Grundlagen der Genetik und der Gentechnik

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aktuell | ernährungslehre & -praxis
Nr. 2
Februar 2008
„Gentechnik“. Der Begriff ist in aller Munde und auch die zugehörigen Produkte wähnt man ebendort und ist verunsichert. Im öffentlichen Diskurs werden statt Chancen meist nur Risiken gesehen, aber
sachliche und fachlich korrekte Informationen über Hintergründe
und Methodik der Gentechnik finden sich eher selten. Dem ein wenig
abzuhelfen, ist Ziel einer kleinen Serie in Ernährungslehre & -praxis.
●
Dr. Patricia
Falkenburg
Weidenweg 3
50259 Puhlheim
Grundlagen der Genetik
und der Gentechnik
Teil 1: Nukleinsäuren und Proteine: Molekulare Bausteine des Lebens
●
Im ersten Teil werden die molekularen
Grundlagen der Genetik vorgestellt.
Lesen Sie über die chemische Struktur
von Nukleinsäuren und Proteinen und
die biochemischen Zusammenhänge
zwischen beiden sowie über ihre grundlegende Bedeutung in der Gentechnik.
Die komplexe Biologie und Biochemie
der Wissensbereiche Genetik, Gentechnik und Vererbungslehre können in
dieser kleinen Einführung nur in stark
verdichteter Form und mit einer Betonung der grundlegenden Zusammenhänge dargestellt werden. Für Detailinformationen sei hier auf entsprechende
Lehrbücher der molekularen Genetik
bzw. der Biochemie verwiesen.
schreibung“ von auf der Nukleinsäure
(meist DNA) hinterlegter Information
in die jeweils benötigten Teilstücke
(Boten- oder mRNA) – und die Translation – die „Übersetzung“ der Information auf der mRNA in die benötigten Proteine. Stellen wir uns die
Erbinformation als umfassendes Handbuch zur Erstellung lebender Zellen
vor, so ist die Transkription der zelluläre
Prozess, der aus dem „Gesamtwerk“ die
jeweils benötigten Seiten „herauskopiert“, die Translation, also die Proteinsynthese – wiederum bildlich betrachtet
– ist die Herstellung eines Teils der Baustoffe und vor allem der Werkzeuge für
alle weiteren biochemischen Schritte.
Von der Erbinformation zum
Produkt: ein Überblick
Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der Nukleinsäuren ist es, dass
sie aufgrund ihrer chemischen Struktur
als Vorlage für die Erstellung genauer
Kopien ihrer selbst dienen können.
Dies ist ausschlaggebend nicht nur für
die bereits genannte Transkription, sondern auch für die Replikation, („Verdoppelung“ von DNA-Molekülen – das
„Gesamtwerk“ kann nach Bedarf im
Ganzen vervielfältigt werden) bzw. die
reverse Transkription (Umschreibung
von RNA in DNA bei der Vermehrung
von RNA-Viren – ein spezielles „Anleitungsheft“ wird in das „Gesamtwerk“ integriert). Nur so kann die genetische
Betrachtet man die molekularen
Grundbausteine alles Lebendigen, so
findet man eine allgemein gültige Hierarchie von Biomolekülen:
Nukleinsäuren (DNA oder RNA) stellen
die genetische Information zur Verfügung, anhand derer Proteine synthetisiert werden, die ihrerseits in aller
Vielgestaltigkeit den Aufbau sämtlicher
weiterer Biomoleküle steuern.
Wesentliche biochemische Prozesse
sind dabei die Transkription – die „Um-
Information, deren Träger die Nukleinsäure ist, vervielfacht und auf die
Nachkommen weitergegeben werden.
Das Detailwissen über diese grundlegenden Vorgänge ist im Verlauf der molekularbiologischen Forschung allmählich gewachsen: in allen Fällen sind die
entscheidenden zellulären Werkzeuge
Proteine, deren Einsatz durch Nukleinsäuren gesteuert wird. Neue Erkenntnisse wurden vielfach dadurch gewonnen, dass zelluläre Vorgänge mit den
bereits identifizierten Komponenten in
vitro (also „im Reagenzglas“) nachgestellt und weiter analysiert wurden.
