Spin-Hall-Effekt Francis Wilken 12.02.2009 Diese Ausarbeitung wurde für den Seminarvortrag vom 08.01.2009 zum Thema ”Spin-HallEffekt” im Spintronik-Lehrseminar erstellt. Unter dem Begriff Spin-Hall-Effekt werden alle bekannten Phänomene zusammengefasst, bei denen ein elektrischer Ladungsstrom senkrecht dazu einen Spin-Strom oder eine Bewegung der Spin-Dichte induziert und umgekehrt. Seit es im Jahre 2004 erstmals gelang, den Spin-Hall-Effekt in einem Halbleiter experimentell zu bestätigen, weckte dieser Effekt zunehmend das Interesse der Wissenschaftler. Ziel dieser Ausarbeitung ist es, einen Überblick über den Spin-Hall-Effekt und die wesentlichen Ergebnisse aus diversen Publikationen zu geben. Inhaltsverzeichnis 1 Wiederholung: Der Hall-Effekt 2 2 Geschichte / Experimente 2 3 Wiederholung: Spin-Bahn-Kopplung 3.1 Intrinsische Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Extrinsische Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 4 Mechanismen des Spin-Transportes 4.1 Intrinsisch: Spin-Präzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Extrinsisch: Störstellenstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Extrinsisch: Seiten-Versetzungs-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 6 5 Die 5.1 5.2 5.3 Spin-Hall-Leitfähigkeit Spin-Hall-Leitfähigkeit im 2D-Volumen des Festkörpers . . . . . . . . . . . . . . . . Spin-Hall-Leitfähigkeit im 3D-Volumen bei T = 0K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere Löcher im quantum well . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 7 7 6 Phänomenologische Gleichungen 6.1 Spin-Anhäufung durch Anlegen eines elektrischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . 8 8 7 Elektrische Effekte zweiter Ordnung 9 8 Spin-Hall-Effekt mit Photonen 10 9 Literaturverzeichnis 10 1 Wiederholung: Der Hall-Effekt Um das Verständis zu erleichtern, wird im diesem Abschnitt eine Wiederholung zu dem Hall-Effekt gegeben, der aus den Vorlesungen des Grundstudiums bekannt sein sollte. Beim Hall-Effekt fließt ein konstanter Gleichstrom durch ein Halbleiterplättchen, das senkrecht zur Stromflussrichtung von einem Magnetfeld durchsetzt ist. Nun kann man eine Hall-Spannung messen, die senkrecht zur Richtung des Magnetfeldes und senkrecht zum Stromfluss anliegt. Die Größe dieser Spannung errechnet sich durch die Formel UH = RH · I · B/d. Dabei bezeichnet I die elektrische Stromstärke, B die magnetische Flussdichte und d die Dicke des Halbleiterplättchens. Die Größe RH = 1/(n · q) ist die materialspezifische Hall-Konstante. Hier bezeichnet n die Ladungsträgerdichte im Halbleiter und q die Ladung eines Ladungsträgers. Für Elektronen ist dies die Elementarladung e. Dieser ~ erklären. Dabei bezeichnet ~v die Hall-Effekt lässt sich mit Hilfe der Lorentz-Kraft F~ = q · ~v × B ~ Geschwindigkeit des Ladungsträgers und B die magnetische Flussdichte. 