3. Winkelsätze und der Kongruenzsatz (WWS).

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3. Winkelsätze und der Kongruenzsatz (WWS).
Nachdem wir die beiden ersten Kongruenzsätze bewiesen haben, kommen wir zum Dritten
Kongruenzsatz (WWS). Er ist der am schwersten zu beweisende. Um ihn zu beweisen,
müssen wir erst eine Kollektion von Konstruktionen und Sätzen über Winkeln bereitstellen.
1. Winkel Grundkonstruktionen
Aufgabe [Euklid I §9] Man halbiere einen gegebenen geradlinigen Winkel
6
BAC.
A
D
B
E
F
C
Lösung.
Man wähle einen Punkt D auf AB beliebig.
Man trage AE = AD auf AC ab und ziehe DE [Euklid I §3], (Post. 1).
Man errichte über DE das gleichseitige Dreieck ∆DEF [Euklid I §1].
Man ziehe AF .
Dann ist
AD = AE, DF = EF und AF = AF
und so
6
DAF = 6 EAF
nach dem Kongruenzsatz (SWS) [Euklid I §8] ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§3 Kongruenzsätze
41
Aufgabe [Euklid I §10] Eine gegebene Strecke AB zu halbieren.
C
A
D
B
Lösung.
Man errichte über AB das gleichseitige Dreieck ∆ABC [Euklid §1].
Man halbiere 6 ACB durch die gerade Linie CD. [Euklid I §8]
Dann ist [Euklid I §4]
AC = CB, CD = CD und 6 ACD = 6 BCD
und so AD = BD nach dem Kongruenzsatze (SWS) [Euklid I §4]. ♦
Aufgabe. [Euklid I §11] Sei AB eine Gerade und C ein Punkt auf ihr.
Man errichte eine Strecke AC, senkrecht zu AB.
F
A
D
C
E
B
Lösung.
Man wähle auf der Strecke AC einen Punkt D beliebig.
Man trage CE = CD ab.
Man errichte über DE das gleichseitige Dreieck ∆F DE [Euklid I §1]
Man ziehe F C.
Dann haben ∆DCF und ∆F CE paarweise gleiche Seiten. Also ist [Euklid I §8]
6
DCF = 6 ECF
und so (Def. 10).
6
DCF,
6
F CE = R ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
42
. Geometrie (L2)
1. Winkel Sätze
Wir beweisen ein paar Winkelsätze. Der interessanteste ist vielleicht [Euklid I §16]. Ihn
werden wir wesentlich benutzen, um den Dritten Kongruenzsatz sowie die Existenz von
Parallelen (nächste Vorlesung) zu beweisen.
Satz. [Euklid I §13] Wenn eine gerade Linie AB, auf eine gerade Linie CD gestellt,
die Winkel 6 CBA, 6 ABD bildet. Dann gilt
6
Ist
6
CBA + 6 ABD = 2R.
CBA = 6 ABD, dann sind beide Winkel rechte Winkel (Def. 10)
A
E
B
D
Beweis. Sei
6
C
CBA 6= 6 ABD.
Man ziehe BE, senkrecht auf CD [Euklid §11].
Dann ist
6 CBE = R und 6 EBD = R.
Weiter ist
6
CBE = 6 CBA + 6 ABE
und so
CBE + 6 EBD = 6 CBA + 6 ABE + 6 EBD
6
Ebenso ist
6
DBA = 6 DBE + 6 EBA
und so
6
DBA + 6 ABC = 6 DBE + 6 EBA + 6 ABC
Also
2R = 6 CBE + 6 EBD = 6 DBA + 6 ABC ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§3 Kongruenzsätze
43
Satz. [Euklid I §15] (Gleichheit von Scheitelwinkel) Seien AB, CD zwei Geraden, die
sich im Punkt C schneiden.
Dann ist
6
CEA = 6 DEB.
A
C
E
D
B
Beweis.
Die gerade Linie AE steht auf der geraden Linie DC und bildet die Winkel
und 6 AED.
Dann ist [Euklid §13]
6 CEA + 6 AED = 2R.
6
CEA
Ebenso
6
AED + 6 DEB = 2R.
