Milena Virijevic Masterarbeit 1

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Milena VirijeviĆ
Schriftliche Masterarbeit
Musik für Geige im 20. Jahrhundert
Violinkonzert in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Begutachter: Ao. Univ. Prof. Mag Dr. Harald Haslmayr
Kunstuniversität Graz
November 2015
Inhaltverzeichnis:
1. Vorwort……………………………………………………………………………………..4
2. Einleitung………………………………………………………………………….…….....5
3. Stile und kompositorische Techniken im 20. Jahrhundert………………………….6
3. 1. Stile………………………………………………………………………….8
3. 2. Expressionismus…………………………………………………………..8
3. 3. Neoklassizismus………………………………………………………….10
3. 4. Impressionismus………………………………………………………..10
3. 5. Nationale Schulen……………………………………………….............11
3. 6. Jazz………………………………………………………………………..12
3. 7. Kompositionstechniken………………………………………………….13
4. Das Konzert………………………………………………………………………………16
4. 1. Barockkonzert…………………………………………………………….16
4. 2. Klassisches Konzert……………………………………………………..18
4. 3. Das Konzert in der Romantik…………………………………………...20
4. 4. Das Konzert in der Moderne………………………………………....…23
4. 5. Violinkonzert in der Moderne…………………………………………...23
4. 6. Überblick über die wichtigen Konzertkomponisten…………………...25
5. Wichtige Violinkonzerte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert……………….…27
5. 1. Jean Sibelius: Violinkonzert in d-Moll, op. 47………………….……...27
5. 2. Alexander Glasunow: Violinkonzert in a-Moll,op. 82………….……..34
2
5. 3. Karol Szymanowski: Violinkonzert Nr. 1, op. 35………….……..……41
5. 4. Igor Strawinsky: Violinkonzert in D-Dur…………………….………….46
5. 5. Alban Berg: Violinkonzert, Dem Andenken eines Engels……………52
5. 6. Benjamin Britten: Violinkonzert in d-Moll, op. 15………………...…...56
5. 7. Die Violinkonzerte Béla Bartóks…………………………….………….58
5. 8. Arnold Schönberg: Violinkonzertop. 36………………………………..62
5. 9. Aram Chatschaturjan: Violinkonzert in d-Moll, op. 46………………..64
5. 10. Erich Wolfgang Korngold in d-Moll, op. 35…………………………..68
5. 11. Dmitri Schostakowitsch: Violinkonzert Nr. 1 in a-Moll, op. 77…..…74
6. Fazit……………………………………………………………………………………….81
7. Literaturverzeichnis……………………………………………………………………...82
3
1. Vorwort
Das Hauptthema dieser Arbeit ist das Violinkonzert in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts. Es wird versucht, das Schaffen der Komponisten in diesem Bereich zu
umfassen. Ich werde mich vor allem auf jene Werke und Komponisten konzentrieren,
die besonders wichtig sind. Das Kapitel „Stile und kompositorische Techniken im 20.
Jahrhundert“ dient als Grundlage, um die weiteren Erläuterungen, die sich direkt auf
die jeweiligen Konzerte konzentrieren, klarer verständlich zu machen. In diesem
Kapitel werden die grundlegenden Begriffe der Musik des 20. Jahrhunderts angeführt
und erklärt. Auf diese Weise werden Unterbrechungen im weiteren Text wegen
Erklärungen vermeiden. Im Kapitel „Das Konzert“ wird die Entwicklung des Konzerts
ausgehend von der Erscheinung des Instrumentalen Konzertes beschrieben. Diese
beiden Kapitel dienen als Grundlage für das Verständnis der Violinkonzerte des 20.
Jahrhunderts.
Ich habe mich für dieses Thema entschieden, weil bislang keine Publikation über
dieses Thema erschienen ist. Natürlich, es gibt das Buch „Book Of The Violin“ und
verschiedene Autoren, die Einsicht in allen relevanten Aspekte der Violine geben:
Technik, Literatur, Komponisten, die Werke für Violine geschrieben haben, bis hin zu
den Veränderungen, die das Instrument Violine im Lauf der Zeit erfahren hat. Dieses
Buch war für mich eine große Hilfe während des Schreibens, weil es allumfassend
ist. Aber, weil es so allumfassend ist, sind die Kommentare über die Werke sehr kurz
und ohne Beispiele. Für eine ausführliche Beschreibung muss man sich auf einen
engen Bereich konzentrieren. Ich habe den Wunsch gehabt, das Schaffen der
Komponisten im Bereich des Violinkonzerts in einer bestimmten Periode zu
umfassen. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist interessant, weil es sich dabei
um eine Periode handelt, in der das Schaffen der Komponisten besonders reichhaltig
und verschiedenartig ist.
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2. Einleitung
Während dem 17. und 18. Jahrhundert nahm die Violine einen besonders wichtigen
Platz ein, nämlich als jenes Instrument, wofür Komponisten bevorzugt schrieben. Der
Höhepunkt dieser für dieses Instrument goldenen Zeit sind die Solosonaten und partiten von Johann Sebastian Bach. Während des 19. Jahrhunderts richtete sich die
Aufmerksamkeit der Komponisten auf das Klavier, das als ein relativ neues
Instrument für das Komponieren sehr interessant war.
Während des 20. Jahrhunderts wurde die Violine zum Zentrum musikalischer
Entwicklung. Sie ist sowohl als Teil des Streichquartetts und des Orchesters
interessant als auch als solistisches Instrument. Viele Komponisten schrieben
verschiedene Werke unter dem Einfluss unterschiedlicher Stile. Am Anfang des
Jahrhunderts herrschte die Romantik vor. Die Werke wurden auf Basis der Tonalität
komponiert, die Formen waren traditionell und die Ausdruckskraft ähnelte der des
späten 19. Jahrhunderts. Jedoch schon vor dem Ersten Weltkrieg erschienen jene
Komponisten, die eine andere Richtung einschlugen. Die Violine war für sie eine
Quelle unendlicher Möglichkeiten in Hinsicht auf die verschiedenen Arten der
Klangerzeugung und bestimmte Effekte und Klangfarben. Zusätzlich war sie auch
ein Instrument, das Vierteltöne spielen konnte. In vielen Werken des 20.
Jahrhunderts stellte die Tonalität nicht mehr die Grundlage des kompositorischen
Prozesses dar. Die Komponisten entwarfen im Rahmen der Atonalität oder
verwendeten Pentatonik und Zwölftontechnik. Jedoch behielten sie die klassischen
kompositorischen Formen für ihre Werke bei, nämlich die Sonate und das Konzert
für Violine und Orchester.
Komponisten schrieben für berühmte Virtuosen und es war eine Tradition, dass es
zwischen dem Komponisten und dem Geiger zu einer engen Zusammenarbeit kam,
im Zuge derer sie ihre Ideen austauschten. Aufgrund dieser Kooperation konnte der
Komponist, der in sehr vielen Fällen auch Pianist war, die technischen und
dynamischen Möglichkeiten der Violine besser verstehen.
