Absatzwege Georg Felser A 1 Vertriebspolitik als psychologisches Problem Wie wre es, wenn uns nicht nur der Bcker die Brtchen, sondern vielleicht auch die Boutique unsere Kleidung oder der Schuhverkufer unsere Schuhe an die Haustr bringen wrden? Wahrscheinlich fehlte uns in einem solchen Fall mehr als nur die Chance, Kleidung und Schuhe erst einmal anzuprobieren, bevor wir sie kaufen. Vielen Menschen macht es Spaß einzukaufen und in Boutiquen zu stbern. Andererseits hat sich das Anliefern bei anderen Produkten bereits gut etabliert, wo das Stbern bisher sicherlich ebenso verbreitet war: Bei CDs etwa oder Bchern. Aufgaben des Vertriebs Die Beispiele verdeutlichen die psychologische Dimension der Frage nach den Vertriebswegen fr ein Produkt. Die Vertriebspolitik eines Unternehmens ist deshalb ein Kernelement des Marketings. In einer sehr allgemeinen Form ist die Aufgabe des Vertriebs, dafr zu sorgen, dass die Leistung des Unternehmens, also seine Produkte oder Dienstleistungen, im Markt physisch prsent sind. In diesem Sinne gehrt zum Vetriebsmanagement die Organisation von Lieferprozessen beginnend beim Hersteller bis hin zum Platz im Regal des Einzelhndlers oder sogar bis zum Haushalt des Endverbrauchers. Hier kann man weitgehend gleichbedeutend von „Vertrieb“ und „Distribution“ sprechen, denn hier erschpft sich die Aufgabe des Vertriebs in der Verteilung der Waren. In zweiter Linie zeigt sich die Aufgabe, kommunikativ prsent zu sein. Hierzu zhlen nicht nur die Prsenz im Internet, in Datenbanken, Telefonbchern oder dergleichen, sondern auch Beratungsleistung, Service, Kundendienst oder Training zu den Aufgaben des Vertriebsmanagements (z. B. Dehr & Donath, 1999, S. 13). Psychologische Bewertung von Vertriebswegen Vertriebspolitik besteht also nicht nur darin, dass man ein Produkt verfgbar hlt. Offenbar hngt der Erfolg des Marketings auch davon ab, auf welchem Weg ein Produkt zu haben ist. Zum einen werden Vertriebswege von Konsumenten bewertet. Die Formel, dass die am wenigsten aufwendigen Wege bevorzugt werden, ist vermutlich zu einfach. Vertriebswege implizieren Informationen ber das Produkt, etwa wenn ein Produkt nur ber ausgewhlte Fachhndler verkauft und dadurch – trotz erhhter Unbequemlichkeit – aufgewertet wird. Hier spricht man dann von einer „selektiven Distribution“, wie sie besonders bei Premiumprodukten blich ist (Pepels, 2002). Zum anderen werden Differenzierungen, die betriebswirtschaftlich und juristisch blich und sinnvoll sind, konsumentenpsychologisch nicht nachvollzogen. Wo man kauft, ist zwar beileibe nicht gleichgltig – es hat aber mit den betriebswirtschaftlichen Unterschieden verschiedener Vertriebswege oft wenig zu tun. Zum Beispiel wird die Großhandelskette Metro von vielen Endverbrauchern – Inhaber einer „Metro-Karte“ – wie eine Einzelhandelskette verstanden und genutzt. Dabei wertet wohl auch der privilegierte Zugang zu diesem Markt den Kauf ber Reaktanzmechanismen auf. Beispiel Missglckter Vertrieb oder Verkaufspsychologie? Mit erstaunlicher Regelmßigkeit werden zu Weihnachten attraktive Spielzeuge knapp. Je nach Jahr sind entweder Teletubbies, Power Rangers oder Barbie-Artikel besonders begehrt, und ausgerechnet diese Produkte sind oft zur Hauptsaison nur schwer zu bekommen. Palmer (2000) geht davon aus, dass hier der ußerst E 1 Vertriebspolitik als psychologisches Problem 1 wichtige Informationsfluss vom Hndler zum Hersteller versagt hat, so dass dieser von der gewachsenen Nachfrage nichts mitbekommen hat und nicht reagieren kann. In der Tat ist der rckwrts gewandte Informationsfluss ber die Nachfrage fr das Vertriebsmanagement fast so wichtig wie der vorwrts gerichtete Gterfluss (Kotler & Bliemel, 1995). Cialdini (2001) hat eine andere Erklrung, die er selbst in der Verkaufspraxis als „Insider“ kennen gelernt hat. Danach hat der Engpass vor Weihnachten nichts mit Kommunikationsproblemen zu tun, vielmehr verbirgt sich dahinter eine Vertriebsstrategie: Die Hndler werden vor den Feiertagen mit den am meisten gefragten Waren gezielt unterversorgt. Erst kurz nach den Feiertagen wird der Engpass behoben. Dank der hohen Popularitt der jeweiligen Spielzeuge ist so gut wie sicher, dass diese auch nach Weihnachten noch gekauft werden – und vor Weihnachten kaufen Eltern ersatzweise andere Spielsachen, damit der Gabentisch nicht leer bleibt. A 2 Aufgaben und Probleme des Vertriebsmanagements Wenn drei Hersteller die gleichen drei Einzelhandelsbetriebe beliefern sollten, dann mssten sie zusammen neun Mal liefern. Bringen jedoch alle drei ihre Ware zu einem Großhndler, der seinerseits die Ware aus drei Geschften in je einer Lieferung zu den Einzelhndlern transportiert, sind nur noch sechs Lieferungen erforderlich. Es gehrt zu den Aufgaben des Vertriebsmanagements zu entscheiden, wann ein solches Vorgehen, also das Zwischenschalten eines Großhndlers konomisch sinnvoll ist, und wann nicht. Vertriebspartner. Vertrieb funktioniert meistens nur in Zusammenarbeit mit Partnern, die dabei unterschiedliche Rollen einnehmen knnen: P Einige Partner erwerben die Ware und handeln als Kaufleute im eigenen Namen. P Andere vermitteln nur den Kauf, hnlich wie Makler, akquirieren Kunden oder fhren Ver- 2 Absatzwege handlungen, erwerben die Ware aber nicht selbst. P Wieder andere helfen, ohne am Verkaufsprozess beteiligt zu sein, durch Transport, Lagerung oder Kommunikation. Kontrolle oder Kostenersparnis. Durch die Zusammenarbeit mit den Partnern im Distributionssystem gibt der Hersteller Kontrolle preis. Dieser Verlust geht aber