Diese Forschungsarbeiten sind eine der
Grundlagen der Gentechnik, die reguläre zelluläre Prozesse zur planvollen,
gezielten Veränderung des Erbguts
nutzt, indem sie bestimmte Proteine –
u. a. die Enzyme der Replikation, der
Transkription, der Translation – einsetzt. Die veränderte („manipulierte“)
Erbinformation wird sodann in Wirtszellen überführt, in denen sie den Vorgängen der Transkription und Translation zur Verfügung steht. Auch die
„Einschleusung“ der gentechnisch veränderten DNA beruht auf der Nutzung
normaler biologischer Vorgänge, die
der Vererbung bzw. Weitergabe von genetischer Information zwischen verschiedenen Organismen dienen. Vo-
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raussetzung der Nutzung molekularbiologischer Kenntnisse im Rahmen
der Gentechnik ist also genaues Wissen
um die grundlegenden biochemischen
und biologischen Vorgänge der Zellvermehrung, der Vererbung und der
Expression der Erbinformation.
Peptidbindungen
NH3 -Ende
COO
H3N C
H
R
Aminosäure (AS)
allgemeine Struktur
Molekülstrukturen
COOH-Ende
O
H3 N
N
N
R1
AS 1
O
H
R2
H
O
AS 2
H
R4
N
N
R3
AS 3
H
O
AS 4
COO
R5
AS 5
Peptid aus 5 Aminosäuren
Polymere und Sequenzen
Um diese Vorgänge im Einzelnen nachvollziehen zu können, müssen wir zunächst den chemischen Aufbau der beteiligten Moleküle verstehen. Sowohl
Nukleinsäuren als auch Proteine sind
komplexe, lineare Polymermoleküle,
bestehen also aus sich wiederholenden
Grundbausteinen (Monomeren), die
auf immer die gleiche chemische Weise
Abb. 2: Grundstruktur der Aminosäuren und allgemeiner Aufbau eines Peptids.
miteinander verbunden sind (쏆 Abbildungen 1 und 2):
■ Nukleinsäuren sind aus Nukleotiden,
■ Proteine aus Aminosäuren aufgebaut.
Dieses Prinzip – die unterschiedliche
Kombination einer kleinen Anzahl verschiedener GrundbauHOCH
HOCH
O
O
steine zu Kolonnen großer
OH
OH
Länge – ähnelt dem Zifferncode
A
OH OH
OH H
eines EDV-Programms (dort gibt
Ribose (R) Desoxyribose (D)
es nur die „Bausteine „0“ und
O
O
NH
„1“) und ermöglicht es, prakHC
N
NH
NH
tisch unbegrenzt viele InformaO
O
O
tionen in DNA-Molekülen zu
N
N
N
H
H
H
Thymin (T)
Cytosin (C)
Uracil (U)
speichern bzw. in Proteine zu
B
O
NH
übersetzen.
N
N
N
NH
Ein Nukleotid besteht aus einer
N
N
NH
Pentose (ein Zuckermolekül mit
N
N
H
H
Adenin (A)
Guanin (G)
5 Kohlenstoffatomen; Ribose bei
der RNA – Ribonukleinsäure,
Base
engl. ribonucleic acid, DesoxyriN
bose bei der DNA – DesoxyriboO
N
O
C
nukleinsäure, engl. deoxyriboO - P O CH2
Onucleic acid; 쏆 Abbildung 1A)
Phosphatrest
Pentose
mit einer aromatischen Ring5´-Ende
3´-Ende
struktur als Seitenkette (die
„Basen“ Adenin, Thymin, Uracil,
Guanin und Cytosin, abgekürzt
A, T, U, G und C; 쏆 Abbildung
H-BrückenA
Bindungen
G
1B) und einer Phosphatgruppe
D
C
T
(쏆 Abbildung 1C). CharakteriD
D
D
D
P
P
P
P
sierend für die einzelnen Nu3´-Ende
5´-Ende
kleotide sind die basischen Seitenketten,
wobei
Adenin,
Abb. 1: Aufbau der Nukleinsäuren. Ein Nukleotid
Guanin
und
Cytosin
bei
DNA
쎻
C , der repetitive Grundbaustein der Nukleinsäuund RNA vorkommen, während
A , einer
ren, besteht aus einem Zuckermolekül 쎻
basischen Seitenkette 쎻
B und einem PhosphatThymin nur in der DNA und
rest am C5-Atom des Zuckers. Über diese PhosUracil nur in der RNA gefunden
phatgruppe werden die Nukleotide miteinander
wird. Nukleotide werden über
verbunden, wodurch ein lineares Zucker-Phosdie Phosphatgruppen zu langen,
phat-Rückgrat entsteht. Im Falle der DNA lagern
kettenförmigen Molekülen zusich zwei solcher Stränge in gegensinniger Richtung aneinander 쎻
D.