5
In diesem Kapitel werden die kompositorischen Techniken, die von den Komponisten
des 20. Jahrhunderts benutzt wurden, beschrieben. Zusätzlich werden die Stile, die
in diesem Zeitraum erscheinen, in Kürze vorgestellt. Der Impressionismus, der schon
am Ende des 19. Jahrhunderts erscheint, wird ebenso inkludiert. Fundamentale
Termini der Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden erklärt, um im
weiteren Verlauf der Arbeit auf große Exkurse verzichten zu können.
6
3. Stile und kompositorische Techniken im 20. Jahrhundert
Es ist allen Künsten üblich, dass in einer Epoche mehrere verschiedene Stile parallel
entstehen und existieren. Dies ist dadurch bedingt, weil die verschiedenen
Generationen gleichzeitig neben einan der leben und ihre Kreativität auf ihre eigene
Weise ausdrücken. Die alte Generation vertritt und setzt die Tradition fort, während
junge Menschen nach neuen Wegen der Entwicklung und Kreativität suchen. Das
20. Jahrhundert übertraf in seiner Vielfalt alle früheren Zeiten. Im künstlerischen
Schaffen dieses Jahrhunderts erscheint eine Reihe von verschiedenen Wegen und
Verfahren, die sich bezüglich ihrer Prinzipien, Bestrebungen, Ressourcen und
Leistungen mehr denn je unterscheiden. Aufgrund der Entwicklung neuer Methoden
und Techniken der Zusammensetzung ist es notwendig, das Konzept des Stils neu
zu definieren und es von den kompositionstechnischen Verfahren zu trennen. In der
vorangegangenen historischen Entwicklung stellt die Kompositionstechnik einen
Bestandteil desallgemeineren Rahmenseines bestimmten Stiles dar.
Bei den Elementen dieser Technik handelt es sich um: homophone und polyphone
Satzweisen,
Phrasenbildung
und
Melodik,
Motiventwicklung,
Orchestrierungsänderungen etc. Der Wandel ihrer Wichtigkeit, die Konzentration auf
bestimmte Mittel im Rahmen der allgemeinen Entwicklungslinien, die Bereicherung
und Entwicklung der musikalischen Sprachesteht in engster Abhängigkeit von den
geistigen, ideologischen und ästhetischen Ansprüchen und Standards eines
bestimmten Stils.
Diese Parameter wurden durch den breiten Rahmen des geistigen Klimas sowie die
sozio-historischen Umstände der jeweiligen Zeit und Umwelt bedingt. Ein bestimmter
Stil hatte eine entsprechende Kompositionstechnik als integralen und auf seine Art
typischen Bestandteil, mit allen Faktoren und Aspekten dieser Technik. Eine der
wichtigsten Dimensionen der Kompositionstechnik, und damit der bestimmten
Epoche, ist die harmonische Sprache. Die einzelnen Epochen können unter anderem
aufgrund ihrer spezifischen Harmonik unterscheiden werden.
Das Musikschaffen im 20. Jahrhundert führte so weit, dass der Stil von der
Kompositionstechnik weitgehend getrennt wurde. So können nun Werkegleicher Art
7
mit hilfe verschiedener Techniken realisiert werden und gleiche Techniken in Werken
verschiedener Stilrichtungen angewandt werden.
Man kann zwei einander entgegengesetzte Haupttendenzen bezüglich den
künstlerischen Aktivitäten unterscheiden: Dies sind die Avantgarde, die immer auf die
Entdeckung neuer Möglichkeiten, Mittel und Wege zur Kreativität fokussiert ist, und
die retrograde Tendenz, die sich bemüht, die bewährten Werte der Vergangenheit zu
erhalten und zu erweitern oder sie in der Form von verschiedenen Neo-Artenwieder
aufzubauen, mit dem Zusatz von modernen Elementender musikalischen Sprache.
Die Avantgarde in Musik und Kunst des 20. Jahrhunderts ist eine permanente, immer
präsente
und
gelegentlich
dominante
Bewegung,
die
manchmal
bis
zur
vollkommenen Verweigerung aller traditioneller Werte und die Ablehnung aller
Errungenschaften der Vergangenheit führt. Ihre Vertreter suchten ausschließlich
neue, noch nie verwendete Lösungen in der Musik im Speziellen und der Kunst im
Allgemeinen. Der starke und konstante Drang, neue Möglichkeiten zu finden, führt zu
einer Vielzahl an unterschiedlichen Ausprägungen – sowohl durch neuartige
Verfahren erzielt als auch unter dem Einfluss der Rückwendung zur Tradition.
3. 1. Stile
Das Konzept des Stils des 20. Jahrhunderts umfasst Ästhetik sowie die den
Komponisten eigenen Charakteristika, welche die kreativen Grundsätze und Ziele
des jeweiligen Komponisten widerspiegeln. Im Gegensatz dazu ist die Technik der
handwerkliche Aspekt des künstlerischen Ausdrucks, die Art und Weise, in der das
Werk strukturiert ist, sowie dazu benötigte Verfahren und Werkzeuge. Die
grundlegendenStiledes20.
Jahrhunderts
sind
Spätromantik,
Expressionismus,
Neoklassizismus, Impressionismus, die verschiedenen nationalen Schulen und Jazz.
3. 2. Expressionismus
Das Hauptmerkmal des Expressionismus ist die Expression als primäres und
höchstes Ziel, Mittel und Sinn für musikalischen Ausdruck. Die Werke des
8
Expressionismus
drücken
turbulente
Emotionen,
schwierige
psychische
Verfassungen, die unbewussten, irrationalen und dunklen Triebeder menschlichen
Natur aus, Furcht und Angst, die sich zu Hysterie und Angst entwickeln. Dieser
Stilentwickelte sich aufgrund der wachsenden Unzufriedenheit und des immer größer
werdenden Chaos, indem sich die europäische Gesellschaft am Rande des Ersten
Weltkrieges befunden hatte. Dieser Stil wird durch eine stark dissonante Harmonik
geprägt.
Der Schwerpunkt des Expressionismus liegt im musikalischen Ausdruck, die Form
hingegen rückt in den Hintergrund. Dieser Ausdruck wird durch die Verwendung von
Extremen betont, vor allem der Ausdruck von starken negativen Gefühlen, der
sogenannte „expressionistische Schrei“. Er drückt die schrecklichen Gefühle von
Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Terror aus. Der Hauptfaktor dieser Musik ist die
Harmonik: Die Ausdruckskraft wird mit extrem dissonanten Klängen unterstrichen;
die Spannungen, die sich durch die Dissonanzen ergeben, finden sofort einen
unmittelbaren Widerhall in den Köpfen der Zuhörer. Sie verursachen sie
beabsichtigte emotionale Spannung. In die gleiche Richtung wirkt diatonale
„Dissonanz“, d. h.die Instabilität der tonalen Basis oder ihre Abwesenheit, nämlich
Atonalität. Sie evoziert aufgrund der Abwesenheit eines tonalen Bezugspunktes
geistige Unruhe, Streit und Spannung. Der Dissonanzgrad der Harmonien wird
abhängig
von
der
Art
des
Ausdrucks
festgelegt.
