The last Unicorn - Arved Fuchs Expeditionen

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Beitrag zur International Ice-Climate Education Competition 2011
Topic 3 biotope protection
Saving the Narwhal
„The last Unicorn“
Aileen Walser
Ambrosius Blarer Gymnasium
Schloss Gaienhofen Deutschland
1.5. 2011
„Am Ende werden wir nur das bewahren, was wir lieben,
wir werden nur lieben, was wir verstehen,
und wir werden nur verstehen, was man uns gelehrt hat“
Baba Dioum, senegalesischer Umweltschützer
Generalversammlung der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) 1968
2
Einleitung
Baba Dioum sagte es. - Wir werden nur schützen, was wir lieben. - Doch wie sollen wir
eine Spezies schützen, die weit weg, in den Tiefen eines kalten und dunklen Meeres lebt?
Eine Spezies, von der wir nicht viel mehr wissen, als einige Legenden. Das Einhorn der
Meere, der Narwal.
Der Narwal wird durch den Menschen, wie viele andere auch, an den Rand der Existenz
getrieben. Der von uns gemachte Klimawandel und unsere zum Teil unsäglichen
Übergriffe in die arktische Welt, geben ihm kaum eine Chance zu überleben. Trotzdem
haben Menschen in staatlichen und privaten Organisationen bereits vieles erreicht. Doch es
ist wohl zu wenig. Vielleicht müssen wir Kinder und Jugendliche die Welt retten, wenn Ihr
uns die Zeit dazu gebt. Doch könnt Ihr das noch? Haben wir diese Zeit?
Mein Beitrag „The last Unicorn“ ist eine Geschichte, ein Märchen, eine Erzählung, ein
Essay, das die 50 Lebensjahre eines Narwales erzählt. Ausgehend vom Jahre seiner Geburt
2011 bis zu seinem Tod im Jahr 2061. Er schildert das, was die Menschen ihm und seiner
Spezies antun. Manchmal poetisch, manchmal märchenhaft aber auch sehr realistisch. Es ist
eine Zukunft, in die er hinein geboren wird, die der IPCC (Intergovernmental Panel on Climat
Change) in einem seiner Modelle beschreibt. Es ist das schlimmste Szenario, mit dem wenig
klangvollen Namen A1FI. Aber ein mögliches, eines, in der 2060 die Welt durchschnittlich
2oC wärmer und die Menschheit älter, nicht klüger geworden ist.
Die Geschichte des Narwales findet zwischen Baffin Bay und Admiralty Inlet in der
Kanadischen Ostarktis statt, der Heimat von ca. 90% der weltweiten Narwalpopulation und
basiert auf den mir zugänglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Doch die Geschichte alleine reicht nicht. Sie wird unterlegt von einer zweiten Geschichte,
die die momentane Situation in dieser Region beschreibt. Ein Text aus Fußnoten, alleine
gelesen ein Abbild der Jahre 2010/11. Soweit mir möglich habe ich die aktuellsten Fakten
zusammengetragen. Man kann sich dieser Geschichte nicht entziehen, geschweige denn,
den düsteren Prognosen der nächsten Jahre.
Aber auch das reicht nicht. Im Anhang habe ich die verschiedenen Gefahren, die dem
Narwal und dem maritimen Leben in der Arktis drohen, zusammengestellt. Dem gegenüber
stehen die aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten, die wir Menschen ergreifen können, um
diese Geschichte zu einem anderen, besseren Ende zu bringen.
Wie soll „The last Unicorn“ dem Narwal beim Überleben helfen?
Baba Dioum sagt „wir werden nur verstehen, was man uns gelehrt hat“. Verständnis und
Wissen ist Voraussetzung für Wertschätzung und Liebe. Das bedeutet, dass wir bei der Jugend
beginnen müssen.
„Wenn du ein Jahr Reichtum willst, pflanze Mais. Wenn du zehn Jahre Reichtum willst, pflanze Bäume. Wenn
du hundert Jahre Reichtum willst, erziehe die Menschen.“
chinesisches Sprichwort
Man könnte den Text inklusive Fußnoten und Anhang für Schulbücher einsetzen. Der Lehrer
referiert die Fakten, die Jugendlichen die Geschichte. Man könnte ihn in Erdkunde, Biologie,
Wirtschaft, Politik, Ethik... einbinden. Der Text könnte auch als kleines Booklet mit
Zeichnungen bei relevanten Organisationen verbreitet oder in wissenschaftlich orientierten
Jugendmagazinen, für Feuilletons, im Internet, usw. verwenden werden.
Ziel ist die persönliche Betroffenheit des Einzelnen und damit vielleicht ein bewusst werden
der prekären Situation in der Arktis, und dies durchaus stellvertretend für viele Bereiche der
Welt. Die Jugend von heute sind die Entscheidungsträger von morgen.
Kurz gesagt, die Informationen die wir brauchen um zu verstehen, verpackt in einer
Geschichte.
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Der Schweizer Dramaturg Friedrich Dürrenmatt hätte vielleicht eine Komödie über dieses
Thema geschrieben, da er der Meinung war, das der Mensch eher über Komödien denn über
Dramen erreichbar ist. Er wollte, dass ihnen das Lachen im Halse stecken bleibt, wenn sie zu
verstehen beginnen. Doch über die Situation der Arktis und stellvertretend der Narwale, war
es mir nicht möglich Fröhliches zu schreiben. Sie sind auch nicht süß, wie der Orca Free
Willy, plüschig wie der Eisbär Knut oder die schielende Opossumdame Heidi. Sie sind
einfach nur einzigartig, wie so viele und sie werden außer für das Material ihres Stoßzahnes
kaum noch wertgeschätzt. Selbst die Inuit, die sie seit Jahrtausenden begleiten, nehmen bei
ihrer traditionellen Jagdweise in Kauf, das auf einen getöteten und gefangenen Narwal immer
einige verletzt verenden und verloren gehen. Niemand sollte so mit Leben umgehen.
„The last Unicorn“
Ich bin der Letzte. Der Letzte von so vielen. Ich habe sie gehen sehen, sterben. Ich bin der Letzte der von den
Geschehnissen berichten kann, die sich hier zutrugen. Dies ist meine Geschichte.
Ich wurde im Jahr 2011 in eine Welt aus Wasser und Eis geboren. Meine Welt liegt hoch
oben im Norden, jenseits des Polarkreises1. Eine Welt so schön wie kaum eine andere. Das
Winterquartier meiner Narwalherde war, wie jedes Jahr, die südliche Baffin Bay2. In diesem
Jahr waren wir nur fünf Jungtiere, aber die unzertrennlich.
Kira war meine beste Freundin und Seelenverwandte. Sie war immer fröhlich und gut
aufgelegt, für jeden Spaß zu haben. Sie hatte einen hellen, auffälligen Fleck auf ihrer Fluke 3,
sichelförmig wie der zunehmende Mond. Bala war der Anführer unserer kleinen Gruppe.
Immer auf der Suche nach neuen Abenteuern brachte er uns häufig in Schwierigkeiten. Aber
er holte uns ebenso oft auch wieder heraus. Er war der Älteste von uns Fünfen und auch der
größte4. Dann gab es noch Reino. Er war nur wenige Tage älter als ich und zog Ärger magisch
an. Oft genug mussten wir ihm aus der Klemme helfen, wenn er sich mal wieder mit einem
jungen Weißwal5 messen oder gar einen Grönlandhai6 ärgern wollte. Alia war unsere Stille.
Man traf sie häufig nachts an der Wasseroberfläche, wo sie sehnsüchtig dem Mond
entgegenblickte. Sie zählte zu den neugierigsten und gewitztesten Walen, die ich kannte.
Abends, wenn wir vom Herumtoben müde waren, begannen die Erwachsenen zu erzählen.
Geschichten vom großen Narwal Qilalugaq qernartaq, wie er mit seinem Stoßzahn Löcher
ins Himmelszelt stach und so Sonne und Sterne schuf.7 Geschichten über einen paradiesischen
Ort an dem man nur den Mund aufmachen musste, um den Polardorsch in Mengen
einzusaugen.8 An dem kein Narwal krank war, kein Junges tot auf die Welt kam. 9 Die Alten
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Der Narwal (monodon monoceros) lebt ganzjährig nördl. des 60.Breitengrades. In einem schmalen Gürtel, zirkumpolar, von
der ostsibirischen See über Franz-Josef-Land, Spitzbergen, Ost- und Westgrönland und der Ostkanadischen Arktis (wikipedia:Narwal).