2 Geschichte / Experimente Hier soll ein kleiner Einblick in die geschichtlichen Ereignisse und Experimente gegeben und somit ein erster Einblick in die Phänomenologie des Spin-Hall-Effektes gegeben werden. Die ersten beiden Wissenschaftler, die sich produktiv mit dem Spin-Hall-Effekt beschäftigten waren M.I.Dyakonov und V.I.Perel. Gemeinsam haben sie im Jahre 1971 den Spin-Hall-Effekt theoretisch vorausgesagt. Es dauerte bis zum Jahr 2004, bis der Spin-Hall-Effekt experimentell beobachtet werden konnte. Seinerzeit gelang es David Awschalom und seinen Mitarbeitern an der University of California in Santa Barbara den Effekt bei 30 Kelvin zu beobachten. Sie haben ein Halbleiterplättchen aus Galliumarsenid mit einer Schichtdicke von etwa 4µm [3] verwendet. Nachdem sie ein elektrisches Feld der Stärke 10mV µm−1 [3] angelegt haben, beobachteten sie am Rande der Probe eine Spin-Anhäufung. Auf der gegenüberliegenden Seite war der Spin in entgegengesetzter Richtung polarisiert. Die Spin-Polarisation war senkrecht zu dem elektrischen Feld und ebenfalls senkrecht zu der Ausbreitungsrichtung des Spin-Stromes ausgerichtet. Die Arbeitsgruppe beobachtete außerdem, dass diese Spin-Polarisation beim Einschalten eines externen Magnetfeldes verschwindet. Die Spin-Polarisation wurde mit Hilfe des magneto-optischen Kerr-Effektes gemessen und ist in Abbildung 1 dargestellt. Im Jahre 2006 gelang es der Arbeitsgruppe, den Spin-Hall-Effekt auch bei Zimmertemperatur nachzuweisen. Der Effekt tritt bei Zimmertemperatur allerdings deutlich schwächer auf. 2 Abbildung 1: Experimentelle Messung des Spin-Hall-Effektes. Die blauen Punkte geben die entsprechend zu den roten Punkten entgegen gesetzt gemessene Polarisation an. [3] Einer japanischen Arbeitsgruppe gelang es im Jahre 2008, den oben beschriebenen Spin-Strom am Rande des Halbleiterplättchens auszukoppeln. Am Rande der Probe wurde ein senkrechter Kanal angebracht, der zu einem anderen Halbleiterplättchen führte. Nachdem man am ersten Plättchen ein elektrisches Feld angelegt hatte, konnte man eine Spannung zwischen den beiden Kontakten des anderen Plättchens messen. In dem kleinen Kanal hat man keinen elektrischen Strom messen können. Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein reiner Spin-Strom geflossen ist. Durch den Kanal wurde der Spin-Strom zu einem weiteren Plättchen geleitet und hat dort wiederum senkrecht zu seiner Fließrichtung und senkrecht zu seiner Polarisations-Richtung einen elektrischen Strom induziert, der gemessen werden konnte. Ein weiterer interessanter Effekt ist der ”Inverse Spin-Hall-Effekt”. Hier verwendet man ebenfalls ein Halbleiterplättchen, legt allerdings keine elektrische Spannung an. Stattdessen strahlt man mit einem Laser auf die Oberfläche des Plättchens und erzeugt somit eine inhomogene Spin-Verteilung auf dem Plättchen. Wenn man nun noch ein externes Magnetfeld an diese Probe anlegt, kann zwischen den Enden des Halbleiterplättchens ein elektrischer Strom gemessen werden. 3 Wiederholung: Spin-Bahn-Kopplung Um die Theorie zu verstehen, ist ein grundlegendes Verständnis der Spin-Bahn-Kopplung notwendig, die hier wiederholt werden soll. Die Spin-Bahn-Kopplung beschreibt allgemein die Wechselwirkung des Elektronenspins mit dem Bahndrehimpuls im Atom. Zur Beschreibung der Elektronen im Festkörper lassen sich folgende effektive Hamilton-Operatoren aufstellen Ĥeff = k + V + Ĥint + Ĥext 1 Ĥint = − · ~b ~k · ~σ 2 ~ Ĥext = λ · ~σ · ~k × ∇V (1) (2) (3) Für die Spin-Bahn-Kopplung sind die letzten beiden Summanden von Bedeutung. Der Operator Ĥint beschreibt die intrinsischen Effekte der Spin-Bahn-Kopplung, wohingegen der Operator Ĥext die extrinsischen Effekte beschreibt. 