Bei McDonald`s in der Versuchsküche

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SONNTAG, 14. APRIL 2013
SEITE 19
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Reportage
Gehören zur McDonald’s-Produktentwicklungsgruppe, arbeiten aber für den Saucen-Zulieferer Develey: Ines Mayer (von links), Stefanie Sigl und Aurelia Anschütz.
WITT (2), DEVELEY
Bei McDonald’s in der Versuchsküche
Der Fast-Food-Multi überlässt nichts dem Zufall / Es gibt sogar Restaurant-Scouts, die in ganz Deutschland nach neuen Geschmacksrichtungen suchen
MÜNCHEN Flache Scheibe
Hackfleisch braten, mit
Ketchup, Senfsoße, Gurken
und Zwiebeln ins Brötchen
pappen – fertig ist der Hamburger. Oder? Das mag so
sein, wenn man für sich und
seine Lieben zuhause einige
Exemplare der amerikanischen Nationalspeise zubereitet. Aber bei McDonald’s
hört der Spaß mit mehr als einer Milliarde Gästen per anno in 1415 Stationen auf.
Nicht weltweit, nur in
Deutschland.
Seit der Gründung des
Unternehmens im Jahr 1948
müssen in den 65 Jahren
seines Bestehens 500 Milliarden Burger in die Mägen der
Weltbevölkerung
gelangt
sein.
Ungefähr.
Denn
McDoof, wie Spötter die Restaurant-Kette nennen, hat
nie mitgezählt. Es gibt Wichtigeres. Denn ein unumstößliches Gesetz der US-Muttergesellschaft lautet, dass der
Big Mac und seine Kollegen
überall gleich zu schmecken
haben. Darauf achtet man
ebenso auf Westsamoa, in
Pinneberg , in Elmshorn und
in München, wo der deutsche
Ableger sein vierstöckiges
„Hauptservicecenter“ betreibt. Die Zentrale des guten
Geschmacks sozusagen. In
dessen Kellerräumen vier bis
fünf Mal pro Jahr ein hoch-
rangiges Prüf- und Kreativ- rer Develey, ebenfalls mit
gremium zusammenkommt. Sitz in München. Aurelia AnEinfaches Motto der Ein- schütz bewahrt Bewährtes
greiftruppe: guten Appetit!
wie die Big Mac-Soße, die das
In der Drygalski-Allee 51 im Unternehmen erstmals 1968
Stadtteil Solln trennt eine vom US-Original im Auftrag
Milchglastür die Außenwelt „nachbaute“ und kreiert mit
vom Allerheiligsten. Auf- Begeisterung Neues, wie sie
schrift: „Menu Management betont. Die Anregungen holt
Germany & Food Studio sie sich unter anderem bei
Europe“. Das klingt ein biss- ausgedehnten Restaurantchen wichtiger als sich die Touren und von den sieben
Leute nehmen, die sich in der Köchen, die das Haus
Versuchsküche, die einem beschäftigt.
Original-Restaurant nachgeWoraus die Big Mac-Kröbildet ist, solch pfeffrige nung besteht, verrät sie
Sachen haben einfallen las- selbstverständlich
nicht.
sen wie beispielsweise den Nur, dass die Soße aus über
Dauerbrenner „1955er Bur- 40 Zutaten zu einer Mixtur
ger”. Oder den hochaktuel- gerät und auf einem alten
len „Steakhouse classic”.
russischen Rezept basiert.
Das siebenköpfige Gremi- Im Labor, das sich direkt
um verkostet Burger, Salate neben der Fertigung befinund Fingerfood, um einer- det, beschäftigt sich das
seits laufend gleichbleibende Anschütz-Team
mit der
Qualität zu sichern. Bei der Qualitätsprüfung der von
zweiten Aufgabe des Teams Lieferanten
angebotenen
geht es recht spaßig zu. So Gewürze, die man in Kochkommt man leichter auf gute salzlösung verkostet, weil
Ideen. Denn man trifft sich Salz den Gewürzgeschmack
auch regelmäßig, um sich intensiviert. So genau nehetwas Innovatives auszuden- men es die Mitarbeiter hier,
ken. Sachen wie den „Los dass sich die GeschmacksexWochos” eben. Dabei helfen perten der hauseigenen Senunter anderem
asiatische, italienische, südamerikanische
und jede Menge
weitere Kochbücher, die ausliegen.