Also
6
CEA + 6 AED = 6 AED + 6 DEB
und so
6
CEA = 6 DEB.
Damit ist der Satz bewiesen. ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
44
. Geometrie (L2)
Satz. [Euklid I §16] Sei ∆ABC ein Dreieck und sei CD eine geradlinige Verlängerung
der Seite BC.
Dann ist
6
ACD > 6 CBA,
6
BAC
A
F
E
D
B
C
Beweis.
G
Man halbiere AC in E [Euklid I §10],
Man ziehe BE und verlängere es geradlinig (Post 2) nach F mit EF = BE [Euklid
I §3].
Man verbinde (Post. 1) den Punkt F mit C.
Dann ist
AE = CE und EB = EF.
Ferner ist
AEB = 6 F EC,
6
als Scheitelwinkel [Euklid I §15].
Also sind (nach Kongruenzsatz SWS [Euklid I §4]) die Dreiecke ∆ABE und ∆F EC
kongruent.
Insbesondere ist
AB = F C,
6
BAE = 6 ECF und
6
ABE = 6 EF C.
Aber nach (Ax. 8) ist
ECD > 6 ECF.
6
Also ist
6
ACD = 6 ECD > 6 ECF = 6 BAE = 6 BAC.
Entsprechend beweist man
6
ACD > 6 CBA
(indem man die Strecke BC halbiert). ♦
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
§3 Kongruenzsätze
45
2. Der Dritte Kongruenzsatz (WWS)
Dritter Kongruenzsatz. [Euklid I §26] Wenn in zwei Dreiecken ∆ABC, ∆DEF
gilt, dass
6 ABC = 6 DEF, 6 BCA = 6 EF D
und BC = EF oder AB = DE.
Dann ist
BC = EF, AB = DE, AC = DF und
D
6
BAC = 6 EDF.
A
G
E
F
B
H
C
Beweis.
1. Fall. Es gelte zusätzlich BC = EF .
Angenommen AB > DE.
Dann trage man BG = DE ab und ziehe GC.
Es folgt
BG = DE und BC = EF,
da BG = DE und BC = EF .
Ferner ist
GBC = 6 DEF
6
Also
GC = DF
und so [Euklid I §4]
∆GBC = ∆DEF und insbesondere
6
GCB = 6 DF E
Nach Voraussetzung ist aber
DF E = 6 BCA
6
Also wäre auch
6
BCG = BCA,
der kleinere dem größeren (Ax. 8).
Dies aber ist unmöglich.
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
46
. Geometrie (L2)
Also ist
AB = DE.
Aber auch
BC = EF.
Mithin gilt
AB = DE, BC = EF und 6 ABC = 6 DEF.
Also ist [Euklid I §4]
AC = DF und 6 BAC = 6 EDF
Dies beweist den Satz im 1. Fall.
2. Fall. Es gelte zusätzlich AB = DE.
Angenommen BC 6= EF .
Dann wäre etwa BC > EF .
Dann trage man BH = EF ab und ziehe AH.
Da hier BH = EF und AB = DE, so wären zwei Seiten AB, BH zwei Seiten DE, EF
entsprechend gleich; auch umfaßten sie gleiche Winkel; also wäre [Euklid I §4]
AH = DF, ∆ABH = ∆DEF und 6 BHA = 6 EF D.
Aber
6
EF D = 6 BCA
Mithin wären am Dreieck ∆AHC der Außenwinkel 6 BHA dem gegenüberliegenden
Innenwinkel 6 BCA gleich; dies ist aber unmöglich [Euklid I §16].
Also ist
BC = EF.
Aber auch
AB = DE.
Mithin sind zwei Seiten AB, BC zwei Seiten DE, EF entsprechend gleich; auch umfassen
sie gleiche Winkel.
Also ist [Euklid I §4]
AC = DF, ∆ABC = ∆DEF und 6 BAC = 6 EDF
Dies beweist den Satz im 2. Fall. ♦
Literatur.
Euklid, Die Elemente
Klaus Johannson, Geometrie (L2)
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