Wie uns Kinder das lehren lernen Referat 071012

Werbung
Referat am Forum "Sprache und Musik"
9. Landeskongress für Schulmusik, 11. - 14. 10. 2007 Freiburg i. Br.
Wie uns Kinder das Lernen lehren
Markus Cslovjecsek
Folie 1: Titel
a. Background
Das Verständnis von Lernprozessen hat sich aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse der
Lernpsychologie und der Neurophysiologie grundlegend verändert. Es wird zunehmend
deutlich, dass neben den traditionell anerkannten Stimuli zur Hirnentwicklung wie Sprache
und Bild, das körperliche Lernen eine zentrale Rolle spielt. Das frühkindliche Lernen, die
Prägungen durch das Umfeld, ist entscheidender für die Intelligenzentwicklung als die
Struktur der vererbten Hirnmasse.
Lernen wird zudem als Prozess des Konstruierens seitens des Lernenden verstanden. Für
effizientes Lernen ist es wichtig, dass entsprechende Lernfelder zur Verfügung stehen. Diese
Erkenntnisse werden in den aktuellen Fachdidaktiken der unterschiedlichen Disziplinen
aufgenommen.
Das vorsprachliche Kind lernt seine Muttersprache ohne vorausgehende Sprachkenntnisse.
Die vom kleinen Kind angewandten Lernverfahren haben Implikationen auf das Lernen
überhaupt. Aufgrund der aktuellen Kenntnisse über die Gestalt von Lernprozessen ist
anzunehmen, dass das Lernen aus klanglichen Zeichen und das Lernen mit klanglichen
Zeichen für die frühkindlichen Kognitionen entscheidend sind. Diese Lernerfahrungen sind
als „Vorwissen“ für das weitere Lernen prägend. Sie werden im schulischen Umfeld jedoch
noch kaum berücksichtigt: musikalisches Denken und Handeln ist traditionsgemäss dem
Musikunterricht vorbehalten. Neue Etiketten in staatlichen Bildungsplänen wollen
transdisziplinäres Denken fördern, doch wird die disziplinübergreifende Vernetzung der
Lerngegenstände erst ziemlich oberflächlich umgesetzt und von Musikpädagogen oft als
aussermusikalisches Lernen bezeichnet.
Die neuen Erkenntnisse und die bildungspolitische Situation erfordern ein grundlegendes
Umdenken in der Didaktik des Musikunterrichts. Aufbauendes Musiklernen bedeutet aus der
Perspektive des Kindes oft etwas anders als aus der Perspektive des Musiklehrers. Es ist
anzunehmen, dass der mit einem erweiterten Verständnis von Klang als Zugang zur Welt
verbundene Paradigmenwechsel Widerstände auslöst. Zugleich werden kritische Fragen
bezüglich der Ausbildung von Lehrpersonen wie auch zum allgemeinen Lehrverständnis und
allen Fachdidaktiken aufgeworfen.
Kurzformeln wie „Lernen mit Musik“ und „Lernen durch Musik“ sind einerseits durch
fragwürdige Wundermethoden, unglaubwürdige Studien sowie reisserische Medienberichte
belastet, andererseits aber in der pädagogischen Psychologie bisher kaum diskutiert und
weitgehend unerforscht.
Folie 2: Übersicht
b. Theoretical Framework
Der Beitrag basiert auf den Erfahrungen mit unterschiedlichen Modellen erweiterten
Musikunterrichts, der Auseinandersetzung mit lernpsychologischen Grundlagen und aktuellen
Erkenntnissen aus der Neurophysiologie. Die Unterrichts-Praxis mit einem integrierenden
Musikunterricht welche Musik sowohl als eigenständige Kunst und gleichzeitig auch als
Medium des Lehrens und Lernens versteht, eröffnet für die Schule Lernfelder und Lernwege
Wege welche die Kinder als Lernende und in vielen Bereichen bereits Wissende ernst
nehmen. In einem ersten Schritt haben wir für uns den Begriff Musik so definiert, wie ihn
auch einige zeitgenössische Komponisten verstehen: „Everything we do is music“ (Cage).
Zudem gehen wir von der Annahme aus, dass Musik in diesem erweiterten Verständnis ein
Zeichensystem der menschlichen Kommunikation (Spychiger, 2003) sei. Die enge
Verknüpfung unserer Projekte mit der Praxis (Mathe macht Musik / frühes
Fremdsprachenlernen mit Musik) liefert immer wieder Lerngelegenheiten im Sinne von
Breslers (2002) „Transformative Practice Zones (TPZ)“, wo im gemeinsamen Diskurs mit
Experten des Unterrichtens anschlussfähiges Wissen um die Funktionen und Qualitäten des
Lernmediums Musik generiert wird. Im Sinne der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967;
dt, 1998) und Action Research (Lewin 1946) werden die Beobachtungen, Erfahrungen und
Erkenntnisse an der aktuellen Diskussion der Lerntheorien gespiegelt. Durch diesen, stark an
die Unterrichtspraxis gebunden Zugang, werden das Wissen der Lehrpersonen und der Kinder
mit in die Forschung einbezogen. Der Arbeit liegt somit ein transdisziplinäres
Forschungsparadigma nach Klein (2000) zugrunde; d.h. der Zugang ist handlungsorientiert,
interdisziplinär und partizipativ.
c. Main Contribution
Wie uns Kinder das Lernen lehren
1. Lernen und Gehirn
Folie 3: Zitat Galilei
Unser Wissen über die Funktion des Gehirns hat sich in den letzten 20 Jahren grundsätzlich
verändert.
