurde die Republik ausgerufen und Atatürk wurde der erste Präsident. Im laufe seiner Amtszeit führte Atatürk tiefgreifende Reformen im politischem und gesellschaftlichen System durch, die die Türkei in einen modernen, säkularen, weltlichen und am Westen orientierten Staat verwandelten. Zu den Parteien CHP (Cumhuriyet Halk Partisi) — DP (Demokrat Partisi) — Republikanische Volks Partei 1923 Demokratische Partei 1946 (Beginn des Mehrparteiensystems) Der politische Islam in der Türkei Bei der Entwicklung des politischen Islams in der Türkei unterscheiden man vier Hauptphasen. Die erste Phase fällt in die Periode der Einparteienherrschaft. Um den Laizismus in der neu gegründeten Republik durchzusetzen, wurden Verbote im Hinblick auf die Ausübung des Glaubens ausgesprochen, wodurch der Islam teilweise institutionalisiert worden ist. Der sich nicht in das System integrierende Teil der islamischen Bewegung wurde damit in den Untergrund gedrängt. Mit den 50er Jahren beginnt für den politischen Islam in der Türkei eine neue Periode. Die strenge Anwendung des Laizismusprinzips während der Einparteienherrschaft hat mit der Machtübernahme der rechts-konservativen DP (Demokratische Partei) bzw. mit dem Übergang zum Mehrparteiensystem aufgelockert worden. In diesen Jahren haben die Islamisten sich in den rechten Regierungsparteien wie DP und später in der AP (Gerechtigkeitspartei) organisiert. Die 70er Jahre stellen für den politischen Islam auch einen wichtige Wendepunkt dar. Mit der Gründung der " Milli Nizam Partisi" und (MNP- Partei der Nationalen Ordnung) und später der "Milli Selamet Partisi" (MSP- Nationale Heilspartei) haben sie zum ersten Mal unabhängig von anderen Parteien auf der politischen Bühne ihren Platz eingenommen. Sie wurde vom türkischen Staat als politische Kraft nicht ernst genommen. ERBAKAN Necmettin und „seine” Parteien Der türkische Politiker Necmettin Erbakan wurde 1926 in Sinop an der Schwarzmeerküste geboren. Er besuchte das deutschsprachige Gymnasium, Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 79 studierte Maschinenbau zunächst in Istanbul, dann an der Technischen Universität Aachen, wo er auch promovierte. Anschließend war er als Ingenieur beim Maschinenbauunternehmen Deutz tätig und dort an der Entwicklung des LeopardPanzers beteiligt. Seine politische Laufbahn begann 1969, als er als Parteiloser in die türkische Nationalversammlung gewählt wurde. Im Jahr darauf gründete er die 'Partei der Nationalen Ordnung' ('Milli Nizam Partisi'), die sich im Spektrum der türkischen religiösen Rechten verortete. Diese Partei wurde jedoch bereits 1971 im Zuge eines Eingriffs des Militärs in die türkische Politik unter dem Vorwurf, die Restauration einer theokratischen Ordnung anzustreben, wieder verboten. Erbakan gründete ab 1972 die 'Partei des Nationalen Heils' (MSP, 'Milli Selamet Partisi'). Diese erklärte die von Erbakan entwickelte 'Milli Görüs' ('Nationale Sicht/Perspektive') zu ihrer offiziellen Ideologie. 1974 war Erbakans Partei gemeinsam mit der mitte-links orientierten 'Republikanischen Volkspartei' von Bülent Ecevit erstmals an einer Koalitionsregierung beteiligt, Erbakan wurde stellvertretender Ministerpräsident. Es folgten weitere Koalitionen 1975-1977 und 1977/78. Am 12. September 1980 putschte das türkische Militär, verbot alle bis dahin vorhandenen Parteien, inhaftierte die führenden Politiker und belegte sie mit einem Politikverbot. Erst nach einer Volksabstimmung 1987 konnten die "alten Politiker", darunter Erbakan, wieder in die Politik zurückkehren. Erbakan wurde Vorsitzender der 'Wohlfahrtspartei' (RP, 'Refah Partisi'), die den islamistischen Kurs der MSP fortsetzte und der Ideologie von 'Mini Görüs' verhaftet blieb. Nach großen Erfolgen in den Kommunalwahlen 1994 ging die RP als stärkste Fraktion aus den Parlamentswahlen 1995 hervor. Die RP bildete eine Koalition mit der DYP ('Partei des Rechten Weges') und Erbakan konnte das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen. Nach eineinhalb Jahren trat Erbakan als Ministerpräsident zurück, da der Druck seitens des Militärs zu hoch wurde. Im Jahre 