3.1 Intrinsische Spin-Bahn-Kopplung Zuerst widmen wir unsere Aufmerksamkeit den intrisischen Effekten. Für ein n-dotiertes 3D-Elektronensystem in Zinkblende lässt sich dieser Operator zu dem Dresselhaus-Term umschreiben ĤD, 3d = B · kx · ky2 − kz2 · σx + B · ky · kz2 − kx2 · σy + B · kz · kx2 − ky2 · σz (4) Dabei hat die numerische Konstante einen Wert von B = 27eV Ȧ3 . Dieser Ausdruck lässt sich für 2 zweidimensionale Systeme (z.B. flache Schicht) nähern mit kz ≈ hkz i ≈ 0 und kz2 ≈ hkz2 i ≈ (π/d) . 2 2 Wir vernachlässigen außerdem die quadratischen Terme in kx und ky und erhalten Ĥβ = β · kx · σx − β · ky · σy 3 (5) Die Konstante lässt sich über die Formel β ≈ −B · (π/d)2 umrechnen. Der obige Hamilton-Operator tritt im Falle von Volumen-Inversions-Asymmetrie (BIA) auf. Diese besagt, dass die Kristallstruktur des Halbleiters kein Inversionszentrum aufweist. Sie tritt bei allen III-V- und II-VI-Halbleitern auf. Außerdem kann noch eine Struktur-Inversions-Asymmetrie (SIA) vorliegen. Diese liegt vor, wenn durch die Dotierung des Halbleiters ein asymmetrisches Potential entsteht. Durch Vernachlässigung höherer Terme in k erhält man den Rashba-Term für ein Zinkblende-System Ĥα = α · ky · σx − α · kx · σy (6) Man beachte im Gegensatz zu der Gleichung (5) die Indizes der Wellenvektoren. Für die schweren Löcher in einem p-dotiertem Zinkblende lässt sich ebenfalls ein Rashba-Hamiltonoperator finden. Dieser lautet 3 3 Ĥα, h = i · αh · k− · σ+ − k+ · σ− (7) mit σ± = σx ± i · σy und k± = kx ± i · ky . 3.2 Extrinsische Spin-Bahn-Kopplung In jedem realen Festkörper befinden sich Störstellen. Diese erzeugen ein elektrisches Feld, welches zur extrinsischen Spin-Bahn-Kopplung führt. Dieser Effekt kann ebenso durch ein entsprechendes externes elektrisches Feld induziert werden. Beschrieben wird die extrinsische Spin-Bahn-Kopplung durch den Hamilton-Operator (3). Die numerische Konstante liegt für das Material Galliumarsenid bei λ = 5,3Ȧ2 und für Indiumarsenid bei λ = 120Ȧ2 . In einem zweidimensionalen Elektronensystem trägt allerdings nur die z-Komponente bei. ~ Ĥext = λ · ~σ · ~k × ∇V (8) z Dieser Operator gilt ebenso für schwere Löcher mit J = 3/2. Interessant ist, dass die numerische Konstante nur von den Parametern des perfekten Kristalles abhängt. Eine Konsequenz der Spin-Bahn-Kopplung ist, dass die Orts- und Geschwindigkeitsoperator eine Veränderung erfahren und eine Spin-Abhängigkeit erhalten. Die Operatoren gehen über in ~rˆ → ~rˆ+δ~rˆ und ~vˆ → ~vˆ + δ~vˆ. Dies führt allerdings auch dazu, dass die Ortsoperatoren nicht mehr untereinander kommutieren. Die Korrekturen lassen sich mit Hilfe der Störungstheorie berechnen. Für Leitungsbandelektronen und schwere Löcher erhält man δ~rˆSO,e = λ · ~σ × ~k (9) δ~rˆSO,ν = λν · J~ × ~k (10) Diese Korrekturen sind für die spätere Beschreibung des extrinsischen Spin-Hall-Effektes von Bedeutung. 