Folie 4: neuere Erkenntnisse der Neuropsychologie
Während man in den 80er Jahren des 20 Jahrhunderts noch davon ausging, dass das Gehirn
bei der Geburt quasi fertig ist und ab diesem Zeitpunkt ein Abbau einsetzt, weiss man heute,
dass das Gehirn des kleinen Kindes hochplastisch ist, dass sich seine Strukturen abhängig von
Stimulationen verändern, und dass bis ins hohe Alter gelernt werden kann.
Folie 5: Vererbung, Plastizität, Livelong learning
Musik scheint einer der stärksten Reize für die neuronale Umstrukturierung zu sein
(Altenmüller).
Folie 6: Musik stärkster Reiz
Trotzdem ist Musik bisher in der Lern-Forschung kaum thematisiert. Wir kennen Musik wohl
als Mittel zur Entspannung, Konzentration im Unterricht. Als Zugang zum Lernen, als
Lernmedium ist nichtverbaler Klang jedoch wenig bekannt und nicht erforscht.
Unter einem 'Lernmedium' versteht man aus lernpsychologischer Sicht eine Art Kode, mit
dem ein neuer Inhalt, eine Botschaft verschlüsselt und gespeichert bzw. ausgedrückt und
gelesen wird. (nach Steiner)
Ein Lernmedium ist in diesem Sinn ein Mittler des Merkens und Wirkens. Der Funktionskreis
von Merken und Wirken wurde erstmal vom Biologien J. v. Uexküll beschrieben. A. Lang
erweiterten diesen biologischen Funktionskreis zum vierphasigen semiotischen
Funktionskreis. Dieser wurde von M. Spychiger explizit lernpsychologisch formuliert.
Folie 7-9 semiotischer Funktionskreis
Ein Kode ist eine bedeutungstragende Form der Verschlüsselung oder der geistigen
Repräsentation (Bruner 1966/1971, Aebli 1981) von Bedeutungen oder Botschaften. In
diesem Sinne handelt es sich bei einem Lernmedium um eine Kommunikationsform mit je
eigener Grammatik und Syntax, in der neue Inhalte verschlüsselt und ausgedrückt werden (…
keine blosse Sinnesmodalität!)
Folie 10: Lernmedien
•
•
•
•
Bildsprache (ikonisches Lernmedium)
Handlung (enaktives Lernmedium)
Bewegungssprache (Motorik als Lernmedium)
Text, Lautsprache (symbolisches Lernmedium)
Auch Musik (Töne, Rhythmus, Takt, Melodie…) ist eine eigene Sprache, ein Kode oder ein
Zeichensystem, mit dem nicht nur Gefühle, sondern auch Bedeutungen verschlüsselt und
vermittelt werden können.
Folie 11: Semiotische Felder (Eco 1968)
Die Analyse der semiotischen Felder lässt viele Überlagerungen erkennen. Der Semiotiker
VLADIMIR KARBUSICKY (1986) stellt fest: ”Der Systemversuch Eco’s macht deutlich,
dass das Gebiet der musikalischen Semantik keineswegs in sich geschlossen ist. Bereits die
Zoosemantik ist ein wichtiger Bestandteil musiksemantischer Forschungen”.
Am Beispiel der Filmmusik kennen wir diese besondere Qualität der nicht-sprachlichen
Klangzeichen gut.
Folie 12: Fassbinder
Der fertige Film besteht aus Tonspur und Bildspur. Auge und Ohr liefern dabei dem
Menschen Informationen von unterschiedlicher Qualität:
•
•
Das Auge vermittelt gestaltkräftige Information - das Ohr, abgesehen von der Sprache,
gestaltschwache Information.
Das Sehen informiert uns über die äussere Beschaffenheit, den „Zustand“ der Welt - das
Hören informiert uns über innere Beschaffenheiten, Gedanken, Gefühle, Stimmungen.
Der Film kombiniert die verschiedenen Kodes, Inhalte werden also mehrfach kodiert. Mit
entsprechende Text-Bild-Ton – Koppelungen lässt sich polarisieren, paraphrasieren,
kontrapunktieren, emotionalisieren…
In der Lernpsychologie spricht man von 'Mehrfachkodierung', wenn ein Inhalt (eine
Botschaft) auf verschiedene Weise erfahren und vom Lernenden kodiert (verschlüsselt) wird.
Folie 13: Mehrfachkodierung
Als Grundannahme gilt hierbei: Neue Inhalte - Erfahrungen, Bedeutungen, Botschaften,
Einstellungen - sind umso nachhaltiger verfügbar, wenn sie vom Lernenden mehrfach kodiert
bzw. verschlüsselt werden. z.B. Bild und Sprache, Hören und Sehen (audiovisuell), Musik
und Bewegung (Rhythmus, Takt…)
Als Lernmedium im schulischen Kontext ist Musik indessen noch wenig erforscht und wird
didaktisch kaum systematisch umgesetzt (Messner 2007).