einher mit einer immensen Kostenersparnis: Kaum ein Unternehmen wrde einen Gewinn dabei erzielen, wenn es neben dem Kerngeschft aus eigenen Mitteln ein Distributionssystem errichten wrde. Dies wre schon deshalb unrentabel, weil es zur Befriedigung der Kundenbedrfnisse nicht gengt, nur das eigene Produkt bereitzustellen. Hier bestehen zwischen den Bedrfnissen und dem Angebot Ungleichheiten, die die Zwischenhndler gltten: „Ungleichheiten entstehen dadurch, dass jeder Hersteller ein enges Warensortiment in großen Mengen anbietet, whrend jeder Kunde ein breites Warensortiment in kleinen Mengen wnscht“ (Kotler & Bliemel, 1995, S. 803). Die Wahl des Distributionssystems wirkt sich auf praktisch alle anderen Marketingentscheidungen aus. Zum Beispiel kann der Hersteller sein Produkt nicht mehr oberhalb einer bestimmten Preisgrenze verkaufen, wenn es in Supermrkten angeboten wird. Zudem ist man meist an die Partner gebunden, man kann sich nicht ohne weiteres beliebige andere Partner hinzuholen oder Vereinbarungen aufkndigen. In der Regel sind Distributionssysteme, nachdem sie einmal eingerichtet sind, sehr stabil (Kotler & Bliemel, 1995, S. 801 f.). Andere typische Fragen an das Vertriebsmanagement sind etwa, wie man innerbetrieblich die Betreuung zwischen Kunden und Lieferanten aufteilt, etwa regionsspezifisch, berregional an bestimmten Unternehmen orientiert, individuell oder in grßeren Teams und so weiter. Außen- und Innendienst. Der Vertrieb wird meist ber einen Außen- und einen Innendienst organisiert. Die Mitarbeiter im Außendienst haben blicherweise den Kundenkontakt, die im Innendienst entlasten die Außendienstler von internen Aufgaben. Nicht selten gilt der Innendienst als Durchgangsstation fr den lukrativeren Außendienst, da Innendienstler bei ihrer Ttigkeit oft Gelegenheit haben, Expertise zu dem Produkt zu erwerben. Diese ist erforderlich, wenn etwa technische Ware, Maschinen oder auch Rohstoffe verkauft werden. In diesem Fall bernehmen spezialisierte Mitarbeiter, so genannte „Vertriebsingenieure“, die Verkaufsaufgaben (Pepels, 2002). 3 Vertriebswege Was als neuer oder „alternativer“ Vertriebsweg (Schgel, 1999) zu gelten hat, ist natrlich relativ zu der historischen Zeit aber auch zur Branche bzw. zum Produkt zu sehen. Was zu einer Zeit vielleicht neu war, etwa das Electronic Home Shopping, wird zu einer spteren Zeit vielleicht gang und gbe sein. Vertriebswege sind auch an rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen gebunden, die sich ebenfalls im Laufe der Zeit wandeln knnen. So ist etwa bei Gltigkeit restriktiver Ladenschlussgesetze der Vertrieb von manchen Produkten ber Tankstellen eine interessante Alternative zu klassischen Vertriebswegen. Wrden die Restriktionen allerdings wegfallen, entfiele auch die Attraktivitt dieses Absatzkanals. Schließlich sind Vertriebswege, die in dem einen Produktbereich vielleicht originell sein mgen, fr einen anderen lngst etabliert. Zum Beispiel sind Hauslieferdienste insgesamt noch wenig verbreitet, punktuell jedoch – man denke nur an Pizzadienste oder Tiefkhlservices – sind sie recht gut verankert. Elektronische Vertriebswege. Eine der prominentesten neueren Vertriebstechniken fhrt ber Medien wie Fernsehen bzw. Telefon und Internet. Fr den Vertrieb ber das Internet steht das Schlagwort E-Commerce oder Electronic Commerce bzw. elektronischer Geschftsverkehr. Gelegentlich wird der Begriff auch fr Aktivitten verwendet, die ber den Handel mit Waren und Dienstleistungen hinausgehen, etwa Online Aktivitten in den Unternehmensbereichen Beschaffung, Personal oder Finanzierung. Gebruchlicher ist allerdings fr diesen erweiterten Wortgebrauch der Begriff „E-Business“. E-Commerce. Fr die beiden großen MarketingBereiche hat der E-Commerce eine sehr unterschiedliche Bedeutung. Im „Business to Business“-Bereich, z. B. beim Geschftsverkehr zwischen einem Produktionsbetrieb und einem Großhndler, hat sich der E-Commerce bereits stark etabliert. Das elektronische Medium verringert die Vertriebskosten und beschleunigt die Ablufe. Freilich ist hier der Regelfall, dass sich die Geschftspartner bereits kennen und deshalb die Kommunikation ber organisatorische und technische Details unkompliziert mglich ist. Dies ist anders bei der Kommunikation mit dem Endverbraucher, also im Business to Consumer-Bereich. Zwar steigt die Bereitschaft etwa zum Online-Shopping mit jedem Jahr betrchtlich an, aber das Umsatzvolumen in diesem Bereich liegt gegenwrtig noch immer deutlich unter dem aus dem Business to Business-Bereich. Risiken des Einkaufs ber das Internet. Verantwortlich fr diese Diskrepanz ist nicht zuletzt die Vorsicht der Konsumenten. Viele Internetnutzer bringen den Zahlungsvorgngen und dem Umgang mit ihren persnlichen Daten im Internet nur geringes Vertrauen entgegen. Diese Vorbehalte sind je nach Einzelfall durchaus berechtigt. Um sie abzubauen, mssten Konsumenten darber aufgeklrt werden, welche Risiken von welchen Anbietern ausgehen und wie verschiedene Sicherungssysteme zu beurteilen sind. Verbreitet ist beispielsweise immer noch die Zahlung per Kreditkarte, was durchaus riskant sein kann. Hier soll eine neue Zahlungsform mit elektronischem Geld („E-Cash“) Abhilfe schaffen (zum berblick siehe etwa Pepels, 2002). Direkter Vertrieb. Eine einfache Faustregel beim Vertrieb besagt, dass jeder Zwischenschritt zwischen Hersteller und Endverbraucher Kosten verursacht. Nach dieser Faustregel werden vermutlich Konsumenten Angebote, die nach einem direkten Vertrieb aussehen, als preisgnstiger erleben, im