In
einem
typischen
expressionistischen Werkherrschen Dissonanzen und eine große tonale Instabilität
oder Atonalität vor. Die spezifische expressionistische Harmonik zieht auch eine
bestimmte Gestaltung der Melodik mit sich: Sie weist permanent meist große
Sprünge und dissonante Intervalle sowie Sprechgesang (klanglich ungenaue
Ausrufe) auf. Der Rhythmus kann folgendermaßen charakterisiert werden:
unregelmäßig, intermittierend, nervös oder aber mit Interpretationsfreiheiten für den
Ausführenden. Die Dynamikist durch extreme Lautstärken in beide Richtungen
sowie durch häufige, plötzliche und starke Kontraste(fff–ppp) gekennzeichnet.
9
3. 3. Neoklassizismus
stellt eine Rückkehr zur reinen Musik dar und gilt als Gegensatz zur Romantik und
ihrer
Zweige
Expressionismus
und
Impressionismus.
Die
Werke
des
Expressionismus und Impressionismus enthalten Emotionen und außermusikalische
Bezüge. Im Neoklassizismus hingegen erlangt die Melodik wieder an Bedeutung,
den Kompositionen liegen feste und klare Formen, ein organisierter Rhythmus und
eine klarere und einfachere Harmonik zugrunde. Der Schwerpunkt liegt auf der
Einfachheit. Die Werke sind im Wesentlichen tonal. Bei einigen Komponisten und in
einigen Werken könnte der Neoklassizismus als Antiromantik aufgefasst werden, weil
er keine Sensibilität zulässt und expressive Musik verweigert wird. Igor Strawinsky
schrieb beispielsweise: „Ich finde die Musik, im Wesentlichen, außerstande
irgendetwas auszudrücken: ein Gefühl, eine Haltung, einen psychischen Zustand, ein
Naturphänomen, u. s. w[...] Der Ausdruckwar niemals immanentes Merkmal der
Musik.“1Allerdings stimmen viele Komponisten diesem Verständnis von Musik nicht
zu. Vielmehr sind sie der Meinung, dass Neoklassizismus nicht ausdruckslos ist.
Strawinsky komponierte das erste neoklassische Violinkonzert, von welchem man
nicht behaupten könnte, dass es ausdruckslos wäre. Darüber hinaus– abhängig von
der Herrschaft der verschiedenen Elemente des musikalischen Ausdrucks –verzweigt
sich der Neoklassizismus in eine Reihe von Substilen, sodass man über Neobarock,
Neoromantik, sogar Neoexpressionismus und Neoimpressionismus sprechen kann.
3. 4. Impressionismus
Der Impressionismus gilt als eine Erweiterung, als eigenständige Nebenlinie der
Romantik, aber gleichzeitig auch als ihr Gegensatz. Das grundlegende Merkmal
dieser zwei Stile ist der programmatische Gehalt. Impressionistische Musik weist
immer außermusikalische Bezüge auf, denn ihr grundlegender Sinn ist „Tonmalerei“.
1
. Despić, Dejan: harmonija sa harmonskom analizom, Zavod za udzbenike, Beograd, 2007, S.
434.
10
Impressionistische Komponisten ließen sich vom gleichnamigen Stil in der Malerei
inspirieren. Bemerkenswert ist auch das Interesse für ungewöhnliche Themen und
ferne exotische Länder. Im Unterschied zur Romantik, in der das programmatische
Element narrativ ist (der Komponist erzählt quasi eine Geschichte), ist es im
Impressionismus statisch, indem der Komponist einen Anblick, eine Atmosphäre
oder einen Eindruck beschreibt. Der Romantiker ist der aktive Teilnehmer in seinem
Werk und er bringt seine leidenschaftlichen Gefühle ein. Der Impressionist hingegen
beobachtet die äußerliche Welt und versucht, seine Eindrücke musikalisch zu
verarbeiten. Seine persönliche emotionale Reaktion drückt er nur gelegentlich aus,
meist wird sie unterdrückt. Im Zentrum eines romantischen Werkssteht der Mensch,
seine Emotionen und sein Schicksal. Im impressionistischen Werk wird der
Blickwinkel auf die Umgebung des Menschen gerichtet.
Der Fokus der impressionistischen Komponisten liegt auf Orchestrierung und
Harmonie, um klangfarbenreiche Werke zu schaffen, während die Melodie zur
Nebensächlichkeit zurückgedrängt ist. Harmonik übernimmt hier – im Gegensatz zur
konstruktiven Rolle in der Klassik und zur expressiven Rolle in der Romantik – eine
koloristische Rolle.
3. 5. Nationale Schulen
Komponisten
entwickeln
ein
wachsendes
Interesse
an
der
Folklore.
Die
Musikethnologie als wissenschaftliche Methode, um das Studium und das
Verständnisfremder Musikkulturen zu vertiefen, konnte etabliert werden. Die
Rückgriffe
auf
Volkstraditionen
in
der
Romantik
wareneine
bedeutende
Inspirationsquelle für Künstler. Doch während sich in den Werkender Romantiker die
Übernahme folkloristischer Elemente in der Regel auf die Melodik begrenzt, dringen
die Komponisten der nationalen Schulen des 20. Jahrhunderts tiefer in die Materie
ein. Zu beobachten ist die Übernahme rhythmischer Besonderheiten, aber auch die
Verwendung bestimmter dissonanter Intervalle, die hier den Eindruck des
volkstümlichen Musizierens erhöhen oder eine koloristische Funktion haben.
Parallele perfekte Konsonanten (Quinten und Oktaven) werden ebenso verwendet
11
wie parallele Terzen und Sexten, die in langsamen Sätzen die Ausdruckskraft
erhöhen, insbesondere bei Kollisionen mit dem dissonanten harmonischen
Hintergrund. Ostinate Wiederholungen sind ein häufig aufscheinendes Element der
Volksmusik und in verschiedenen Arten vorhanden. Jene Musik des 20.
Jahrhunderts, die sich an diese Traditionen anlehnt, verwendet sie vor allem in der
Begleitung, aber auch zum Bau von Melodien. Ostinati werden besonders häufig in
den Volktänzen verwendet, in denen mehrfache Wiederholungen nicht zur Monotonie
führen, sondern zu einem dynamischen musikalischen Fluss beitragen. Musik, die
unter dem Einfluss der Folklorekomponiert wurde, ist meist tonal(im weiteren Sinne)
oder bitonal und enthält häufig modale Elemente, die das charakteristischste Zeichen
für Folkloreeinflüsse sind. Ebenso werden charakteristische orientalische Motive
verwendet, die ihren Ursprung in der Folklore des Balkansund Spaniens haben.
Dieser Zweig der zeitgenössischen Musikproduktion erwies sich – insbesondere in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – am fruchtbarsten zu sein.
3. 6. Jazz
Der Einfluss des Jazz, der Musik der schwarzen Amerikaner, – v. a. seine Rhythmik
und Melodik –, ist vor allem in den 1920er und 1930er Jahren sehr bedeutend für die
Musik von Maurice Ravel, Igor Strawinsky und anderen Komponisten. George
Gershwin baute auf den Grundlagen des Jazzidioms Formen der „ernsten“ Musik.