Hier leben ca. 90% der Narwale (www.greenaction.de) Je nach Herde und Region gibt es stark festgelegte Wanderrouten eng
verbunden mit dem Packeis. Bis zu 1.000 Km liegen zwischen den Sommer- und den Wintergebieten. Informationen sind
widersprüchlich, da schlecht erforscht: z.B. Lebenserwartung 40 bis 115 Jahre. Ihr Tragezeit beträgt ca. 14 Monate und sie werden
zwischen dem 5-8 Jahr geschlechtsreif. Geschätzte Gesamtpopulation 70.000 (rote Liste) bis 34.000 (WWF). Unklar sind die
tatsächlichen Auswirkungen der Fangquoten auf die Reproduktionsrate. Klar ist aber, dass der Narwal eines der ersten Opfer des
arktischen Klimawandels werden wird. Er ist eng mit dem Eis verbunden und hat daher weder geografischen Spielraum, noch Zeit
genug sich evolutiontechnisch an die geänderten Bedingungen anzupassen.
Fluke stark konvex gebogen; Hautfarbe: hellbraun bis weiß, Seiten gefleckt, Rücken dunkel .
Länge 4–5m ohne Stoßzahn, 1–1,5t schwer, Stoßzahn bis zu 3m lang.
Delphinapterus leucas, auch Beluga, Verwandter des Narwals, ist in den meisten polaren und subpolaren Gewässern zu
finden.
Grönlandhai oder Eishai (Somniosus microcephalus) kann bis zu 200 Jahre alt werden, unklar ob Fressfeind.
Qilalugaq qernartaq “der Eine, der den Himmel berührt”: „Narwal“ in der Sprache (Inuktitut) der Inuits, (www.narwhal.org)
Sie saugen Fische mit der Lippe und Zunge ein.
Meeressäuger der Arktis sind stark durch chemische Umweltgifte belastet: PCB, Pestizide, DDT, Cadmium, Blei, mit
entsprechenden Auswirkungen auf ihre Gesundheit und die Fortpflanzung. Walfleisch (Blubber) aus vielen Bereichen der Arktis müssten
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selbst erzählten uns, das die Baffin Bay vor wenigen Jahren noch ein solcher Ort gewesen sei.
Wir glaubten ihnen nicht, denn wie sollte sich ein Ort in so kurzer Zeit so verändern können.
Sie erzählten uns auch furchteinflößende Geschichten über diese seltsamen, zweiflossigen
Wesen, die an Land lebten, sich aber aufführten wie die Herren der See. Die mit fliegenden
Stoßzähnen aus einem fremdartigen, kalten, silbrigen Material in unserer Welt jagten. In
meiner kindlichen Naivität tat ich diese Geschichten als Märchen ab. Wie falsch ich doch lag.
Die ersten Wochen meines Lebens verliefen ruhig und glücklich. Doch bald würden wir uns
aufmachen. Wir Jungtiere freuten uns auf die Wanderung10 in den Norden der Welt. Endlich
sollten wir riesige Eisberge und den mächtigen ewigen Eisrand sehen, der das Ende der Welt
markierte und dazwischen würden wir die eisfreien Buchten und Fjorde finden, in denen wir
übersommern konnten. Allen voran der Admiralty Inlet11, unser Sommerfjord.
Wir würden mit anderen Narwalherden aus dem Eclipse Sound und der Melville Bay
zusammentreffen und in riesigen Herden gemeinsam weiterziehen. Ich hoffte auch einen
Blick auf diese sagenumwobenen zweiflossigen „Menschen“ werfen zu können. Die Ältesten
erzählten, das diese Menschen schon seit vielen Narwalgenerationen am Beginn des
Admiralty Inlet lebten12, und vielleicht würde ich Glück haben und ihnen begegnen.
Und dann ging es los. Früher als erwartet verschwand das Treibeis in der südlichen Baffin
Bay13. Viel früher als sonst, so sagten alle. Erstaunt wie leicht und wie weit wir nach Norden
vordringen konnten, wiesen uns unsere Eltern den Weg. Nach einigen Tagen befanden wir uns
immer noch mitten im Ozean, weit und breit keine Eisberge, sondern nur dünne, brüchige
Schollen. Die Älteren waren beusorgt. Ihr Meer hatte sich verändert, es sah anders aus, es
roch anders und es war wärmer. Sie versuchten ihre Beunruhigung zu verstecken. Wir sollten
uns keine Sorgen machen, es wäre nur ein sehr warmes Jahr. Das sei schon öfter so gewesen,
versuchten man uns zu beruhigen.14 Doch all das kümmerte uns wenig.
Aber als auch nach weiteren Tagen des eintönigen Schwimmens immer noch kein wirkliches
Eis in Sicht kam, begannen sich die Erwachsenen ernsthaft Sorgen zu machen. Der große
Narwal habe im Zorn das Eis fort gespült, meinten die Ältesten. Andere behaupteten, dass der
Mensch daran Schuld sei. Ich fragte mich, wie ein so kleines Geschöpf eine so gewaltige
Menge Eis wegbringen konnte, und wohin, vergaß das Problem aber schnell wieder.
Endlich erreichten wir die ersten Eisberge. Sie erschienen uns Kindern riesengroß, aber
unsere Eltern behaupteten, das sie um ein vielfaches kleiner seien als die Berge, die sie früher
kannten.
Wir Kinder waren trotzdem glücklich. Und dann kam der Eisrand der Welt, mächtig und
groß. Die Alten sagen, dahinter gäbe es das north water15. Doch wir bogen nach Westen ab, an
der Bylot-Insel16 vorbei, mit ihren Vögeln, die den Himmel verdunkelten und durch den
eisfreien Lancaster Sound17 bis zu unserem Sommerfjord.
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eigentlich als Giftmüll entsorgt werden.
Für diese Südbaffin Bay Gruppe führt der Weg an der Küste Baffin Islands hinauf in den Lancaster Sound und dann südlich
in den Admiralty Inlet (Movement of narwhals; Polar Biology Vol 31 ).
längster Fjord der Welt, 32 km breit an der Mündung zum Lancaster Sound, 270 km lang, Nordwestküste Baffin Island
(Region Nunavut).
Menschen der Prä-Dorset-Kultur lebten bereits vor 4.000 Jahren in der Region des Admiralty Inlet.
5.4.2011 Eisausdehnung in der Arktis ist die zweit kleinste seit Messung (Arctic Sea Ice News)
Klimaänderung in der Arktis: seit 1960: 3 - 4o höhere Temperaturen in Westkanda; Schneebedeckung reduzierte sich um 10%,
es gab ca. 8% mehr Niederschlag (vor allem als Regen), der Permafrostboden erwärmte sich um 2o, das Meereis reduzierte sich im
Durchschnitt um 8% (ca.1 Million km2), das Sommereis im Schnitt um –15 bis 20% seit 1980; Die Meereisdicke reduzierte sich um 10
bis15%, teilweise sogar bis 40% (Arktis Klima Report).
Polynja: besondere eisfreie Wasserflächen im geschlossenen Eis. Northwater liegt am Eingang des Smithsounds nördliche
Baffin Bay, ca.50.000 km2 große, max. 30cm dichtes Eis im Hochwinter, ab Januar meist eisfrei, durch aufsteigendes wärmeres
Meerwasser. Besonders wichtig für das arktische maritime Leben. (Meereseisfernerkundung)
Bylot Insel: Teil des Sirmilik-Nationalparks, mit über 500 Gletschern und mehr als 500.000 Vögeln, davon alleine 100.000
Schneegänse.
Lancaster Sound ist normalerweise 9 Monate im Jahr vereist. Bildet den östlishen Teil der Nordwestpassage. 50 km breit, der
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An einem Tag dieses endlos erscheinenden Sommers begegnete ich etwas, das ich nie zu
sehen glaubte. Eine alte Geschichte erzählte vom sanften Herrscher des Meeres, einem
riesigen weißen Blauwal, größer als jeder andere Wal der Welt. Und nun sah ich ihn selbst. Er
lag ruhig vor mir im Lancaster Sound. Aufgeregt rief ich meine Herde, doch niemand wollte
mir glauben. Erst als sie ihn sahen, staunten sie. Nicht weil es ein Wal war, sondern ein
riesiges Menschenschiff, glänzend und weiß und hoch wie ein Eisberg. Eine Zeit lang
beobachteten wir es aus gebührendem Abstand, als plötzlich betäubender Lärm durchs Wasser
drang und dieser Menschenwal schnell in der Ferne verschwand.18
Wir blieben am eisigen Kopf der Welt, zwischen den schwimmenden Bergen, den schützenden Fjorden und
erlebten einen Sommer voller Abenteuer, Spielen und Freundschaften. Es sollte unser einziger und letzter
unbeschwerter Sommer sein.
