Chancen, Nutzen und Nebenwirkungen der ICF in der Versicherungsmedizin Fortbildung REHAB Basel 05. 12. 2013 Dr. med. Jörg Jeger, Rheumatologie FMH, EMBA MEDAS Zentralschweiz, Luzern ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin Die industrielle Revolution Die Einführung von Sozialversicherungen ist eine Folge der industriellen Revolution: • • • • ICF in der Versicherungsmedizin Grossbetriebe Zunahme der Arbeitsunfälle untragbare Grossrisiken neue Formen der Armut Die industrielle Revolution Alfred Krupp (1812 – 1887) ICF in der Versicherungsmedizin Krupp Stahlwerke, Essen Geschichte der Schweizer Sozialversicherungen 1852 1902 1918 1948 1953 1953 1960 1966 1983 1984 1985 1996 2005 Gesetz über Pensionen und Entschädigungen der im Militärdienst Verunglückten Militärversicherung (MV) Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) Erwerbsersatzordnung (EO) Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) Invalidenversicherung (IV) Ergänzungsleistungen (EL) Arbeitslosenversicherung (ALV) Neues Unfallversicherungsgesetz (UVG) Obligatorische Berufliche Vorsorge (BVG) Neues Krankenversicherungsgesetz (KVG) Mutterschaftsversicherung (in die EO integriert) ICF in der Versicherungsmedizin Problematik 1. Vor der Industrialisierung gab es keine Sozialversicherungen. Das Arbeitsverhältnis wurde allein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt. 2. Mit Einführung von Versicherungen wurde das Risiko auf einen Dritten übertragen. 3. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherung können einen Schadenfall in der Regel nicht alleine abwickeln, sie brauchen dazu den Arzt. 4. Der Arzt profitiert selber am wenigsten von diesem Prozess, ist oft schlecht bezahlt, hat aber eine grosse Verantwortung. ICF in der Versicherungsmedizin Abgrenzungsprobleme • Die Vielzahl der Sozialversicherungen schafft Abgrenzungsprobleme, welche enorme Ressourcen verschleissen. • Abgrenzungsprobleme ergeben sich gehäuft im «Bermudadreieck» Arbeitslosenversicherung – Invalidenversicherung – Sozialhilfe. • In diesem Dreieck versinken einige Menschen mit Behinderungen… ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin Versicherungsmedizin «Versicherungsmedizin umfasst die Anwendung von handlungsbezogenem medizinischem Wissen und Kompetenzen, medizinischen Methoden und ärztlichen Werten, um für (potentiell) betroffene Menschen kollektive Regelungen zu entwickeln und umzusetzen, die negative gesundheitliche und soziale Konsequenzen von Krankheit und Unfall abfedern helfen.» Renggli V. et al.: Versicherungsmedizinische Kompetenz per Mausklick für den ärztlichen Alltag. SAEZ 2013; 94: 1613-1615 ICF in der Versicherungsmedizin Unterschiedliche Denkweise von Medizin und Recht Medizin Recht • Hat das Individuum und dessen Wohlergehen im Hauptfokus • Public Health View eher zweitranging • Ableitung von der Erfahrung (epidemiologische Datenlage, Berufserfahrung) • Eher dimensionales Denken • Denken in Regelkreis-Modellen • Integratives bio-psycho-soziales Krankheitsmodell • Hat eher das Wohl der Gesellschaft im Hauptfokus • Recht und Gerechtigkeit ist nicht das selbe • Ableitung vom geltenden Recht (Verfassung, Gesetze, Verordnungen, Rechtsprechung) • Eher kategoriales Denken • Linear-kausales Denken • Biomedizinisches Krankheitsmodell, Abtrennung von psychosozialen Faktoren ICF in der Versicherungsmedizin Unterschiede zwischen Medizin und Recht Medizin Recht (Invalidenversicherung) • Umfassende