Feldlerche 21.02.1998

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Bauernblatt
21. Februar 1998
Die Feldlerche – Vogel des Jahres 1998
Auffällige Singflüge über
dem Brutrevier
N
ach Rebhuhn (1991), Weißstorch (1994)
und Kiebitz (1996) hat der Naturschutzbund Deutschland mit der Feldlerche
1998 zum vierten Mal in diesem Jahrzehnt eine
Art zum Vogel des Jahres erklärt, deren Lebensraum in Mitteleuropa vor allem die landwirtschaftlich genutzte Feldflur ist. Das ist nicht etwa aus Verlegenheit geschehen, sondern aus
der andauernden Sorge um den Zustand und
die Funktion der landwirtschaftlichen Nutzflächen als Lebensraum für wildlebende Pflanzen und Tiere.
Typische Brutvögel auf Äckern und Grünland sind Kornweihe, Wachtel, Rebhuhn,
Großtrappe, Triel und Grauammer sowie Wiesenweihe, Kiebitz, Kampfläufer, Bekassine,
Uferschnepfe, Brachvogel, Rotschenkel, Wiesenpieper und Braunkehlchen. Sie stehen allesamt auf der Roten Liste und sind aus vielen
Gebieten bereits verschwunden. Nun ist auch
die Feldlerche, die aufgrund ihrer ehemaligen
Häufigkeit und ihres auffälligen Singfluges der
Charaktervogel der bäuerlichen Kulturlandschaft war, als letzte Brutvogelart des Ackerund Grünlandes vielerorts gefährdet.
Verbreitung, Aussehen und Lebensraumansprüche
Weltweit gibt es 75 Lerchenarten, von denen
die meisten in Eurasien und Afrika vorkommen. Nur je eine Art hat ohne menschliches Zutun Nordamerika beziehungsweise Australien
erreicht. Die Feldlerche wurde aufgrund besonderer emotionaler Beziehungen vom Menschen
in Australien, Neuseeland, Hawaii und Nordamerika eingebürgert, wo sie heute zum Teil
häufig und weit verbreitet ist.
Bis auf wenige Ausnahmen sind Lerchen
kleine und unscheinbar braun gefärbte Bodenvögel offener (Steppen-) Landschaften. Sie bevorzugen eine spärliche Vegetation und brüten
mit einer Ausnahme ausschließlich am Boden.
Viele Arten fallen durch auffällige Singflüge
über ihrem Brutrevier auf.
Die Feldlerche ist etwas größer als ein Sperling und kleiner als ein Star. Männchen und
Umwelt
Weibchen sind gleich gefärbt. Die Männchen
sind jedoch etwas größer, was auch im Felde zu
erkennen ist, wenn beide Partner nebeneinander sitzen. Bei genauem Hinsehen ist auf der
sandbraunen Grundfärbung eine schwarzbraune Streifung zu erkennen. Dadurch entsteht ein
hervorragendes Tarnkleid, das die Lerche am
Boden fast unsichtbar macht.
Als ehemaliger Steppenvogel und Kulturfolger besiedelt die Feldlerche offene Landschaften von den Niederungen bis in die subalpine
Stufe der Gebirge. Sie bevorzugt trockene bis
wechselfeuchte Böden und eine möglichst
niedrige, lückige und abwechslungsreiche
Pflanzendecke. Ein- bis zweijährige Bracheflächen sind für Lerchen ein Paradies. Sie brüten nur am Rand von Feuchtgebieten oder auf
höhergelegenen Flächen. Feldlerchen brauchen
eine freie Sicht und meiden deshalb die Nähe
von Wäldern, Hecken und Hängen. Sie halten
oft Abstände von 200 Metern zu Stromleitungen und Gebäuden. Die Veränderungen und Bebauung der Landschaft haben in den letzten
Jahrzehnten zu einer deutlichen Abnahme
möglicher Feldlerchen-Lebensräume geführt.
Feldlerchenmännchen besetzen bereits im
Februar oder März ein Brutrevier, das sie
energisch gegen Artgenossen verteidigen. Einige Wochen später treffen auch die Weibchen
ein und suchen sich die Partner mit den besten
Revieren. Die Eiablage beginnt meistens erst
Mitte April bis Anfang Mai. Ein Gelege besteht
aus 3 bis 5 Eiern. Ein Paar kann bis zu 4 Bruten
in einer Saison erfolgreich aufziehen, da die
Brutzeit 5 bis 6 Wochen dauert. Im Ackerland
sind allerdings nur 1 bis 2 Brutversuche die Regel.
Als ausgesprochener Bodenvogel sucht die
Feldlerche auch ihre Nahrung nur am Boden.