Folie 14: Musik im schulischen Kontext
Nicht verbaler Klang oder Musik ist im wissenschaftlichen Diskurs kein Thema
• vgl. Pädagogische Psychologie, ein Lehrbuch (Krapp, Weidenmann 2006): im Kapitel
Lernmedien ist Klang kein Thema
• vgl. Handbook of Research on Teaching (Richardson 2001): kein Stichwort
ausgewiesen).
Folie 15: Lernmedien 2
Klang und Bewegung werden in der Forschung nicht als Lernzugänge thematisiert. Bei
Bruner und Aebli könnte man versuchen, Lernen über Klang und Bewegung als enaktive
Form des Lernens zu verstehen.
Spychiger zeigt auf, dass Klang als Repräsentationsform im Brunerschen Sinn eine eigene
Dimension aufweist. Sie nennt den klangspezifischen Weltzugang „indexikal“. D.h. so wie
der Rauch Zeichen eines Feuers ist, weist ein Klang auf einen Ursprung hin, z.B. auf Freude
oder Trauer.
Diese indexikale Eigenschaft des Klanges - also das zurückführen des Klangverlaufes
(Melodie / Prosodie) auf eine ihm Zugrunde liegende Ursache - könnte auch eine wesentliche
Rolle spielen beim Mutterspracherwerb, einer der ersten und der wohl faszinierendsten
Lernerfahrung jedes Menschen.
[Anmerkung: siehe Forschungsprojekte des Max Planck Institutes für Neuropsychologie
Leipzig und die Arbeiten von Stefan Koelsch und Sebastian Jentschke, z.B.: Investigating the
Relationship of Music and Language in Children, Influences of Musical Training and
Language Impairment (2005)]
2. Das vorsprachliche Lernen und die Kompetenzen der kleinen Kinder
Wenn wir uns mit frühem Fremdsprachenlernen beschäftigen, müssen uns die
vorausgegangenen Lernerfahrungen der Kinder interessieren:
Folie 16: Warum interessiert das?
•
•
Zum einen, weil neues Wissen und neue Fertigkeiten immer auf dem bereits
vorhandenen Wissen aufbauen. Wenn mit Erfolg gelernt werden soll, müssen
bestehende Strukturen und Fähigkeiten der Lernenden genutzt werden.
zum anderen, weil die kleinen Kinder ja kürzlich bereits ziemlich eigenständig ihre
Muttersprache erlernt haben. Es erscheint sinnvoll, sie, gewissermassen als Experten
im Sprachenlernen, ernst zu nehmen und ihre Methoden kennen lernen zu wollen
Mit Blick auf das „Weltwissen der Siebenjährigen“ (Elschenbroich, 2001) und auf das
frühkindliche Sprachlernen wird deutlich, dass elementare musikalische Formen eine wichtige
Rolle spielen im „in die Welt kommen“ des Kindes.
Folie 17: Merk- und Wirkmittel des vorsprachlichen Kindes
Klang und Bewegung sind die wichtigsten Merk- und Wirkmittel im kulturellen
Entwicklungsprozess des vorsprachlichen Kindes und werden erst später durch das Bild und
die Sprache ergänzt.
Das Ohr ist anerkannter weise das erste voll entwickelte Sinnesorgan des Menschen. Das
pränatale akustische Umfeld ist geprägt durch den Puls des mütterlichen Kreislaufes, durch
eine Vielfalt von, durch das Fruchtwasser gedämpften, Verdauungsgeräuschen, der etwas
weiter entfernten Mutterstimme und, ganz im Hintergrund, Geräuschen und Klängen der
Umgebung der Mutter. Bei der Geburt wird dieses Klangkontinuum in zwei Richtungen
grundlegend verändert: akzidentielle Laute treffen ungedämpft auf das kindliche Trommelfell
und es gibt erstmals so etwas wie Stille.
Folie 18: Sprachbegabung, Sprachinstinkt (Pinker), Sprachtrieb?
Auf die Frage „Wie das Kind sprechen lernt“ sagt Jerome Bruner:
Folie 19: Bruner's Ansicht
„Ich habe eine Ansicht des Spracherwerbs […], welche dessen Kontinuität mit und
Abhängigkeit von dem Erwerb der Kultur betont. Die Kultur besteht aus symbolischen
Verfahren, Begriffen und Unter- Unterscheidungen, die nur durch die Sprache möglich
werden. Sie wird dem Kind durch den Spracherwerb selber übermittelt. Entsprechend lässt
sich das Wesen der Sprache nicht ohneEinbezug ihrer kulturellen Einbettung verstehen.“
(Bruner 1983/2002, S. 116)
Er betont, dass beim Spracherwerb eines Kindes der Aspekt der Funktion und der
kommunikativen Absicht berücksichtigt werden muss. Bruner erklärt, dass der Spracherwerb
des Kindes schon beginnt, bevor es seine erste lexikogrammatische Äusserung von sich gibt,
nämlich dadurch, dass Mutter und Kind einen Rahmen für ihre Interaktionen schaffen. Dieser
Rahmen ist inszeniert und zu Beginn vom Erwachsenen stark kontrolliert. Ein Spiel kann
beispielsweise ein solcher Rahmen sein.
