Struktur und Reaktivität organischer Verbindungen • Was ist Organische Chemie? • Aufbau (Struktur) organischer Verbindungen • Unterscheidung organischer Verbindungen nach funktionellen Gruppen • Typische Reaktionen organischer Verbindungen • Analyse von Stoffgemischen (Chromatographie) • Molekülstruktur und Sinneswahrnehmung 1 Was ist Organische Chemie? Zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Anorganische Chemie: Chemie der Mineralien und Gesteine Organische Chemie: Chemie des Pflanzen- und Tierreichs (heute: Biochemie) NH2 NH4+OCN- O C CH4N2O NH2 Ammoniumcyanat F. Wöhler (1800-1882) 1828: Harnstoffsynthese Harnstoff A.W. v. Hofmann (1818-1892) Ende der vitalistischen Theorie (nach 1882) 2 Definition: "Organische Chemie" Es Es gibt gibt mehr mehr Verbindungen Verbindungen des des Kohlenstoffs Kohlenstoffs als als aller aller übrigen übrigen Elemente Elemente zusammen. zusammen. Organische Chemie ist die Chemie der Kohlenstoffverbindungen. 3 Vorkommen und Verteilung des Elements Kohlenstoff >99 % Anorganische Verbindungen (CaCO 3 , ....) 0.1 % Organische Verbindungen 0.03 % 2/3 Erdrinde fossile Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) 1/3 Organismen (Biosphäre) ca. 0.01 % des Kohlenstoffs befinden sich in der Biosphäre 4 Sonderstellung des Elements C • • • • steht in der Mitte der 2. Periode des PSE besitzt die geringste Tendenz zur Bildung von Ionen besitzt die größte Tendenz zur Ausbildung kovalenter Bindungen ist vierbindig, kann mit 4 anderen Atomen kovalente Bindungen ausbilden bevorzugte Bindungspartner sind: C: → Ketten, Ringe, Netze, Gitter, ... H: die übrigen Valenzen werden abgesättigt (Kohlenwasserstoffe) • bildet Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen (auch mit Heteroatomen) C−C, C−H, C−N, C−O, C−F, C−S, ... C=C, C=N, C=O, C=S, ... C≡C, C≡N, … • Die meisten organischen Verbindungen sind unter normalen Bedingungen stabil. Sie verbrennen nicht spontan an der Luft. 5 Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff bestehen Graphit Härte = 1 Diamant Härte = 10 Fullerene C20 C 60 C 70 C76 6 Einfache organische Verbindungen: Kohlenwasserstoffe H2 C H3C H2C H2C H2C H2C C H2 H2 C C H2 H2 C C H2 H2 C C H2 C HC HC C H CH 3 n-Hexan, ein Alkan CH 2 Cyclohexan, ein Cycloalkan CH 2 Methan CH Cyclohexen, ein Cycloalken CH CH 3 C H3C H C C H2 CH C H2 3-Hexin, ein Alkin Benzen (Benzol), ein Aromat CH Adamantan Kohlenwasserstoffe sind die Stammverbindungen der meisten 7 organischen Verbindungen. Konstitutionsisomerie der Alkane Zahl der Summenformel Name C-Atome Isomerenzahl n-Alkane: H-(CH2)n-H 1 CH4 Methan 1 2 C2H6 Ethan 1 3 C3H8 Propan 1 4 C4H10 Butan 2 Isoalkane besitzen eine verzweigte KohlenstoffKette. Beispiel: C5H12 5 C5H12 Pentan 3 6 C6H14 Hexan 5 7 C7H16 Heptan 9 8 C8H18 Octan 18 9 C9H20 Nonan 35 10 C10H22 Decan 75 20 C20H42 Eicosan 366.319 30 C30H62 Triacontan 4.111.846.763 Pentan 2-Methylbutan 2,2-Dimethylpropan 8 Alkanisomere 10000000000 1000000000 Anzahl Isomere 100000000 Für n > 10 gilt: Anz. ≈ 0.00676*100.390*n 10000000 1000000 100000 10000 1000 100 10 1 0 5 10 15 20 Anzahl C-Atome in Alkanen 25 30 n 9 Organische Verbindungen mit Heteroatomen N Siedepunkt / °C: Schmelzpunkt / °C: Wasserlöslichkeit: Basizität: Azidität: NH2 OH Anilin C6H7N Phenol C6H6O 185 -6 + - 182 43 + + S Benzen C6H6 Pyridin C5H5N Thiophen C4H4S 80 6 - 116 -42 + + - 84 -38 - Durch Heteroatome werden die Eigenschaften stark verändert. 