Die Grundlage der Jazzmusik ist tonal, sie ist allerdings von modalen Elementen,
insbesondere mixolydisch und dorisch, durchzogen. Die Harmonik stützt sich
hauptsächlich
auf
impressionistische
Mittel:
Das
Grundmaterial
stellen
terzgeschichtete Mehrklänge dar, Vierklänge sind ständig präsent, während
Dreiklänge nur selten benutzt werden. Dissonanzen werden frei hinzugefügt,
charakteristisch ist die Tonika mit der hinzugefügten Sext. Quartakkorde werden
auch verwendet, dabei handelt es sich meist um Drei-und Vierklänge und
Kombinationen mit terzgeschichteten Akkorde.
12
3. 7. Kompositionstechniken
In Bezug auf die mannigfaltigen Möglichkeiten an Kompositionstechniken, kann man
sagen, dass die musikalische Kreativität des 20. Jahrhunderts komplexer und
vielfältiger als in jeder vorangegangenen Epoche ist. Bei den Kompositionstechniken,
welche sich im20. Jahrhundert ausgeprägt haben, handelt es sich um Dodekaphonie,
Serialismus, Pointillismus, Minimalismus und Aleatorik.
Bei
der
Dodekaphonie
(Zwölftontechnik)
handelt
es
sich
um
eine
Kompositionsmethode, bei der als Grundlageeine Reihe allerzwölf Töne der
chromatischen Tonleiter verwendet wird. Die Gestaltung der Reihe darf keine
klanglichen Verbindungen zu einer Tonleiter erlauben; jeder Ton darf nur einmal
verwendet werden bis die Reihe wieder wiederholt wird; aufeinanderfolgende
Terzintervalle sind verboten, weil sie den Eindruck der Existenz eines tonalen
Zentrums erwecken; kleine und große Intervalle sollten abwechselnd verwendet
werden. Die auf diese Weise gestaltete Reihe kann vom Komponisten in ihrer
Umkehrung, dem Krebs und der Krebsumkehrung verwendet werden. Zu diesem
Klangmaterial werden in weiterer Folge an dem musikalische Parameter hinzugefügt,
nämlich Rhythmus, Dynamik u. s. w. Danach ist es bereit für den Einsatz in
horizontaler Form (in Form von Melodielinien) oder vertikal in Form von Akkorden.
Jede der vier Varianteneiner Reihe kann auf zwölf verschiedene Tonhöhen
transponiert werden. Das heißt, dass dem Komponisten 48 Reihenzur Verfügung
stehen,
die
in
rhythmischer,
metrischer
und
dynamischer
Hinsicht
verschiedenverarbeitet werden kann. Die Entstehung der Zwölftonmusik ist das
Ergebnisder Bestrebungen ihres Schöpfers Arnold Schönberg, und später seiner
Anhänger, in die atonale und athematische Musikbestimmte Kompositionsregeln
einzuführen, um die Entstehung einer großen Anzahl von Kompositionen mit
zweifelhaftem Wert zu verhindern. Anton Webern, der Student Schönbergs, ging
bezüglich der Organisationsmöglichkeiten der musikalischen Parameter sogar noch
weiter: Er bestimmte den Rhythmus, die Dynamik und die Instrumente, die bestimmte
Teile der Serie durchführen werden, im Voraus. Diese Vorgehensweise mündet im
„integralen Serialismus“, der von Olivier Messiaen, Pierre Boulez und Karlheinz
13
Stockhausen angewandt wurde. Hier wurden nun alle musikalischen Parameter vor
dem eigentlichen Komponieren organisiert.
Die Etablierung des integralen Serialismus in der europäischen Musik zog zwei
Reaktionen nach sich: Zum einen wurde Musik aleatorisch komponiert, zum anderen
fand eine Beschäftigung mit elektronischer Musik statt. Die musikalischen Parameter
in den Werken desintegralen Serialismus wurden bis zum Äußersten bestimmt. Dies
ging so weit, dass nur mehr Maschinen in der Lage waren, die erforderliche
Genauigkeit bei der Aufführung dieser Musik zu erreichen. Unter elektronischer
Musik versteht man jene Art von Musik, die mithilfe von elektronischen Geräten
realisiert wird. Aleatorische Musik, auf der anderen Seite, ist ein Prozess, der dem
Ausführenden ein gewisses Maß an Freiheitbei der Interpretation lässt. Aleatorische
Elemente lassen sich im gesamten Verlauf der Geschichteder Musikbeobachten,
z. B. der Generalbass, dessen Realisierung von den Fähigkeiten des Organisten
oder Cembalisten abhängig war, die Solokadenz in Konzerten vor Beethoven, die
melodischen und rhythmischen Variationen im Jazz oder die Ornamentik u. s. w.
gelten als aleatorische Mittel. Allerdings ist für die Aleatorik des 20. Jahrhunderts
bezeichnend, dass der Komponist dem Künstler bewusst Freiheiten lässt, aber
zugleich auch die Grenzen setzt.
Der Pointillismus zeichnet sich dadurch aus, dass Kompositionen aus Tonpunkten
auf gebaut sind. Die einzelnen Noten sind im vertikalen Raum, aber in erster Linie in
der Horizontale (in der Zeit) verstreut. Diese Methode unterscheidet sich sehr stark
von
der
gleichnamigen
Stilrichtung
in
der
Malerei.
Während
bei
einem
pointillistischen Bild die Farbpunkte sehr eng angeordnet sind, sodass das Ganze in
den Augen der Betrachter zu einer Einheit verschwimmt, sind die Schallpunkte einer
pointillistischen Komposition weit voneinander entfernt, sowohl in der Vertikalen
(Intervalle) als auch der Horizontalen (Zeit). Daher ist es unmöglich, eine Synthese
des Wahrgenommenen zu erreichen. Das Erklingen der einzelnen Töne ist in der
Regel
durch
Pausen
getrennt,
zusätzlich
werden
sie
von
verschiedenen
Instrumenten (Register, Klangfarben) gespielt. Die Töne erklingen vereinzelt; es
14
kommt selten vor, dass mehr als zwei Töne zugleich erklingen, weswegen der
Eindruck von Harmonik nicht möglich ist.
Minimalismus ist ein Verfahren, im Zuge dessen das ganze musikalische Material
auf ein Minimum reduziert wird. Es ist eine Reaktion auf die Komplexität anderer
Kompositionstechniken,
insbesondere
einige
Formen
der
seriellen
Musik.
Minimalismus ist eine Erscheinungsform der neuen Einfachheit, die in diesem Fall
auf der ständigen Repetition eines bestimmten Klangmusters beruht. Vorhanden sind
nur mehr kaum bemerkbare harmonische Veränderungen, die einen statischen
Eindruck dieser Werke bedingen.
In der Musik des 20. Jahrhunderts sind die kompositorischen Mittel in hohem Maße
vom Stil und den ästhetischen Eigenschaften des resultierenden Werkes getrennt.