Dieser Transaktionsrahmen stellt für das Kind ein Hilfssystem zum Sprach- Spracherwerb
dar. Dieses Hilfssystem nennt Bruner „Language Acquisition Support System“ (LASS).
Am Anfang ist aber der Rahmen solcher Spiele eher mit Musik zu vergleichen als mit
Sprache. Es ist Spiel mit Klängen und Geräuschen, bald vornehmlich mit den Klängen und
Geräuschen der Muttersprache. Klang ist also der Bedeutungsträger aus welchem die kleinen
Kinder unter Einbezug ihrer Beziehungsfähigkeit Sprache entwickeln und Klang ist es, der oft
ihre Handlungen begleitet. Lassen Sie uns dies anhand eines kleinen Spiels in der Praxis
betrachten:
Fuss klatsch klatsch, Fuss -
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss -
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss -
- Fuss
-
-
(rep.)
Bereits der Versuch, dieses Spiel zu imitieren hat natürlich mit Lernen zu tun. Wenn wir
genauer hinschauen, können wir aber auch einiges über das Lernen selber lernen. Z.B. wie
unser Vorwissen und gleichzeitig die aktuelle Unterrichtssituation das Lernen prägt: Wir
strukturieren Klänge (wie die vorsprachlichen Kleinen), wir bilden Theorien (wie die
vorsprachlichen Kleinen) und wir haben Schwierigkeiten, diese Theorien zu überarbeiten
(dieses Problem haben die vorsprachlichen Kleinen offenbar weniger).
Fuss klatsch klatsch, Fuss Dum täsch täsch, dum -
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss dum täsch täsch, dum -
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss -
- Fuss
-
-
(rep.)
-
Den Klang von Füssen und Händen haben wir nun mit lautsprachlichen Mitteln verstärkt. Es
ist klar, dass wir alle die Silben ähnlich verstehen. Wir tun dies in sozialem Kontakt (dem
wichtigsten Motor für den Kulturerwerb).
Fuss klatsch klatsch, Fuss Dum täsch täsch, dum Fuss klatsch klatsch
Stomp clap clap
Left clap clap, right
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss dum täsch täsch, dum -
- - left clap clap, right -
-
Fuss klatsch klatsch, Fuss -
- Fuss
-
-
(rep.)
-
- …
Nun verbinden wir Begriffe mit Handlungen. Gemäss den Untersuchungen bei
vorsprachlichen Kindern einer der wichtigsten Zugänge zur Sprache. Wir ersetzen wir hier
bereits den Klang des Stampfens und Klatschens mit unterschiedlichen sprachlichen
Symbolen mit einem Nomen und einem Verb – im deutschen sogar mit einem Imperativ,
welcher aber eher als kurze Grundform gemeint ist (ein Umgang mit Klängen und
Handlungen, welcher offenbar vorsprachlichen kognitiven Prozessen entspricht)
Fuss klatsch klatsch, Fuss - Fuss klatsch klatsch, Fuss - Fuss klatsch klatsch, Fuss - Fuss Dum täsch täsch, dum dum täsch täsch, dum Left foot clap clap, right foot - - left foot clap clap, right foot - - …
Un deux trois, salue quatre cinque six, salue - - sept huit neuf, salue - salue -
-
(rep.)
-
(rep.)
Der Prozess der Abstraktion geht also noch weiter. Wie kommt wohl so etwas im Kopf des
Kindes an, sei es nun im Kopf des vorsprachlichen Kindes oder hier konkret im Kopf des
Fremdsprachlerners. Auf welche bereits bestehenden Strukturen trifft diese Klangfolge,
welche ja die Fremdsprache zunächst einmal bedeutet?
Fuss klatsch klatsch, Fuss - Fuss klatsch klatsch, Fuss - Fuss klatsch klatsch, Fuss Dum täsch täsch, dum dum täsch täsch, dum Left foot clap clap, right foot - - left foot clap clap, right foot - - …
Un deux trois, salue quatre cinque six, salue - - sept huit neuf, salue Eins zwei
drei, di di - di frei, vier fünf sechs, dudududu Hex, sieben acht neun, das -
- Fuss
-
-
- salue ist schön -
(rep.)
(rep.)
(rep.)
Vielleicht gabs schon zuvor Ideen der Kinder die Freiräume nicht nur klanglich, sondern auch
sprachlich oder mimisch/gestisch zu gestalten. Auch das bilden von Reimen ist im Grunde ein
musikalisches Phänomen von Klangfarbe und Metrum. Auch dieser musikalische Zugang ist
in den vorsprachlichen Lautspielen äusserst wichtig. Hier sind die Ansätze des SyntaxLernens versteckt, das Bilden und Erkennen von Regeln.
