Presse-Information Datum: 13. Oktober 2010 Von der römischen Garnisonsstadt bis zu 22@Barcelona: 2000 Jahre Bauvorhaben Barcelona Barcelona/Leinfelden-Echterdingen - (rp) Eine Stadt zu entdecken, ist wie aus einer Hand zu lesen oder den Fußstapfen am Strand zu folgen – sagt Prof. Doktor Joan-Lluís Zamora i Mestre. Der Anlass: der 5. Roto-Fachpressetag in Barcelona. Für den Direktor der Fakultät Konstruktion und Architektur an der Universität Politècnica von Katalonien sind die Fenster einer Stadt die Schaukästen der Kultur, des Handels und des Privatlebens. Eine Aussage, die auch auf die dicht bebaute Metropole Barcelona zutrifft. Ihre 2000 Jahre alte wechselvolle Geschichte führte zu einer besonderen architektonischen und stadtplanerischen Entwicklung. Sie gab dem Autor zahlreicher Artikel für renommierte Fachzeitungen eine gute Vorlage für einen lebhaften, im Folgenden zusammengefassten Ausflug in die Historie, Gegenwart und Zukunft der katalanischen Mittelmeerperle. Rom und Romanik [Ca. 200 v. Chr.] Einst als römische Garnisonsstadt gegründet, wurde aus dem antiken Barcino „das feste und dichte Barcelona, ein weltoffener Schmelztiegel der Gebräuche und geprägt durch das römische Erbe“. Es zeigt sich heute u. a. in den Überresten des römischen Tempels, des Forums oder des Schutzwalls. Da sowohl die Westgoten als auch die islamische Herrschaft kaum Spuren im Stadtbild hinterließen, beginnt der Rundgang im „sichtbaren“ Zeitalter der Romanik [ca. ab dem 11. Jahrhundert]. Seite 1/10 Abgeschnitten vom ‚al-Andalus’ blühte Barcelona als karolingische Stadt auf. Es wurde zur südlichsten europäischen Stadt, belebt vom romanischen Geist. Die Architektur brachte winzige Außenfenster hervor, die Schießscharten glichen, spärliches Tageslicht abgaben und Innenfenster in Form von Bögen und Vorhallen hatten. In dieser Zeit waren die Fenster aus Holz, schmiedeeisern oder aus transluzentem Alabaster. Um sie herum fanden sich Darstellungen biblischer Geschichten. [Ein Juwel der Romanik ist die Kirche Sant Pau del Camp.] Glanzvolle Gotik Katalonien reifte [während des 13. und 14. Jahrhunderts] als Land heran und wurde politisch unabhängig vom karolingischen Norden. Barcelona stieg auf zu einem von vier Zentren der Krone Aragoniens mit Königspalast, Befestigungsanlagen, Kirchen, Klöstern, Krankenhäusern, Werften, Handelshäusern und Villen. [Der stetig wachsende Reichtum der Stadt deckte die enormen Kosten für den Bau neuer imposanter Monumente.] Das gotische Fenster [, die Katalanen schufen eine eigene Variante des gotischen Baustils,] war grazil, weil die Konstrukteure neue Techniken zur Verteilung des Gewölbedrucks entwickelten. Geometrische Strenge zog schlanke Pfeiler nach sich, besonders große Öffnungen bewirkten einen übermäßigen, eingeschränkten nur durch Lichteinfall. Strebepfeiler Bogentür und und ein Verglasung Fenster mit Setzpfosten zählten zu den Eigenheiten im katalanischen Hausbau der Gotik. [Die Kirche La Catedral gehört zu den schönsten gotischen Hallenkirchen Spaniens. Grundsteinlegung erfolgte 1298, aber erst 1448 war der Baukomplex mit dem Schließen der letzten Wölbung des Kreuzgangs fertiggestellt.] Rückschritt Renaissance Seite 2/10 In der Renaissance verlagerte sich die Wirtschaftskraft vom Mittelmeer an den Atlantik. Barcelona verlor seinen Hauptstadtstatus[, was sich auch auf die Entwicklung der Architektur auswirkte: Die Stadt blieb der Renaissance und dem Barock, die anderswo in Europa blühten, fast ganz verschlossen. Zudem hielten die Baumeister an der gotischen Tradition fest. Der Palau del Lloctinent, der Palast der spanischen Vizekönige, ist eines der wenigen Renaissancegebäude der Stadt, erbaut 1549 bis 1557.] Das Renaissance-Fenster mutete jetzt selbst wie ein kleines Gebäude an: mit Giebel, Säulen und Fundament. Transparente Verglasung hielt in Privatgebäuden Einzug; Fenstergitter