4 4 4.1 Mechanismen des Spin-Transportes Intrinsisch: Spin-Präzession Der Spin sei anfangs parallel zum internen Magnetfeld ~s k ~b. Nun legen wir ein homogenes elek~ = E · êx an den Halbleiter an. Aus der Festkörperphysik ist bekannt, dass dies zu trisches Feld E einer Änderung des Wellenvektors führt: ~k˙ = e · E ~ h̄ (11) Dabei ist h̄ das reduzierte Planck’sche Wirkungsquantum. Außerdem führt das Anlegen des elektrischen Feldes zu einer Veränderung des internen Magentfeldes gemäß der Formel ~ ~b˙ = ∂ b · e · E ∂kx h̄ (12) Wenn diese Änderungen klein sind, folgt der Spin dem internen Magnetfeld. Falls das Magnetfeld in der xy-Ebene rotiert, so rotiert auch der Spin in dieser Ebene. Man spricht von einer Spin ˙ Präzession. Die Frequenz ist gegeben ω = b−2 · ~b × ~b . Die Korretur des Spins lässt sich mit z folgender Formel ausdrücken: h̄2 ~ ~˙ δ~sˆ ~k = · b×b (13) 2 · b3 z Insgesammt führt dieser Effekt dazu, dass der Spin senkrecht zu dem elektrischen Feld wandert. Die Polarisation steht senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung und auf dem elektrischen Feld. 4.2 Extrinsisch: Störstellenstreuung Aus der Hochenergiephysik ist bekannt, dass der Streuquerschnitt eines geladenen Teilchens abhängig von seinem Spin ist. Dieses Ergebnis können wir nun auf den Halbleiter anwenden. Wenn ein Ladungsträger an einer Störstelle vorbei fliegt, wird er abhängig von seinem Spin unterschiedlich stark abgelenkt. Dies ist in der Abbildung 2 einmal stark vereinfacht dargestellt. Die Folge davon ist, dass der Streuquerschnitt spinabhängig ist. Wenn man nun über den Stoßparameter integriert, erhält man das Ergebnis, dass sich die Ladungsträger netto in eine Richtung senkrecht zur Vorzugsrichtung bewegen. Die Vorzugsrichtung wird durch das elektrische Feld festgelegt. Außerdem ist die Spinausrichtung senkrecht zu der Vorzugsrichtung und senkrecht zur Spin-Bewegungsrichtung. Zu erwähnen ist, dass die Spin-Hall-Leitfähigkeit hier positiv ist. Dieser Effekt wird auch Abbildung 2: Spinabhängige Streuung eines Ladungsträgers an einer Störstelle (klassische Trajektorien, rot: Spin up, blau: Spin down). Die gestrichelten Linien demonstrieren den Seiten-VersetzungsMechanismus [5] Mott-Störstellenstreuung genannt. 5 4.3 Extrinsisch: Seiten-Versetzungs-Mechanismus In Abschnitt 3.2 wurde erwähnt, dass der Orts- und Geschwindigkeitsoperator eine Korrektur erfahren. Diese Korrektur führt dazu, dass die Wellenfunktion der Ladungsträger bei der Streuung an einer Störstelle seitlich verschoben wird. Die Verschiebung hat den folgenden Wert 2 · δ~rˆSO,e = 2 · λ · ~σ × δ~k (14) Dieser Effekt verändert den Streuwinkel nicht. Der Streuquerschnitt bleibt also erhalten. Allerdings reduziert er den Betrag der Spin-Hall-Leitfähigkeit. 5 Die Spin-Hall-Leitfähigkeit Die Größenordung oder Stärke des Spin-Hall-Effektes wird im diesem Abschnitt anhand der SpinHall-Leitfähigkeit gezeigt. Dazu verwenden wir die Definition des Spin-Stromes nach H. Engel, E. Rashba und B. Halperin 1 (15) jki = · n · hσi · vk + vk · σi i 2 Analog zum Hall-Effekt lässt sich die Leitfähigkeit für den Spin-Hall-Effekt definieren σ SH = − jyz Ex (16) Dabei beschreibt Ex die x-Komponente des angelegten elektrischen Feldes. Das Minuszeichen ist für eine äquivalente Definition notwendig. Wir werden feststellen, dass die Spin-Hall-Leitfähigkeit keine systemübergreifende universelle Zahl ist,sondern von den Materialeigenschaften abhängt. Der Betrag liegt aber in der Größenordnung σ SH = e/(4 · π · h̄) 