10 Die funktionelle Gruppe von Alkoholen und Phenolen H3C H2 C C H2 H2 C C H2 H2 C OH 1-Hexanol OH Alkanol R = Alkylrest OH = Hydroxygruppe H H C C H3C C R OH OH C OH C C H H p-Kresol Ar OH Phenol Ar = Arylrest Alkohole und Phenole sind Derivate des Wassers, H2O. Ein H-Atom wurde durch einen Alkyl- bzw. Arylrest ersetzt. 11 Wasserlöslichkeit von 1-Alkanolen R−OH R CH3 C2H5 C3H7 C4H9 Name Methanol Ethanol Propanol Butanol Gew. % ∞ ∞ ∞ 7.9 R C5H11 C6H13 C7H15 C8H17 blau: hydrophiler Molekülteil Name Pentanol Hexanol Heptanol Octanol Gew. % 2.3 0.6 0.2 0.05 rot: hydrophober Molekülteil Mit der Größe von R nimmt der hydrophobe Anteil zu, und damit sinkt die Wasserlöslichkeit. 12 Alkoholtest 3 C2H5OH + 2 K2Cr2O7 + 2 H2SO4 3 CH3CO2H + 2 Cr2O3 + 2 K2SO4 + 5 H2O Ethanol Essigsäure C2H5OH CH3CO2 H Redoxreaktion K2Cr2O7 Kaliumbichromat gelb Cr2O3 Dichromtrioxid grün Ethanol kann sogar in geringer Konzentration in der Atemluft nachgewiesen werden (Alcotest-Prüfröhrchen). 13 Funktionelle Gruppen Funktionelle Gruppe Name – C Stoffklasse Alkane (Paraffine) H C,C-Doppelbindung Alkene (Olefine) C C C C C,C-Dreifachbindung Alkine -Hal (F, Cl, Br, I) Halogen- Fluor-, Chlor-, Brom-, Iodkohlenwasserstoffe -OH Hydroxy- Alkohole, Phenole -OR Alkoxy- Ether -SH Thiol- Thiole (Mercaptane) -NH2 Amino- Amine -NO2 Nitro- Nitroverbindungen, z.B. Nitromethan 14 Funktionelle Gruppen Funktionelle Gruppe Name C Stoffklasse Carbonyl- Aldehyde, Ketone Imino- Imine Carboxyl- Carbonsäuren O C NH O C OH Alkoxycarbonyl- Ester O C OR Carboxamid- O C Amide NH2 15 Reaktion verschiedener Kohlenwasserstoffe mit Brom Alkan + Licht Br2 Br + HBr Br Alken + Radikalische Substitution SR Elektrophile Addition AE Br2 Br Aromat + Br2 FeBr3 Br + HBr Elektrophile Substitution SE Alkane, Alkene und Aromaten unterscheiden sich in ihrer Reaktionsweise. 16 Reaktion von Cyclohexen mit Kaliumpermanganat +7 KMnO4 O MnO4- K+ O KMnO4 ist violett H2O OH (1R,2S)-Cyclohexan-1,2-diol OH +5 + MnO2(OH)2- +4 +7 MnO2 + MnO4- (Disproportionierung) MnO2 Braunstein Die Hydroxylierung eines Alkens ergibt ein 1,2-Diol. An C,C-Mehrfachbindungen können zahlreiche Reagenzien addiert werden. Alkene sind (auch technisch) sehr wichtige Stoffe. 17 Umwandlung von Alkenen: Olefin-Metathese Metathese von griech.: metáthesis = Umstellung, Versetzung. Abgeleiteter Begriff für die Disproportionierung (oder Dismutation) von Alkenen in Gegenwart von Katalysatoren. Beispiel: Umwandlung von Propen in 2-Buten und Ethen Großtechnisches Verfahren seit 1966. H3C H3C H C C H H3C + H H C C C C H CH3 H H H 3C C C H H Kat. H C C H Kat. + H H H Propen H 2-Buten CH3 H C C H Unter dem Einfluss spezieller Katalysatoren (Kat.) tauschen Alkene ihre Reste aus. Ethen H 18 Olefin-Metathese, Nobelpreis für Chemie 2005 Robert H. Grubbs Richard R. Schrock Yves Chauvin Der Methathese-Tanz: animation.html 19 Aldol-Reaktion: eine wichtige Reaktion von Aldehyden zum Aufbau von Kohlenstoff-Gerüsten CH3-CH=O + CH3-CH=O Acetaldehyd H 3C C H2 C OH C H Acetaldol O H 3C - H2 O C H H C C H O Crotonaldehyd Acetaldol und Crotonaldehyd sind difunktionelle Verbindungen mit einer Aldehyd- und einer Hydroxy- bzw. Alken-Gruppe. Sie besitzen sowohl Alkohol- bzw. Alken- als auch AldehydEigenschaften. Hinzu kommen charakteristische Eigenschaften, die aus der Nachbarschaft der beiden funktionellen Gruppen resultieren. 