und Fensterläden erhöhten die Sicherheit. Barocker Boden Das barocke Zeitalter als römische Gegenreformation erreichte Barcelona, als dessen Bürger erschöpft am Boden lagen und keine Mittel hatten, ihre Fassaden ordentlich in Stand zu halten und darum auf Kratzputztechnik zurückgriffen. Neue, noble Gebäude wurden nur noch für diejenigen gebaut, die Beziehungen zu Amerika hatten. [Die kleine Kirche Sant Felip Neri gilt als typischer Bau dieser Epoche, errichtet 1748 bis 1752. An ihr gut zu erkennen:] Das barocke Fenster ist eher symbolhaltig als edel, eher fantasievoll, kreativ und von ungeschmückter Ehrwürdigkeit. Stattdessen wurden die großen Portale Zufluchtsorte [für das Schaffen] der Bildhauer und Architekten. Not und Neues Im Neoklassizismus wurde Barcelona zu einer verlorenen Stadt[, die im Spanischen Erbfolgekrieg von 1701 bis 1714 unter Bombardement stand und letztlich in spanische Hände fiel]. Institutionen, Geld, Gesetze, Wahrzeichen und Sprache gingen verloren. Man zerstörte das mittelalterliche Handelszentrum und brachte die Bevölkerung in ein neues, geschäftsmäßiges Viertel: La Barceloneta[, eine Planstadt Seite 3/10 aus dem 18. Jahrhundert mit schmalen, langgestreckten und in einem rechtwinkligen Straßenraster angeordneten Häuserblocks. Lediglich zwei Geschosse waren erlaubt, damit ausreichend Sonnenlicht in Straßen und Wohnungen fiel.] Alles im neuen Barcelona gab sich diszipliniert und geordnet. So präsentierte sich auch das neoklassizistische Fenster, häufig in Barceloneta verbaut, nüchtern, wiederholend, effizient, ordentlich. Bürgerliches Barcelona Es geht aufwärts: Endlich als Spanier zu vollen Rechten gelangt, konnten die einst niedergekämpften Katalanen [in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts] ihr Glück im Handel mit den neu entdeckten Völkern Lateinamerikas versuchen. [Als mit Kuba und den Philippinen die letzten dieser Kolonien 1898 verloren gingen, galt Barcelona als die führende Wirtschaftsmetropole des Landes.] Baumwolle, Rum und Kohle wurden in Katalonien, der neuen Fabrik Spaniens, verarbeitet. Barcelona füllte sich mit Booten, Dampfern, Eisenbahnen und – Arbeitern. Die massive Einwanderung öffnete sozialen Konflikten die Tür, die sich durch die Enge innerhalb der umgebenden Mauern noch verstärkten. Wohl aus dieser Erfahrung heraus verbrachte Ildefons Cerdà, Bauingenieur und Stadtplaner, ein Leben damit, sein Buch von der Theorie der Stadtplanung zu schreiben. Es wurde zur theoretischen Grundlage der modernen Stadtentwicklung und skizzierte ein kontinuierliches, gesundes Wachstum einer Stadt und der sie umgebenden Infrastruktur. Endlich Erweiterung Das neue Erweiterungsgesetz in Spanien erlaubte [in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts] den Abriss von Stadtmauern und die Planung wachsender Städte. Der Erweiterungsplan Barcelonas bestand aus der praktischen Umsetzung von Cerdàs Theorien: eine neue Stadt mit Straßenbahn, angepasst, sonnig, mit kleinen Höfen und breiten Zugängen, die sie mit der Umgebung verbinden – Seite 4/10 Diagonalen, Parallelen, Meridiane. [Das neue Viertel erhielt den Namen Eixample, was so viel wie Erweiterung heißt. Das Projekt fiel zusammen mit einer Blüte des freiheitlichen Denkens in den Künsten. Nirgends kam das mehr zum Tragen als in der Architektur.] Modern(ism)e Momente Richtig wiederbelebt wurde Barcelona als Gastgeber der Weltausstellung EXPO 1888. Man schuf ein Netz aus neuen „gusseisernen“ Märkten. Es entstanden das Opernhaus Gran Teatre del Liceu und der Konzertsaal Palau de la Música Catalana. Die Stadt war wieder reich und ließ sich auf den modernen Stil[, den Modernisme ca. 1880 bis 1910,] ein. Das Fenster des Modernisme ist pure, in das Gebäude integrierte Handwerkskunst: Tropenhölzer, Schmiedearbeiten, Bleiverglasung oder gebogene Hölzer. Das Motto: Fenster so verführerisch