Vergleich zum selben Angebot, wenn es einen indirekten Vertrieb suggeriert. Dies ist einer der Grnde, aus denen etwa der Verkauf von Reisen, Bahn- oder Flugtickets am Terminal oder bers Internet eine lukrative Alter- 2 Aufgaben und Probleme des Vertriebsmanagements 3 Vertriebswege A 3 native zum traditionellen Vertrieb ber Schalter und Reisebros darstellt. Hinzu kommt hier das Argument der leichteren Verfgbarkeit – solange Terminals frei sind bzw. die Internetverbindung unproblematisch ist. Auch so genannte „Factory Outlets“ sind nicht zuletzt wegen des verkrzten Vertriebsweges attraktiv. Diese Verkaufssttten werden von den Herstellern selbst betrieben, die denn auch selbst bestimmen, wie die Ware prsentiert und angeboten wird (Kotler & Bliemel, 1995, S. 858). Beziehungsvertriebswege. Ganz andere Grnde sind fr den Erfolg von „Beziehungsvertriebswegen“ (Schgel, 1999) verantwortlich: Dem Kunden wird die Ware in einer persnlich bedeutsamen Situation oder in seinem eigenen sozialen Umfeld angeboten. Dies ldt die Leistung, das Produkt, emotional auf. In anderen Fllen knpft der Anbieter an eine bestehende soziale Beziehung an oder baut eine neue auf. Ein typisches Beispiel ist Tupperware: Die Kundinnen und Kunden werden in der Regel ber gute Bekannte angesprochen. Die Verbindung ber einen persnlichen Kontakt erhht erheblich die Bereitschaft, einer Forderung nachzukommen bzw. eine Bitte zu gewhren (Cialdini, 2001; Felser, 2001). Dabei ist dieser Vertriebsweg außerordentlich teuer: „Die Außendienstmitarbeiter erhalten Provisionen von 20 bis 50 Prozent vom Umsatz; hinzu kommen die Kosten fr Rekrutierung, Fort- und Weiterbildung, Betreuung und Motivation des Außendienstes“ (Kotler & Bliemel, 1995, S. 861). Konsumtrends und Vertriebswege. Ein gut funktionierender Vertrieb zeigt sich darin, dass die Ware verfgbar ist. Unter diesem Blickwinkel kann das Vertriebsmanagement zwar Unzufriedenheit vermeiden, aber keine Zufriedenheit schaffen. Auf den zweiten Blick kann aber auch die Art des Verkaufs, der Verkaufskanal selbst zu einem Nutzenaspekt auf Seiten der Konsumenten werden. Extrembeispiele hierfr sind groß angelegte Einkaufsparks, die den Einkauf mit den verschiedensten Freizeit-Aktivitten verbinden. (Kotler & Bliemel, 1995, S. 867). Ein anderer Trend ist das „Convenience Shop- A 4 Absatzwege ping“, bei dem vor allem die Bequemlichkeit des Einkaufs im Vordergrund steht. Bequem kann dabei fr die Konsumenten der Einkauf von Zuhause aus sein. Bequem sind aber auch Einkaufsorte, die „im Vorbeigehen“, ohne große Mhe erreicht werden knnen. So gehrt zum „Convenience Shopping“ nicht nur der Einkauf von Zuhause aus, sondern auch der Gang zum Kiosk an der Ecke oder der Einkauf an der Tankstelle. So knnen so genannte „Convenience Stores“, die nach dem Muster des „Tante-Emma-Ladens“ persnlichen Kontakt und gute Erreichbarkeit bieten, dadurch eigenen Nutzen bieten (vgl. Kotler & Bliemel, 1995). 4 Vertriebswege der Zukunft: Psychologische Aspekte Verbraucher befriedigen ihre Bedrfnisse nicht nur durch die Konsumhandlung. Auch der Einkauf selbst, die Vorbereitungen hierzu oder die Entscheidungs- oder Verhandlungsprozesse knnen Bedrfnisse befriedigen. Das Betrachten der Waren, die Einkaufsumgebung, die Interaktion mit Verkufern, der Umgang mit einem Medium wie dem Internet, alle diese Aspekte eines Einkaufs knnen von Konsumenten als angenehm, als stimulierend und interessant empfunden werden. Einkaufen kann die Stimmung heben: Personen belohnen sich dann gleichsam mit dem gekauften Produkt. Auch die Jagd nach Schnppchen kann die Einkaufshandlung selbst interessant machen. Schwer berechenbares Konsumentenverhalten Das Bedrfnis nach Konsum und den verschiedenen Vertriebwegen ist bei unterschiedlichen Konsumenten auch unterschiedlich ausgeprgt (Mooradian & Olver, 1996). Außer der Tendenz hin zur Bequemlichkeit gibt es kaum einen klaren Trend im Konsumentenverhalten, den konsistent ber verschiedene Situationen hinweg alle Personen zeigen. Nicht ohne Bedauern wird daher im Marketing ein zunehmend „hybrides“ Konsumverhalten konstatiert (Meffert, 1994) – ein Phnomen, das nicht zuletzt den Versuchen entgegen- steht, reliable Konsumententypologien zu entwickeln. Der „hybride Konsument“ ist, wie der Name schon sagt, nicht ganz „reinrassig“, denn er praktiziert verschiedene Einkaufsformen parallel. Vielfalt von Vertriebswegen ist notwendig. Entwicklungen wie diese lassen das Konsumentenverhalten als wenig berechenbar erscheinen. Sie laufen aber eindeutig darauf hinaus, dass auch in Zukunft eine Vielfalt von Vertriebswegen gebraucht und genutzt wird. Unternehmen stehen daher vor dem Problem, diese Vielfalt in einem Portfolio von Absatzkanlen zu realisieren (Schgel, 1999), das zum Teil aus bewhrten alten, zum Teil aus neuen und sicherlich zum Teil auch aus kurzlebigen, aber aktuell gefragten Vertriebswegen bestehen wird. Weiterfhrende Literatur Kotler, P. & Bliemel, F. (2001). Marketing-Management. Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 10. Auflage. Stuttgart: Schffer-Poeschel. Palmer, A. (2000). Principles of Marketing. Oxford: University Press. Zitierte Literatur Cialdini, R. B. (2001). Influence – Science and Practice, 4/E: allyn & bacon / longman. Dehr, G. & Donath, P. (1999). Vertriebsmanagement. Mnchen: Hanser. Felser, G. (2001). Werbe- und Konsumentenpsychologie, 2. Auflage. Heidelberg: Spektrum. Kotler, P. & Bliemel, F. (1995). Marketing-Management. Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 8. Auflage. Stuttgart: Schffer-Poeschel. Meffert, H. (1994). Marketing Management. Wiesbaden: Gabler. Mooradian, T. A. & Olver, J. 