Harmonik als ein musikalisches Ausdrucksmittel kann nur teilweise stilistisch
spezifisch sein. Dies bedeutet, dass dieselben harmonischen Merkmale im gesamten
Spektrum der verschiedenen Stile der zeitgenössischen Musik aufscheinen. Der
Unterschied liegt nur in der Weise und den Umständen ihrer Anwendung.
15
4. Das Konzert
Ursprünglich ist das Konzert eine vokal-instrumentale Komposition. In seiner
Diskussiones Konzerts im Syntagma Musicum (Schriften zur Musik) aus dem Jahr
1619 unterscheidet der deutsche Komponist und Theoretiker Michael Praetorius zwei
Arten des Vokal-Instrumentalkonzerts. Der erste Typ ist eine Zusammensetzung, in
der mehrere Gruppen einander entgegengesetzt werden, während die zweite Art
durch die Existenz von Soli und Basso continuo gekennzeichnet ist. Er stellt ferner
fest, dass der Text entweder religiösen Charakter hat oder ernste weltliche Themen
aufgreift und dass das Konzert in Kirchen und Klöstern aufgeführt wird. Heute kann
man dank der überlieferten Bilder solcher Konzerte davon ausgehen, dass VokalInstrumentalkonzerte vorwiegend in Kapellen, vor allem der Schlosskapelle,
stattfanden.
4. 1. Barockkonzert
Als reine Instrumentalkomposition entwickelte sich das Konzert im17. Jahrhundert,
nämlich als Concerto grosso. Es wurde für einen oder mehrere Solisten
(Concertino)und Streichorchester(Concerto grosso), die einander entgegengesetzt
sind, geschrieben. Concert igrossi konnten drei oder, öfter, mehr Sätze aufweisen.
Die Hauptvertreter dieser Konzertform in Italien sind Arcangelo Corelli (1653–1713),
Giuseppe Torelli (1658–1709) und Antonio Vivaldi. Die 12 Concerti grossiop. 6 von
Arcangelo Corelli, die im Jahr 1714 veröffentlicht wurden, enthalten Concertinos, in
denen die erste Geige dominiert. Sein Einfluss ist weniger auf der formalen, als
hauptsächlich auf der stilistischen Ebene zu suchen; eine ganze Generation
italienischer Komponisten übernahm seine Art des Schreibens für die Violine. Torelli
reduzierte in seinen Konzerten op. 8 das Concertino auf zwei Violinen, manchmal nur
auf eine. Vivaldi komponierte in den Jahren 1710 bis 1740mehr als 400 Konzerte. Er
etablierte die dreisätzige Form für Solokonzerte mit der Satzfolge schnell-langsam16
schnell, die ebenso in der Klassik und der Romantik verwendet wurde. Im ersten
Satz wechseln die Solo- und Tuttiabschnitte ab. Der zweite Satz weist eine freie
Form auf, während der dritte Satz, der nach demselben Prinzip wie der erste
aufgebaut ist, eine große dreiteilige Form hat oder ein Rondo ist. In diesen frühen
Konzerten spielen die Solisten beiden Tuttistellen in der Regel mit dem
Orchesterzusammen. Der Solopart unterscheidet sich von den Tuttistellen durch
seine Virtuosität.
Die Solisten sind im ständigen Dialog mit dem Orchester. Vivaldi stellte
unterschiedlichste Instrumentenkombinationen für die Sologruppe zusammen, z. B.
zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott oder Violine.
In Deutschland sind die wichtigste Komponisten Johann Sebastian Bach und Georg
Friedrich Händel. Bach schrieb zwischen1720 und 1735über 24 Konzerte. Er führte
Änderungen am italienischen Modell durch: die Themen sind im melodischen Sinn
schärfer konturiert; an einigen Stellen wendete er Kontrapunkt an. Folgendes
Zitatzeugt von seiner Kreativität:
„Besides the transcriptions and the magnificent six Brandenburg Concertos,
with all their own varieties of scoring, he left concerti in which the solo
requirements are one violin; two violins; flute, violin, and harpsichord; violin
and oboe; one harpsichord; two harpsichords; three harpsichords; and four
harpsichords. The majority of the harpsichord concerti are further
transcriptions and reworkings, some not yet tracked to their sources. For
example, two of seven solo harpsichord concerti come from Bach’s own
solo violin concerti, and the concerto for four harpsichords comes from
Vivaldi’s Opus 3, No. 10, for four violins.“2
2
„Neben den Transkriptionen und den herrlichen sechs Brandenburgischen Konzerten, mit ihrer
eigenen Besetzungsvielfalt, hinterließ er Konzerte für eine Solovioline; zwei Violinen; Flöte, Violine
und Cembalo; Violine und Oboe; ein Cembalo; zwei Cembali; drei Cembali und vier Cembali. Der
Großteil der Cembalokonzerte sind Transkriptionen und Bearbeitungen, von denen einige noch nicht
bis zu ihren Quellen zurückverfolgt sind. Zum Beispiel können zwei von sieben Cembalokonzerte auf
Bachs Soloviolinkonzerte zurückgeführt werden, und das Konzert für vier Cembali auf Vivaldis op. 3,
Nr. 10 für vier Violinen.“
http://www.britannica.com/art/concerto-music/Major-contributions-27509
17
Dies zeigt auch seine Bemühungen, das Cembalo als konzertierendes Instrument zu
etablieren.
Händel schrieb zwischen 1715 und 1750 rund 35 Konzerte, einschließlich drei
Sammlungen von Orgelkonzerten mit Oboe und Streichern, eine Sammlung für
Streicher und Bläser (Opus 3), eine Sammlung für zwei Violinen und Cello (Opus 6),
die Corellis Modell zum Vorbild hatte, und andere Konzerte. Sein Stil ist wegen des
ständigen Einflusses des französischen Tanzes und wegen seiner offeneren,
weniger komplizierten Textur spezifisch. Die Atmosphäre seiner Musik im
Allgemeinen ist leicht undluftig, vergleichbar mit kammermusikalischen Werken.
Das Concerto grosso dominierte den Zeitraum bis 1750. Der Zeitraum ab der Mitte
des 18. Jahrhunderts wurde vom Solokonzert eingenommen. Es gibt Unterschiede
zwischen der früheren Solostimme, die ein minimales Concertino war, und der
späteren Solostimme, die ein autarker Widersacher des Orchesters war. Es gibt auch
bezüglich der Instrumentierung einen Unterschied zwischen den beiden Arten: In der
Zeit, in der das Concerto grosso durch das Solokonzert ersetzt wurde, wurde der
Basso continuo weggelassen.
4. 2. Klassisches Konzert
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Aufführung von Konzerten in den
Konzertsaalverlegt, manchmal wurde es auch im Theater aufgeführt. So spielte
beispielsweise der italienische Komponist und Violinist Francesco Maria Veracini
seine Konzerte in den Pausenzwischen den Akteneiner Oper.
Der Unterschied zwischen der Solostimme und dem Orchester wird immer größer.