Inzwischen war ein Jahr vergangen und ich befand mich mit meiner Herde wieder auf dem
Weg zum Admiralty Inlet. Wir waren alle ein ganzes Stück gewachsen und Bala prahlte mit
seinem Stückchen Stoßzahn.19 Es sah eher nach einem Zahnstocher, denn einem wirklichen
Stoßzahn aus, aber in unserem damaligen Alter war dieses Stummelchen schon etwas
besonderes.
Wir freuten uns auf die Wanderung, versprach sie doch Abwechslung von dem langweilig
gewordenen Leben immer am gleichen Winterort, nur unterbrochen von der Jagd nach Fisch.20
Bald wieder vertraut mit der sich ständig ändernden Welt um uns herum liebten wir unser
Leben. Alles hätte wie im letzten Sommer sein können. Wenn nicht..., ja wenn nicht.
Wir Jungen hatten uns von der Hauptherde weiter entfernt als üblich, als plötzlich ein neues
Geräusch durchs Meer drang.21 Im Süden der Baffin Bay war es viel lauter als oben im
Norden, aber selbst hier fiel uns dieser neue Ton auf. Alia war neugierig und wollte näher an
die Quelle des Geräusches. Unbekümmert folgten wir ihr.
Vor uns tauchten Menschenschiffe auf, viel kleinere als das riesige Weiße vom letzten Jahr.
Sie schwammen aufgeregt wie junge Wale um ein Muttertier. Ein großes schwarzes Ding, mit
einem langen Rüssel, der in die Tiefe des Meeres reichte. Das Muttertier schien den Boden
aufzufressen. Alia folgte dem Rüssel. Wir hinterher. Plötzlich schäumte das Meer. Wir
wirbelten wie wild durcheinander und schossen unkontrolliert nach oben. Überall waren
stinkende Bläschen, die einem das Denken nahmen. Doch dann beruhigte sich unsere Welt
wieder. Es war plötzlich erstaunlich still. Meine Lungen brannten und die anderen schienen
wie ich im adlingayuk22 zu schweben. Das war unsere Antwort auf höchste Gefahr. Wir stellen
uns einfach tot und lassen uns still und unbewegt hinabsinken in die Tiefe. Den Schwertwal23
verwirrt es fast immer. Nach 400 Metern lagen wir auf dem Grund der See. Nichts weiter
geschah. Wir hatten Glück gehabt. Der unheimliche Rüssel in der Nähe blieb ruhig. Wir
wollten nur noch weg von diesem seltsamen gefährlichen Ort. Nur Alia blieb regungslos
Admiralty Inlet liegt in dessen Süden. Die Nordwestpassage ist ein ca. 5.780 Kilometer langer Seeweg. 7.250 km kürzer als der Weg
Europa - Suezkanal – Asien.
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August 2009: das Kreuzfahrtschiff MS Bremen (111m lang, 17m breit, 4,5m Tiefgang) und die MS Hanesatic (122m, 18m,
4,9m) durchqueren die Nordwestpassage. Große Schiffe erzeugen bis zu 190 dB zumeist unter 300 Herz. Schiffe auf den Meeren werden
größer und zahlreicher. 1930 waren 30.000 Schiffe, 1999 82.000 Schiffe weltweit unterwegs, vor allem auf der Nordhalbkugel
(Schiffssymposium 2)
19
Mögliche Funktionen des Stoßzahnes: eine Art hydrodynamischer Sensor mit Millionen Nervenzellen, Waffe,
Stellungsmerkmal in der Herde, Werkzeug zum Eisdurchstossen (www.scinexx.de).
Narwale jagen vorwiegend am Winterstandort. Vor allem Dorsch, Lodde, Heilbutt.
Der durch menschliche Aktivitäten verursachte Lärm im Meer hat massiv zugenommen. Der Pegel ist so hoch, das sich z.B.
der Kommunikationsbereich der Grauwale, von 1.500 km auf wenige hundert reduziert hat (Ein Ozean voll Lärm ).
adlingayuk (Inuktitut-Ausdruck): Verhalten der Narwale bei Bedrohung (Narwal).
Feinde: Schwertwal, Walross, Orkas. Noch unbekannt ob auch der Grönlandhai dazugehört.
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liegen. Ihr Atemloch war rot und ihre Augen sahen die ewigen Sterne.
Wie wir es an diesem Tag zurück schafften, ist mir bis heute ein Rätsel. Vollkommen still
trafen wir bei unserer Herde ein, die uns schon angsterfüllt erwartet hatte. Ich sah gerade wie
Alias Mutter auf uns zu schwamm, als dieses Geräusch wieder durch unsere Welt drang. Ein
Geräusch, das uns von nun an an vielen Orten begegnen würde. 24
Die nächsten Jahre waren durchzogen von Trauer und den Schreckensnachrichten anderer
Herden. Immer mehr Wale starben, aus unterschiedlichsten Gründen. Viele starben durch
sassat25, viel mehr als früher, andere aus demselben Grund wie Alia. Sie waren zu neugierig
oder unvorsichtig und kamen den Menschen zu nahe. Viele verendeten qualvoll in den
riesigen Schleppnetzen26, die die Menschen auswarfen, um uns den letzten Fisch zu stehlen.
Die Jagd war immer schwieriger geworden, es gab kaum noch Krill und von diesem ernährte
sich unser Futter, der Polardorsch und die anderen Fische, so das auch wir davon betroffen
waren. 27
Doch es gab auch positive Nachrichten neben den alltäglichen Schrecken. Kira, inzwischen
meine Erstgefährtin28, hatte gerade unser drittes Junge gesund auf die Welt gebracht. Auch
Reino und Bala hatten eigene Familien und Herden gegründet. Und noch immer trafen wir
uns alljährlich zu den großen Wanderungen in die Arktis. Aber auch hier sah man schon den
Schwund meiner Art. Die Herden waren viel kleiner. Trafen wir uns früher zu Tausenden, so
waren es jetzt nur noch einige Hundert, die sich gemeinsam auf den Weg nach Norden
machten.
Es kam immer häufiger zu Kämpfen, waren doch alle Tiere äußerst angespannt wegen der
immer knapper werdenden Nahrung.29 Und so kam es schon mehrmals zu Zusammenstößen
mit anderen Walarten. Mit den Weißwalen, die zum Teil im selben Gebiet wie wir jagten, war
es besonders schwer. Früher hatten unsere beiden Arten ein entspanntes Verhältnis, so gingen
wir Narwale einfach auf Tauchkurs, wenn wir am selben Ort einen Futterplatz gefunden
hatten und jagten in Tiefen, die der Weißwal nicht erreichen konnte. Doch nun kam es immer
wieder zu Konflikten und Kämpfen mit unseren Verwandten. Meist gingen diese noch ganz
glimpflich aus, aber häufig blieb einem Weißwal ein Stück eines Narwalstoßzahns als
Erinnerung und auch andersherum gab es Verletzungen.
Wirkliche Probleme aber gab es mit den Schwertwalen30. Sie litten genauso wie wir an
Hunger. Aus diesem Grund machten sie immer häufiger Jagd auch auf uns Narwale. Doch
damit konnten wir umgehen. Es war das, was schon immer war. Wir fingen den Dorsch
und der Schwertwal uns und wenn wir clever waren, bekam er uns nicht. Doch der andere
Jäger war viel schlimmer. Bisher kannte ich die Geschichten, wie sie einzeln in kleinen
Booten kamen, da hatten wir eine Chance. Ich kannte auch die Geschichten, wie sie vor
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Mehr als 550 Öl- und Gasfelder wurden jenseits des Polarkreises bisher entdeckt. Ca. 10,5% der globalen Öl- und ca 25,5%
der Gasproduktion liegen im Norden. (Seidler; Arktisches Monopoly). Vor der Westküste Grönlands, in der Baffin Bay wurden auf ca.
160.000 km2 Lizenzen zur Öl- und Gassuche vergeben. (www.nunaoil.gl) Cairn Energy entdeckte im August 2010 im Bereich Block
Sigguk in der Baffin Bay ca. 180 km westlich der Diskobucht Gas. Greenpeace verhinderte 2010 weitere riskante Bohrungen mit ihrem
Schiff Esperanza. Cairn unterbrach die Arbeiten, wird aber 2011 weiter bohren (Greenpeace stoppt riskante Ölbohrung vor Grönland).
sassat (Inuktitut); durch Eis eingeschlossene Wale, die versuchen Eislöcher offen zu halten und meist dort sterben, durch Erschöpfung
oder Jäger.
Durch Beifang sterben weltweit etwa 300.000 Wale, Delfine und Tümmler in Netzen (Was ist Beifang?)
Mehr Sonnenenergie im eisfreien Wasser führt zu steigendem Plaktonwachstum, was sich für einige Tierarten positiv
auswirken wird bzw. ein Einwandern südlicherer Arten ermöglicht. Tierarten, die am bzw. unterm Eis leben, wie der Krill, werden
jedoch geschädigt. Sie fresssen Algen und sind ein wichtiger Baustein in der arktischen Nahrungskette. Damit verschiebt sich das
gesamte Ökosystem (Schmilzt das Eis am Nordpol) .