20 Gekreuzte Aldol-Kondensation - ein Versuch aus dem OC-Grundpraktikum B A Base C6H5-CH=O + Benzaldehyd H3C C H2 C O Butan-2-on CH3 C6H5 C H C H - H2 O C H2 C A CH3 O CH3 Säure H3C C O C C C6H5 B H Die bei der organischen Synthese wichtige Selektivität kann durch die Reaktionsbedingungen gesteuert werden. 21 Glucosetest Ergebnis: ca. 2-3 %. 22 Nachweis von Glucose CH2OH CH2OH O OH OH O Glucose-Oxidase OH + O2 H OH OH Glucose O + H2O2 OH Redoxreaktionen Peroxidase Farbstoff + H2O2 (reduziert, farblos) OH Gluconolacton Farbstoff + H2O (oxidiert, gelb-grün) Glucose-Oxidase-Peroxidase-Farbreaktion, selektiver Nachweis von Glucose im Urin 23 Iod-Stärke-Reaktion Amylose, ein Polysaccharid, besteht aus Glucose-Molekülen, besitzt helicale Struktur. Iod-Moleküle werden als KI3 in die Kanäle eingelagert. 24 Auch polyfunktionelle Verbindungen zeigen charakteristische Reaktionen. Fichtenspanprobe von Furan und Pyrrol Aromatische Heterocyclen Farbreaktion O grün Furan H N rot Pyrrol Viele Verbindungen zeigen charakteristische Reaktionen, 25 mit denen sie leicht zu erkennen sind. 26 Chromatographie mit Kreide Bei der Chromatographie handelt sich um physikalische Trennverfahren, bei denen die Stofftrennung durch Verteilung zwischen einer stationären und einer mobilen Phase geschieht. Trennung der Farbkomponenten von "schwarzem" Filzstift Die Farbe "Schwarz" ist ein Gemisch aus vielen verschiedenen Farbstoffen. Eigentlich handelt es sich um Grau. 27 Hochdruck-Flüssigkeitschromatographie (HPLC) Pumpe bis 40 MPa Probenaufgabe Trennsäule Elutionsmittel mV - Schreiber Detektor Signalwandler Bei Beider derSäulenchromatographie Säulenchromatographie dient dientKieselgel Kieselgelin inder derTrennsäule Trennsäule als alsstationäre stationärePhase Phaseund undein ein organisches organischesLösungsmittel Lösungsmittelals als mobile mobilePhase. Phase. Die DieHPLC HPLCist isteine eineFortentwicklung Fortentwicklung dieser dieserMethode. Methode. Fraktionssammler 28 Gaschromatographie (GC) 1- Gaszylinder mit Trägergas 2- Gasventil 3- Injektor 4- Trennsäule 5- Ausgang vom Detektor 6- Messgerät für den Gasfluss 7- Schreiber Bei Beider derGaschromatographie Gaschromatographiedient dienteine einegefüllte, gefüllte,dünne dünneGlassäule Glassäuleals als stationäre Phaseund undein einInertgas Inertgas(He, (He,N N22))als alsmobile mobilePhase Phase(Trägergas). (Trägergas). stationärePhase Die DieGC GCist isteine einesehr sehrleistungsfähige leistungsfähigeMethode Methodezur zurAnalyse Analyseflüchtiger flüchtiger Substanzgemische. Substanzgemische. Als AlsDetektor Detektorkann kannauch auchdie diemenschliche menschlicheNase Naseeingesetzt eingesetztwerden. werden. 29 Intensität Gaschromatogramm eines Parfüms Zeit Das DasGaschromatogramm Gaschromatogrammzeigt zeigtzahlreiche zahlreichePeaks. Peaks.Jeder Jedergehört gehört zu zueiner einerKomponente. Komponente. Um Umwelche welcheVerbindung Verbindunges essich sichjeweils jeweilshandelt, handelt,kann kannmit mitHilfe Hilfe 30 der derMassenspektrometrie Massenspektrometriebestimmt bestimmtwerden. werden. Riechen: Komponenten des olfaktorischen Nervensystems Richard Axel "Die Entschlüsselung des Riechens" , Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1995, 72-78. 