1998 wurde die RP durch die Staatsanwaltschaft geschlossen und Erbakan wurde wieder verboten sich politisch zu betätigen. Die RP wurde ab 2000 als Tugendpartei (Fazilet Partisi) und später als Glückseligkeitspartei (Saadet Partisi) wieder gegründet. Der Reformflügel unter Recep Tayyip Erdogan spaltete sich von der Fazilet Partei und gründete die 'Gerechtigkeits- und Aufschwungpartei' (AKP) und verlässt seitdem mehr und mehr die ideologische Linie von Milli Görüs. AKP — Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung Recep Tayyip Erdogan Erdogan gründete mit Abgeordneten von verschiedenen Parteien am 14. August 2001 die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP, Adalet ve Kalkinma Partisi). Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 80 Die interne Spaltung in der Tugendpartei (FP, Fazilet Partisi) war nicht religiös begründet, sondern rein (sozial)politisch. Erdogan und seine Kollegen offerierten wenig rhetorisches Geplänkel, überzeugten aber mit Aspekten wie der Stärkung der demokratischen Werte und der Achtung der Menschenrechte. Die Partei sollte vor allem ein konservatives Sammelbecken demokratischer Muslime werden. Zum Vorsitzenden wurde Erdogan gewählt, Gül wurde sein Vize. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten rund fünfzig ehemalige Abgeordnete der Tugendpartei (FP, Erbakan) die im Juni 2001 wie erwartet vom Verfassungsgericht verboten worden war. In der Zeit einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, die tausende Arbeitsplätze bedrohte und zur Verarmung von Millionen von Türken führte, war dies eng mit großen Erwartungen verknüpft. Die Medien und die Politiker waren überzeugt, dass der charismatische Altbürgermeister von Istanbul eher früher als später zum Ministerpräsident gewählt werden würde. Bei den Wahlen im Jahre 2002 erreichte die AKP 34,28 % der Stimmen und gründete eine Einparteienregierung. 14 THEMATISCHE REFERATE 14.1 Politischer Islam in Europa Länderbeispiele: Deutschland, Schweiz und Österreich Von:Astrid Hanisch, Can Enver, Daniel Binder, Hubert Lazelsberger, Erik Fürst 1. Einleitung 1.1. Definitionen, Begriffsklärung, Aufbau Islamischer Fundamentalismus & Islamismus, Jihadismus und Politischer Islam 1.2. politische Bedeutung des Islam div. Migrationsdebatten, NoGlobals 1.3. Begriffliche Differenzierungen – Spezifikation der Akteure und ihrer Policies Religion - Politik; innner-/ außermuslimisch; Integration - Distinktion 2. Akteure des Politischen Islam in Österreich und der Schweiz 2.1. Allgemeines Historischer Abriss Verfassungsschutzberichte über Politischen Islam in Österreich 2.2. Außermuslimische Aktivitäten: Schwerpunkt Politik – Soligruppen – Rezeption 2.3. Innermuslimische Aktivitäten: Schwerpunkt Religion – Integration, Assimilation und Distinktion – Parallelgesellschaft und Multikulturalismus Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 81 2.3.1. IGGIÖ Anas Schakfeh (offizieller Sprecher der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Österreich) 2.3.2. autonome Glaubenszentren – Assimilation, Distinktion 3. Nichtmuslimische Deutschlands Rezeption des Politischen Islam am Beispiel 3.1. Wahrnehmung islamischer Lebenswelten in der Mehrheitsgesellschaft Innerhalb der deutschen Gesellschaft Als global verstandenes Politikum 3.2. Staatliche Repressionsinstrumente nach dem 9.11. Antiterrorpaket II 3.3. Die radikale Linke verkürzte Kapitalismuskritik und Antisemitismus die neue Linke auf dem Weg in die Globalisierungskritik 3.4. Querfrontstrategien von ganz rechts Antisemitismus und Antiamerikanismus als Schnittstelle zum "politischen Islam" 4. Quellen Internet: www.swr.de/report/archiv/sendungen/030721/04/index.html www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=s911&id=376070 www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=5&kat=39&artikelid=798 www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=13&kat=13&artikelid=793 www.zeit.de/2003/51/Islamophobie www.diepresse.com/textversion_article.aspx?id=422391 weimarinstitut.net/modules.php?name=News www.derislam.at Gespräche mit: Herr Dr. Hamidi, Stellvertretender