Narwale leben in Herden zusammen, ein männliches und mehrere weibliche Tiere.
Bei nicht nachhaltigem Fischfang werden die Populationen so geschwächt, dass sie sich nicht mehr erholen. 52% der
Meerfischbestände sind im Jahre 2007 an der Grenze und 25% sind in bedenklichem Zustand. (Überfischung)
Orcinus orca, Fressfeind des narwals, weltweit verbreitet
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Generationen mit großen Segelbooten jagten, aber auch da hatten wir noch eine Chance.
Aber die Geschichten über die dunklen großen Maschinen, die töten, bevor du sie siehst,
die wollte ich nie glauben.31
Die Jahre vergingen. Die Herden wurden kleiner. Immer weniger Jungtiere wurden geboren
und wenn doch, waren sie oft viel schwächer und überlebten meist die ersten Monate nicht.32
Wir trafen nur noch selten andere Walfamilien. Doch hin und wieder hörten wir neue
Geschichten. Böse Geschichten und sie brachten neuen Schmerz. Fast immer waren
Menschen darin verwickelt. In meiner Welt gab es schon lange keinen Ort mehr, an dem sie
oder ihre Schiffe keine Spuren hinterlassen hatten. Vom ohrenbetäubenden Lärm, den alle in
unserem großen Nordmeer hörten, ganz zu schweigen.
Aber dazu kam, das das Eis, unser Freund, zu unserem Feind wurde. Es gab Sommer, in
denen das Eis auf dem Meer ganz verschwand.33 Dafür spuckten die weißen Riesen von
Grönland ihre Eiskinder immer schneller in die Baffin Bay.34 Sie waren größer und
gefährlicher, denn sie tanzten und torkelten unberechenbar in dem immer wärmeren Wasser.
Immer wieder fielen sie um und ganze Herden wurden unter ihnen begraben. Früher konnte
man einen instabilen Eisberg an seinem Klang erkennen, denn sie singen, doch seit das Meer
voll Menschenlärm ist, hört man nichts mehr als die lauten Herzen der Schiffe, immer wieder
unterbochen von eigenartigen Klängen, die bis zum Kern der Erde reichen.35
Aber am schlimmsten war, wir konnten unseren Erfahrungen nicht mehr trauen. Viele Fjorde
und Buchten waren eisfrei und boten vermeintlich Schutz, sodass wir immer tiefer ins Land
und näher an die Küste zogen. Doch so oft kam das Eis zur falschen Zeit wieder oder die
Eisriesen versperrten den Weg.
Reino und seine Familie hat es nicht geschafft. Sie hatten eine neue Route gesucht, um den
immer größeren Gefahren unserer alten Wanderstrecken auszuweichen. Sie waren länger als
üblich im Norden geblieben, denn das Eis kam erst spät. Es war schon November als sie
durch den Pond Inlet schwammen. Durch den warmen Sommer trieben dort viele Eisberge. Es
war gefährlich. Und plötzlich war der Weg versperrt. Driftendes Eis hatte sie eingeschlossen.
20 Atemlöcher, jedes kleiner als ein Junges, für Hunderte von Narwale. Die Kleinsten wurden
von den Größeren in ihrer Panik auf das Eis gedrückt. Der Kampf dauerte tagelang. Von
denen, die die Herde verließen, um einen Weg zum offenen Wasser zu finden, überlebten nur
wenige. Die anderen wurden von den Menschen gefunden. Es dauerte nicht lange und das Eis
färbte sich rot.36
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Walfangmoratorium seit 1985. Es wurden zwischen 1985-2010 weltweit 33.562 Wale offiziell getötet. Beifang, Piraterie und
durch Jagdverletzung verendeter Wale unbekannt. (NAMMCO /zu-hohe-fangquoten-fur-narwale)
Umweltbelastung ist für Meeressäuger besonders fatal, da die mit Giftstoffen angereicherten Beutetiere die Erwachsenen
belasten und durch die Muttermilch an die Jungtiere weitergegeben werden. Vor allem Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und
Cadmium. In kanadischen Gewässern ist die Cadmiumbelastung extrem hoch, um Grönland die Bleiwerte. Vergleiche mit der Belastung
anderer Wale haben ergeben, dass Narwale organische Giftstoffe offenbar langsamer abbauen als andere Zahnwale (Narwal).
2010 Rückgang des Sommermeereises um 15-20%, bis spätestens 2100 wird ein 100% Verlust des Sommermeeeises erwartet
(Weltklimareport)
5.8.2010 bricht ein riesiges Stück vom Petermann Gletscher Westgrönland in die Nares Straße ab. 200m dick und viermal so
groß wie Manhatten (260 km2) ¼ des Gletschers. Größter Gletscherabbruch in der Arktis seit 1962. Wenn er nicht stecken bleibt, wird er
die Baffin Bay Richtung Süden durchqueren („riesiger Eisberg in der Arktis abgebrochen“). 2003 hat sich der Helheim Gletscher
(Westgrönland/Baffin Bay) um 7 km zurückgezogen und seine Fließgeschwindigkeit verdoppelt, das Wasser im Fjord war 4 Grad warm
(„Gletscher schmelzen von unten“).
Seismische Untersuchungen z.B. zur Erölsuche: Sogenannte „Airguns" erzeugen Schallwellen. Mit ihnen werden 60 und
mehr zeitlich aufeinander abgestimmte Explosionen mit bis zu 260dB erzeugt. Vergleich: Düsenjet 1m Entfernung 140dB.
(www.sonarsucks.com; Unterwasserlärm: Wale im Dauerstress, Ein Ozean voll Lärm)
November 2008, 500 Narwale werden mit Genehmigung der Kanadischen Regierung durch Inuit-Jäger getötet, da sie sonst
qualvoll gestorben wären. Sie waren am Pond Inlet / Baffin Island vom freien Wasser abgeschnitten worden. Der 50 km entfernte
Eisrand war nicht mehr erreichbar, Rettungsvesuche wurden nicht eingeleitet. 1988 gelang es zwei russischen und amerikanischen
Eisbrecher zwei Grauwale zu befreien. 2008 lebten ca. 21.000 Narwale im kanadischen Eismeer. Pro Stoßzahn werden zwischen 8.500 –
5.000 € gezahlt (der-stille-tod-im-eismeer)
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Lange Zeit hatte ich mich nicht weiter mit den Menschen beschäftigt. Zu schwierig war
das alltägliche Überleben, zu schwer die Last der verlorenen Freunde.
Wir waren immer vorsichtiger geworden, was die Nahrungssuche und die Wanderung nach
Norden anbetraf. Kira und ich hielten uns am Rand der großen Gruppe, gemeinsam mit
Bala und seiner Familie. Umgingen den Menschen, tauchten unter, wenn wir ein Schiff
sahen und blieben so lange es ging unter Wasser. Doch es gab auch Freude. Wenn wir
sahen wie unsere Jungen groß wurden. Balas Enkelin, die kleine Runa, war eine der
kleinsten und sympathischsten Narwale die ich kannte.
Und dann kam ein schwarzer Tag. Wir hörten das Schiff, doch es war zu spät. 37 Runa tauchte
auf um Luft zu holen. Ihren schmerzerfüllten und panischen Schrei kann ich bis heute nicht
vergessen. Sie warf sich herum und versuchte verzweifelt zu tauchen, doch etwas hielt sie
oben. Etwas hatte sich in ihre Fluke gebort, sie wurde unerbittlich immer näher an das
Menschenschiff gezogen. In der Zwischenzeit schnellte Bala zu dem Schiff empor. Bevor wir
uns versahen, griff er es an. Sein Zorn und seine Wut waren groß genug, aber sein Stoßzahn
und sein Körper zu schwach gegen diesen Feind. Schwerverletzt trieb er zwischen Schiff und
Runa. Da tauchte ein zweites viel kleineres Boot auf. Schnell und wendig fuhr es ebenfalls
zwischen die Wale und das große Schiff. Dann geschah etwas erstaunliches: während auf der
einen Seite die beiden Besatzungen sich gegenseitig anschrien, versuchten Menschen vom
kleinen Schiff Runa zu helfen. Und es gelang ihnen. Nur Bala konnten sie nicht mehr helfen.
Er blickte uns zum Abschied an und ließ sich in die Tiefen des Meeres sinken. Das kleine
Boot begann das Schiff zu umkreisen, als ob es es uns Zeit verschaffen wollte.38 Mit der leicht
verletzten Runa veschwanden wir so schnell es ging.