Ähnliche Spiele sind bei allen Kinder zu beobachten, bekannt sind sie uns besonders auf der
visuellen und der sprachlichen Ebene. Beim vorsprachlichen Kind vollziehen sich
Sprachspiele aber auch rein klanglich/sozial.
Nach Bruner geht der Eintritt in die Sprachgemeinschaft ganz klar und automatisch mit dem
Eintritt in die jeweilige Kultur und Gesellschaft einher; die Kultur zwinge den Menschen
eigentlich zur Sprache:
„Denn ich bin der Auffassung, dass gerade die Aufgabe, Kultur als notwendige Form der
Weltbewältigung zu benützen, den Menschen zu Sprache zwingt.“ (Bruner 1983/2002, S. 17)
Er erkennt bei Säuglingen, dass ihr Verhalten schon sehr früh „Züge eines Mittel-ZweckZusammenhanges“ aufweist. Der Spracherwerb erfüllt für das Kind in Beziehung zu seinem
sozialen Umfeld einen Zweck, sie hat eine Funktion.
Folie 21: getrennte Wege
Beginnt hier der in unserer Kultur getrennte Weg von Musik und Sprache?
Sprache ist zweckorientiert – Musik wird oft als zweckfrei definiert. Wird die Sprache
wichtiger, weil sie in unserer Kultur, im Gegensatz zur Musik, eine „notwendige Form der
Weltbewältigung“ ist, kurz: weil sie in unserer Gesellschaft wichtiger ist?
Noch ohne Sprache also, nur mit Ohren, Tastsinn und Augen, erlernen die Kinder ihre erste
Sprache. Bruner (1983/2002 17ff) fasst in vier „mehr oder weniger gesicherten Aussagen über
die Wahrnehmung, die Fertigkeiten und die Problemlösefähigkeit des vorsprachlichen
Kindes“ diese Fähigkeiten folgendermassen zusammen:
Folie 22: vier Aussagen
1. Ein grosser Teil der beim Kleinkind ablaufenden kognitiven Verarbeitungsprozesse
unterstützt und begleitet zielgerichtetes Handeln.
2. Ein grosser Teil der kindlichen Aktivität in den ersten anderthalb Jahren ist
ausserordentlich sozial und kommunikativ.
3. Viele frühe Handlungen weisen einen erstaunlich hohen Grad von Ordnung und
„Systematik“ auf.
4. Sowohl in kognitiver als auch in kommunikativer Hinsicht gibt es eine frühe Fähigkeit
abstakten Regeln zu folgen.
Folie 23: wie wird Sprache erworben
In der Auseinandersetzung mit selber- und fremdproduzierten Klängen und ihren
Auswirkungen auf Sachen und Beziehungen erwerben sich die kleinen Kinder also Sprache.
Sie tun dies auf drei unterschiedlichen Ebenen:
Folie 24: drei Ebenen
•
•
•
Form (Syntax): die Übereinstimmung sprachlicher Äußerungen mit Regeln der
Grammatik
Bedeutung (Semantik): die Interpretation von Zeichen in einem Kontext
Funktion (Pragmatik): die Wirkung und Effektivität in der Kommunikation
Anja Hagen, Max-Planck-Institut für Neuropsychologie, Leipzig (2001): "Wir haben
herausgefunden, dass - entgegen dem, wie man es vielleicht intuitiv vermuten würde - im
Gehirn zunächst einmal grammatische und erst in einem zweiten Schritt Bedeutungsinformation verarbeitet wird.“
Klänge sind also beim Erlernen der Muttersprache für die Kinder das wichtige Medium.
Klänge und Geräusche werden strukturiert, es werden Theorien über ihre Funktionsweisen
entwickelt und ihre Effizienz wird anhand der sozialen und zielgerichteten Wirkungen
überprüft und variiert. Kleine Kinder haben offensichtlich eine hohe „aural literacy“, eine
ausgeprägte Fähigkeit, die Syntax, die Semantik und die Pragmatik des Symbolsystems Klang
zu entschlüsseln.
Das Kind, welches seine Bewegungen mit Klang beleitet, das seine Tätigkeiten singend
kommentiert und seine Wünsche mit modulierter Stimme äussert, mit Klängen und Silben
spielt, macht wohl noch kaum eine Trennung zwischen Sprache und Musik. Beides gehört
zum Sein; das Spiel mit Klängen und Geräuschen macht Freude, ist interessant, erfüllt eine
Aufgabe, ist schön, tut gut etc.
Folie 25: musikalisch/sprachliches Kommunikation
Bruner erläutert auch, wie das Kind beim Spracherwerb unterstützt werden kann. Der
Erwachsene hat nicht nur die Rolle des Modells inne, sondern eine weit aktivere. Der
Erwachsene soll die Rolle eines willigen Sprechpartners einnehmen.
Musikalisch solche diese Kommunikations-Situationen mit Improvisations-Formaten zu
vergleichen. Zwei Spieler gehen aufeinander ein, fordern sich gegenseitig heraus, suchen
Spannung und Entspannung im gemeinsamen erfinden von Regeln und Formen.