Vorsitzender des Obersten Rates Herr Polak, sunnitisches Zentrum RIDVAN cami, Dresdnerstrasse 51 Herr Bayar, schiitisches Zentrum in der Hasnerstrasse 137 Sekretär im schiitischen Zentrum Imam Ali, Mollardgasse 50 Broschüren aus dem Imam Ali Zentrum: Kurzer Überblick über die Aktivitäten des Islamischen Zentrums Imam Ali – Wien, Islam, Wie ist er wirklich: A.H. Moezi Grundsätze des Islam: Dr. S. M. H. Beheschti Zeitschriften: Der Spiegel 26/2004 Der Spiegel 40/2003 Verfassungsschutzberichte: 2003, 2002, 2001 www.bmi.gv.at Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 82 15 DISKUSSIONEN 15.1 Diskussion mit dem Sprecher von SCIRI (Hoher Rat des islamischen Widerstands des Irak) in Österreich (22.10.2004) ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ Politik und Religion gemeinsam gewachsen Prophet hatte auch poltische Führung und die Leitung über die ‚Ministerien’ 671 Spaltung Sunniten - Schiiten (Tod des 4.Kalif) Gegenüber dem Kalifen durfte keine Kritik geübt werden ca 18. Jhdt neue Ideen im Islam: die falsche Führung ist zu bekämpfen, es ist Widerstand zu leisten 1920 Niederschlagung einer schiitischen Revolution durch die Engländer 1950 wieder schiitischer Widerstand Gründung SCIRI Bayir al-Sadr als Leitfigur 11 The Supreme Council for the Islamic Revolution in Iraq (SCIRI), is headed by Ayatollah Mohamad Baqir Al Hakim the son of the late Grand Ayatollah Muhsin Al Hakim who was the spiritual leader of the Shia in the world for the period 1955-1970. SCIRI consist of a general assembly of 70 members which represent deferent Islamic movements and scholars. The general assembly elects a central committee of 11 members. This committee is considered the supreme body of SCIRI. It is in charge of the following units: • • • • • • Military. International Relations. Publicity. Information and Investigation. Social Services. Administration and Finance. SCIRI has secret cells all over Iraq which are involved in gathering information, media work and military activities. SCIRI has also main offices in London (headed by Dr. Hamid Al Bayati), Damascus, Geneva and Vienna. The head office of SCIRI is based in Iran among the largest Iraqi community outside Iraq temperarely estimated at one million Iraqis. SCIRI has main offices in different parts of the liberated areas of Iraqi Kurdistan. SCIRI commands military forces called Badr Corps. This started as a brigade and developed into a division and then into a corps. The Badr Corps consist of thousands of former Iraqi officers and soldiers who defected from the Iraqi army, Iraqi refugees, and Iraqis who fled the country and join SCIRI. SCIRI has good relations with all the neighboring countries around Iraq. Ayatollah Al Hakim has visited Kuwait several times and has been received by Amir of Kuwait, 11 www.sciri.org 25.11.2004 Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 83 Crown Prince and many other officials. He has visited Saudi Arabia many times and has been received by King Fahd, Crown Prince Abdula and other high ranking officials. He has visited Syria and been received by President Hafuz Al Asad several times. He met also Sulaiman Demeriel the president of Turkey. He has met high officials in Iran several times such as Ayatollah Ali Khameneie, Shaikh Rafsanjani and president Khatami. On his resent visit to Lebanon president Ameel Lahoud received Ayatollah Al-Hakim who met also the prime minister and several Lebanese Ministers. He met the previous UN General Secretary Javier Peres De Cullar. Ayatollah Al Hakim has received in Tehran most of the Ambassadors of the countries in the world. Ayatollah Al Hakim has an historical and warm relation with the Kurdish Movements in Iraq since his father gave a religious decree (Fatwa) which forbade the Iraqi army from fighting against the Kurds in Iraq. A mutual agreement as been signed by SCIRI with the Patriotic Union of Kurdistan (PUK) headed by Jalal Talabani to work against Saddam's regime. A similar agreement was signed with the Kurdish Democratic Party (KDP) headed by Masood Barzani several years ago. Ayatollah Al Hakim has strong