Ich sah noch ein weiteres Schiff. Es war grün und hatte 2 Masten und war so lang wie 10
große Narwale. An seiner Seite ein Regenbogen39. Dann fiel es mir wieder ein. Einst hatten
die Alten eine Geschichte erzählt, die war so wundersam, dass niemand sie glauben konnte.
War sie wahr? War sie Hoffnung? Oder war sie nur ein Traum? Sollten die
Regenbogenkrieger Wirklichkeit sein?40
Der Tag an dem ich Kira verlor, war der schwärzeste meines Lebens. Buchstäblich. Es war
ein kühler, stürmischer Herbsttag. Wir waren auf dem Weg zurück in den Süden und
schwammen aus einer kleinen Bucht hinaus aufs offene Meer. Doch das Meer war
verschwunden. Vor uns lag ein riesiger schwarzer Teppich, zäh, stinkend und klebrig. Das
kannten wir. Wir nannten ihn den „Schwarzen Abschied“. Er war uns schon öfter begegnet. In
kleinen Klumpen und Flecken, manchmal deckte er eine tote Robbe oder einen Vogel zu. Wir
warnten die Jungtiere davor, da es das Atemloch verklebte und man daran elendiglich starb.
Doch das, das hatten wir noch nie gesehen. Das Meer selbst war zum „Schwarzen Abschied“
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Narwalfang ist nur in Grönland und Kanada erlaubt: Kanada tötete zwischen 1996-2004 jährlich 373, Grönland bis 2006: 300
Tiere ab 2007 jährlich 385. Experten schätzen auf 100 getötete Tiere 20 – 50 Tiere die tödlich verletzt, aber nicht geborgen werden
konnten. (NAMMCO /zu-hohe-fangquoten-fur-narwale) „Am Nachmittag beginnt die Jagd und sie dauert die ganze dämmrige Nacht
lang. In zwölf Stunden werden 109 Schüsse abgefeuert. Trotzdem liegen am Morgen nur neun tote Wale auf dem Eis. Es müssen doch
mehr getroffen worden sein, denke ich. Ich frage die Jäger. "Ich habe zwei getroffen, aber nicht tödlich", sagt der eine. "Ich habe sieben
versenkt, aber keinen an Land ziehen können", sagt ein anderer. („Die Jagd auf den Narwal Paul Nicklen 2007)
Dezember 2005 Greenpeace Aktivsten verhindern durch Schlauchbooteinsatz in der Antarktis Walfang durch japanische
Walfangschiffe. Die meisten Wale konnten flüchten. 8 wurden an diesem Tag getötet. Die Flotte verlies das Gebiet (Greenpeace rettet
Wale vor den Harpunen)
Rainbow Warrior III. neuestes Greenpeace Schiff, Stapellauf 2011, 57,92m lang mit 2 Masten, (Rainbow_Warrior)
Wenn die Erde verwüstet ist und die Tiere sterben wird ein neuer Menschenstamm auf die Erde kommen. Er wird durch seine
Taten die Erde wieder heilen. Die Krieger des Regenbogens. Legende aus dem Buch „Warriors of the Rainbow“ von W. Willoya, V.
Brown 1962; (Rainbow_Warrior)
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geworden. Selbst die weit entfernten Eisberge waren nicht länger mehr weiß, sondern schwarz
wie die tiefste Stelle des Meeres. Mittendrin eines der riesigen Ungeheuer, die die Menschen
in den letzten Jahren immer öfter aufstellten. Es hing schief in seiner Verankerung, die bis auf
den Boden reichte. Aus einer zerfetzten Röhre drang immer mehr der schwarzen Flüssigkeit
heraus. Kleine Gestalten versuchten verzweifelt aus dem klebrig Meer zu entkommen. Es
waren Vögel und Robben. Weit entfernt sahen wir sogar einen Eisbär den Kampf verlieren. Es
waren so viele. Nirgends schien sich ein Fluchtweg für uns zu öffnen. Wir konnten nicht ewig
in der Bucht bleiben und eine so große Strecke unter Wasser schwimmen konnten wir auch
nicht. Kira sah mich an und blickte zu unserem jüngsten Kind, das noch kein Jahr alt war. Es
konnte unmöglich diesen Weg schaffen. Der „Schwarze Abschied“ trieb in die Bucht und wir
mussten uns nun entscheiden. Wir tauchten. Immer wieder blickten wir hinauf, doch konnten
wir über unseren Köpfen kein Licht erkennen keine Lücke. Wir sahen uns an, die Zeit wurde
knapp. Ich schwamm hinauf und versuchte mit meinem Stoßzahn ein Loch in den Teppich zu
stechen, wie der große Narwal meiner Kindheit die Sterne und die Sonne erschuf. Aber es
gelang nicht. Das immer bewegte Meer selbst verhinderte es. Wann immer ich ein kleines
Loch geschaffen hatte, trieben die schwarzen Schlieren wieder heran und verschlossen es.
Unser Kleines war schon ganz schwach und hatte nur noch wenig Zeit unter Wasser bis es
wieder Luft brauchte. Kira sah die Niederlage in meinen Augen und fasste einen Beschluss.
Ehe ich sie zurückhalten konnte, glitt sie immer schneller und schneller hinauf, immer näher
an die Oberfläche. Ich konnte es nicht fassen. Sollte sie wirklich mit ihrem ganzen Körper die
Schicht durchstoßen, wäre ein genügend große Fläche offen. Und Kira würde sterben. Der
„Schwarze Abschied“ würde ihr Blasloch verkleben, ihr die Möglichkeit zum Atmen nehmen.
Sie sprang hoch, so hoch wie ich noch nie einen Wal hatte springen sehen und klatschte an der
selben Stelle wieder ins Wasser. Ihr ganzer Körper war schwarz und mit einer öligen Schicht
überzogen. Aber es war eine freie Fläche entstanden und ich schwamm unter das Kind, das
inzwischen zu schwach war, um sich zu bewegen und brachte es an die Oberfläche. Ein Stein
fiel mir vom Herzen, als ich den schwachen, stockenden Atemzug hörte. Aber ein ganzes
Gebirge ließ sich augenblicklich auf meinem Herz nieder, als ich Kira ansah. Meine Kira, die
so viel mit mir durchgestanden hatte, so oft mein einziger Halt war. Mit ihr war ich
aufgewachsen, mit ihr hatte ich die schönsten und schrecklichsten Augenblicke meines
Lebens erlebt, meine innersten Gedanken mit ihr geteilt. Was sollte ich nur ohne sie tun?
Wir haben es geschafft, das Kleine und ich. Wir kamen in freies Wasser. Hinter uns lag ein
Ort, unvorstellbar und tödlich.41
Nun bin ich allein. Ich habe alles verloren, verloren an die düsteren Machenschaften der
Menschen. Ob sie sich darüber im klaren sind, was sie getan haben? Wie viele sie getötet
haben? Von uns Narwalen sind nur noch wenige am Leben. Von den Tausenden und
Abertausenden von Tieren die einst gemeinsam nach Norden gezogen sind, blieben nur noch
wenige Dutzend.
Von den riesigen Schwärmen der vielen Fischarten sind kaum genug geblieben, um uns zu
ernähren. Ich ziehe allein durch das Meer, das so leer und tot erscheint, dass ich mich ab und
41
Ähnliches ereignete sich 1989 bei der Havarie des Tankers Exxon Valdez im Prinz William Sound Alaska trat 37.000t Rohöl
aus, 2.000km Küste wurden verseucht. Hunderttausende Tiere starben. Bis heute ist das Öl nicht abgebaut; 2010 sinkt die Ölbohrinsel
Deepwater Horizon im Golf von Mexico, dabei fließen 500.000 - 1 Million t Rohöl ins Meer(Ölunfälle). Ölunfälle sind in der Arktis
besonders gefährlich, da sich deren Ökosysteme nur langsam erholen. Beseitigung von Ölschäden in abgelegenen und kalten Regionen
sehr schwierig (Öl aus der Arktis - Politik zensiert Forscher-Warnungen). Risikomanagement für arktische Ölbohrung kaum vorhanden.
Eisberge, Packeis, Stürme, extreme Temperaturen und Entfernungen könnten Katastrophen hervorrufen und erschweren. (Ölpapier)
10
an frage, ob ich nicht auch schon tot bin.
