Marketing 23 Vorteilsprogramme bieten eine Möglichkeit zur Intensivierung der Geschäftsbeziehung und zur Steigerung von Cross-Selling-Erfolgen. DSV Sparkassen-Bilderwelt VORTEILSPROGRAMME Aufwertung des Premiumkontos Im Privatgirogeschäft bietet ein Vorteilsprogramm als ­Aufwertung des Premiumkontos eine intelligente Vertriebs-, Cross-Selling- und Kommunikations-Plattform. Ausgangssituation: Intensiver Preiswettbewerb im Girogeschäft Der deutsche Retailmarkt ist einer der wettbewerbintensivsten Bankmärkte Europas. Das Marktumfeld ist bei hoher Preis-/Leistungstransparenz und weit­ gehend homogenen Produkten durch preisaggressive Anbieter und zuneh­ mend preissensitive und gleichzeitig qualitätsbewusste Bankkunden gekenn­ zeichnet. Diese bereits seit ca. fünf Jahren an­ dauernde Entwicklung betrifft vor allem Sparkassen als Marktführer im Retail­ geschäft. Im Mittelpunkt der Auseinan­ dersetzung am Markt steht oft das Pri­ vatgirokonto, das als Ankerprodukt einer Kundenbeziehung Hauptangriffs­ punkt für Wettbewerber ist. So werben neben Direktbanken mitt­ lerweile auch Filialbanken mit soge­ nannten „kostenlosen“ Girokonten um die Kunden der Sparkassen. Neben ­gebührenfreien Girokonten, die bereits ­einen Marktanteil von ca. 30 Prozent 1 haben, werden auch zunehmend Zu­ satzleistungen wie kostenlose Kredit­ karten, Guthabenverzinsung, kosten­ lose Dispositionskredite etc. angeboten. Girokonten sind aus Sicht der Kunden „Low-Involvement-Produkte“ und werden zunehmend als Commodities betrachtet, mit entsprechender Aus­ wirkung auf die Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität. Dies schränkt grundsätzlich den Spielraum für eine ver­haltenswirksame Optimierung der ­Girokontoangebote der Sparkassen au­ ßerhalb reiner Preissenkungen spürbar ein. Gleichzeitig hat das Privatgirokonto für Sparkassen hohe betriebswirtschaft­ liche Bedeutung. So stammen in der Re­ gel über 30 Prozent der Provisionserträ­ ge aus dem Girogeschäft. Vor diesem Hintergrund stellen sich vor allem für Sparkassen in wettbe­ werbsintensiven oft urban geprägten Geschäftsgebieten folgende Fragen: Wie kann die Attraktivität von Girokonten gesteigert werden, ohne durch Preissen­ kungen signifikante Ertragseinbußen hinnehmen zu müssen? Wie können ­ertragsstarke bzw. potenzialträchtige Kunden nachhaltig in höherpreisigen Premiumkonten gebunden werden? Wie können diese Kunden auf Basis der Kon­ tobeziehung systematisch durchdrun­ gen werden? Das DSGV-Projekt „Ausbau Kernkom­ petenz Konto“ hat hierzu bereits Hand­ lungsoptionen erarbeitet, unter ande­ rem auch eine kundengruppen- bzw. produktnutzungsabhängige Bepreisung von Girokonten. Ein in diesem Zusammenhang grund­ sätzlich interessanter Lösungsansatz könnte die Aufwertung und Weiterent­ wicklung des Girokontos zu einer Ver­ triebsund Cross-Selling-Plattform durch ein sog. „Vorteilsprogramm“ sein. Aufwertung des Premiumkontos durch ein Vorteilsprogramm Ein „Vorteilsprogramm“ ist ein Kunden­ bindungsprogramm, eine Mischung aus Bonus-/Rabatt-/Cash-Back-Programm, das wie folgt funktioniert: > Der Inhaber eines Premiumkontos er­ hält von der Sparkasse beim Kauf (margenstarker) Finanzprodukte aus einer vordefinierten Produktpalette ein Incentive in Form einer direkten Geldprämie, je nach Produkt als (Zins)-Bonus oder (Zins/Gebühren)Rabatt ausgestaltet. Abb. 1: Grundlogik des Vorteilsprogramms: Monetäre Incentivierung wertstiftender ­Verhaltensweisen. S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9 >> 24 Marketing > Die Höhe des Incentives hängt von der realisierbaren Produktmarge ab und kann zusätzlich eine Treuekompo­ nente enthalten (vgl. Abb. 1). Das (monetäre) Vorteilsprogramm