5.1 Spin-Hall-Leitfähigkeit im 2D-Volumen des Festkörpers Jetzt betrachten wir den Fall, dass isotrope Störstellenstreuung vorliegt. Über die HeisenbergGleichung erhält man im Volumen dσy m·α = − 2 (σz · vy + vy · σz ) dt h̄ (17) Wir nehmen hiervon den Erwartungswert und erhalten dSy ∝ jyz dt (18) Im statischen Fall erhalten wir jyz = 0, was zu einer Spin-Hall-Leitfähigkeit von σ SH = 0 führt. Auf dieses Ergebnis kommen ebenfalls die Wissenschaftler Li und Tao in ihrer Berechnung mit der Rashba-Spin-Bahn-Kopplung bei Leitungsbandelektronen. Kehren wir nun zu dem Hamilton-Operator ohne die anfängliche Näherung zurück. Für die Hamilton-Operatoren (4) und (7) verschwindet die Spin-Hall-Leitfähigkeit nicht, sondern nimmt folgenden Wert an e·N σ SH = (19) 4 · π · h̄ 6 Die Zahl N 6= 1 gibt an, wie oft das interne Magnetfeld ~b rotiert ist, wenn der Wellenvektor ~k eine Rotation durchgeführt hat. Jetzt betrachten wir Löcher in einem sauberen (intrinsischen) Halbleiter unter der Voraussetzung, dass die Streuung nur bei kleinen Winkeln stattfindet. Hier findet sich folgender Wert für die SpinHall-Leitfähigkeit N2 − 1 e·N · 2 · Ñ − ζ − 2 (20) σ SH = − 2 · π · h̄ N + 1 Dabei beschreibt ζ die Nicht-Parabolität der Bänder über v ∝ k1+ζ . Im typischen Fall mit N = Ñ = 3 und ζ = 0 erhält man ein anderes Vorzeichen als im nicht-sauberen Fall. Nun betrachten wir den extrinsischen Hamilton-Operator (3) für Elektronen. Mit diesem HamiltonOperator findet man folgende Spin-Hall-Leitfähigkeit γ e σ SH = − · σxx + 2 · n · λ · (21) 2·e h̄ Dabei ist σxx die elektrische Leitfähigkeit. Der erste Term resultiert aus der Streuung an den Störstellen, wohingegen der zweite Term aus dem Seiten-Versetzungs-Mechanismus resultiert. Wie schon in Abschnitt 4.3 erwähnt, reduziert der Seiten-Versetzungs-Mechanismus den Betrag der Spin-Hall-Leitfähigkeit. 5.2 Spin-Hall-Leitfähigkeit im 3D-Volumen bei T = 0K Jetzt betrachten wir ein dreidimensionales Volumen bei T = 0K. Dies wird durch dem LuttingerHamilton-Operator beschrieben. Die Spin-Orbit-Energie ist definiert SO = 2 · F · γ2 /γ1 . Für h̄/τ >> SO ergibt sich: 2 e SO γ2 S,z 0 σSH (0) = · 2 · k · · + ... (22) f h̄ · π 2 h̄/τ γ1 Für den Fall h̄/τ << SO findet man S,z (0) = σSH e γ1 + 2 · γ2 h · · kf − kfl + 2 8 · h̄ · π γ2 kf0 4 12 · 1 kfh !3 − !3 1 · h̄/τ + ... (23) l SO kf Dabei bezeichnen γ1 und γ1 die Luttinger-Indizes, τ die effektive Relaxationszeit, kf0 einen typischen h/l Fermi-Wellenvektor für Elektronen und kf Löcher. 5.3 einen typischen Fermi-Wellenvektor für schwere/leichte Schwere Löcher im quantum well Der quantum well entspricht einemzweidimensionalen Festkörper, wobei die dritte Dimension durch ein quantenmechanisches Kastenpotential ersetzt wird. Betrachten wir hier nun den Fall, dass 3 h̄/τ << α̃ · kf0 gilt. Dann ergibt sich mit der Näherung m · α̃/h̄2 << n−0,5 S,z σSH (0) = 9 · 7 e 4 · π · h̄ (24) Auffallend ist, dass das Ergebnis 9 mal größer als für Elektronen im Halbleiter, weil hier J = 3/2 angenommen wurde. 