Und die Diplomingenieurin Aurelia Anschütz, Leiterin
der Entwicklungsabteilung
beim
McDonald’s-Zuliefe- Seit 1948 beliebt: der Cheeseburger.
äußert
beispielsweise
Ansprüche oder auch Operations“, erklärt Pölking.
Wobei mit „Operations“ die
Kollegen gemeint sind, die
checken, ob die Produkte in
den im Verhältnis zur Abgabemenge relativ kleinen Küchen überhaupt zu verarbeiten sind. Operations-Mann
Tony Kuntze: „Wir schauen
hier, ob die benötigten Zutaten in den Restaurants in der
Küche untergebracht werden
können. Anschließend testen
wir die Produkte unter realen
Bedingungen für mehrere
Tage in den Küchen, um zu
prüfen, ob die festgelegten
Zubereitungszeiten eingehalten werden können.“
Auf der nächsten Stufe vor
der allgemeinen Einführung
in den Restaurants will man
dann auf der ganz sicheren
Seite stehen und benutzt das
Instrument der Gästebefragung. Pölking: „Wir geben in
ausgesuchten Filialen die
neuen Produkte aus, und
dann wissen wir, welche am
besten abschneiden. Dazu
fangen wir Stimmen aus dem
Süden, dem Norden, dem
Westen und
dem Osten
ein, um zu
erfahren, ob
wir den allgemeinen
Geschmack
getroffen
haben.” Sogar
Scouts
sind für den
amerikanischen FoodGiganten in
Deutschland
Der Eingang zum Heiligtum in München.
unterwegs,
sorikabteilung an einen
Tisch setzen und die exakt
festgelegte Farbe der Saucen,
die in speziell für McDonald’s entwickelten Kartuschen ausgeliefert werden,
anhand einer Farbpalette abgleicht und überprüft.
Denn auch in Unterhaching
gilt das eherne Gesetz.
Anschütz: „Er muss weltweit
gleich schmecken.“ Wie denn
eigentlich? Anschütz: „Tomatig,
säuerlich,
fruchtig,
frisch.“
Den
typischen
Grundgeschmack bei McDonald’s umschreibt Björn Pölking, zuständig für die Koordination bei der Neuentwicklung von Produkten, knapper: „Er hat eben Pfiff.“ Wenn
„Hüttengaudi” oder „Stars of
America“ anstehen, geht Pölking auf die Lieferanten zu,
„brieft“ den Brothersteller,
den Fleischproduzenten, den
Salat-Lieferanten und Develey mit den erdachten Neuerungen. „Dann verkosten wir
das, was uns im Anschluss
angeboten wird, in verschiedenen Gremien, in denen die
wichtigsten Abteilungen vertreten sind. Das Marketing
die ständig nach Trends suchen. „Wir haben zwar unsere Legenden wie den Big
Mac“, sagt Pölking, „aber wir
wollen Veränderungen beim
Essen nicht verpassen und
möchten den Gästen mit den
Aktionsprodukten auch Abwechslung bieten.“
Werblich stellt das Unternehmen seit geraumer Zeit
Herkunft und Qualität in den
Vordergrund. Verantwortlich für die Qualitätssicherung ist Heike Bierweiler. Sie
hat bei der Produktentwicklung darauf zu achten, dass
die verwendeten Zutaten immer frisch zur Verfügung stehen: „Es gibt ein eigenes, zusätzliches Haltbarkeitssystem, dass vorschreibt, wie
lange der Inhalt einer
geöffneten Packung verwendet werden darf. Der BataviaSalat ist beispielsweise empfindlicher als der Eisberg,
also müssen wir uns bei der
Mischung beider Sorten zeitlich nach dem Batavia richten. Das sogenannte zweite
Mindesthaltbarkeitsdatum
schreibt ebenso vor, wie lange unter anderem Käse, Salat,
Zwiebeln und Soßen verwendet werden dürfen, bevor sie
wegzuwerfen sind.“
Alles unter Kontrolle also.
Nur die Kundschaft hat man
bisweilen nicht ganz im Griff.
In Münchener Filialen soll es
Kunden geben, die nach einer
Weißwurst fragen. Und solche, die einen Hamburger
ohne alles wollen. Die wünschen nur das warme Brötchen. Sonst nichts.
Zum vollen Preis, versteht
sich.
Michael Witt
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