Die Solisten spielen die Tuttiteile nicht mehr mit dem Orchester mit, sondern streng
definierte Soli. Die Basis des Orchesters besteht aus Streichern, zu denen Bläser
hinzugefügt werden. Sie stellen nicht die Opposition dar, um einen klangfarblichen
Kontrast zu erreichen, sondern sie bereichernden Gesamtklang. Zugleich wird die
Solostimme immer individueller und virtuoser, als Folge der sich weiterentwickelnden
18
Ausbildung an Spieltechniken. Vor allem die Werke für Violine weisen eine große
Virtuosität auf, stammen diese Werke doch von Komponisten, die auch großen
Virtuosen waren: Jean-Marie Leclair, Pietro Locatelli, Francesco Maria Veracini und
Giuseppe Tartini.
Ab dem Jahr 1780, auf dem Höhepunktder klassischen Zeit, rückt das Klavier in den
Fokus jener Komponisten, die sich mit dem Solokonzertbeschäftigen.
„Now, with the greater independence of the solo part and the greater selfsufficiency of a keyboard part, both the drama and the variety of the tuttisolo opposition could be increased considerably. As for the variety, either
orchestra or soloist might perform alone, either might carry the theme while
the other accompanied, or the two might share in the theme by doubling, by
antiphony (alternating with each other in playing phrases of the theme), or
by more rapid interchange and alternation.“3
Die dreisätzige Form mit der Satzabfolge schnell-langsam-schnell wurde in der
Klassik noch mehr standardisiert. Sie wird ohne Ausnahme in den Konzerten der drei
größten Meisterdieser Epoche, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und
Ludwig van Beethoven, verwendet. Der Eröffnungssatz weist in der Regel die
Sonatenform auf. Für das Finale werden am häufigsten –abgesehen von einem
gelegentlichen
Menuett
in
Haydns
Konzerten
–die
Formen
Rondo
und
Sonatenrondo4verwendet. Dem zweiten Satz liegt in der Regeleine Liedform (ABA)
zugrunde, aber bei Beethovenkann man verschiedene Formen beobachten, z. B.
freie
Variationen
im
Violinkonzert
oder
dialogähnliche
Fantasien
im
3
http://www.britannica.com/art/concerto-music/The-Classical-concerto-c-1750-1830, „Jetzt,
mit dergrößeren Unabhängigkeitder Solostimmeund der größeren Selbständigkeit der
Tasteninstrumente, konnte sowohldas Drama als auch die Vielfaltder Tutti-Solo-Opposition
erheblich gesteigert werden. Um Vielfalt zu erlangen, kann entweder das Orchesteroderder
Solistallein spielen, beide können das Thema spielen, während der jeweils andere Part
begleitet, oder beidekönnendas Themadurch eine Verdoppelung oder Antiphonie (Teile des
Themas abwechselnd mit einander spielen) teilen oder durch schnelleren Austausch.“
4
Diese Form vereint den wiederkehrenden Refrain des Rondos mit dem Entwicklungsprinzip
der Sonatenform.
19
KlavierkonzertNr.4in G-Dur op. 58. Die Sonatenformder Klassik war – im Gegensatz
zu den heute oft anzutreffenden Darstellungen – kein Konzept, das von Komponisten
streng eingehalten wurde und dem sie blindgefolgt sind. Besser ist es,
überEigenschaften zu sprechen, die einer großen Anzahl an Werken gemeinsam
sind. Der häufigste Fall ist wie folgt: Das Orchester präsentiert die Exposition in der
Grundtonart, danach folgt der Einsatz des Solisten. Er entwickelt das Thema und
moduliert in eine naheliegende Tonalität. Die Sonatenform in einem Solokonzert
wurde dank der individualisierten Behandlung des Soloinstrumentes und der
virtuosen Passagen oft freier gehandhabt als in einer Symphonieoder einem
Streichquartett. Der Solopart erreicht seinen Höhepunkt in der Solokadenz, in der der
Solist mit dem motivischen Material des Konzerts improvisiert und seine Virtuosität
zeigt. Sie erscheint in der Regelkurz vor dem Ende des ersten Satzes, sie kann
jedoch auch in anderen Sätzen auftreten. Die Instrumentalkadenz existiert bereits in
den späten Barockkonzerten und stammt aus den Opernarien der Zeit, in denen die
Sänger eine Vielzahl von Koloraturen ausführten, um ihre Fähigkeiten zu zeigen.
Diese Praxis der improvisatorischen Kadenz endete mit Beethoven. Er war der erste
Komponist, der die Kadenzen zu seinen Konzerten notierte. Er schuf auf diese Weise
ein sinnvolles, geplantes, musikalisch abgerundetes Ganzes, das den Höhepunkt
des ganzen Werkes darstellt. Viele Virtuosen komponierten eigene Kadenzen, weil
sie der Auffassung waren, dass die Kadenzen der Komponisten nicht virtuos genug
waren. Dies führte in vielen Fällen jedoch dazu, dass diese Kadenzen zu lang oder
harmonisch sowie motivisch unzureichend mit dem jeweiligen Konzert verbunden
waren.
4. 3. Das Konzert in der Romantik
Die Romantik war vom ständigen Streben nach Verbindung des musikalischen
Inhalts innerhalb der Sätze und zwischen den Sätzen geprägt. Die meisten
Komponisten, deren Werke heutzutage noch aufgeführt werden, versuchten, die
traditionellen Prinzipien der Strukturierung des musikalischen Werks zu fördern. Die
Veränderungen, die in dieser Epoche zu tragen kamen, werden in der Enzyklopädie
Britannica sehr deutlich erklärt:
20
„First, there is the elimination, in the opening movement, of the long initial
tutti section […].Second, there is the interlocking of the movements,
achieved by leading not only from one movement to the next without
appreciable pause in time or sound but also without either a definitive
cadence (stopping point made clear by the harmonies) or full break in the
continuity of harmonies or tonality […]. A third Romantic innovation is the
effort to bind the cycle more positively through the use of related themes
and motives in the successive movements. Such themes and motives can
be only melodic nuclei […] or they may be more extended melodic thoughts
[…].Fourth, there are certain other, more incidental, yet effective means of
unifying the cycle. These include the sense of culminating joy or triumph in
those many concerti that change from a minor home key to its tonic major
(for example, from A minor to A major) for the finale […] a fifth category,
there is the extra musical unification of the cycle by means of a program—
that is, a story or image […].Sixth and last, there are numerous efforts to
contract or consolidate the concerto cycle still more drastically, by fusion of
movements.“5
Sprache. Die Textur ist voller, Komponisten verwenden zunehmend extreme Lagen
der Instrumente (z. B. Piccolo und Tuba); die Harmonik ist dissonanter und freier
sowie durch chromatische Akkorde angereichert: „chords whose notes do not all
belong to the key of the composition and that frequently seem to have a more
expressive character.“6Außerdem gibteskurze, vorübergehendeModulationen, deren
Funktionen allerdings eher koloristischer als strukturell bedeutender Natur sind. Die
Melodie wirdfreier gebaut.