sammengefügt.
Pentosen
2
3
2
2
Nukleotid
Purinbasen Pyrimidinbasen
2
2
P
D
C
P
D
A
P
D
T
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Diese Moleküle können eine wirklich
bemerkenswerte Länge erreichen: das
einfache menschliche Genom (die Gesamtheit der menschlichen Erbinformation) besteht aus 3,2 Mrd. Basenpaaren, verteilt auf 23 Chromosomen.
Die Gesamtlänge dieser DNA beträgt
rund zwei Meter und das größte
menschliche Chromosom (Chromosom 1) ist – vollständig entfaltet – ein
durchgehendes Molekül von tatsächlich 8,4 cm Länge!
Deutlich größere chemische Variabilität
zeigen die Aminosäuren: 20 verschiedene Moleküle können je nach ihren
chemischen Eigenschaften unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden (basisch, sauer, neutral, bzw. aliphatische,
aromatische oder heterozyklische Struktur). Diese unterschiedlichen Eigenschaften werden bestimmt von den Seitenketten des Aminosäuremoleküls
(„R“ in 쏆 Abbildung 2), das immer aus
einem zentralen Kohlenstoffatom besteht, mit dem neben einem Wasserstoffatom und der genannten Seitenkette „R“ außerdem eine Aminogruppe
(NH3-) sowie eine Carboxylgruppe
(COOH-) verknüpft sind. Amino- und
Säuregruppen gehen miteinander Peptidbindungen (-NH-CO-) ein und es ergibt sich der allgemeine Aufbau eines
Polypeptidmoleküls (쏆 Abbildung 2).
Jedes Polypeptid bzw. Protein trägt also
an seinem einen Ende eine freie Aminogruppe, an seinem anderen Ende
eine freie Carboxylgruppe. Bei der Aneinanderlagerung (Kondensation) von
Aminosäuren reagiert die Carboxylgruppe der einen Aminosäure mit der
Aminogruppe der anderen Aminosäure, es entsteht ein Peptid. Je nach
Kettenlänge spricht man von Oligo-
P
D
G
peptiden (bis zu 10 Aminosäuren), Polypeptiden (etwa bis zu 100 Aminosäuren) bzw. Proteinen.
Konfiguration im Raum
Die Abfolge der jeweiligen Bausteine
im Nukleinsäure- bzw. Proteinmolekül,
die Sequenz, ist aber nur ein Teil seiner
Struktur: chemisch spricht man von der
Primärstruktur. Von ebenso großer Bedeutung ist die auf dieser Primärstruktur aufbauende räumliche Gestalt, die
den Molekülen erst ihre Stabilität und
Funktionsfähigkeit verleiht.
Für die Sekundärstruktur der Nukleinsäuren ist die chemische Beschaffenheit
der Basen wesentlich, die sich über Wasserstoffbrückenbindungen jeweils paarweise zusammenlagern können. So passen nach einem Schloss-und-SchlüsselPrinzip Adenin und Thymin (bzw. Adenin und Uracil) und Cytosin und Guanin zusammen. Diese Basenpaarungen
ermöglichen das geregelte Aneinanderlagern von zwei Nukleinsäuresträngen. Hier zeigen sich nun auch weitere
Unterschiede zwischen DNA und RNA.