Ich sehe die Veränderungen, die hier geschehen sind mit den müden Augen eines Wals, der
schon zu viel gesehen hat, als das er noch mehr Qualen ertragen kann. Sie alle sind gegangen,
an einen Ort der nur besser sein kann als das hier. Ich sehe einst majestätische Eisberge zu
kleinen Schollen schmelzen, einst strahlend weiß wie die Gischtkronen bei stürmischer See,
nun aber schmutzig grau vom „Schwarzen Abschied“ gefärbt. Das Wasser ist wärmer
geworden und süßer,42 der riesige Strom der einst wie ein unterseeischer Wasserfall in die
Tiefen des Meeres stürzte fast versiegt43. Es ist nicht mehr möglich nahe an der Oberfläche zu
schwimmen, zumindest nicht für lange Zeit. Die Sonne ist stärker geworden, heißer,
stechender. Man verbrennt sich regelrecht die Haut.44 Niemand hat mehr Augen für den
Anderen, nur noch das eigene Überleben zählt. Die Unglücke mit dem sich ausbreitendem
„Schwarzen Abschied werden häufiger. Niemand ist mehr sicher.
Unseren Vetter den gigantischen Blauwal gibt es nicht mehr, ausgestorben, heißt es. Seit
Jahren habe ich keine Eisbärjungen auf den Eisschollen herumtollen sehen, das Walross weg,
genauso wie der Grönlandwal und die Mützenrobbe. Und soviel der anderen. Auch dieses
Schicksal wird nicht mehr lange auf meine Art warten.45 Die Menschen werden unruhig, ich
merke es. Sie beginnen die Zerstörung zu sehen, gestehen sich ihre Fehler ein. Doch zu spät,
man kann nichts mehr ändern. Wir sind am Punkt ohne Rückkehr angelangt.46
Inzwischen bin ich froh dass Kira diese Welt nicht mehr zu sehen braucht, nicht mehr diese
Hilflosigkeit miterleben muss.
Die Menschen wurden nervös. Man merkte es selbst unter Wasser. Immer mehr Schiffe
kreuzen auf der Meeresoberfläche, mit großen Flaggen auf den Seiten. Es waren nicht die
weißen Riesen der Vergangenheit, die in den Sommermonaten nordwestlich fuhren. Es waren
auch nicht die riesigen schwarzen mit den bunten Kisten, die sie regelmäßig im Sturm
verloren und deren Inhalt überall an der Küste trieb und oft so gefährlich für die Jungtiere
waren. Es waren auch nicht die Eigenartigen, die mit ihren Rüsseln den Boden fraßen oder die
Großen, die den „Schwarzen Abschied“ im Bauch haben. Es waren auch nicht die kleinen
Boote. Die sah man so oder so kaum noch mit den Menschen, die sich Inuit nennen und schon
immer da gewesen waren. Auch die Regenbogenkrieger habe ich nie wieder gesehen. Nein
was jetzt da war, war böse. Es strahlte eine kalte Gefahr aus. Diese Boote schienen zu fünf
verschiedenen Familien zu gehören und sie schienen sich nicht zu mögen.
Es war an einem der Tage am Ende des Frühlings, an dem die ersten wirklich warmen
Strahlen der Sommer meinen Rücken berührten. Ich entdeckte gerade zwei der großen neuen
Schiffe und wollte untertauchen, als das Meer explodierte. Eines der Schiffe versank und ich
sah zum ersten Mal, wie klein Menschen im Wasser werden.
In den nächsten Tagen und Wochen sah ich immer wieder ein solches Schauspiel, immer
mit unterschiedlichen Abläufen und Ausgängen. Auch unterschiedliche Schiffstypen
konnte ich ausmachen. Solche, die nur Feuer auf die anderen Schiffe schossen, oder mit
diesen seltsamen explodierenden Fischen Löcher hinein fraßen. Dann gab es welche mit
42
43
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45
46
Süßwassergehalt des oberen arktischen Ozeans hat seit den 1990er Jahren um etwa 20 % zugenommen. (Große Inventur des
Arktischen Ozeans)
Ob sich der Golfstrom bereits abschwächt ist unklar, vor 8000 Jahren ist er zum letzten Mal stehen geblieben
2011 hat sich der Abbau des Ozons über der Arktis verstärkt. Aktuell ist es der schwerwiegendste Abbau seit Beginn der
Aufzeichnung. (Ozonschwund über der Arktis )
Derzeitige Aussterberate von 3 bis 130 Arten pro Tag liegt um den Faktor 100 bis 1000 über dem natürlichen Wert.
(www.nabu.de) Die Häufigkeiten von Arten hat weltweit seit 1970 um 40 Prozent abgenommen, (www.wwf.de)
2°C durchschnittliche globale Erwärmung führt zu kaum beherrschbaren Problemen.
11
fliegenden Vögeln die explodierende Eier abwarfen. So viel war sicher, Menschen
schienen Explosionen zu mögen. Ich begegnete auch einem seltsamen Eisernen Wal, der
lautlos an mir vorbeiglitt. In ihm hörte ich aufgeregte Stimmen von Menschen. Auch diese
neueste Konstruktion der Menschen schoss mit explodierenden Dingen um sich.
Ich versuchte mich so gut es ging aus den Kämpfen herauszuhalten. Ich verstand nicht, ob
sich die Menschen um Futter oder um Weibchen stritten. Man konnte so oder so kaum noch
denken. Der neue Lärm war so laut, dass man verrückt werden konnte. In den letzten Jahren
war es auch so schon immer lauter geworden unter Wasser, doch gegen diesen neuen Lärm
waren die alten Geräusche so leise wie der Laut der entsteht, wenn ein Tropfen
geschmolzenes Eis ins Wasser fällt.47
Mich trieb es wie jeden Sommer hinauf in den Admiralty Inlet, wo ich die schönsten Zeiten
meines Lebens verbracht hatte. Auch hier war vieles anders geworden. Nach Nanisivik48
fuhren viele Schiffe und der Ort Arctic Bay war größer geworden.
Doch zwei Sachen veränderten hier alles. Die stählernen Wale49 hatten den Frieden
verscheucht und ich war der einzige Narwal in unserem Sommerfjord. Die Traurigkeit
sickerte durchs Wasser und verklebte meine Seele. Nichts schien mich mehr zu berühren, bis
zu dem Moment, als ich das Gefühl von Dringlichkeit und Not fühlte. Ganz in meiner Nähe
schwebte ein Junges in Gefahr. Ich tauchte vorsichtig auf. Doch nicht ein junger Narwal hatte
meine Aufmerksamkeit erregt, nein, ein kleines Menschenkind in einem der uralten Inuit
Boote. Ganz allein trieb es weit weg vom Ufer. Nirgends waren seine Elternmenschen zu
sehen oder sonst eines der Boote. Vorsichtig schwamm ich näher, als ich den stählernen Wal
kommen hörte, er schien nahe an der Oberfläche, nahe dem kleinen Boot, nahe dem Kind.
Und wider aller Erfahrung blieb ich. Unter mir begann das Meer zu toben und ein beissender
Schmerz trieb durch meien Körper. Der stählerne Wal hatte mich beim Auftauchen verletzt, er
war so riesig, dass er weder meine Gegenwart noch das Kind im Boot bemerkte. Er ragte
eisberghoch in glänzendem schwarz über mich, bevor er erneut in Meer verschwand. Das
Kind lebte noch, obwohl das Boot voller Wasser war. Es sah mich mit großen Augen an, als
ich das Boot vorsichtig zu schieben begann. Hinter mir färbte sich das Wasser rot. Ich
brauchte lange bis zu der kleinen Inuit Siedlung. Ein alter Mann stand reglos am Ufer und
beobachtete uns schweigend. Als das Boot das Ufer berührte sah ich die Tränen. Wir sahen
uns einen Moment an. Der alte Mann neigte seinen Kopf. Da erkannte ich das Zeichen, das
auf seiner Kleidung war. Ein Regenbogen auf grünem Grund. Ich dachte an Runa und die
Regenbogen Krieger. Vielleicht gab es sie ja doch und vielleicht gab es ja auch noch
Hoffnung. Langsam drehte ich mich um und ich hörte Kiras Stimme und die Rufe von Bala,
Reino und Alia. Sie riefen mich und ich ließ mich sinken. Tiefer, und immer tiefer, in meinen
geliebten Sommerfjord.
Ich bin der letzte meiner Art50. Ich habe Tausende meiner Freunde, Familie und Artgenossen
47
Militärische Sonare (LFAS Low Frequency Active Sonar) breiten sich bei 100-500 Herz mit einer Lautsärke von bis zu 240
dB über 800.000km2 aus (Das entspricht dem Lärm 7 Meter neben einer startenden Saturn-V-Mondrakete). Kommunikation zwischen
U-Booten: Töne im Bereich von 5-11 Khz bei 180-200 dB. Militärische Explosionen bei 0,45 – 7.07 Kz bis 267dB.