Ausgewachsene Lerchen verzehren sowohl wir-
Abb. 1: Korrelation zwischen der Nutzung einer Weizenfläche durch
Lerchen (ausgedrückt durch die Anzahl der Starts und Landungen der
Vögel) und des vegetationsfreien Flächenanteils
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bellose Tiere als auch Samen oder frisches Blattgrün. Die Jungvögel sind dagegen auf tierisches
Futter angewiesen. Für sie können Insektizide
deshalb eine verheerende Wirkung haben.
Im Rahmen einer Doktorarbeit am Ökologiezentrum der Christian-Albrechts-Universität
Kiel sind die Ursachen für den Rückgang der
Feldlerche genauer untersucht worden:
Das Ackerland als Lebensraum der
Feldlerche
Das Überleben der Feldlerche im Ackerland
ist vor allem von der Vegetationsstruktur abhängig. Wenn ein Deckungsgrad von 90 bis 95
Prozent überschritten ist, wird eine Fläche für
Lerchen unbewohnbar. Winterraps und Wintergetreide sind bereits Anfang Mai so dicht zugewachsen, daß für Feldlerchen auf diesen
Flächen keine Nahrungssuche mehr möglich
ist. In solchen Revieren stehen den Vögeln
dann nur noch die Traktorspuren zur Verfügung. Eine derart drastische Einschränkung des
Nahrungsraumes reicht aber für die erfolgreiche
Aufzucht einer Brut nicht mehr aus und die Reviere werden aufgegeben (Abb. 1).
Blühende Rapsfelder, die vom Menschen als
schön empfunden werden, sind für Lerchen ein
lebensfeindlicher „Urwald“. Auf solchen
Flächen kann ein unbefestigter Feldweg zum
wertvollsten Bestandteil eines Lerchenreviers
werden. Allerdings können Wege leicht zu einer „ökologischen Falle“ werden, weil sie aufgrund ihrer linienhaften Struktur gut von Beutegreifern abgesucht werden können.
Die Hauptursache für den Rückgang der
Abb. 2: Änderung der Deckungsgrade in verschiedenen Kulturen im Untersuchungsgebiet. Die gestrichelte Linie bei 90 Prozent kennzeichnet
den Zeitpunkt, ab dem die Lerchen die Reviere aufgeben.
21. Februar 1998
Feldlerche im Ackerland sind jedoch weder
Fuchs, Marder oder Krähen, noch ist es der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Der Bestandsrückgang ging einher mit der Veränderung der
Anbaumethoden und der Zusammensetzung
der Feldfrüchte. In den siebziger Jahren betrug
der Anteil von Wintergetreide und -raps ein
Drittel der Anbaufläche. Heute ist dieser Anteil
auf 70 Prozent angestiegen, die auf großen
Schlägen angebaut werden. Das mosaikartige
Wechselspiel verschiedener Kulturen, das über
die ganze Brutsaison hinweg geeignete Strukturen für die Neststandorte und die Nahrungsversorgung der Feldlerche bot, ist verlorengegangen.
Früher fanden die Feldlerchen in ihrem Revier Schutz und Nahrung im Wintergetreide,
wenn sie aus dem Winterquartier zurückkehrten. Für die Nahrungsversorgung der ersten
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Brut war dann das Sommergetreide ideal. Weitere Brutversuche erfolgten in Hackfrüchten
oder anderen Feldfrüchten, die ähnlich spät
aufliefen (Abb. 2). Heute ist aus dem ehemaligen Kulturfolger ein Kulturflüchter geworden.
Daran kann auch ein ökologischer Ackerbau,
der nur auf den Einsatz von Chemie verzichtet,
nicht viel ändern, wenn nicht wieder auf engem Raum völlig verschiedene Feldfrüchte angebaut werden.
Das Grünland als Lebensraum der
Feldlerche
Für die Brut und Aufzucht der Jungen
benötigt die Feldlerche 5 bis 6 Wochen. Das bedeutet, daß die Vögel ihre Jungen nicht mehr erfolgreich aufziehen können, wenn Grünland in
kürzeren Abständen maschinell bewirtschaftet
wird. Bereits in den achtziger Jahren waren auf
80 Prozent der untersuchten Grünlandflächen
die Bearbeitungsintervalle kürzer. Der Bruterfolg von knapp 20 Prozent ist zu gering und entsprechend stark sind auch im Grünland die Bestände zurückgegangen. Durch die zunehmende Stallhaltung mit immer schneller aufeinanderfolgender Silagegewinnung wird die Situation weiter verschärft. Außerdem wachsen die
modernen Grassaaten so dicht und hoch, daß
sie - ähnlich wie Wintergetreide oder Raps sehr schnell undurchdringlich für die Lerchen
werden.
Wahre Lerchenparadiese sind dagegen extensiv genutzte Dauerweiden. Sie bieten auf engem
Raum gute Nistmöglichkeiten in den vom Vieh
ungeliebten Pflanzenhorsten und frisch abgeweidete Flächen, auf denen die Vögel Nahrung
suchen können.
Dr. Winfried D. Daunicht
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