DNA kommt meistens als Doppelstrangmolekül vor, d. h. zwei DNAStränge mit komplementärer Basensequenz lagern sich aneinander (쏆 Abbildung 1 [D]), RNA hingegen ist meist
ein Einzelstrang, der sich allerdings in
sich selbst auffalten und zu doppelsträngigen Bereichen zusammenlagern
kann. Dabei können sehr komplexe
räumliche Strukturen entstehen – wie
z. B. das typische „Kleeblatt“ bei der
tranfer-RNA (tRNA), die für die Translation von entscheidender Bedeutung
ist. Die Doppelstrangstruktur ist chemisch sehr stabil – und dies ist der
Grund, warum in den meisten Organismen die Erbinformation als DNA vorliegt. Lediglich bestimmte Klassen von
Viren haben ein RNA-Genom.
Auch Proteine haben komplexe räumliche Strukturen. Bereits während der
Translation bildet sich aus der Aminosäure-Sequenz (= Primärstruktur) der
neu entstehenden Proteinkette die Sekundärstruktur, also die räumliche Zusammenlagerung der Aminosäuren.
Wesentliche Strukturmerkmale sind
dabei die α-Helix (also ein geschraub-
ter Molekülfaden) und das β-Faltblatt
mit Ziehharmonika-ähnlicher Struktur.
Diese Sekundärstrukturen lagern sich
zu übergeordneten räumlichen Gebilden zusammen und bilden damit die
Tertiärstruktur. So werden Proteinabschnitte (= Domänen) und ganze Proteine komplex zusammengefaltet. Mehrere Proteine wiederum können sich zu
Aggregaten zusammenfinden – eine
komplexe Quartärstruktur entsteht.
Dies ist z. B. der Fall bei vielen Enzymen
oder dem Blutfarbstoff Hämoglobin,
die aus mehreren Untereinheiten bestehen. Aber auch die Ribosomen, an
denen die Translation abläuft oder die
Histonkomplexe des Chromatins sind
solche Proteinaggregate. Zerstört man
– etwa durch Erhitzen beim Kochvorgang – die räumliche Struktur des Proteins (Eiweiß z. B. gerinnt), so geht
damit auch die Funktion verloren. Chemisch nennt man dies Denaturierung.
Wechselwirkungen untereinander
Die komplexen Moleküle der Nukleinsäuren und der Proteine können nun
auch in vielfältiger Weise miteinander
in Wechselwirkung treten. Proteine binden an Nukleinsäuren ebenso wie sie
untereinander in Kontakt treten können. So bilden Komplexe aus Proteinen
und ribosomaler RNA (rRNA) die Ribosomen, die zellulären „Proteinfabri-
ken“, an denen die Transkription abläuft. Hochkomplizierte Komplexe aus
Proteinen und DNA bilden auch das
Chromatin des Zellkerns in höheren
Zellen. Erinnern wir uns an die Länge
von DNA-Molekülen: nur weil die DNA
der menschlichen Zellen im Chromatin
verpackt ist, passt sie überhaupt in den
Zellkern hinein.
Diese Fähigkeit von Nukleinsäuren und
Proteinen, miteinander zu interagieren, ermöglicht natürlich auch erst die
Aktivität der in Replikation, Transkription und Translation wirksamen Enzyme.
Moleküle und Nährstoffe
Die meisten Organismen können die
grundlegenden Syntheseleistungen zur
Gewinnung der biochemischen Bausteine von Nukleinsäuren und Proteinen selbst erbringen. Auch im menschlichen Metabolismus können Zucker,
Purin- und Pyrimidinbasen sowie viele
Aminosäuren über natürliche Stoffwechselwege de novo, also aus anderen
Ausgangsstoffen synthetisiert werden.
Bestimmte Aminosäuren müssen allerdings mit der Nahrung aufgenommen
werden, da wichtige Syntheseschritte
aufgrund des evolutionären Verlustes
der entsprechenden Enzyme nicht
mehr durchgeführt werden können. Innerhalb der Zellen findet darüber hi-
Kleiner Exkurs zur Natur chemischer Bindungen
Chemisch sind die komplexen Strukturen der biologischen Makromoleküle nur
möglich mittels so genannter „schwacher“ Bindungskräfte, die zwar stark
genug sind, räumliche Strukturen zu stabilisieren, andererseits aber mit vergleichsweise geringem Energieaufwand wieder gelöst werden können. Zu nennen sind hier Wasserstoffbrückenbindungen, van-der Waals-Kräfte sowie
Anziehung und Abstoßung von hydrophilen und hydrophoben Molekülgruppen,
andererseits aber auch die ionische Anziehung zwischen unterschiedlich geladenen Molekülen.