un­ terscheidet sich von anderen, meist nicht-monetären kontobasierten Mehr­ wert- und Punkteprogrammen: > Das Vorteilsprogramm incentiviert neben Bankleistungen weitere zen­ trale Werttreiber wie Weiterempfeh­ lungsbereitschaft. > Die Incentivierung in Form einer di­ rekten Zahlung an den Kontoinhaber ist im Gegensatz zu bankfernen Mehr­ wertleistungen 2 für den Begünstig­ten direkt rechenbar und damit unmittel­ bar verhaltensrelevant. > Da eine Zahlung erst bei dem (incenti­ vierten) Verhalten (Kauf eines Ziel­ produkts) erfolgt, entsteht eine für beide Partner transparente und über­ zeugende Win-Win-Situation. Dies ist nicht nur wirtschaftlich für die Spar­ kasse, sondern auch psychologisch für den Kunden wichtig. Dieser emp­ findet sich als Partner der Sparkasse; das oft bei „geschenkten“ Prämien empfundene Misstrauen entsteht nicht. Wie bei anderen Mehrwertkontopro­ grammen (z. B. Haspa Joker) ist das Vor­ teilsprogramm als ein kostenloser Leis­ tungsbaustein fest mit dem Girokonto verknüpft. Die Nutzung ist ausschließ­ lich den Kontoinhabern vorbehalten. Vorteile des Vorteilsprogramms aus Sicht der Sparkasse 1. Verbesserung des Preis-/Leis­ tungsverhältnisses bzw. der Attraktivität des Premium-Kontos Das Vorteilsprogramm als Leistungs­ bestandteil des Premiumkontos stellt für Kontoinhaber quasi eine kostenlose Option dar. Der bei Ausübung Abb. 2: Vertriebsintensivierung durch das Vorteilsprogramm. Abb. 3: Aktuelle Marktstudie einer großen Sparkasse zum Vorteilsprogramm. S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9 durch Kauf eines Zielprodukts durch den Kunden „verdiente“ wirtschaft­ liche Vorteil verbessert fühlbar Preis-/Leistungsverhältnis bzw. At­ traktivität des Kontos. Gleichzeitig erzeugt das Vorteilspro­ gramm einen systematischen Pull-Effekt auf die incentivierten Produkte („einen kostenlosen Vorteil lässt man nicht einfach verfallen“). Dieser ist von der Programmgestaltung, vor allem der Auswahl incentivierter Produkte und Höhe der Incentives ­abhängig und kann institutsflexibel gestaltet werden. Kannibalisierungs­ effekte (Substitution von Bestandser­ trägen durch bonifizierte, margenre­ duzierte Käufe von Zielprodukten) können durch intelligente Gestaltung der Ziel-Produktpalette und effektive Vertriebssteuerung soweit reduziert werden, dass sie durch Mehrgeschäft überkompensiert werden. 2. Vertriebsaktivierung durch incentiviertes Cross-Selling und Akquisition neuer Gelder Das Vorteilsprogramm ist außerdem ein elegantes Instrument zur syste­ matischen Vertriebsaktivierung. Es schafft allein durch seine Existenz als Leistungsbestandteil des Premi­ umkontos regelmäßige Verkaufsan­ sätze und Gesprächsanlässe für die Kundenberater. Auch werden durch für Kunden sachlich nachvollzieh­ bare „Preisnachlässe“ tendenziell Kauf barrieren abgebaut und die Kaufwahrscheinlichkeit bei der Spar­ kasse erhöht. Das Vorteilsprogramm bietet dem Vertrieb damit eine Plattform zur ­I ntensivierung der Geschäftsbezie­ hung, zur Steigerung von Cross-Sel­ ling-Erfolgen und Akquisition neuer Gelder (= systematischer Push-Effekt) (vgl. Abb. 2). 3. Verbesserung der Kommunikation zu Premiumkunden Das Vorteilsprogramm ist nicht nur eine leistungsfähige Vertriebs-, son­ dern auch eine Kommunikations­ plattform zu Premiumkunden und zum Markt. Im Zusammenspiel mit den vertrieblichen Maßnahmen kön­ nen Kunden durch den zentralen Vertrieb z. B. auf durch das Vor­ teilsprogramm incentivierte Pro­ dukte und Leistungen im Rahmen des Direct Marketing und/oder ge­ zielten Produktkampagnen ange­ sprochen werden. Durch ein speziell auf das Vorteilspro­ gramm ausgerichtetes Kundenmaga­ zin, regelmäßige Newsletter, Kunde­ nevents etc. kann darüber hinaus eine Regelkommunikation zu Premi­ umkunden etabliert werden. Aktuelle Markt- und Finanzthemen wie Zu­ kunftsvorsorge und Vermögensanla­ ge können zielgruppengerecht trans­ marketing 25 portiert werden. In der Außendarstellung leistet das Vorteilsprogramm ei­ nen spürbaren ­Beitrag zur Positionierung der Spar­ kasse als leistungsstarker und gleichzeitig preis­ werter Finanzpartner im Markt. 