6 Phänomenologische Gleichungen In diesem Abschnitt fassen wir die Spin-Hall-Effekte in drei phänomenologische Gleichungen zusammen. Dazu verwenden wir allerdings die Definition des Spinstromes von M.I. Dyakonov und A.V. Khaetskii über einen Tensor qij . Dieser Tensor gibt an, wie stark der Strom mit der Fließrichtung in i-Richtung bei einer Spin-Polarisation in j-Richtung ist. Wenn sich z.B. alle Elektronen in x-Richtung bewegen und in z-Richtung polarisiert sind, dann ist die einzige nichtverschwindende Komponente qxz = n · v. Damit lassen sich folgende phänomenologische Gleichungen aufstellen ~j ~ + D · ∇n ~ +β·E ~ × P~ + δ · ∇ ~ × P~ =µ·n·E (25) e ∂Pj ∂n qij = −µ · Ei · Pj − D · + ijk · β · n · Ek + δ · (26) ∂xi ∂xk ∂qij Pj ∂Pj + + =0 (27) ∂t ∂xi τS Hier sind β = γ · µ und δ = γ · D. Dabei bezeichnet ~j die elektrische Stromdichte, µ die Mobilität der Ladungsträger, D die Diffusionskonstante und γ die Kopplungsstärke der Spin-Bahn-Kopplung. Man beachte, dass die Gleichungen nur für τS >> τP gelten. Mit diesen drei Gleichungen lässt sich der Spin-Hall-Effekt weitestgehend erklären. Die ersten beiden Summanden in den Gleichungen (25) und (26) sind die bekannten Diffusionsterme. Der dritte Summand in der Gleichung (25) beschreibt den anormalen Hall-Effekt, der bereits von Edwin Hall selbst in einem Ferromagneten entdeckt worden ist. Die Magnetisierung P~ kann hier auch durch ein externes Magnetfeld erzeugt werden. Erst 70 Jahre nach der Entdeckung verstand man, dass dieser Effekt auf der Spin-BahnKopplung beruht. Der vierte Summand in der Gleichung (25) erklärt den inversen Spin-Hall-Effekt. Ein elektrischer Strom wird hier durch die Rotation der Polarisation erzeugt. Der Effekt wurde 1984 von A. Bakun und seinen Mitarbeitern experimentell beobachtet. In der Gleichung (26) wird durch den dritten Summanden erklärt, wie ein elektrisches Feld einen Spin-Strom induziert. Das elektrische Feld, der Spin-Strom und die Polarisation stehen senkrecht aufeinander. Außerdem induziert ein Teilchendichte-Gradient einen Spin-Strom, der durch den vierten Summanden dargestellt ist. 6.1 Spin-Anhäufung durch Anlegen eines elektrischen Feldes Wir wollen nun mit den phänomenologischen Gleichungen das Experiment von David Awschalom und seinen Mitarbeitern erklären. Wir nehmen uns ein Halbleiterplättchen, das in der xy-Ebene ~ = Ex · êx . Nehmen wir ferner ausgerichtet ist. Das elektrische Feld wird in x-Richtung angelegt E an, dass die Teilchendichte n räumlich konstant sei. Im statischen Fall reduziert sich die Gleichung (27) zu ∂qij Pj + =0 (28) ∂xi τS Hier setzen wir jetzt die Gleichung (26) ein, setzen i = y und erhalten ∂ ∂Pj Pj −µ · Ey · Pj − D · + ijk · β · n · Ek + =0 (29) ∂y ∂y τS 8 Wir kommen so auf die Differentialgleichung −D · Pj ∂ 2 Pj + =0 2 ∂y τS Diese hat die allgemeine Lösung: √ y Pj (y) = Pj (0) · e± Ls (30) (31) mit der Diffusionslänge Ls = D · τS . Ein typischer Wert ist Ls ≈ 1µm. Setzen wir den Ursprung des Koordinatensystemes an den seitlichen Rand der Probe. Im Inneren der Probe seien die Werte von y positiv, so dass für die Exponentialfunktion nur das negative Vorzeichen physikalisch sinnvoll ist. Wir können bei y = 0 folgende Randbedingungen aufstellen, die wir aus der Gleichung (26) erhalten, wenn wir annehmen, dass der Spin nicht aus dem Halbleiter heraus fließen kann (qyj = 0): ∂Px (0) = 0 ∂y ∂Py (0) = 0 ∂y ∂Pz β·n·E (0) = ∂y D (32) Wenn wir die allgemeine Lösung (31) ableiten und mit den obigen Werten gleich setzen, so erhalten wir als Ergebnis β · n · E · Ls ± Ly ·e s Pz (y) = Px (y) = 0 Py (y) = 0 (33) D Dieser exponentielle Abfall des Spins nach innen wurde auch in dem Experiment gemessen. 