Entscheidend ist dabei die chemische Passgenauigkeit der Molekülgruppen,
die miteinander in Wechselwirkung treten. Sie bildet die Grundlage der Wirkung von Enzymen. Nur weil solche Bindungen mit wenig Energieverbrauch
geknüpft und gelöst werden können und weil andererseits das passgenaue
Präsentieren von reaktiven Gruppen das Knüpfen fester chemischer Bindungen
mit ebenfalls geringem Energieaufwand ermöglicht, ist die komplexe Chemie
der DNA- und Proteinsynthese überhaupt unter zellulären Bedingungen möglich. Nur deshalb auch laufen die Methoden der Gentechnik unter den Bedingungen lebender Zellen ab: bei relativ niedriger Temperatur und niedrigem
Druck im wässrigen Milieu.
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naus ein stetes „Recycling“ von Aminosäuren und auch Nukleotiden statt, die
aus dem kontinuierlich stattfindenden
Abbau von Proteinen und RNA stammen.
Proteinverdauung
Mit der Nahrung aufgenommene Proteine liegen – wie bereits erwähnt – in
unterschiedlichem Ausmaß schon aufgrund des Kochvorgangs nicht mehr in
ihrer ursprünglichen Konfiguration
vor. Die weitere Denaturierung der Proteinmoleküle wird darüber hinaus im
Magen durch die Magensäure bewirkt,
in der die innermolekularen schwachen
chemischen Bindungen aufgelöst werden. Bis zu welchem Grad die Proteine
dabei denaturiert und somit verdaulich
werden, hängt wesentlich von ihrer ursprünglichen Gestalt und biochemischen Konformation ab.
Im Magen beginnt auch der eigentliche
Abbau der Nahrungsproteine etwa
durch das Enzym Pepsin. Es entstehen
längere Peptidbruchstücke, die im Verlauf der weiteren Verdauung weiter zerlegt werden, bis nur noch einzelne Aminosäuren, Di- und Tripeptide übrig
sind, die resorbiert werden können. Diund Tripeptide können durch spezielle
Transportkanäle direkt in Zellen aufgenommen und dort in die einzelnen
Aminosäuren aufgespalten werden. Die
der Nahrung entstammenden Aminosäuren können nun ihrerseits direkt
der Proteinbiosynthese zur Verfügung
stehen, sie können aber auch in ganz
andere Stoffwechselwege einfließen
und z. B. als Rohstoffe für die Zuckersynthese genutzt werden (glucoplastische und ketoplastische Aminosäuren).
Für die Proteinbiosynthese bedeutsam
ist die Unterscheidung zwischen unentbehrlichen, konditionell unentbehrlichen und entbehrlichen Aminosäuren:
während entbehrliche Aminosäuren im
Organismus durch Biosynthesewege
auch aus anderen Nahrungsbestandteilen „hergestellt“ werden können, müssen unentbehrliche Aminosäuren (Histidin, Valin, Leucin, Isoleucin, Lysin,
Phenylalanin, Tryptophan, Methionin
und Threonin) mit der Nahrung zugeführt werden. Konditionell unentbehr-
liche Aminosäuren (Glycin, Prolin, Glutamin, Cystein, Arginin und Tyrosin)
wiederum können bei besonderem Bedarf limitierend wirken, weil der natürliche Stoffwechselweg sie dann nicht
mehr in ausreichender Menge zur Verfügung stellen kann [1].
Die Aminosäurekonzentration im Blut
wird durch Regelmechanismen weitgehend konstant gehalten, um eine kontinuierliche Proteinbiosynthese unabhängig vom Nahrungsangebot zu
gewährleisten. Maßgeblich ist hierbei
der jeweilige Bedarf: bei körperlichem
Training muss mehr Muskelmasse gebildet werden und der Bedarf steigt
ebenso wie etwa bei der Abwehr von
Krankheiten.