31 Gerüche und Riechstoffe Gerüche: Wir können Tausende von Gerüchen wahrnehmen und unterscheiden. Riechstoffe: müssen flüchtig sein: Molmasse < 300 D Um die Membran der Riechzellen zu durchdringen und einen Geruchsreiz auszulösen, müssen sie gute Fettlöslichkeit und hinreichende Wasserlöslickeit besitzen. Osmophore Gruppen: Euosmophore: -CH=O, >C=O, -OH, -OR, -CN, -NO2 Kakosmophore: -CH=S, >C=S, -SH, -SR, -NC 32 Schematische Darstellung zur Substratspezifität + Schematische Darstellung zur Substratspezifität + Enzym + Substrat Enzym - Substrat - Komplex Oben: Schlüssel-Schloss-Modell nach E. Fischer (1894) Unten: Anpassungsmodell (induced fit) nach D.E. Koshland (1958) 33 Molekülstruktur und Sinneswahrnehmung 34 Menthol, eine Verbindung mit minzigem Geruch HO (-)-Menthol, ist ein Terpen-Alkohol, Hauptbestandteil des Pfefferminzöls 35 Moschus und Muscon O Moschus, schwarzbraune, gekörnte Masse mit ammoniakalisch-animalischem Geruch. Sekret einer Abdominaldrüse des Moschustiers. Muscon, wichtigster Duftstoff des Moschus, ist als Fixateur in der ParfümIndustrie von großer Bedeutung. R-(–)-Muscon Viele Duft- und Aromastoffe sind Naturprodukte. 36 Moschus moschiferus Das Moschustier: Eine kleine, geweihlose Hirschart, die auf den 37 Hochplateaus Ostasiens (Himalaya, Sibirien) lebt. Civettictis civetta Die Afrikanische Zibetkatze ist eines der häufigsten Säugetiere Afrikas. Man findet sie in der Savanne ebenso wie in Wäldern. Zibetkatzen (Civetten) sind eine Unterfamilie der Schleichkatzen. 38 Zibet und Zibeton (Civeton) Zibet ist ein Sekret der Zibetkatze. Zur Gewinnung von Zibet werden die Tiere in Gefangenschaft gehalten. Hauptproduzent ist Äthiopien mit ca. 2 Tonnen pro Jahr. O (Z)-Form (Z)-9-Cycloheptadecen-1-on, Civeton, C17H30O, farblose, flüchtige, widerwärtig (süß-animalisch nach Moschus) duftende Kristalle. Hauptgeruchsträger von Zibet, in sehr großer Verdünnung ähnelt sein Duft dem von Moschus. 39 Zibeton wird in der Parfüm-Industrie als Fixateur verwendet. Molekülstruktur von Muscon O R-(–)-Muscon, 3-Methylcyclopentadecanon 40 Synthese von Exalton CO2CH3 CO2CH3 1. Na 2. H+ OH OH Pentadecandisäuredimethylester O Zn/HCl O OH Exalton, Cyclopentadecanon Synthese durch Acyloinkondensation nach Stoll, Hansley und Prelog (1947) Exalton besitzt nahezu die gleiche Duftnote wie Muscon. 41 Massenspektrum einer Parfüm-Komponente m/z Das Massenspektrum wurde bei der GC/MS-Analyse des Parfüms erhalten. Das Spektrum wird in einer Datenbank gefunden. Demnach handelt es sich bei dieser Komponente um 42 den Moschus-Ersatzstoff "Exaltolide". Moschus-Ersatz in einem Parfüm K2CO3 Br - HBr O O H O Oxacyclohexadecan-2-on C15H28O2 (m/z = 240) ExaltolideR O 43 Experimentalvorlesung 1819 44 T. Rawlandson, 1819, Experimentalvorlesung in der Royal Institution, London Chemisches Laboratorium um 1840 Liebigs Analytisches Labor in Giessen 45 Chemisches Laboratorium 2005 Grundpraktikum Organische Chemie, Universität DuisburgEssen, Campus Essen 46 Motivation für ein Chemiestudium "Keine unter allen Wissenschaften bietet dem Menschen eine größere Fülle von Gegenständen des Denkens, der Überlegung und von frischer, sich stets erneuernder Erkenntnis dar als die Chemie." Justus von Liebig (1803–1873, Prof. für Chemie in Gießen u. München), Chemische Briefe 47 MILESS Die Folien der Vorlesung sind im Internet zugänglich: http://miless.uni-essen.de Suche nach: Probestudium Es handelt sich um eine Datei im pdf-Format. (Befristet bis 31.12.2005) 48 Chemie-Quiz im Probestudium mit freundlicher Unterstützung durch die GDCh [email protected] [email protected] Frage 1 Ist Kohlenstoff ein häufiges oder eher seltenes Element? Frage 2 Auf welche Eigenschaften des Elements Kohlenstoff lässt sich die große Vielfalt seiner Verbindungen zurückführen? Frage 3 Was versteht man unter einer funktionellen Gruppe? 49