biopsychosoziale Betrachtungsweise (Engel 1977) • «International Classification of Functioning, Disability and Health» (ICF 2001) • Biopsychische Betrachtungsweise • 1. Reduktion: Ausscheidung «IV-fremder» Faktoren BGE 107 V 17: Alter, Ausbildung, Verständigung (1981) BGE 127 V 294: Psychosoziale und soziokulturelle Faktoren (2001) • 2. Reduktion: «Überwindbarkeitspraxis» BGE 130 V 352 (2004) ICF in der Versicherungsmedizin Versicherungsrechtliche Bruchstelle Beginn der Behandlung Beginn der AUF Taggeldzahlung erlischt Sozialhilfe? ArbeitslosenVersicherung? Krankenversicherung Taggeldversicherung bio-psycho-soziales Krankheitsmodell InvalidenVersicherung? bio-psychisches Krankheitsmodell Jeger J.: Wer bemisst invaliditätsfremde (soziokulturelle und psychosoziale) Ursachen der Arbeits-unfähigkeit – der Arzt oder der Jurist. Schriftenreihe Institut IRP-HSG, St. Gallen, Band 57, S. 147-174. ICF in der Versicherungsmedizin Behinderung versus Invalidität (Schweiz) Art. 2 BehiG «In diesem Gesetz bedeutet Mensch mit Behinderungen (Behinderte, Behinderter) eine Person, der es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben.» Art. 8 ATSG: «Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.» Art. 7 ATSG «Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.» ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin Die Forderung nach einer objektiven Sichtweise • Der Gesundheitsschaden muss objektiv, durch fachärztliches Wissen und Können, feststellbar sein. • Eine auf dem Gesundheitsschaden basierende Leistungseinschränkung muss aufgrund einer fachärztlichen Einschätzung bestehen (Sicht von aussen), nicht nur aufgrund der Eigeneinschätzung der versicherten Person. ICF in der Versicherungsmedizin Gustave Courbet Salvador Dali Aufgaben des medizinischen Experten «Der Arzt sagt, inwiefern der Versicherte in seinen körperlichen bzw. geistigen Funktionen durch das Leiden eingeschränkt ist, wobei es als selbstverständlich gilt, dass sich der Arzt vor allem zu jenen Funktionen äussert, welche für die nach seiner Lebenserfahrung im Vordergrund stehenden Arbeitsmöglichkeiten des Versicherten wesentlich sind (so etwa, ob der Versicherte sitzend oder stehend, im Freien oder in geheizten Räumen arbeiten kann oder muss, ob er Lasten heben und tragen kann usw.)» Bundesgericht, BGE 107 V 17 vom 23.1.1981 ICF in der Versicherungsmedizin Aktuelle Realität in der Begutachtung • Mangelhafte bzw. oft keine Arbeitsplatzbeschreibungen • Unzuverlässige Aussagen der Exploranden • Schwergewicht auf «strukturellen Läsionen» zur Einschätzung der Arbeitsfähigkeit • Wir überschätzen vermutlich die Bedeutung mechanischer und unterschätzen die Bedeutung psychosozialer Faktoren • Druck diverser Stakeholder auf die Begutachtung • Mangelhafte Abstützung auf publizierte Forschung (Gap zwischen Forschungsergebnissen und gutachterlichem Alltag) • Guidelines für die Begutachtung beschränken sich in aller Regel auf die formale Ebene • Zu wenig griffige Tools für die Evaluation der funktionalen Gesundheit ICF in der Versicherungsmedizin Fehler in der Entscheidungsfindung Falsch positive Entscheide (α-Fehler) Falsch negative Entscheide (β-Fehler) ICF in der Versicherungsmedizin Klinische Medizin Versicherungsmedizin Diagnostik: Ein Individuum wird als krank bezeichnet, obwohl es gesund ist Underwriting: Ein Antragsteller wird als risikoarm aufgenommen, obwohl er ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufweist Therapie: Einer Therapie wird eine Wirkung zugeschrieben, die sie in Wirklichkeit nicht hat Leistungen: Einem Versicherten werden Leistungen zugesprochen, obwohl keine relevante Behinderung vorliegt Diagnostik: Ein Individuum wird als gesund bezeichnet, obwohl es krank ist (Krankheit wird verkannt) Underwriting: Ein Antragsteller wird als Risikofall abgelehnt, obwohl er kein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufweist Therapie: Eine Therapie wird als wirkungslos verkannt, obwohl sie eine Wirkung hat Leistungen: Einem Versicherten werden Leistungen verweigert, obwohl eine relevante Behinderung vorliegt Fehler in der Entscheidungsfindung • Ein optimales Gesundheitssystem (Versicherungswesen) vermeidet sowohl falsch-positive wie auch falsch-negative Entscheide. • Wenn eine Versicherung unter grossen Finanzdruck (politischen Druck) gerät, so läuft sie Gefahr, gehäuft falsch-negative Entscheide zu fällen. • Die Medizin sollte sich nicht dazu missbrauchen lassen, eine marode Versicherung zu sanieren. • Eine seriöse, evidenzbasierte Arbeitsweise hilft mit, Missbräuche der Medizin zu verhindern. • Die ICF kann dazu einen Beitrag leisten. ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin ICF in der Begutachtung • Alle neueren Bücher zur medizinischen Begutachtung beziehen sich auf die ICF. • Unterschiedlich ist die Art und der Umfang des Bezuges. • In der Regel wird die Verwendung der ICF als Framework empfohlen, nicht die vollständige Codierung. • Das Autorenkollektiv ist (noch) klein. Gerhard Rompe, Arnold Erlenkämper (Hrsg.): Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane. Thieme Verlag, 5. Aufl. (2009) Wolfgang Schneider (Hrsg.): Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. Huber Verlag (2012) ICF in der Versicherungsmedizin ICF in der Begutachtung Riemer-Kafka G. (Hrsg.): Versicherungsmedizinische Gutachten. Stämpfli Verlag, 2. Aufl. (2012), S. 124-142. ICF in der Versicherungsmedizin Chancen der ICF in der Begutachtung • Da die ICF eine krankheitsunabhängige Klassifikation ist, ist sie bei sozialmedizinischen Fragestellungen immer unter Berücksichtigung der vorliegenden gesundheitlichen Störungen und Krankheiten zu verwenden. • In diesem Sinn kann die ICF als Basis für eine gemeinsame Sprache für die bio-psycho-soziale Dimensionen von Krankheit und Krankheitsfolgen genutzt werden. Schuntermann M., in: Deutsche Rentenversicherung: Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung. Springer Verlag, 7. Aufl. (2011), S. 73 ICF in der Versicherungsmedizin ICF-Denken in der Begutachtung Aktuell noch häufig Forderung • Der Gutachter benützt für die Leistungseinschätzung (ausschliesslich) die gestellten Diagnosen. • «Schnellschuss» von der Diagnose zur Arbeitsfähigkeit. • Der Gutachter soll aufzeigen, welche Fähigkeiten aufgrund der gestellten Diagnosen gestört sind. • Er soll aufzeigen, wie sich die Fähigkeitsstörungen auf Aktivität und Teilhabe auswirken. • Dies ermöglicht einen Vergleich des Fähigkeitsprofils mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes. ICF in der Versicherungsmedizin Das Grundgerüst (Framework) der ICF Gesundheitsproblem (Gesundheitsstörung oder Krankheit) Körperfunktionen und -strukturen Aktivitäten Umweltfaktoren ICF in der Versicherungsmedizin Teilhabe personbezogene Faktoren ICF: die Brücke für die Verständigung zwischen Medizin und Recht ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin Core Sets und Mini-ICF-APP • Die vollständige ICF umfasst ca. 1400 Items: Dies ist viel zu umfangreich für die Anwendung im klinischen Alltag. • Viele Autoren haben versucht, das Wichtigste in Kürze in sogenannten «Core Sets» zusammenzufassen. • Das am weitesten entwickelte Core Set für die Psychiatrie ist das Mini-ICFAPP von LINDEN und BARON. • In der MEDAS Zentralschweiz verwenden wir das Mini-ICF-APP seit 2010 für die psychiatrische Begutachtung. Linden M., Baron S.: Das «Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (Mini-ICF-P)». Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Störungen. Rehabilitation 2005; 44: 144-151. ICF in der Versicherungsmedizin Das Mini-ICF-APP von LINDEN und BARON • Das Mini-ICF-APP beurteilt 13 verschiedene Aktivitäts- und Partizipationsstörungen. • Diese werden mit einem Rating zwischen 0 (nicht beeinträchtigt) und 4 (vollständig beeinträchtigt) versehen. • Daraus ergibt sich ein Fähigkeitsprofil des Versicherten, das mit den Anforderungen an einen Arbeitsplatz verglichen werden kann. • Wichtig ist, dass sich der Beurteiler genau an die publizierten Ankerdefinitionen hält. Linden M., Baron S.: Das «Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (Mini-ICF-P)». Ein Kurzinstrument zur Beurteilung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Störungen. Rehabilitation 2005; 44: 144-151. ICF in der Versicherungsmedizin Das Mini-ICF-APP von LINDEN und BARON Linden M., Baron S., Muschalla B.: Mini-ICF-APP. Verlag Hans Huber (2009) ICF in der Versicherungsmedizin Die 13 Items des Mini-ICF-APP 0 1. Anpassung an Regeln und Routinen 2. Planung und Strukturierung von Aufgaben 3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit 4. Anwendung fachlicher Kompetenzen 5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 6. Durchhaltefähigkeit 7. Selbstbehauptungsfähigkeit 8. Kontaktfähigkeit zu Dritten 9. Gruppenfähigkeit 10. Familiäre bzw. intime Beziehungen 11. Spontan-Aktivitäten 12. Selbstpflege 13. Verkehrsfähigkeit Linden M., Baron S., Muschalla B.: Mini-ICF-APP. Verlag Hans Huber (2009) ICF in der Versicherungsmedizin 1 2 3 4 Daten von Linden & Baron 2009 (n = 212) 1. Anpassung an Regeln und Routinen 2. Planung und Strukturierung von Aufgaben 3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit 4. Anwendung fachlicher Kompetenzen 5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 6. Durchhaltefähigkeit 7. Selbstbehauptungsfähigkeit 8. Kontaktfähigkeit zu Dritten 9. Gruppenfähigkeit 10. Familiäre und intime Beziehungen 11. Spontanaktivitäten 12. Selbstpflege 13. Verkehrsfähigkeit 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 Bei Aufnahme arbeitsfähig (n = 125) Bei Aufnahme arbeitsunfähig (n = 87) Linden M. et al.: Mini-ICF-APP: Huber Verlag (2009), S. 52 ICF in der Versicherungsmedizin Erfahrungen aus der MEDAS Zentralschweiz (n = 529) 1. Anpassung an Regeln und Routinen 2. Planung und Strukturierung von Aufgaben 3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit 4. Anwendung fachlicher Kompetenzen 5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 6. Durchhaltefähigkeit 7. Selbstbehauptungsfähigkeit 8. Kontaktfähigkeit zu Dritten 9. Gruppenfähigkeit 10. Familiäre und intime Beziehungen 11. Spontanaktivitäten 12. Selbstpflege 13. Verkehrsfähigkeit 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 AF > 70% AF < 30% Daten MEDAS Zentralschweiz, Stand 25.11.2013 (unveröffentlicht) ICF in der Versicherungsmedizin Erfahrungen aus der MEDAS Zentralschweiz (n = 529) F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 F8 F9 F10 F11 F12 F13 Arzt 1 (n = 214) 1.07 1.31 1.98 1.30 1.43 1.92 1.77 1.13 1.32 1.41 1.22 0.24 0.37 Arzt 2 (n = 143) 1.48 1.66 1.97 1.33 1.76 2.20 1.60 1.19 1.00 0.82 1.67 0.28 1.24 Arzt 3 (n = 123) 1.31 1.43 1.90 1.29 1.35 2.09 1.44 1.07 1.33 1.23 1.43 0.26 0.57 Arzt 4 (n= 49) 1.47 1.65 2.10 1.37 1.51 2.16 1.69 1.51 1.67 1.49 1.59 0.35 0.84 Mittelwert (n = 529) 1.33 1.51 1.99 1.32 1.51 2.09 1.63 1.22 1.33 1.24 1.48 0.28 0.75 SEM 0.19 0.17 0.08 0.03 0.18 0.12 0.14 0.20 0.28 0.30 0.20 0.05 0.38 Daten MEDAS Zentralschweiz, Stand 25.11.2013 (unveröffentlicht). ICF in der Versicherungsmedizin Vorteile des Mini-ICF APP • Das Mini-ICF Rating ergibt ein Profil von Fähigkeiten und Defiziten des Individuums. • Dieses Fähigkeitsprofil kann mit dem Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes verglichen werden. • Auch bei psychischen Störungen gibt es «dem Leiden angepasste» Tätigkeiten. • Die ICF baut die Brücke von der Diagnose zur Beurteilung der funktionellen Leistungsfähigkeit. ICF in der Versicherungsmedizin Vorteile des Mini-ICF APP «Für den Beurteilten stellt die Anwendung des Mini-ICF-APP keine Belastung dar. Es stellt für den Probanden einen Schutz vor willkürlichen oder emotional gefärbten Beurteilungen dar, weil es den Beurteiler zwingt, seine Einschätzungen in Bezug auf mögliche Fähigkeitsstörungen begründet und in strukturierter Form abzugeben.» Linden M. et al.: Mini-ICF-APP: Huber Verlag (2009), S. 22 ICF in der Versicherungsmedizin EUMASS Core Set für die sozialmedizinische Begutachtung Brage S. et al.: Development of ICF Core Set for disability evaluation in social security. Disability and Rehabilitation 2008; 30: 1392-1396 ICF in der Versicherungsmedizin EUMASS Core Set für die sozialmedizinische Begutachtung ICF in der Versicherungsmedizin Agenda • • • • • • Die Entwicklung der Sozialversicherungen Versicherungsmedizin als Teil von Public Health Aufgaben des medizinischen Experten Die Chancen der ICF Das Mini-ICF-APP für psychische Störungen Grenzen und mögliche Nebenwirkungen ICF in der Versicherungsmedizin Grenzen der ICF in der Begutachtung • Die ICF kann keine Verläufe abbilden. • Die ICF kann keine Kausalitäten ermitteln. • Die ICF kann keine Prognose herleiten. • Die ICF äussert sich nicht zur Zumutbarkeit (Rechtsbegriff) Anner J. et al.: Evaluation of work disability and the international classification of functioning, disability and health: what to expect and what not. BMC Public Health 2012; 12: 470 [Epub] ICF in der Versicherungsmedizin Grenzen der ICF in der Begutachtung • Die ICF ist keine Klassifikation funktionaler Diagnosen, sondern mit ihr können funktionale Befunde und Symptome angegeben werden. • Die ICF ist kein Assessment-Instrument. Auf ihrer Grundlage können jedoch solche Instrumente entwickelt werden. Schuntermann M., in: Deutsche Rentenversicherung: Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung. Springer Verlag, 7. Aufl. (2011), S. 71 ICF in der Versicherungsmedizin Nebenwirkungen zeigen sich oft erst später ICF in der Versicherungsmedizin Mögliche Nebenwirkungen • Vernachlässigung der Krankheitsgeschichte und der Diagnostik? • Ausweitung des Krankheitsbegriffes: mehr «Invalide»? • Schaffen wir andere «Invalide»? • Mehr Abgrenzungsprobleme: mehr Rechtsstreitigkeiten? • Fehler infolge mangelhafter Anwenderschulung? ICF in der Versicherungsmedizin Mail: [email protected]