relation with other ethnic and religious minorities in Iraq such as Turcomans, Assyrians, and all Christian groups. He participated in Christmas and Easter celebrations of the Iraqis Christians in Iran. His relations with the late religious leader of the Iraqi Assyrian Community Zaya Baboo was unique as they worked together to fight against the dictator of Iraq and the tyrannical regime of Bath Party. They traveled together to Geneva and met UN General Security. SCIRI has participated in all Iraqi opposition conferences such as the Beirut conference in 1990 and Salahudin in north of Iraq in 1992. It was a part of all umbrella organization for Iraqi Opposition groups such as the Joint Action Committee and the Iraqi National Congress (INC). Politischer Islam Schmidinger WS 2004 / 2005 Version 09.09.2005 Seite 84 Irak 12 Im 1. Weltkrieg besetzten britische Truppen gegen den Widerstand türkischer und deutscher Truppen das Land; 1921 wurde es britisches Mandatsgebiet. Durch den Vertrag vom 30. 6. 1930 wurde Irak nominell selbständig, doch blieb die britische Oberhoheit bestehen. Auf Faisal I. folgte 1933–1939 sein Sohn Ghasi I., diesem folgte der noch minderjährige Faisal II., bis 1953 unter der Vormundschaft seines Onkels Abd Al Ilah. Die englandfreundliche Regierung Nuri As Saids wurde 1952 gestürzt; 1954 kam Nuri As Said erneut zur Macht und löste die Parteien auf. 1955 erhielt Irak die volle Souveränität. Ein Beistandspakt (im Rahmen des BagdadPakts) gab Großbritannien das Recht, Militärstützpunkte zu unterhalten. In der Revolution von 1958 kamen der König, der Kronprinz und der Ministerpräsident Nuri As Said ums Leben. Die unter General Abd Al Karim Kassem gebildete Regierung schloss 1958 einen Beistandspakt mit der Vereinigten Arabischen Republik (VAR), trat 1959 aus dem Bagdad-Pakt aus und bezog Militärund Wirtschaftshilfe aus der Sowjetunion. 1960 wurde eine beschränkte Betätigung der politischen Parteien zugelassen. Im Frühjahr 1961 versuchten die Kurden, ihre Forderung nach Autonomie mit einem Aufstand durchzusetzen, der sich zu einem für die irakische Armee wenig erfolgreichen Kleinkrieg auswuchs. Ein Offiziersputsch machte A. As Salam Aref 1963 (bis 1966) zum Staatspräsidenten. Die neue Regierung unter seinem Bruder Abd Ar Rahman Aref (1966–1968) bemühte sich um engere Zusammenarbeit mit Syrien und Ägypten. 1968–1979 war H. Al Bakr Staatspräsident, der eine besonders israelfeindliche Politik einschlug. Die (nichtarabischen) Kurden forderten Autonomie innerhalb Iraks und unternahmen mehrmals Aufstände; 1975 wurden sie niedergeworfen. Im gleichen Jahr schloss Irak mit Iran ein Abkommen über die bis dahin strittige Grenzregelung am Shatt Al Arab. Nach der iranischen Revolution von 1979 verschlechterten sich die Beziehungen wieder. 1980 erklärte Präsident S. Hussein (seit 1979) den Vertrag für ungültig und griff Iran militärisch an. Daraus entwickelte sich der (1.) Golfkrieg , der erst am 20. 8. 1988 mit einem Waffenstillstand beendet wurde. 1990 annektierte Irak Kuwait. Daraufhin verhängte die UNO Wirtschaftssanktionen gegen Irak. Die USA und andere Länder entsandten Truppen in das Krisengebiet. Am 17. 1. 1991 begann die militärische Auseinandersetzung (2. Golfkrieg ), die am 28. 2. 1991 mit einer völligen irakischen Niederlage endete. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes verstärkten sich durch die anhaltenden Sanktionen der UNO dramatisch. Trotzdem gelang es Saddam Hussein, jegliche Opposition zu unterdrücken und seine Machtstellung zu behaupten. Die Alliierten führten deshalb mehrmals begrenzte Militärschläge gegen irakische Ziele durch. Saddam Hussein ließ sich 1995 per Referendum für weitere 7 Jahre in seinem Amt als Staatspräsident bestätigen. In der Folgezeit kam es wiederholt zu Spannungen mit den USA, da das irakische Regime nach wie vor die Arbeit der UNO-Inspektoren behinderte. Im Dezember 1998 führten US-amerikanische und britische Streitkräfte massive Luftangriffe gegen militärische und logistische Ziele im Irak durch, um die Erfüllung der UNO-Resolutionen zu erzwingen. 12 Großes Bertelsmann Lexikon 2003 CD