Auf die Sprache bezogen hiesst das: „... der Erwachsene [sollte] das Niveau seiner Sprache
dem Kind anpassen. Diese Anpassung muss aber flexibel bleiben, so dass auf kindliche
Fortschritte entsprechend reagiert werden kann. Der Rahmen, in welchem solche
sprachlichen Interaktionen stattfinden, soll dem Kind vertraut sein.“ (Bruner 1983/2002, S.
103)
Bruner nennt solche Situationen „Formate“:
„Ein Format ist ein standardisiertes Interaktionsmuster zwischen einem Erwachsenen und
einem Kleinkind, welches als ursprünglicher Mikrokosmos feste Rollen enthält, die mit der
Zeit vertauschbar werden.“ (Bruner 1983/2002, S. 103)
d. Implications
Folie 26: Wenn ... dann
Musik eine Unterrichtssprache – Begründungen und Auswirkungen
Sprechen und Sprache ist im Unterricht in erster Linie auf Verständigung ausgelegt; Sprache
ist ein alltägliches Werkzeug der Kommunikation in vielen Fächern. Es werden Inhalte und
Ideen in Sprache gefasst. Durch die Versprachlichung wird Wissen austausch-, diskutierbar
und anschlussfähig. Im Sprachunterricht wird das Werkzeug Sprache verfeinert und der
bewusste Umgang vertieft; unter anderem hilft dabei die Auseinandersetzung mit literarischen
Kunstwerken und mit Fremdsprachen.
Musik ist von ihrem Ursprung her auch ein Kommunikationsmittel; Musik im Unterricht
bezieht sich aber in erster Linie auf die Kunst – und Kunst ist kein Werkzeug. Kunst ist per
Definition zweckfrei. Im pädagogischen Rahmen wird dieses Paradigma nach wie vor
hochgehalten, obwohl uns der Alltag alles andere lehrt. Musik ist in der Schule grundsätzlich
dem Musikunterricht vorbehalten. Als Kommunikationsmedium in anderen Fächern hat sie im
Fremdsprachenunterricht insofern eine Bedeutung, als dass ab und zu Lieder in der
Fremdsprache abgespielt oder gesungen werden. Im Musikunterricht selbst geht es zunächst
darum das Alfabeth zu lernen, so dass möglichst bald auch die grossen musikalischen
Kunstwerke behandelt, angehört und verstanden werden können. Adorno beschreibt dies als
„Weg zur Mündigkeit“.
Bei der Sprache steht im Unterricht die funktionale Komponente im Vordergrund, ohne dabei
die Literatur, die Sprachkunst zu entwürdigen. Musik definiert sich als Kunst, zunehmend
glücklicherweise auch als die Kunst des Musizierens, also nicht nur des rezipierenden
Verstehens, sondern auch des Verstehen lernens durch das Tun, durch die eigene Produktion.
Funktionale Komponenten werden kaum bearbeitet. Wenn Musik funktional eingesetzt wird,
also im Fremdsprachunterricht Lieder in englisch oder im Matheunterricht Zahllieder
gesungen werden, so spricht man von Utilitarismus und konnotiert Missbrauch.
Es gibt nachvollziehbare historische Gründe, welche dazu geführt haben, die funktionale
Komponente der Musik im Unterricht möglichst auszublenden. Mehrere unterschiedliche
Faktoren haben zu dieser Tradition beigetragen. Musik wurde (und wird) als äusserst
wirkungsvolle Sprache zur Beeinflussung und Manipulation von Massen missbraucht. Diese
Tatsache enthält bereits zwei gegensätzliche Begründungen:
Einerseits: Die Mächtigen haben kein Interesse das wirkungsvolle Instrument der Macht und
der Beeinflussung des kollektiven Unbewussten durch die Analyse ihrer Wirkungsweisen zu
untergraben. Die Beschränkung des allgemeinen Musikunterrichts auf die Kunst dient damit
der Machterhaltung. In diesem Sinn führt die Beschränkung auf die Kunst nicht zur
Mündigkeit, sondern versucht diese gerade zu verhindern.
Andererseits: In Anbetracht der fürchterlichen Verbrechen an der Menschlichkeit, die auch
durch den Missbrauch der Musik und ihrer massenpsychologischen Kräfte möglich waren, ist
die Verbannung des funktionalen Aspektes der Musik aus dem Unterricht eine emotional
verständliche Reaktion. Die gute Absicht, Musik oder die Menschheit für immer vor einem
solchen Missbrauch zu schützen, wird jedoch mit dem partiellen Verschliessen der Ohren und
Augen nicht erreicht.
Die einzige Chance tatsächlich Mündigkeit zu erreichen bestünde wohl darin, die
funktionalen Aspekte der Musik bewusst wahrzunehmen, sie im Unterricht einzusetzen und
zu thematisieren, sich aktiv als Produzenten und Rezipienten mit ihnen auseinanderzusetzen
und Erfahrungen und Wissen über ihre Mechanismen und Wirkungsweisen aufzubauen. Die
Reduktion der Musik auf ihre zweckfreien Aspekte, auf die Kunst und das Kunsthandwerk,
erhöht die Gefahr des unerkannten Missbrauchs - anstatt sie zu vermindern.