(www.sonarsucks.com; Unterwasserlärm: Wale im Dauerstress, Ein Ozean voll Lärm)
48
Nanisivik, ein aufgegebener Minenort am Admiralty Sound, wird zum Tiefseehafen und Marinestützpunkt umgebaut. 2015
soll der Umbau beendet werden. (Nanisivik)
2010 6.8.-20.8 „Operation Nanook“ ist eine von drei jährlich von den kanadischen Streitkräften in der Arktis durchgeführten
Übungen. Sie dient auch zur Bekräftigung der Souveränitätsansprüche in der Region. „Operation Nanook 2010“ ist als multinationale
Übung ausgerichtet (Zerstörer, Küstenwachschiffe, Fischereischutzschiffe, Fregatte, Flugzeuge der Luftwaffe) Operationsgebiete reichen
von Pond Inlet in der Baffin Bay nach Norden bis zum Grise Fjord sowie in den Lancaster Sound hinein bis zur Resolute Bay.
(www.globaldefence.net)
49
50 1984 gab es 15.000 Narwale im Admiralty Inlet. 2004 waren es noch
5.400; (NMMPRC, 2010) Die von Wissenschaftler ermittelte
Fangquote, die die Admiralty Inlet Population verkraften könnte, beträgt 28 Tiere. Dies wird um das fast 5-fache überschritten. Offizielle
Fangquote der Narwale im Admiralty Inlet sind 130 Tiere. Gefangen und getötet wurden 2005: 131; 2006: 130; 2007: 127; 2008: 132;
12
sterben sehen. Und alle starben wegen einer einzigen Sache: der menschlichen Ignoranz und
unersättlichen Gier nach mehr und immer mehr Geld und Macht. Doch zu welchem Preis? Ihr
habt unseren Planeten zu Grunde gerichtet, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Ihr habt
Leben ausgelöscht um euer Ziel zu erreichen. Ihr habt Heimaten verändert und so
unbewohnbar gemacht. Ihr habt eine Welt geschaffen, in der Macht und Reichtum regierten,
auf dem Rücken unzähliger Lebewesen. Und nun hat dieser Rücken nachgegeben. Was macht
ihr JETZT? Ihr steht vor einer Welt in Trümmern, einer Welt, die sich so verändert hat, das Ihr
diese Veränderung nicht mehr rückgängig machen könnt. Was macht ihr jetzt? Hättet ihr nicht
auf die warnenden Zeichen achten können? Hättet ihr nichts ändern können?
Sommer 2061
„Alles was wir heute tun hat seine Folgen in der Zukunft.
Wie diese Zukunft aussieht bestimmen wir! - Jetzt !“
Aileen Walser, Mai 2011
Anhang
I.a. Stressfaktor Klima
Wir Menschen wirken mit unseren Aktivitäten negativ auf das Klima und die Umwelt ein.
Das ist nicht nur für uns ein gravierendes Problem, sondern vor allem ein existenzielles für
die weltweite Flora und Fauna. Wir müssen handeln, denn wir sind schuld. Wie weit sich,
eventuell beschleunigt durch Fukushima, eine globale Energiewende durchsetzen wird und
vor allem wie schnell, ist unklar. Politisches Handeln, ökonomisches Umdenken und
moralische Verantwortung sind dabei Voraussetzung.
Der IPCC hat 2007 im Weltklimareports über das zukünftige Klima diverse plausible
Szenarien veröffentlicht. Dabei wird von unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Entwicklungen ausgegangen. Alle diese Modelle, so unterschiedlich sie auch sind,
haben eines gemeinsam. Noch in diesem Jahrhundert werden wir den „Point of no Return“
erreichen, die durchschnittliche globale Erwärmung um 2°C. Weltweit ist man politisch wie
wissenschaftlich sicher, dass dies ein Schwellenwert ist, dessen Überschreitung massive
Auswirkungen auf den ganzen Planeten haben wird, die wir Menschen nur mit größter Mühe,
wenn überhaupt beherrschen können. Denn ab diesem Punkt nimmt uns Mutter Natur die
Führung aus der Hand.
Für meine Geschichte „The last Unicon“ verwendete ich das A1FI Szenario, mit
Schwerpunkt auf den ungebremsten Einsatz fossiler Brennstoffe, da dies am deutlichsten den
Verfall und die Zerstörung in der Arktis belegt. Hier wäre bereits ca. 2050 weltweit ein mehr
von 2°C erreicht. Das B1 Modell ist das gemäßigste mit Schwerpunkt auf
ressourcenschonenden Energien und einem deutlichen Abbau der CO2 Emmissionen, ab Mitte
des 21.Jh. Aber auch hier erreichen wir bis 2100 diese Grenze.
2009: 129 (Evaluation of Narwhal with respect to making a CITES non-detriment finding). Dabei sind die durch die Jagd verwundeten und
verendeten Tiere (Faktor 3 – 7)) nicht gerechnet.
13
I.b. Bedeutung der Erwärmung der Arktis für das globale Klima
Die Arktis ist aus komplexen naturwissenschaftlichen Gründen eine Schlüsselregion für das
Weltklima. Hier haben Rückkopplungseffekte dramatische Auswirkungen: z.B. der
Albedoeffekt führt zur Rückstrahlung der Sonnenenergie ins All. Bei weniger Eis- und
Schneebedeckung wird im dunkleren Wasser verstärkr Energie absorbiert, das führt zur
Erwärmung und wiederum zu stärkerem Abschmelzen - ein sich selbst verstärkender
Kreislauf. Die regionale arktische Erwärmung beschleunigt somit die globale.
Die Erhöhung der Meerestemperatur führt zu einem schnelleren Meeresspiegelanstieg durch
Ausdehnung des Wassers. Offen ist noch, in wie weit das eisfreie Nordmeer CO2 speichern
wird, da es bisher durch das Eis nicht nennenswert dazu in der Lage war. Eventuell könnte das
zu einer nicht unerheblichen Reduktion der globalen CO2-Konzentration führen. In welchem
Zeitraum und ob es dann noch viel nützt ist fraglich.
Dichte, Temperatur und Salzgehalt des Meeres sind der Motor der weltweiten
Thermohalinen Zirkulation. Meereisbildung führt zu höherer Dichte und Salzgehalt, dies
wiederum zum Absinken des Wassers in große Tiefen und zum Nachtransport von wärmerem
Oberflächenwasser. Zuviel Süßwasser, z.B. durch schmelzendes Grönlandeis und die
Temperaturerhöhung des Nordmeeres verlangsamen die Zirkulation. Im Wasser gespeichertes
CO2 wird nicht mehr in der Menge in die Tiefesee gebracht und gelangt schneller in die
Atmosphäre. Bei Reduktion bzw. Stopp des Golfstroms würde z.B. Europa deutlich kälter,
trotz globaler Erwärmung.
Methan (ein 23x stärkeres Treibhausgas als CO2) und CO2 sind in großen Mengen im
Permafrostboden gebunden. Durch Abtauen werden diese Treibhausgase freigesetzt.
Möglicherweise könnte langfristig durch veränderte Vegetation das Methan und das
Kohlendioxid wieder gespeichert werden. Doch zunächst führt es zur Erwärmung und zu
mehr Verlust des Permafrostbodens.
Dazu kommen Schwellenwerte, die, wenn überschritten, nicht mehr umkehrbar sind (z.B
3°C dauerhafte Temperaturerhöhung über Grönland, führt zum vollständigen Abschmelzen
des Grönlandeisschildes, mit einem Meeresspiegelanstieg von 7m).
I.c. Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Arktis
Die Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung zeigt sich am stärksten in der Arktis.
• Steigende Temperaturen führen: zu mehr Niederschlag in Form von Regen; zu dünnerer
Schneedecke; zum Abtauen des Permafrostbodens; zum Ansteigen der Abflußmenge der
Flüsse; zum Schmelzen des Grönlandeisschelfs; zu Veränderung der Wasserchemie
• Arktische Vegetationszonen verschieben sich; südlichen Arten verdrängen heimische
• Ganze Ökosysteme verändern sich oder verschwinden; die Eisalgen, die unterste Stufe in
der Nahrungskette könnten völlig verschwinden
• Rückgang des Meereises verstärkt: Schifffahrt, Offshorebohrungen und die
Meeresfischerei reduzieren den Lebensraum für Eisbären, Robben, Seevögel, Wale und
Walrosse.
• Erhöhte UV-Strahlung wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Flora und Fauna aus.
• Hoheitsrechtliche Konflikte und Umweltkatastrophen nehmen zu.
I.d. Die einzige Chance
Zur Zeit geht man von einer 75% Wahrscheinlichkeit aus, dass durch positive menschliche
Aktivitäten die Weltklimaerwärmung sich bei +2°C zum aktuellen Stand einpendeln könnte.