5
„Erstens kommt es im Eröffnungssatz zur Beseitigung der langen Tuttistelle zu Beginn [...]. Zweitens
kommt es zu einem Ineinandergreifen der Sätze, das nicht nur durch die Abwesenheit einer deutlichen
Pause entsteht, sondern auch durch das Fehlen einer definitiven Kadenz (durch die Harmonik
verdeutlichter Haltepunkt) und eines deutlichen tonalen Bruchs [...]. Eine dritte romantische Neuerung
ist die Anstrengung, das gesamte Konzert mithilfe von motivisch und thematisch verwandten
Elementen zyklisch zu gestalten. Solche Themen und Motive können nur melodische Kerne sein[...]
oder längere melodische Gedanken [...]. Viertens gibt es bestimmte andere, eher zufällige, aber
effektive Mittel zur Vereinheitlichung des Zyklus. Dazu gehört die Kulmination in Richtung Freude und
Triumph im Finale vieler Konzerte, die durch den Wechsel von einer Molltonart in die gleichnamige
Durtonart bedingt ist(zum Beispiel von c-Moll nach C-Dur) [...] eine fünfte Kategorie ist die Vereinigung
des Zyklus mithilfe eines außermusikalischen Programms, das heißt, mit einer Geschichte oder einem
Bild [...]. Sechstens gibt es zahlreiche Bemühungen, die Form des Konzerts noch drastischer zyklisch
zusammenzuziehen,
nämlich
durch
die
Fusion
von
mehreren
Sätzen.“
http://www.britannica.com/art/concerto-music/Romantic-innovations, 14. 8. 2015
6
http://www.britannica.com/art/concerto-music/Romantic-innovations, 15. 8. 2015
21
Die musikalische Romantik wird Wesentliche Veränderungen zeigen sich in Bezug
auf die musikalische wesentlich von Volksmusik beeinflusstals Folge des Erwachens
desnationalen Bewusstseins. Später, als Folge dieses Einflusses, werden die
nationalen Stile entwickelt, die auch in etwas anderer Form im 20.Jahrhundert
bestehen. Volksmusikbeeinflusst sowohl die Melodik und Harmonik sowie den
Rhythmus (unregelmäßige Rhythmen). Ein typisches Beispiel ist Symphonie
espagnole für
Violine und Orchester (1875) des französischen Komponisten
Édouard Lalo. Dieses fünfsätzige Werk mit seinen scharfen Rhythmen und lyrischen
Melodien drückt
das
Temperament und
die
Leidenschaft der spanischen
Musikauthentisch aus.
Die wichtigsten Komponisten des romantischen Konzerts (sowie aller großen
Instrumentalwerke) sind meist Deutsche oder wurden in Deutschland ausgebildet. In
diesem Abschnittwerden die wichtigsten Komponisten von Violinkonzerten in dieser
Zeit und ihre Werkegenannt.
Felix Mendelssohn-Bartholdy schrieb das Violinkonzert in e-Mollim Jahr 1844, das
als eines der beliebtesten Werke der Violinliteratur gilt. Diese Gruppe der
beliebtesten Violinkonzerte umfasst die Werke von Ludwig van Beethoven (1806, in
D-Dur), Johannes Brahms (1878, in D-Dur), Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1878, in DDur) sowie vom finnischen Komponisten Jean Sibelius (1904, in d-Moll).
Diese Konzertesind heutzutageein wesentlicher Bestandteil des Repertoires jedes
großen Geigers und sie erfreuen sich großer Beliebtheit beimPublikum. Aufgrund
ihrertechnischen und expressiven Komplexität stellen diese Werke einen Teil
desregulären Repertoires von Violinstudenten dar und aus den gleichen Gründen
sindsiePflichtteil
des
ProgrammsbeiOrchesterprobespielen.Weitere
bedeutende
Werke stammen von Giovanni Battista Viotti, Niccolo Paganini (6 Violinkonzerte!),
Robert Schumann (1853, in d-Moll), Ludwig Spohr, Camille Saint-Saëns und
AntonínDvořák. Zu den wichtigsten Werken der Spätromantik gehören Konzerte von
Henri Vieuxtemps (5 Konzerte), zwei Konzerte von Henryk Wieniawski (1853 in fisMoll und 1856–62 in d-Moll), Max Bruch, Karl Goldmark, Alexander Glasunow (1904,
in a-Moll), Sir Edward Elgar (1910, in b-Moll).
22
4. 4. Das Konzert in der Moderne
Das moderne Konzert lässt den gigantischen Orchesterapparat hinter sich. Die
technischen Anforderungen für die Soloinstrumente sind nicht mehr so hoch wie in
der Zeit der Romantik und die Solisten nicht mehr so scharf dem Orchester
gegenübergestellt. Dies führt dazu, dass der Solist wieder verstärkt ein Teil des
Orchesters wird. Auch in Konzerten mit extrem virtuosen Solostimmen ermöglicht es
die moderne Musiksprache, den Solisten und das Orchester als Einheit zu sehen,
und nicht als Gegensatz, wie dies in romantischen Konzerten gehand habt wurde.
Ein gutes Beispiel für diese Praxis ist Sergej Prokofjews Konzert für Klavier Nr. 3 in
C-Dur op. 26 (1921). Die Komponisten verlassen die romantische Tradition,
außermusikalische Inhalte durch Instrumentalmusik auszudrücken. Die Musik soll
keine Gefühle ausdrücken odereinenbeschreibendenCharakter aufweisen. Es gibt
noch ein wichtiges Charakteristikumbezüglich der kompositorischen Praxis: Die
Aufmerksamkeit der Komponisten richtet sich wieder auf andere Instrumente, das
Klavier ist nicht mehr das Hauptinstrument des instrumentalen Konzertes.
4. 5. Violinkonzert in der Moderne
Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es keine großen Veränderungen im Bereich
des Violinkonzerts. Die meisten Werke sind bezüglich ihres Stils ähnlich wie die des
19. Jahrhunderts komponiert. Die bedeutenden Komponisten sind Jean Sibelius,
Alexander Glasunow, Carl Nielsen, Max Reger, Arnold Schönberg und Alban Berg.
Ihre Werke sind sehr expressiv, und diese Expressivität ist das fundamentale
Charakteristikum der Romantik. Die Harmonik ist reich, die Phrasen sind lang und die
Melodien ausdrucksvoll. Das zweite wichtige Merkmal ist die ausgeprägte Virtuosität
der Solostimme. Als gutes Beispiel dafür dient das Violinkonzert in D-Dur von Jean
Sibelius. Es war mit technischen Schwierigkeiten derart gesättigt, dass sich der
Komponist zwei Jahre nach der Uraufführung
aus praktischen und ästhetischen
Gründen dazu entschied, es zu revidieren. Das Konzert von Arnold Schönberg
gehört zu den schwierigsten Werken des Repertoires. Das dritte romantische
23
Merkmal ist die Differenz zwischen dem Orchester und dem Solisten. Der Solist spielt
bei den Tuttistellen nicht mit dem Orchester mit, vielmehr sind sie einander
gegenüber gestellt.