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Erst durch die Industrialisierung und die fr unser heutiges Wirtschaftssystem typischen konjunkturellen Schwankungen war Massenarbeitslosigkeit zu einem regelmßig auftretenden Phnomen geworden, das zunehmend mehr Aufmerksamkeit auf sich zog. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden auch die Institutionen, die noch heute den gesellschaftlichen Umgang mit der Arbeitslosigkeit prgen. Beispiele sind: Arbeitsvermittlungsstellen (sog. „Arbeitsnachweise“), erste staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (sog. „Arbeiterkolonien“), und regelmßige Messungen des Ausmaßes der Arbeitslosigkeit (vgl. Niess, 1979). Betrachtet man die deutschen Arbeitslosenquoten fr das 20. Jahrhundert, so stellt man fest, dass Zeiten der Vollbeschftigung (Arbeitslosenquote unter drei Prozent) eher eine historische Ausnahme darstellen. Eine lngere Phase der Vollbeschftigung gab es in Friedenszeiten nur in dem Jahr- 1 Der Begriff Arbeitslosigkeit 5 zehnt vor dem Ersten Weltkrieg und dann wieder in den 60er und frhen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts (Niess, 1979). Arbeitslosigkeit drfte also ein bedeutsames Thema bleiben, auch fr die Psychologie (s. „Konjunkturindikatoren“, in diesem Band). A Definition Arbeitslosigkeit. Die Definition der Arbeitslosigkeit ist in verschiedenen Lndern nicht einheitlich. Es gibt aber drei Komponenten, die praktisch in jeder Definition enthalten sind: P Nichterwerbsttigkeit, P Verfgbarkeit fr den Arbeitsmarkt (kranke Menschen stehen dem Arbeitsmarkt bspw. nicht zur Verfgung), P Suche nach Erwerbsarbeit. 2 Psychische Folgen von Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit und seelische Gesundheit Zentrales Erkenntnisinteresse der psychologischen Arbeitslosigkeits-Forschung war stets die Frage, ob Arbeitslosigkeit zu psychischer Beanspruchung fhrt. Schon die Autoren der klassischen Marienthal-Studie kamen zu dem Ergebnis, dass Arbeitslosigkeit sich in dieser Hinsicht schdigend auf die Betroffenen auswirkt (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel, 1933). Die Autoren bzw. Autorinnen zeitgenssischer berblicksarbeiten stimmen in der Schlussfolgerung berein, dass Arbeitslose im Vergleich zu Erwerbsttigen ein vermindertes psychisches Wohlbefinden und mehr Symptome psychischer Strung aufweisen (Aschenbach & Frey, 1987; Frese & Mohr, 1978; Fryer & Payne, 1986; Winefield, 1995). Nach den Metaanalysen von Murphy und Athanasou (1999) sowie Paul und Moser (2001) ergeben sich dabei Effektstrken fr den Zusammenhang von Erwerbsstatus und psychischer Gesundheit, die gleichbedeutend sind mit einer Erhhung des Anteils von Personen mit behandlungsbedrftigen psychischen Strungen unter 6 Arbeitslosigkeit den Arbeitslosen um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu dem entsprechenden Anteil unter Erwerbsttigen! Die Frage nach der Existenz eines spezifischen Arbeitslosigkeitssyndroms ist noch nicht abschließend geklrt. Nach Frese und Mohr (1978) sind Arbeitslose insbesondere durch das vermehrte Auftreten von Depressionssymptomen gekennzeichnet. In der Metaanalyse von Paul und Moser (2001) zeigte sich hingegen keine einzelne Strungsform als besonders bedeutsam. Es ergab sich vielmehr fr alle untersuchten Indikatoren psychischen Wohlbefindens bzw. psychischer Gesundheit eine nachweisbare Beeintrchtigung bei Arbeitslosen im Vergleich zu Erwerbsttigen (s. bersicht). bersicht Beanspruchungssymptome von Arbeitslosen Deutliche Beeintrchtigung P Unspezifische psychische Strungssymptome P Depressionssymptome P Vermindertes Selbstwertgefhl P Beeintrchtigung des subjektiven Wohlbefindens, insbesondere der Lebenszufriedenheit Beeintrchtigung schwach, aber nachweisbar P Angstsymptome P Psychosomatische Symptome P Externale Kontrollberzeugungen Quelle: Paul & Moser (2001). Kausalitt Um die Hufung psychischer Beeintrchtigungen unter Arbeitslosen zu erklren, werden drei Hypothesen diskutiert (Paul & Moser, 2001). Social-Causation-Hypothese. Nach dieser Hypothese beeintrchtigt Arbeitslosigkeit das psychische Wohlbefinden. Das Leiden der Arbeitslosen wird direkt durch ihren Erwerbsstatus verursacht. Selektionshypothese. Psychisch belastete Menschen werden leichter arbeitslos und verbleiben, wenn sie einmal arbeitslos geworden sind, lnger in der Arbeitslosigkeit als nicht belastete Men- schen. Dadurch kommt es unter Arbeitslosen zu einer Hufung psychisch beeintrchtigter Personen. Diese Hypothese wird blicherweise als „Drift“- oder „Selektions“-Hypothese bezeichnet. Andere Einflsse. Ein dritter Faktor verursacht sowohl Arbeitslosigkeit als auch psychische Strungssymptome. Es knnte bspw. sein, dass krperliche Krankheit regelmßig zu einer Befindensverschlechterung fhrt und gleichzeitig hufig Arbeitslosigkeit nach sich zieht. Der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und psychischer Beanspruchung wre bei Gltigkeit dieser Hypothese als Scheinkorrelation zu betrachten. Die dritte Hypothese ist sehr schwierig zu berprfen und wurde in der bisherigen Forschung wenig beachtet (fr eine weitergehende Diskussion siehe Paul & Moser, 2001). here Symptombelastung auf als Arbeitslose bzw. Schler, denen es gelingt, bis zum zweiten Erhebungszeitpunkt eine Anstellung zu finden. Diese Drift-Effekte sind allerdings nicht groß und praktisch nicht sehr bedeutsam. Circulus vitiosus. Insgesamt ergibt sich das Bild eines Circulus vitiosus, in den von