4. Förderung der systematischen Akquisition von Neukunden durch incentivierte Weiterempfehlung Das Vorteilsprogramm trägt durch Incentivie­ rung systematisch zu mehr Kundenzufrieden­ heit mit der Sparkasse bei. Die erhöhte Zufriedenheit kann für gezieltes Weiter­ empfehlungsmarket ing („Kunden werben Kun­ den“) genutzt werden. Durch Aufnahme von ­Weiterempfehlung in den Katalog der im Rahmen des Vorteilsprogramms begünstigten Werttreiber kann Neukundengewin­ nung im Premiumbereich systematisch unterstützt werden. Das Vorteilsprogramm ist damit per Saldo eine „Ver­ triebsplattform“, die intelli­ gent mit dem Premiumkonto verknüpft ist. Die durch das Programm incentivierten Verhaltensweisen von Kun­ den sind eng miteinander verbunden und fördern sich gegenseitig. Voraussetzung ist, dass es als lernendes Sys­ tem aufgesetzt und kontinu­ ierlich an Veränderungen im Kunden- und Marktumfeld angepasst wird. renzanteil eines auf diese Weise aufgewerteten Premi­ umkontos um mehr als 100 Prozent gegenüber dem Sta­ tus quo (vgl. Abb. 3). Fazit Die Einführung eines Vor­ teilsprogramms in der skiz­ zierten Ausgestaltung bietet Sparkassen – je nach insti­ tutsspezifischer Ausgangssi­ tuation – eine interessante Möglichkeit, ihr Girokonto­ angebot im Premiumbereich ohne Ertragseinbußen quali­ tativ aufzuwerten. Über eine Verbesserung des Preis-/Leis­ tungsverhältnisses und der Kundenzufriedenheit kön­ nen Bindung, Durchdrin­ gung und Veredelung von Bestandskunden, u. a. durch Up-Selling aus geringerwer­ tigen Bestandskonten sowie Gewinnung von neuen (Pre­ mium-) Kunden systematisch gefördert werden. Ein Vor­ teilsprogramm kann damit einen erheblichen Beitrag zur Erreichung zentraler Ziele des Privatkundenge­ schäfts wie Erhöhung Pro­ duktnutzung, Verhinderung Kundenabwanderung, mar­ genorientierter Verkauf etc. leisten. Das Programm bietet insbesondere eine wesent­ liche Unterstützung für den operativen Vertrieb, da die Berater systematisch Anspra­ cheanlässe und -optionen ge­ liefert bekommen und in der Verkaufssituation mit kon­ kreten, rechenbaren Vortei­ len argumentieren können. Jörg Baston, Carsten C. Wendt Frankfurt am Main Hohe Akzeptanz eines ­Vorteilsprogramm bei Kunden Aktuelle Marktstudien zei­ gen die hohe Akzeptanz und Verhaltensrelevanz eines Vorteilsprogramms für Spar­ kassenkunden. Ca. zwei/drei der Befragten fühlen sich durch das Vorteilsprogramm stärker an die Sparkasse ge­ bunden und zu „Cross Buy­ ing“ incentiviert. Gleichzei­ tig können Sparkassen durch ein Vorteilsprogramm ihre Marktstellung im Geschäft mit potenzialträchtigen Pre­ miumkunden spürbar festi­ gen. So erhöhte sich nach o. g. Kundenbefragung der Präfe­ 1 Investors Marketing, Manage­ ment Consultants: Marktstu­ die „Differenzierungsstrate­ gien im Preiswettbewerb“, 2008/2009, n = 1200. 2 Kundenbefragungen zeigen immer wieder, dass bankfer­ ne Mehrwertleistungen (Ein­ trittskarten etc.) für Kunden nicht attraktiv genug sind, um für Kundenbindung bzw. Cross-Selling verhaltenswirk­ sam zu werden. 3 tns infratest, Investors Mar­ keting: Marktstudien für eine führende Sparkasse im Rah­ men der Überarbeitung der Girokontostrategie (2008). n = 264 Sparkassenkunden. S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9