Erinnern wir uns an die eingangs definierte Hierarchie der Moleküle, so wird
klar, dass der Proteinsynthese entscheidende Bedeutung zukommt: ohne Proteine funktioniert im Körper nichts – es
fehlen nicht nur strukturbildende
Stoffe, Proteine fungieren auch als Hormone und sonstige Signalstoffe. Vor
allem: Alle Enzyme sind Proteine, ohne
sie kann praktisch keine biochemische
Reaktion ablaufen.
Verdauung von Nukleinsäuren
Mit der Nahrung aufgenommene Nukleinsäuren werden im Dünndarm
durch spezielle Enzyme, die Nukleasen,
abgebaut. Sukzessive werden sie in Oligonukleotide, also kleinere Bruchstücke des Ausgangsmoleküls, und diese
schließlich in Mononukleotide aufgespalten. Der Phosphatrest wird durch
Phosphorylasen abgespalten und die
entstehenden Nukleoside werden in
ihren Zucker- und Basenanteil zerlegt.
Absorbiert werden Nukleoside sowie in
geringen Mengen die freien Basen. Die
Konzentration an freien Basen wird
aber niedrig gehalten, sie können weiter abgebaut werden, wobei die Pyrimidine vollständig zu CO2 und H2O zerlegt werden, wohingegen beim Abbau
überschüssiger Purine bei Menschen
Harnsäure entsteht, die letztendlich
ausgeschieden wird.
Immunonutrition
Laut Hersteller bezeichnet die „Immunonutrition“ eine Form der klinischen Ernährung, die neben den
üblichen notwendigen Nährstoffen
zusätzlich Substanzen enthält, die
das Immunsystem unterstützen
und stärken sollen. Diese als
„Immunonutrients“ bezeichneten
Stoffe sind verschiedene Aminosäuren (Arginin, Glutamin, Glycin),
RNS-Nukleotide sowie Omega-3Fettsäuren. Tatsächlich wird in einigen Studien beim Einsatz dieser
Lösungen insbesondere etwa bei
Krebspatienten bei Operationen im
gastrointestinalen Bereich ein gewisser positiver Effekt im Sinne
einer verringerten Komplikationsrate und schnelleren Wundheilung
beobachtet [2]. Besondere Bedeutung scheint dabei dem Arginingehalt zuzukommen: Arginin ist eine
semi-essenzielle Aminosäure und
es wird vermutet, dass ihr erhöhter Bedarf in der gegebenen
Krankheitssituation durch die vermehrte Gabe besser gedeckt wird.
Während in diesem Fall die positive
Wirkung biochemisch also gut
nachvollziehbar ist und auch experimentell aufgezeigt werden kann,
ist dies für den Zusatz der RNANukleotide nicht der Fall. Ihre immunmodulierende Wirkung ist
nicht nachgewiesen, biochemisch
können sie wie oben dargestellt
aus den normalen Bestandteilen
der Ernährung ohne Limitationen
synthetisiert werden.
Literatur
●
왎
1. Gaßmann, B (2006) Aminosäuren und
Proteine. Teil 1: Aminosäuren. Ernährungs Umschau 53: 137–141
2. McCowen u. Bistrian (2003) Immunonutrition: problematic or problem solving.
Am J Clin Nutr 77: 764–770.
Weiterführende Literatur
Lesen Sie in Teil 2: Vom Gen zum Organismus – Woher weiß die Zelle, wo ein Gen anfängt und wo es aufhört?
●
왎
Aubele M. Genetik für Ahnungslose. S. Hirzel, Stuttgart (2007)
„Ernährungslehre und -praxis“, ein Bestandteil der „Ernährungs Umschau“. Verlag: UMSCHAU ZEITSCHRIFTENVERLAG Breidenstein GmbH, Sulzbach/Ts. Zusammenstellung und
Bearbeitung: Dr. Eva Leschik-Bonnet, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Dr. Udo Maid-Kohnert, mpm Fachmedien (verantwortlich).
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