Arbeitslosigkeit Betroffene hineingeraten: Psychisch belastete werden leichter arbeitslos als unbelastete Menschen. Der Zustand der Arbeitslosigkeit verursacht dann weitere psychische Probleme, die schließlich die Suche nach einer neuen Stelle erschweren und dazu fhren, dass die schdigende Situation der Arbeitslosigkeit lnger andauert als bei beschwerdefreien Menschen. Empirische Belege Wie zahlreiche Lngsschnittstudien zeigen, verschlechtert sich beim bergang von der Erwerbsttigkeit in die Arbeitslosigkeit in der Regel die psychische Gesundheit, whrend der bergang von der Arbeitslosigkeit in die Erwerbsttigkeit mit einer deutlichen Verbesserung des Befindens einhergeht (Murphy & Athanasou, 1999; Paul & Moser, 2001). Bei jungen Menschen, die nach der Schule in die Erwerbsttigkeit wechseln, geht dieser Wechsel blicherweise mit einer Befindensverbesserung einher; bei jungen Menschen, die nach der Schule arbeitslos werden, zeigt sich hingegen eine deutliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit (Paul & Moser, 2001). Dies sind sehr starke Belege fr die Hypothese, dass Arbeitslosigkeit nicht nur mit psychischen Beschwerden korreliert ist, sondern diese auch verursacht. Andererseits finden sich in Lngsschnittstudien aber auch Belege fr die Drift-Hypothese: Erwerbsttige, die ihre Stelle in naher Zukunft verlieren oder verlassen werden, weisen schon vor der Arbeitslosigkeit eine strkere Symptombelastung auf als kontinuierlich Erwerbsttige. Gleichzeitig gilt: Diejenigen Arbeitslosen bzw. Schler, die bis zum zweiten Erhebungszeitpunkt einer Lngsschnittstudie keine Stelle finden, weisen schon beim ersten Erhebungszeitpunkt eine h- Einfluss des Geschlechts. Eine besonders kontrovers diskutierte potentielle Moderatorvariable ist das Geschlecht. Die Frage ist dabei, ob Frauen weniger stark unter der Arbeitslosigkeit leiden als Mnner, weil sie einerseits eine schwchere innere Bindung an die Arbeit haben und ihnen andererseits die gesellschaftlich akzeptierte Alternativrolle als Hausfrau und Mutter zu Verfgung steht, whrend Mnner Sinn und Selbstwert in unserer Gesellschaft nur aus der Ernhrerrolle gewinnen knnen (Jahoda, 1986). Diesen berlegungen ist widersprochen worden. Bspw. betont Mohr (1993), der soziale Status, den die Hausfrauenrolle gewhrt, sei sehr gering, und die Besetzung dieser Rolle nur dann gesellschaftlich legitimiert, wenn kleine Kinder zu versorgen sind. Mnner sind strker beeintrchtigt. Wie die Metaanalyse von Moser und Paul (2001) gezeigt hat, sind die Unterschiede in der seelischen Gesundheit zwischen Arbeitslosen und Erwerbsttigen bei Mnnern deutlich strker ausgeprgt als bei Frauen. Es bleibt aber vorlufig ungeklrt, wie dieser Moderatoreffekt zustande kommt: Leiden arbeitslose Mnner tatschlich mehr als arbeitslose Frauen, oder gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern in der Situation der Arbeitslosigkeit, wohl aber in der Situation der Erwerbsttigkeit in dem Sinne, dass Mnner grßere psy- A Moderatorvariablen 2 Psychische Folgen von Arbeitslosigkeit 7 bersicht Moderatoren der negativen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit A Moderator Wirkung Geschlecht Bei Mnnern ist der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und psychischer Beanspruchung enger als bei Frauen (siehe oben). Alter Hufig wird vermutet, dass Menschen mittleren Alters wegen ihrer besonders großen familiren Verantwortung besonders stark unter Arbeitslosigkeit leiden. Der Effekt ist aber nicht gesichert. Soziokonomischer Status Menschen mit geringer Schulbildung bzw. Angehrige gewerblichtechnischer Berufe scheinen strker unter Arbeitslosigkeit zu leiden als Menschen mit guter Schulbildung bzw. Angehrige von Broberufen. Dauer der Arbeitslosigkeit Langzeitarbeitslose zeigen ein deutlich schlechteres Befinden als Kurzzeitarbeitslose. Soziale Untersttzung Arbeitslosigkeit wirkt sich besonders bei geringer sozialer Untersttzung negativ auf das Befinden aus. Employment Commitment Bei starker innerer Bindung an die Erwerbsarbeit sind die negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit deutlich ausgeprgter als bei schwacher Bindung. Persnlichkeitsfaktoren Geringe emotionale Stabilitt erhht die Verletzlichkeit gegenber den negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit. Ein gutes Selbstwertgefhl, Extraversion und Religiositt wirken mglicherweise protektiv. Kultur Arbeitslosigkeit wirkt sich in kollektivistischen Kulturen vermutlich weniger schdigend aus als in individualistischen. Quelle: Paul & Moser (2001), Winefield (1995) chische Vorteile aus der Erwerbsarbeit ziehen als Frauen, etwa weil sie im Durchschnitt noch immer bessere Positionen innehaben als Frauen? Robuster Effekt. Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und seelischem Leiden ist sehr allgemeiner Natur. In den Metaanalysen von Paul und Moser (2001) und Murphy und Athanasou (1999) konnte keine einzige Personengruppe identifiziert werden, bei der Arbeitslosigkeit nicht mit psychischer Beanspruchung einhergeht. Anders formuliert: Trotz der Moderatoreffekte ist die generelle Beeintrchtigung der seelischen Gesundheit durch Arbeitslosigkeit ein sehr robuster Effekt. Wirkmechanismen. Zur Beantwortung der Frage, 8 Arbeitslosigkeit welche spezifischen Wirkmechanismen fr die negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit verantwortlich sind, wurden in der Arbeitslosigkeitsforschung zahlreiche psychologische Theorien herangezogen, z. B. die Stress-Theorie oder die Theorie der erlernten Hilflosigkeit. Als besonders