Weder das Studium der Kulturgeschichte noch die aktuellen bildungspolitischen
Diskussionen, weder der Gebrauch der Tonspur in Film und Werbung noch irgendeine
Kunstform legen ein ausschliessliches Verständnis von Musik als reine, zweckfreie Kunst
nahe. Vielmehr spielen überall und immer wieder funktionale Komponenten eine wichtige
Rolle; man nimmt sogar an, funktionale Aspekte stünden am Ursprung der Musik – und im
heutigen Kulturbetrieb stellt sich tatsächlich die Frage, ob es eine zweckfreie Kunst denn
überhaupt geben kann.
Bedeutung für die Musikpädagogik?
Diese Einsicht bedeutet für die moderne Musikpädagogik einen Paradigmenwechsel – eine
grundsätzliche Neuorientierung mit allen Nebenwirkungen und Schwierigkeiten. Thomas
Kuhn (1962) beschreibt in seiner Struktur der wissenschaftlichen Revolution die zu
erwartenden Probleme: die grösste Schwierigkeit bei der Neuorientierung ganzer Disziplinen
ist der Widerstand aus der Disziplin selber.
Fast alle wurden wir wohl in einem (Schul-)Musikverständnis sozialisiert, welches sich am
Kunstwerk orientierte. Wir wissen alle, gegen welche Widerstände wir für verstärkt
schülerorientierte und handlungsorientierte Modelle der Musikvermittlung zu kämpfen hatten.
Und die meisten von uns spüren in sich selber Hemmungen und Widerstände, Musik auch als
Medium, auch als Werkzeug des Lehrens und Lernens zu verstehen. Dies hat mit den von
Kuhn beschriebenen Schwierigkeiten zu tun. Solche Gedanken und Ideen verunsichern, da
damit bisher klare Rahmenbedingungen umgestossen werden. Die aktuelle Ausrichtung der
Disziplin „Schulmusik“ wird in Frage gestellt – eine neue Ausrichtung ist noch nicht
ausreichend klar definiert und die Auswirkungen sind nicht abzusehen. Mögliche Szenarien
reichen von einem damit ausgelösten völligen Verschwinden der Musik aus den Schulen bis
zur Hoffnung dem Musikunterricht damit eine bessere Verankerung im Unterricht zu bieten.
Der Zeitpunkt für solche Überlegungen ist jedoch günstig: einerseits steckt der KlassenMusikunterricht seit einiger Zeit in einer Art Sinnkrise und kämpft mit
Begründungsschwierigkeiten und andererseits steht überall auch die Forderung nach mehr
Musik, nach emotionalen Zugängen zum Lernen, nach neuen Lehr- und Lernformen, nach
fächerverbindendem und situiertem Lernen, nach Persönlichkeitsentwicklung und nach
Schulen mit Profil.
Unter dem Paradigma einer integrativen Musikdidaktik könnte sich Musikunterricht heute
öffnen gegenüber anderen Fächern, müsste sich mit informellen Formen des Musiklernens
auseinandersetzen, Methoden wie immersives Lernen erschliessen und sich grundsätzlich als
Lernfeld auch für andere Fächer wie gleichzeitig auch als Medium des Lernens überhaupt
verstehen.
Für den Musikunterricht könnte so, ähnlich wie dies für den Kunst- und den Sprachunterricht
schon länger geschieht, seine Verantwortung als Grundlagenfach der Kommunikation
wahrgenommen und in den Lehrplänen umgesetzt werden. Insbesondere auch in den sich
entwickelnden Fächerverbünden aber auch über diese neuen Gefässe hinaus. Musik würde
dann, ähnlich wie die Sprache und das Bild, tatsächlich zu einer Unterrichtssprache und damit
zu einem alltäglichen Medium der Kommunikation.
Voraussetzungen für eine integrative Musikdidaktik
Um Musik als Unterrichtssprache zu verstehen, ist es wichtig
(a) einen offnen Musikbegriff zu verwenden
(b) Klang und Bewegung auch als Bedeutungsträger zu verstehen
(c) Lernen selber als Konstruktionsprozess seitens des Lernenden zu begreifen
(a) einen offnen Musikbegriff zu verwenden (alles kann Musik sein)
Die zeitgenössische Kunst selbst verwendet einen offenen Musikbegriff. Spätestens seit John
Cage wissen wir: „everything we do is music“ (Cage) und dass Sprache Musik in unseren
Ohren sein kann wissen wir nicht erst seit es Rap gibt.