Aber nur, wenn Treibhausgase in der Atmosphäre
• sich bei 400 ppmv CO2-Äquivalenten einpendeln, die Zunahme bis 2020 gestoppt wird,
14
eine Reduktion um 60% (zum Stand 2010) bis 2050 erfolgt und langfristig dieses Niveau
nicht überschritten wird
Der Klimaerwärmung und ihre Gefahren für die Narwale und das ganze Ökosystem Erde ist
nicht zu stoppen, aber vielleicht zu begrenzen. Es ist ein Problem, dessen Lösung der Narwal
wahrscheinlich nicht mehr erlebt.
II. Stressfaktor Mensch
Einige Gefahrenpotentiale für den Narwal und die Arktis könnten wir sofort und in kurzer Zeit minimieren oder
gar gänzlich abbauen.
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Beifang: bessere Fangmethoden; Einsatz von adäquaten Abschrecksystemen
Eröl/Erdgasförderung: Strengere Regeln für das Handling der natürlichen Resourcen;
modernstes Riskomanagement; extrem hohe Sicherheitsauflagen; strengste Kontrollen,
sehr teuere Lizenzen; Verbot der Exploration und Förderung in der Arktis,
Lärm: Reduktion der Schallemissionen durch: bessere Schallisolierung der Schiffen,
weltweites Verbot von Einsatz der Niederfrequenzsonare; Verbot von seismischen
Untersuchungen mit Airguns in großräumigen Schutzgebieten; Verbot von Ölbohrungen
im Arktischen Meer
Öffentlichkeit: mehr Kampagnen, um die Problematik zu vermitteln
Schifffahrt: Limitierte Anzahl von Schiffsbewegungen durch die NW-Passage; hohe
Zusatzgebühren, die für Schutzgebiete eingesetzt werden; Sperrzone ohne Schifffahrt,
keine militärischen Manöver, neue höhere Standards für Arktis-Schifffahrt
Schutzgebiete: Schutz der komplexen Ökosysteme; Etablierung von Netzwerken Mariner
Schutzgebieten in Zusammenarbeit mit der regionalen Bevölkerung; Reduzierung des
durch menschliche Aktivitäten verursachten Stress in den biologisch und ökologisch
besonders emfindlichen und schützenswerten Gebieten; Umsetzung der von der CMBC
(Center for Marine Biodiversity and Conservation) im Nov. 2010 erstellten 77 EBSAs
(ecologically and biologically significant areas) in der Arktis. Davon sind 13 als „Super
EBSA“ klassifiziert, (zwei alleine in der Region Baffin Bay (North Water
Polynya/Lancaster Sound - Disko Bay/Store Hellefiskebanke)
UN-Gipfel zur biologischen Vielfalt (COP 10) Okt. 2010 will die Schutzgebiete weltweit auf 17% an Land
und 10% auf den Meeren auszuweiten. (2008 standen 12% der Landfläche und 0,5% der Meere unter
Schutz)
•
Tourismus: Einführung strikter Regeln für Arktis-Tourismus; Verbot von Ankern oder
Einfahren in Schutzgebiete, bzw. sensible Regionen; hohe Gebühren, die in die
Schutzgebiete fließen
•
Politik: Mehr gesetzgebende Kraft für nationale und internationale relevante Gremien; Entscheidungen
transparenter machen
•
Überfischung: Regulierung der expandierenden arktischen Fischerei; nachhaltige
Fangmethoden; wissenschaftliche Begleitung; sinnvolle nachhaltige Fangquoten;
Schutzzonen z.B. für den schwarzen Heilbutt in den südlichen Überwinterungsgegenden
der Narwale in der Baffin Bay; bessere Überwachung der Fischerboote: 100%
Überwachung der Häfen und Docks, GPS- Überwachung der Routen und Fanggründe,
Fanglogbücher, Satelliten-Transponder auf allen Schiffen
•
Umweltverschmutzung: Weltweit bessere Kontrollen beim Einsatz und Herstellung von Umweltgiften;
Reduktion des Mülls auf dem Meer, durch strengere Kontrollen und Strafen; höhere Sicherheitsstandards
beim Schiffsbau
•
Waljagd: Weltweites Jagdverbot für Narwale; Verbot des Handels und Verbrauchs von
15
•
•
Haut, Fleisch, Blubber und Stoßzähne auch für Inuits
Wirtschaftliche und politische Interessen: finanzielle Anreize bieten für mehr Schutz
(lebender Narwal wirtschaftlich interessanter machen, als ein toter) bzw. Förderung
alternativer schonender Projekte in der Region; ökonomisch unattraktiver machen, durch
hohe Gebühren und Steuern
Wissenschaft: bessere Finanzierung von Forschungsprojekten; globale Koordination des
Wissens
Fazit
Was in der Antarktis Rechtsstandard ist, muss auch für die Arktis gelten: Nach dem Vorbild
des Umweltprotokolls des Antarktis-Schutzvertrages muss auch für die Arktis ein
Vertragswerk ausgearbeitet werden, das jeden Rohstoffabbau und das Lagern von Atommüll
und militärische Übungen untersagt. Die Arktis ist ein Geschenk der Natur, das wir
wertschätzen sollten.
„Erst als ich unseren Planeten vom Weltraum aus sah, in all seiner Schönheit und Zartheit, erkannte ich:
Unsere dringendste Aufgabe besteht darin, die Erde für künftige Generationen zu bewahren.“
Sigmund Jähn, deutscher Kosmonaut
16
Quellen:
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www.wikipedia.org
Baffin Bay
www.wikipedia.org
Bylot Insel
www.wikipedia.org
Cairn Energy
www.wikipedia.org
Lancaster Sound
www.en.wikipedia.org
Nanisivik Naval Facility
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Narwal
www.wikipedia.org
Polynja
www.wikipedia.org
Rainbow-Warrior
www.wikipedia.org
Überfischung
www.wikipedia.org
Arktisches Monopoly – Kampf um die Rohstoffe der Polarregion
Seidler; dva; 2009
bedrohte Tiere und Pflanzen
www.wwf.de
Blickpunkt Klimawandel –Gefahren und Chancen
A. Fuchs; Delius Klasing; 2010
Deep-ocean predation by a high Arctic cetacean K.L.Laidre; www.icesjms.oxfordjournals.org; 2004
Der Arktis-Klima-Report
ACIA Arctic Climate Impact Assessment; Convent Verlag;2005
Der neue Norden – Die Arktis und der Traum vom Aufbruch
M. Hannemann; Scoventa 2008
Der Un-Weltklimareport – Bericht über eine aufhaltsame Katastrophe
Kiwi Verlag; 2007
Die Jagd auf den Narwal
www.nationalgeographic.de; 2007
Eine kurze Geschichte des Klimas – Von der Entstehung der Erde bis heute
K-L. Ludwig; Becksche Reihe; 2006
Eine unbequeme Wahrheit – die drohende Klimakatastrophe und was wir dagegen tun können
A. Gore Riemann; 2006
Evaluation on Narwhal with respect t making a CITES nondetriment finding
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Gletscher schmelzen von unten
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Greenpeace rettet Wale vor den Harpunen
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Greenpeace stoppt riskante Ölbohrung vor Grönland
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Impuls – das kommende Zeitalter naturinspirierter Systeme und Technologien
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Karte der vergebenen Bohrlizenzen um Grönland
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Kein Ölfund vor Grönland-cairn energy bricht Bohrungen vorerst ab
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Meereisfernerkundung mit dem satellitengestützten Mikrowellenradiometer AMSR(-E);
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Unterwasserlärm: Wale im Dauerstress
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Was ist Beifang? Eine mörderische Verschwendung!
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Wale & Delfine
R. Wandrey, Komet Verlag; 2001
Walfang - die Geschichte einer Serie von Katastrophen www.greenpeace.de; 2010
Walfang in Grönland
www.wdcs-de.org; 2010
Zu hohe Fangquoten für Narwale
gsm-ev.de; 2006
Hintergrundinformationen
Alfred Wegener Institut für Polar-und Meeresforschung
Arctic Council
Arctic Monitoring and Assessment Program AMAP
Arctic Sea Ice News & Analysis
Conservation of Arctic Flora and Fauna CAFF
Convention on International Trade in Endangered Species of Flora and Fauna (CITES)
Convention on Migratory Species
Fisheries and Oceans Canada
Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e.V.
Greenpeace
International Arctic Science Commitee IASC
IUCN, the International Union for Conservation of Nature,
Naturschutzbund Deutschland
North Atlantic Marine Mammal Commission
www.greenfacts.org
www.awi.de
www.arctic-council.org
www.amap.no
www.nsidc.org nsidc.org
www.caff.is
www.cites.org
www.cms.int
www.dfo-mpo.gc.ca
www.gsm-ev.de
www.greenpeace.de
www.iasc.arcticportal.org
www.data.iucn.org
www.nabu.de
www.nammco.no
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Whale and Dolphin Conservation Society
World Wildlife Found
www.wdcs-de.org
www.wwf.panda.org
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