einflussreich haben sich aber die beiden innerhalb der Arbeitslosigkeitsforschung entwickelten Theorien von Jahoda und Fryer erwiesen. Jahodas Deprivationstheorie. Nach der Deprivationstheorie von Jahoda (1986) erfllt die Erwerbsarbeit in modernen Gesellschaften neben der manifesten Funktion des Gelderwerbs fnf latente Funktionen, die fr die Aufrechterhaltung des psy- Piepenburg, U. (1991). Ein Konzept von Kooperation und die technische Untersttzung kooperativer Prozesse. In: H. Oberquelle (Hrsg.), Kooperative Arbeit und Computeruntersttzung. Stand und Perspektiven (S. 79–98). Gttingen: Verlag fr Angewandte Psychologie. Rawls, J. (1993). Gerechtigkeit als Fairness: politisch und nicht metaphysisch. In: A. Honneth (Hrsg.), Kommunitarismus: eine Debatte um die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften (S. 36–67). Frankfurt/Main: Campus. Ring, P. S. & Van de Ven, A. (1994). Developmental processes of cooperative interorganizational relationships. Academy of Management Review, 19, 90–118. Rosenstiel, L. v. & Neumann, P. (2002). Marktpsychologie. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft. Spieß, E. (1998). Das Konzept der Empathie. In: E. 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Technologiesprnge (nationale oder internationale) politische Entwicklungen, Missmanagement, Marktvernderungen oder Vernderungen von Arbeitsorganisation (schlanke 214 Krisenmanagement Produktion). Krisen knnen wie in den oben genannten Beispielen sehr weitreichende Auswirkungen bzw. sehr komplexe Ursache-WirkungsBeziehungen haben, knnen sich aber auch auf ein einzelnes Unternehmen oder nur auf Teile eines Unternehmens beschrnken. In der heutigen Zeit, geprgt durch hohe Komplexitt und schnell auftretende neue Herausforderungen, mssen Unternehmen und ihre Fhrungskrfte unter hohem Druck und hoher Unsicherheit (zur Krisenprvention auch kleine) Signale von Entwicklungen, die eine Bedrohung des eigenen Geschfts bedeuten knnen, rechtzeitig wahrnehmen und bewerten, zusammen mit Kollegen und Mitarbeitern zu einer gemeinsamen Einschtzung der Situation kommen, Handlungsoptionen entwickeln, diese an die Mitarbeiter und andere Betroffene kommunizieren und sie durchfhren. In diesem Prozess knnen psycho- logische (emotionale und verhaltensbezogene) Faktoren eine krisenhafte Entwicklung eskalieren oder de-eskalieren, notwendige Entscheidungen und Maßnahmen frdern oder hemmen. ngste bei den Mitarbeitern (und auch eigene) verstrken Beharrungstendenzen und Widerstnde, eine intransparente Kommunikation im Unternehmen oder nach außen verstrkt Misstrauen, der gekonnte Umgang mit Konflikten trgt wesentlich zu einer raschen und konstruktiven Lsung bei. 1 Wahrnehmungs- und kommunikationspsychologische Grundlagen Wahrnehmung Umfangreiche Forschungsarbeiten zur Biologie und Psychologie der Wahrnehmung (Maturana, 1984, Maturana & Zur Lippe, 1994) haben gezeigt, dass unsere Sinnesorgane stndig eine Vielzahl von Umweltreizen verarbeiten, wobei allerdings durch Filter- und Selektionsmechanismen nur ein geringer Bruchteil dieser Reize tatschlich in unser Bewusstsein tritt. ! Rein sachliche Kommunikation kann Konflikte verschrfen. Konflikte zwischen Personen oder Gruppen entstehen auch in Krisensituationen hufig durch den Versuch, die Krise durch eine rein sachlogisch orientierte Kommunikation zu entschrfen. Selbstverstndlich ist es ausgesprochen wichtig, die Umstnde einer geplanten Vernderung oder eines Konflikts klar darzulegen, das Vorgehen und die Ziele zu beschreiben. Doch eine solche ausschließlich sachorientierte Darstellung kann bei Mitarbeitern und anderen Interessengruppen auf der emotionalen Ebene bestimmte negative Beziehungsinterpretationen auslsen, z. B. missachtet zu werden („unsere Belange interessieren die berhaupt nicht“) oder nicht ernst genommen zu werden („die wollen uns nur berreden und mundtot machen“) oder auch Misstrauen schren („das klingt alles zu glatt“). Offener Wi- Rationale und emotionale Verarbeitung von Reizen. Die Verarbeitung der Umweltreize erfolgt auf rationaler und auf emotionaler Ebene, jede Wahrnehmung hat also vereinfacht ausgedrckt einen Inhaltsaspekt und eine subjektive (emotionale) Bedeutung. Diese subjektive Bedeutung erhlt der Reiz ber einen meist unbewusst ablaufenden Bewertungsprozess (Lazarus, 1991), in den individuelle Normen, Werte, Erfahrungen, Erwartungen und Motive eingehen. Ein Gesprch ber die deutlich reduzierten Umsatzzahlen einer Abteilung kann bei einem Mitarbeiter mit entsprechenden Erfahrungen und Einstellungen Angst vor Kndigung, bei einem anderen rger ber die Vertriebsleitung und bei einem dritten Motivation, jetzt seine Idee zur Kundenakquisition erneut einzubringen, auslsen. Diese Bewertungen fhren dazu, dass in der Folge der Wahrnehmungsprozess entsprechend dieser Bewertung gesteuert wird, und fortan solche Reize selektiv strker wahrgenommen werden, die diese Bewertung besttigen, als Reize, die diese Einschtzung widerlegen. In Unternehmen und Organisationen kann dieser Prozess durch Gerchte und gezielte Fehlinformation von Interes- K derstand kann die Folge sein, der ebenso in sachlogischen Gegenargumenten oder einem Berufen auf formale Argumente (z. B. Betriebsverfassungsgesetz) die Kommunikation verschrft. Die Folge kann aber auch verdeckter Widerstand sein (Beharrungstendenzen, erhhter Krankenstand oder Gerchtebildung). Ein Offenlegen von unterschiedlichen Einschtzungen einer sich entwickelnden Krisensituation und ber unterschiedliche Mglichkeiten der Bewltigung oder Herangehensweise ist notwendig. Wenn sich hieraus ein immer hrterer Austausch von Argumenten, ein Konflikt entwickelt (bei dem es nicht mehr um die Frage der besten Herangehensweise, sondern um den Kampf, wer Recht behlt geht), ist immer die oben beschriebene Ausblendung der emotionalen bzw. Beziehungsebene die Ursache und somit muss auf dieser Ebene auch die Konfliktlsung ansetzen. 