[Konzept: Im Sitzen wie im Stehen]
(b) Klang und Bewegung auch als Bedeutungsträger zu verstehen
In der musikpädagogischen Diskussion gibt es, basierend auf dem erweiterten
Intelligenzbegriff, einen ausführlich begründeten Vorschlag (Spychiger), Musik als
Zeichensystem zu verstehen und damit der Musik in der Schule diesen semiotisch orientierten
Zugang zu öffnen. Auf die unterrichtliche Kommunikation bezogen bedeutet dies, das
Sprachliche in musikalischen Zugängen und das Musikalische in sprachlichen Zugängen zu
erkennen und zu pflegen, oder kurz: über Musik kann man sprechen und Sprache klingt. Was
wir in der Sprache die „Kunst des Formulierens“ nennen ist in der Arbeit mit Bild und Grafik
die Kunst Inhalte, Fragestellungen, Prozesse zu visualisieren ist im Umgang mit Klang die
Sonification. Sonification wird z.B. in den Naturwissenschaften verwendet um komplexe
Datensätze aus geologischen Messreihen darzustellen. Verklanglichen ist eine andere Sicht
auf die Daten, als dies Grafiken ermöglichen. Sie führt manchmal zu überraschenden neuen
Einsichten bei der Interpretation der Daten. Im Schulzimmer sind oft die Kinder die Experten
in der Sonifikation von Inhalten.
[Bsp. Stellentafel aus mamu]
(c) Lernen selber als Konstruktionsprozess seitens des Lernenden zu begreifen
Lernen wird heute zunehmend als Prozess des Konstruierens seitens des Lernenden
verstanden (Galilei, Dewey, Spitzer). Wissen wird, aufgrund von Vorwissen und neuen
Erfahrungen, vom Lernenden selber (re-)konstruiert und weiterentwickelt. Die Aufgabe der
Schule und des Lehrers ist es, günstige Bedingungen für das Lernen zu schaffen und den
Stärken und Schwächen der individuellen Lerner möglichst gerecht zu werden.
[Hinweis auf den Workshop creafon vom Sa. 13.10. 9:30 im Raum HTW 206]
Klang und Bewegung – Lernmedien in Theorie und Praxis
Klang scheint jedenfalls ein ausserordentlich hilfreiches Medium im Sprachlernprozess zu
sein. Es erstaunt, dass Klang und Bewegung als Lernmedien kaum thematisiert sind. Wenn
wir uns in der Psychologie von Lehren und Lernen umsehen, wird zwar zwischen personalen
und nicht personalen Medien und zwischen Software und Hardware unterschieden,
verschiedene Symbolsysteme werden analysiert und Sinnesmodalitäten spielen eine Rolle.
Wir begegnen
•
•
•
•
dem Text als Lernmedium
der Illustrationen als Lernmedium
Film, Fernsehen und Video als Lernmedium
dem Computer als Lernmedium
Klang jedoch erscheint ausserhalb des Musikunterrichts (und der Pausenglocke) nicht als
eigenständiges Medium. In der medienpädagogischen Forschung spielt Klang nur in
Verbindung mit Text (gesprochener Text, paraverbale Kommunikation) oder Bild (Tonspur)
auf. Der eigene Körper als Lernmedium wird, basierend auf älteren reformpädagogischen
Ideen (z.B. Rhythmik nach Jacques Dalcroze) als embodied Learning (verkörperlichtes
Lernen) seit kurzem auch ausserhalb der Sport- und Bewegungsdidaktik thematisiert.
Klang und Bewegung scheinen ein, ausserhalb der eigenen Disziplin, weitgehend
unbearbeitetes Feld des Lernens zu sein. Fragen welche die pädagogische Psychologie an
Texte, Bilder, Video und Computer stellt, sind auch in Hinblick auf die Qualitäten von Klang
und Bewegung als Medien des Lehrens und Lernens interessant:
•
•
•
•
•
•
Wie können Medien Lernprozesse begünstigen? Wie unterscheiden sich dabei
einzelne Medien?
Welcher Medieneinsatz ist optimal für bestimmte Lernziele, Merkmale der Lerner und
Merkmale der Lernsituation?
Welche Lernformen ermöglichen welche Medien?
Was verlangen die einzelnen Medien vom Lerner? Wie werden sie von den Lernern
genutzt?
Was verlangen die einzelnen Medien vom Lehrer? Wie werden sie von den Lehrern
genutzt?
Welche negativen Einflüsse haben welche Medien auf das Lernen, die Lernenden?
Unsere Erfahrung zeigt, dass sich musikalisch generierte Situationen durch ihre Flüchtigkeit,
ihre Wiederholbarkeit, ihre Variabilität, ihre emotionale Aufladung, das motorische Element,
den Anspruch an das Timing und die ausgeprägte personale Dimension auszeichnen. Im
musikalischen Spiel braucht es andere Mitspieler und eine differenzierte nonverbale
Kommunikationskultur.
Ein klangliches Ereignis festzuhalten bedeutet einen Transfer auf ein anderes Medium. Da
musikalisches Spiel wiederholt und variiert werden kann, ergibt sich die Möglichkeit die
musikalische Äusserung selbst, aber auch einen damit verbundenen Bewegungsablauf, einen
Text oder ein Verfahren zu üben, ein anderes Verhalten auszuprobieren oder eine andere
Perspektive einzunehmen.
Solche pädagogische Verwendungen basiert auf dem Verständnis von Musik als einem
eigenständigen Zeichensystem menschlicher Kommunikation (Spychiger).
Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit
Lit:
Kuhn, T. (1962) Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Bruner, J. (1983) Child’s Talk: Learning to use Language. New York: Norton (deutsch: Wie das Kind sprechen
lernt. Bern: Hans Huber 2002)
Herunterladen