und ansprechend wie die Augen einer schönen Dame zu gestalten. Da sich Spanien im ersten Weltkrieg neutral verhielt, konnte Barcelona seinen Wohlstand bewahren und 1929 mit einer weiteren Weltausstellung die kulturelle und wirtschaftliche Stärke unter Beweis stellen. Man bebaute den Hausberg Montjuïc und bezog ihn in das Stadtgebiet mit ein. [Es entstanden weitläufige Parks und Gärten mit zahlreichen Gebäuden für die Weltausstellung. In einem davon befindet sich heute das weltberühmte Museu Nacional d’Art de Catalunya.] Seite 5/10 Niedergang und Neubeginn 1936 bis 1939 tobte in Spanien der Bürgerkrieg. In diesem Zeitraum führte Barcelona die Liste der von See und Luft aus bombardierten Städte an. [Das technische Leben jedoch ging weiter:] Die neuen Sonnenschutzsysteme, Fensterläden, Rollläden, Abdichtung durch Profile sowie sichere Schließsysteme sind Technologien, die den Bedürfnissen aller Menschen zu allen Zeiten entgegenkommen. Die Zeiten der Umwälzungen, der Krisen und der Anspannungen stehen einerseits für den Niedergang, andererseits für den Beginn dessen, was sich in den kommenden Jahren entwickeln wird. Ausgerechnet in diesen Jahren erscheinen in Barcelona Bücher über die Entwicklung der Holzfenster-Technik im Laufe des 20. Jahrhunderts, und viele der heute führenden Firmen für Fenstertechnologie werden gegründet. Nach dem Krieg verzichtete man im Fensterbau grundsätzlich auf die herkömmlichen Materialien, Funktionen und Maßstäbe: Neue Metallprofile und versiegelte Materialien sorgten für ein Umdenken. Vorhangfassaden aus Glas kamen in Mode, die Verglasungsindustrie befand sich im Aufwind. Unternehmen Gegenwart 1992 stand der Hausberg Montjuïc abermals im Zentrum einer Veranstaltung: den XXV. Olympischen Spielen. Die Demokratie, die Autonomie und die Verbindungen Barcelonas waren längst wieder hergestellt, Straßen und Transportmittel modernisiert, das kulturelle Angebot erweitert und an der Seeseite neue Bauten entstanden. Eine Stadt, so formuliert es Prof. Doktor Joan-Lluís Zamora i Mestre, sollte sich jeden Tag neu erfinden. Für ihn bedeutet das die fortwährende strategische Entscheidung „was wir hinter uns lassen, was wir wollen und wie wir das erreichen wollen. Man kann sagen: Eine Stadt ist mit einem großen Unternehmenskonzern vergleichbar“. Bauvorhaben wie das Technologiezentrum 22@Barcelona, die Nutzung der Innenhöfe als Raumreserven, der Ausbau von Hafen und Flughafen, Projekte Seite 6/10 zum Umweltschutz sowie das Bemühen um ein soziales und umweltpolitisches Gleichgewicht zeugen davon, dass Barcelona sich an diese Maximen hält. Bildtexte Barcelonas Macht im Mittelalter zeigt sich noch heute in glanzvoller katalanischer Gotik: Die Fenster waren grazil, weil die Konstrukteure neue Techniken zur Verteilung des Gewölbedrucks entwickelt hatten. Im Inneren der Kirche Santa Maria del Mar (Grundsteinlegung 1329) stößt man auf einen weiten, hohen Hallenraum, von gedämpftem, farbigem Licht durchflutet. 01_Santa_Maria_del_Mar.jpg Das Flair des mittelalterlichen Barcelonas findet sich vor allem im historischen Stadtzentrum Barri Gòtic, einem gotischen Ensemble, das aufgrund seiner Geschlossenheit und Unversehrtheit in Europa als einzigartig gilt. Es entstand auf den Fundamenten des römischen Barcino, was für die meisten römischen Bauten allerdings den Abriss bedeutete. Zu den zahlreichen architektonischen Zeugnissen dieser Periode zählen waagerecht aus der Mauer kragende Wasserspeier hoch oben unter den Traufen. 02_Barri_Gotic_Wasserspeier.jpg Bogentür und ein Fenster mit Setzpfosten zählten zu den Eigenheiten im katalanischen Hausbau der Gotik. Stilmittel, die ihre Umsetzung auch in diesem überdachten Gang über der Carrer del Bisbe, der den Palast der Generalitat mit dem Kanonikerhaus verbindet, finden. Mittelalterliche Baukunst – gut imitiert: Die Seufzerbrücke von Barcelona entstand erst 1926. 