1 Wahrnehmungs- und kommunikationspsychologische Grundlagen 215 sengruppen untersttzt werden und schnell einen sehr negativen Einfluss auf Vertrauen und Motivation nehmen; deshalb sollte man gerade in schwierigen oder Krisenzeiten großen Wert auf gezielte und kontinuierliche Kommunikation legen. Tendenz zur Rationalisierung. Ein weiteres Phnomen, das den Umgang mit Reaktionen auf der Basis emotionaler Bewertungen schwierig macht, stellt die Tendenz zur Rationalisierung von Emotionen gerade im beruflichen Kontext dar. Emotionen werden in sachlogische Argumente gekleidet, Angst vor Vernderungen z. B. durch eine Restrukturierung wird nicht offen geußert, sondern der Sinn der Restrukturierung wird rational in Frage gestellt. Kommunikation Fr die Kommunikation gilt das gleiche, oben fr die Wahrnehmung beschriebene Grundprinzip: In einem wechselseitigen Austausch von Informationen (Reizen) werden diese sowohl auf einer rationalen als auch auf einer emotionalen Ebene verarbeitet. Watzlawick (1980, 2000a, 2000b) oder auch Schulz von Thun (1981) sprechen hier auch von Inhalts- und Beziehungsebene. Der Empfnger macht die Botschaft. Der gleiche Inhalt („wir mssen unsere Effizienz steigern. Welche Vorschlge haben Sie?“) kann von einer Person als Vorwurf interpretiert werden, bisher schlecht gearbeitet zu haben, von einer anderen Person als Vertrauensbeweis, hier selbst Vorschlge einbringen zu knnen. Die Interpretation der Bedeutung einer Aussage auf der Beziehungsebene wird letztendlich immer durch das Gegenber festgelegt („die Botschaft macht der Empfnger“); sie basiert auf dem Gesagten (digitale Kommunikation), auf dem nonverbalen Verhalten (analoge Kommunikation) und wie weiter oben dargestellt auf Werten, Normen, Erfahrungen und Erwartungen des Empfngers. Der Sender der Botschaft kann zur Vermeidung von Missverstndnissen sowohl den sachlogischen als auch den emotionalen Anteil seiner Botschaft deutlich ansprechen („ich mache mir Sorgen, weil unser Konkurrent die Kunden seit kurzem wesentlich schneller beliefern kann als wir. Wir mssen K 216 Krisenmanagement unsere Effizienz steigern…“). Eine authentische Kommunikation, in der inhaltliche und emotionale Ebene im Einklang sind, vermeidet Missverstndnisse und Konflikte. In akuten Krisensituationen ist selbstverstndlich eine schnelle und sachliche Abwgung aller Fakten, eine strukturierte Vorgehensweise, eine klare Entscheidungsfindung und schnelles Handeln unerlsslich. Richtiger Umgang mit Emotionen. Daneben sind aber in akuten und latenten krisenhaften Entwicklungen Emotionen, Angst, Wut, Trauer, Misstrauen, Hoffnung, Vertrauen, Mut ausgeprgt vorhanden, der Umgang mit diesen Emotionen kann erheblich zur Eskalation oder De-Eskalation der krisenhaften Entwicklung beitragen und somit ein schnelles Angehen der Krise oder aber einen Prozess mit vielen Widerstnden der unterschiedlichen Interessengruppen provozieren. Transparente Motive, Einstellungen und Bewertungen beschleunigen das Krisenmanagement. 2 Konstruktiver Umgang mit Konflikten Wahrnehmung von Emotionen Neben einem authentischen Verhalten, das eigene Emotionen in der Kommunikation im Einklang mit den sachlichen Aussagen zeigt, ist die Wahrnehmung von und das Eingehen auf die Emotionen ein anderer wesentlicher Faktor zur De-Eskalation von Konflikten. Rogers (1998) hat bereits vor lngerer Zeit die Methode und den Nutzen des aktiven Zuhrens aufgezeigt. Aktiv zuhren bedeutet, das, was mein Gegenber (sei es eine Person, eine Abteilung, eine Brgerinitiative, o. a.) zum Ausdruck bringt, durch Nachempfinden und Ausdrcken mglicher emotionaler Komponenten und durch Fragen fr mich klarer und nachvollziehbarer zu machen. Die eigene Botschaft dabei ist, dass ich am Gegenber interessiert bin und dass ich mehr auch ber seine Hintergrnde, Einstellungen, Motive und Wnsche erfahren mchte. Der Nutzen liegt in einer emotionalen Entspannung der Situation, Missverstndnisse knnen schneller geklrt wer- und hufigere Darstellung von Erfolgen, die durch die Vernderungsmaßnahmen eintreten, wichtig, um eine positive Motivation zu frdern. Daneben ist in der Phase der Krisenbewltigung und auch in der Nachsorgephase ein fr Motivation und Glaubwrdigkeit des Managements mit entscheidender Faktor der Umgang mit den sog. „Verlierern“ des Prozesses. Weiterfhrende Literatur Doppler, K. & Lauterburg, C. (2000). Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. (9. Aufl.). Frankfurt a. M.: Campus. Watzlawick, P. (2000b). Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Mnchen: Piper. Kotter, J. (1996). Leading Change. Harward: Harvard Business School Press. Zitierte Literatur Bergauer, A. (2001). Erfolgreiches Krisenmanagement in der Unternehmung. Berlin: Erich Schmidt. Bhler, H. (2000). Krisenmanagement fr Unternehmen durch Public Relations. Regensburg: Roderer. Doppler, K. & Lauterburg, C. (2000). Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. (9. Aufl.). Frankfurt a. M.: Campus. Kotter, J. (1996). Leading Change. Harward: Harvard Business School Press. Lazarus, R. S. (1991). Emotion and Adaption. Oxford: Oxford University Press. Maturana, H. R. & Varela, F. J. (1992). Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Leipzig: Goldmann. Maturana, H. R. & Zur Lippe, R. (2001). Was ist erkennen? Die Welt entsteht im Auge des Betrachters. Leipzig: Goldmann. Rogers, C. (1998). Die nicht direktive Gesprchsfhrung. Berlin: Fischer Taschenbuch. Salewski, W. (1989). Identitt und Identittskrise – ein bergeordneter Erklrungsansatz fr gewaltttige Auseinandersetzungen. In: Schmid/Baumann: Ursachen, Prvention und Kontrolle von Gewalt, Analysen und Vorschlge der unabhngigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekmpfung von Gewalt. Band II. Basel: Kommission Verlag. Schulz von Thun, F. (1981, 1989, 1998). Miteinander reden Band 1, 2, 3. Berlin: Rowohlt Taschenbuch. Schwind, Schwind, H.-D., Baumann, J. u.a. (Hrsg): Ursachen, Prvention und Kontrolle von Gewalt. Berlin 1990, Bde I–IV. Watzlawick, P. (1998). Anleitung zum Unglcklichsein. Mnchen: Piper. Watzlawick, P. (2000a). Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Mnchen: Piper. Watzlawick, P. (2000b). Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Mnchen: Piper. Watzlawick, P., Beavin, J. H. & Jackson, Don. D. (1980). Menschliche Kommunikation. Bern: Hans Huber. K Kundenzufriedenheit Anton Meyer · Roland Kantsperger 1 Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Die Kundenzufriedenheit zhlt seit den 90er Jahren ohne Zweifel zu den wichtigsten Themen des Marketings in Wissenschaft und Praxis. In den meisten Branchen sind mittlerweile Kufermrkte anzutreffen, so dass kundenorientierte Produkte und Leistungen als Mittel zur Bindung von Kunden und Differenzierung vom Wettbewerb ange- sehen werden. Die Globalisierung der Weltwirtschaft, die Auflsung von Branchengrenzen, aber auch das zunehmende Machtbewusstsein des Kunden verstrken die Notwendigkeit des kundenorientierten Denkens und Handelns. Die in den Medien teils sehr emotional gefhrte Diskussion um die „Servicewste Deutschland“ hat hierzulande das Interesse an dem Thema Kundenorientierung weiter verstrkt. Daneben stellen Kundenorientierung und hieraus resultierende Kundenzufriedenheit das Grundverstndnis des 1 Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung 219 Beispiel Die Erwartungen des Kunden steuern Vor einigen Jahren erkannte die Deutsche Bahn die vielfach mangelhafte Pnktlichkeit ihrer Zge. Ein hoher Anteil unzufriedener Kunden und eine steigende Zahl an Beschwerden waren die logische Konsequenz. Daraufhin beschloss die Bahn die Pnktlichkeit mit Hilfe einer groß angelegten Qualittsoffensive nachhaltig zu verbessern. Als Zeichen der Selbstverpflichtung wurden an vielen Bahnhfen großflchige Tafeln aufgestellt, die den Kunden den Prozentsatz der jeweils pnktlich verkehrenden Zge anzeigten. Trotz aller Bemhungen gelang es der Bahn nicht, die Pnktlichkeit ihrer Zge auf breiter Front zu verbessern. Zustzlich mussten die teils sehr bescheidenen Resultate nun tagtglich den Kunden kommuniziert werden. Hohn und Spott sowie wtende Proteste unter der Kundschaft waren die Folge. Die ganze Aktion Marketings als marktorientierte Unternehmensfhrung dar. Mit der zunehmenden Popularitt der Kundenorientierung ist diese von einem reinen „Marketingthema“ zu einem Imperativ der Unternehmensfhrung geworden. Verffentlichungen zum TQM oder zur Balanced Scorecard, setzen Kundenzufriedenheit in ganzheitliche Ursache-Wirkungs-Zusammenhnge. Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit stellen mittlerweile zentrale unternehmerische Zielsetzungen dar, die als entscheidende Vorsteuergrße des wirtschaftlichen Erfolges gelten (Meyer, 2002, Slater & Narver, 2000, Krafft, 1999). K 2 Erklrung von Kundenzufriedenheit Zur Beschreibung und Erklrung des Konstrukts Kundenzufriedenheit hat sich das „ConfirmationDisconfirmation-Paradigma“ als dominierender Ansatz etabliert (Oliver, 1997). 220 Kundenzufriedenheit erwies sich als gigantischer Marketingflop und die Pnktlichkeitstafeln waren von den Bahnhfen genauso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen waren. Aus theoretischer Sicht ist zu argumentieren, dass die Deutsche Bahn hier nicht nur vergeblich versuchte ihre Leistung zu verbessern (Ist-Komponente), sondern gleichzeitig auch noch beim Kunden Erwartungen weckte, die sie letztlich nicht erfllen konnte. Daher sollten Unternehmen in der Kommunikation auch nur das versprechen, was sie zu leisten im Stande sind und versuchen die Erwartungen des Kunden aktiv zu steuern. Erfolgreiche Beispiele wie E-Plus (Fokus Sprachqualitt) oder BMW (Fokus Freude am Fahren) zeigen, wie wichtig es ist, die eigenen Strken gezielt zu betonen. Vergleich zwischen Erwartungen und Leistungen Nach dem C/D-Paradigma entsteht Kundenzufriedenheit aus einem individuellen Abgleich zwischen den Erwartungen an eine Leistung (Soll-Komponente) sowie der tatschlich erhaltenen Leistung (Ist-Komponente). Entspricht die wahrgenommene Leistung den Erwartungen des Kunden, so stellt sich Zufriedenheit auf dem sog. Konfirmationsniveau ein. bertrifft die Leistung die Erwartungen des Kunden, liegt positive Diskonfirmation vor, woraus ebenfalls Kundenzufriedenheit, nun allerdings oberhalb des Konfirmationsniveaus, resultiert. Unterschreitet hingegen die Hhe der IstKomponente die Soll-Komponente, so spricht man von negativer Diskonfirmation und in Folge der enttuschten Kundenerwartungen ist ceteris paribus mit Unzufriedenheit zu rechnen (Homburg & Stock, 2003). Manifeste und latente Zufriedenheit Folgt man dieser Auffassung, so erscheint der unterstellte Abgleichprozess als rein oder zumindest stark kognitiv geprgt. Zweifel an der starken kog-