7 Elektrische Effekte zweiter Ordnung In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit elektrischen Effekten zweiter Ordnung, die zu einer Reduzierung der elektrischen Leitfähigkeit führen. Wenn man einen elektrischen Strom durch einen Leiter schickt, so wird dadurch ein Spin-Strom induziert. Dieser induziert allerdings wiederum einen elektrischen Strom, der entgegen den urpsrünglichen Strom fließt. Die Stärke der einzelnen Effekte wird mit dem Faktor γ angegeben. Dieser Effekt lässt sich ausgehend von den folgenden Drude-ähnlichen Gleichungen beschreiben e·n qi dqi γ =− · Ei − (~q × ω ~ C )i − + · ijk · qjk dt m τP τP (34) qij dqij γ = ikl · ωc,k · qlj + jkl · Ωk · qil − − · ijk · qk (35) dt τP τP ~ ~ = g ·µB · B/h̄. ~ Dabei ist die Zyklotronfrequenz ω ~ C = e· B/(m·c) und die Spin-Präzessionsfrequenz Ω ~ = 0). Im statischen Fall gilt Wir betrachten jetzt allerdings den Fall ohne Magnetfeld (~ ωC = Ω außerdem dqi dqij = =0 (36) dt dt Mit diesen Bedingungen stellen wir die Gleichung (35) um und setzen diese in die Gleichung (34) ein. Es gilt für die Stromdichte j = σ ·E. Wir erhalten nach einer Taylor-Entwicklung den Ausdruck für die Leitfähigkeit σ = σ0 · 1 − 2 · γ 2 (37) mit der Drude-Leitfähigkeit σ0 = e · n · τp /m. Damit ist gezeigt, dass die elektrische Leitfähigkeit durch den Spin-Hall-Effekt abgesenkt wird. Es ist allerdings nicht möglich, diesen Effekt direkt zu messen. 9 8 Spin-Hall-Effekt mit Photonen Am Ende wollen wir noch kurz erwähnen, dass man den Spin-Hall-Effekt auch bei der Lichtbrechung von Photonen beobachten kann. Dazu wurde im Jahre 2007 ein Laserstrahl auf ein spezielles Glasprisma gerichtet und einmal gebrochen. Es wurde beobachtet, dass sich dieser Laserstrahl in zwei entgegen gesetzt zirkular polarisierte Strahlen aufgespalten hat, wobei die Aufspaltung nur einige Nanometer betragen hat. Interessant ist, dass die Aufspaltung senkrecht zur Strahlenebene des Lichtes erfolgte. 9 Literaturverzeichnis [1] Spin Hall Effekt, J. Schliemann, Int. J. Mod. Phys. B, 20, 1015 (2006) (arXiv:condmat/0602330). [2] Theory of Spin Hall Effects in Semiconductors, H.-A. Engel et al., Handbook of Magnetism and Advanced Magnetic Materials (2008) (arXiv:cond-mat/0603306). [3] Observation of the Spin Hall Effect in Semiconductors, Y.K. Kato et al., Science 306, 1910 (2004). [4] Experimental Observation of the Spin-Hall Effect in a Two-Dimensional Spin-Orbit Coupled Semiconductor System, J. Wunderlich et al., Phys. Rev. Lett. 94, 047204 (2005). [5] Spin Physics in Semiconductors, M.I. Dyakonov, Solid-State Sciences, Springer Berlin Heidelberg, ISBN: 978-3-540-78819-5 (2008). [6] Spin orbit interaction induced spin-separation in platinum nanostructures, K.C. Weng et al., Chapter 5 in Electron Transport in Nanosystems pp. 49-58 (2008) (arXiv:0804.0096). [7] Room-Temperature Reversible Spin Hall Effect, T. Kimura et al., Phys. Rev. Lett. 98, 156601 (2007). [8] Observation of the Spin Hall Effect of Light via Weak Measurements, O. Hosten et al., Science 319, 787 (2008). 10