03_Barri_Gotic_Bruecke.jpg Seite 7/10 Richtig „wiederbelebt“ wurde Barcelona als Gastgeber der Weltausstellung EXPO 1888. Die Stadt war wieder reich und ließ sich auf den modernen Stil, den Modernisme, ein. Sein Fenster ist pure, in das Gebäude integrierte Handwerkskunst, u. a. von Schmiedearbeiten gekennzeichnet. So drapierte Antoni Gaudí vor vielen Fenstern seines berühmten Mietshauses Casa Milà (1906 – 1910) im Stadtteil Eixample ineinander verwobene, schmiedeeiserne Pflanzenbänder. 04_Casa_Milà.jpg Blick über Barcelona; am Horizont das Mittelmeer. Im Vordergrund: der Parc Güell (1900 – 1914), der, hätte man die Pläne von Antoni Gaudí realisiert, heute eine Gartenstadt mit 60 Häusern wäre. Am Ende blieb es bei zwei Gebäuden, die u. a. mit merkwürdig geformten Türmen dekoriert sind. Die Fenster schützen schmiedeeiserne Gitter. 05_Parc_Güell.jpg Das bekannteste Bauvorhaben in Barcelona und zugleich eine faszinierende architektonische Symphonie: La Sagrada Família. Die großen gotischen Kathedralen dienten ihr teilweise als Vorbild. Und wie diese befindet auch sie sich seit über 100 Jahren im Bau. Das Projekt begann 1882 und beschäftigte den Architekten Antoni Gaudí 40 Jahre bis zu seinem Tod. Heute bauen andere nach seinen Plänen – und eigenen. Das kunstvoll verzierte Fenster oberhalb des Portals der Ostfassade zeigt noch ganz im Sinne des Modernisme zahlreiche Figuren - u. a. Gaudís musizierende Engel. Mit zunehmendem Fortschritt am Bau aber wandelt sich die Architektur. 06_Sagrada_Família.jpg Wie einst ein gotisches Gotteshaus soll(te) sie nach oben streben. Zudem schwebte Antoni Gaudí die Kirche La Sagrada Família als gewaltige, u. a. über die Fensterbemalung von innen heraus leuchtende Farbkomposition vor. Seite 8/10 07_Sagrada_Família.jpg Da sich Spanien im ersten Weltkrieg neutral verhielt, konnte Barcelona seinen Wohlstand bewahren und 1929 mit einer weiteren Weltausstellung die kulturelle und wirtschaftliche Stärke unter Beweis stellen. Man bebaute den Hausberg Montjuïc u. a. mit einem Stadion. 1992 entstand in seinem Inneren das Olympiastadion. Sein Äußeres in einem Gemisch verschiedener Architekturstile blieb nach einer umfassenden Modernisierung erhalten. 08_Estadi_Olímpic.jpg 1992 stand Barcelona ganz im Zeichen der XXV. Olympischen Spiele. Die Demokratie, die Autonomie und die Verbindungen Barcelonas waren längst wieder hergestellt, Straßen und Transportmittel modernisiert und das kulturelle Angebot erweitert. Für die Segelwettbewerbe erhielt die Stadt einen neuen Hafen. Hinter dem Port Olímpic erheben sich zwei markante Wolkenkratzer, von denen einer ein vornehmes Hotel beherbergt. 09_Port_Olímpic.jpg Fotos 01 bis 09: Roto Eine Stadt, so formulierte es Prof. Doktor Joan-Lluís Zamora i Mestre anlässlich des 5. Roto-Fachpressetages in Barcelona, sollte sich jeden Tag neu erfinden. Für den Direktor der Fakultät Konstruktion und Architektur an der Universität Politècnica von Katalonien bedeutet das die fortwährende strategische Entscheidung „was wir hinter uns lassen, was wir wollen und wie wir das erreichen wollen. Man kann sagen: Eine Stadt ist mit einem großen Unternehmenskonzern vergleichbar“. Foto: Zamora i Mestre ProfDoc_ZamoraiMestre.jpg Abdruck frei - Beleg erbeten Seite 9/10 Herausgeber: Roto Frank AG • Wilhelm-Frank-Platz 1 • D-70771 Leinfelden-Echterdingen • Tel.: +49 711 7598-0 • Fax: +49 711 7598-253 • [email protected] Redaktion: Linnigpublic Agentur für Öffentlichkeitsarbeit GmbH • Büro Koblenz • Fritz-vonUnruh-Straße 1 • D-56077 Koblenz • Tel.: +49 261 303839-0 • Fax: +49 261 303839-1 • [email protected]; Büro Hamburg • Flottbeker Drift 4 • D-22607 Hamburg • Tel.: +49 40 82278216 • Fax: +49 40 82278217 • [email protected] Hinweis: Die mit [...] gekennzeichneten Passagen wurden aus Gründen der besseren Verständlichkeit hinzugefügt. Seite 10/10