Als eine Reaktion gegen den reichen Klang der deutschen Romantik tritt nach dem
Ersten Weltkrieg der Neoklassizismus in Erscheinung. Dies hat sich für die
Violinliteratur als sehr fruchtvoll herausgestellt, besonders für das Violinkonzert. Die
bedeutenden Komponisten sind Igor Strawinsky, Sergej Prokofjew, Kurt Weill und
Darius Milhaud. Das Konzert von Samuel Barber (1941) ist neoromantisch. Die
Angehörigen der französischen Gruppierung „Les Six“ tendierten stärker zu den
kleinen musikalischen Formen, Darius Milhaud war der einzige Vertreter, der zur
Gattung Violinkonzert mit zwei Beiträgen aus dem Jahr 1920 beitrug.
In Deutschland wurden die barocken Formen und Kompositionstechniken vorsichtig
imitiert. Paul Hindemith schrieb seine 7 Kammermusikennach dem Modell
derBrandenburgischen Konzerte von Bach, wobeidie 4.Kammermusik (1925) ein
Violinkonzert ist.In diesen Werken versuchte Hindemith, den Geist des Concerto
grosso wiederzubeleben. Im Jahr 1939 schrieb er sein zweites Violinkonzert nach
dem Modell des symphonischen Konzertes des 19. Jahrhunderts. Kurt Weill
komponierteein Konzert für Violine und Holzbläserorchester im Jahr 1924.
Das wichtigste amerikanische Konzert dieser Zeit ist das neoromantische
Violinkonzert von Samuel Barber, welches im Jahr 1941 geschrieben wurde.
Die bedeutenden Komponisten in England sind Edward Elgar, Benjamin Britten und
William Walton. Die beiden letztgenannten Komponisten schrieben je ein
Violinkonzert in den Jahren 1938–39. Erwähnenswert sind auch die Werke von
Ralph Vaughan Williams (Konzert für Violine und Streicher nach dem Modell der
Konzerte von J. S. Bach und eine Rhapsodie für Violine und Kammerorchester The
Lark Ascending) und Arnold Bax (ein Konzert im Stil Mendelssohn-Bartholdys).
Im
Konzert
desspanischen
KomponistenRoberto
Gerhardsind
verschiedene
Elemente zubeobachten, nämlich tonale, atonale und serielle.Dieses Werkwurde am
Wendepunkt vom nationalen Stil zum Serialismus geschrieben.
24
Bei den wichtigsten Komponisten von Violinkonzerten in der Sowjetunion handelt es
sich um Dmitri Schostakowitsch, Aram Chatschaturjan und Dmitri Kabalewski, die
ihre Konzerte alle für David Oistrach schrieben. Hier sind auch die drei Konzerte von
Alfred Schnittke zu erwähnen, in denen man sowohl diatonische als auch atonale
Elemente findet.
4. 6. Überblick über die wichtigen Konzertkomponisten
AusÖsterreich
Schönberg
stammenAlban
komponierte
auch
Bergsund
eines
für
Arnold
Klavier.
Schönbergs
Alle
drei
Violinkonzerte,
Konzerte
sind
dodekaphonisch komponiert. Wichtige französische Komponisten bezüglich des
Solokonzerts sind: Claude Debussy, der die Fantasie für Klavier und die Rhapsodie
für Saxophon komponierte; Maurice Ravel, der zwei Klavierkonzerte (von denen
eines für die linke Hand allein ist) und ein Violinkonzert schrieb, und Darius Milhaud,
der Konzertefür verschiedene Instrumente schuf, darunter ein Konzert für
Mundharmonika
und
für
verschiedene
Instrumentalkombinationen,
darunter
Schlagzeug.
Aus Englandstammt ein Doppelkonzert für Violine und Violoncello von Frederick
Delius und es gibt verschiedene Werke von Sir Arnold Bax, Sir Arthur Bliss und
Ralph Vaughan Williams. Von amerikanischen Komponisten wurden folgende
Konzerte geschrieben: George Gershwins erfolgreiche Konzerte, darunter Rhapsody
in Blue(1924) für Klavier und Jazzorchester, und Aaron Coplands Klavierkonzert
(1926), in dem ebenso Jazzelemente aufgegriffen werden. Sergej Prokofjew schrieb
fünf Konzerte für Klavier, ein Konzert für Violoncello und zwei Konzerte für Violine
(D-Dur, 1915–1923,und g-Moll, 1935). Igor Strawinsky komponierte zwei Konzerte
für Horn, eines für Violine (in D-Dur, 1931), eines für Oboe und ein Doppelkonzert für
Klarinette und Fagott. Der spanische Komponist Manuel de Falla schrieb ein
neobarockes Konzert für Cembalo (1924). Béla Bartók schriebvier Konzerte für
Klavier undzwei für Violine.
25
Die soeben erfolgte Darstellung ermöglichte es, einen Überblick über die
geschichtliche Entwicklung des Solokonzerts zu bekommen. In den folgenden
Kapiteln werden die wichtigen Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts thematisiert.
26
5. Wichtige Violinkonzerte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert
5. 1. Jean Sibelius: Violinkonzert d-Moll op. 47
Das Violinkonzert von Jean Sibelius (1865–1957)gehört zu den beliebtesten Werken
der gesamten Literatur für Violine und ist eines der schönsten. Wenn man das
Konzert heute hört, mit seinen wunderschönen langen Melodien (z. B. dauert das
Adagio-Thema des zweiten Satzes 20 Takte), dem farbvollen Klang und den
virtuosen
Momenten,erscheint
es,dass
das
Konzert
eine
Erweiterung
der
romantischen Tradition ist. Das ist zwar richtig, aber in der Zeit, in der es komponiert
und uraufgeführt wurde, war es für einen Teil des Publikums modern, merkwürdig
und schwierig zu verstehen.
Das Konzert wurde im Jahr 1903 komponiert. Jean Sibelius studierte Violine und
hatte das Ziel, ein großer Virtuose zu werden. Dieser Wunsch war wahrscheinlich der
Grund, dass er sich dafür entschied, ein Violinkonzert zu schreiben. Er machte sich
seine Sensibilitätund seine Kenntnisse des Violinspiels zunutze, um ein Werk zu
schreiben, das ein Teil des Standardrepertoires für Violine werden sollte.Sibelius
schrieb das Konzert für einen deutschen Violinisten, den damaligen Konzertmeister
des Philharmonischen Orchesters Helsinki, Willy Burmester (Carl Adolph Wilhelm
Burmester), der die erste Aufführung spielen sollte. Dieser Plan konnte allerdings
wegen den vielen Tourneen Burmesters nicht realisiert werden.Das Konzert wurde
schließlich vom Violinlehrer Viktor Nováček als Solisten und dem Philharmonischen
Orchester Helsinki unter der Leitung von Sibelius am 8. Februar 1904 im
Musikinstitut Helsinki uraufgeführt.
Die Kritiken waren größtenteils gut, obwohl nicht vergleichbar mit dem triumphalen
Erfolg seiner Symphonien. Zu dieser Zeit galt Sibelius bereits als renommierter
Komponist, seine Werkewaren beim Publikum beliebt und erfreuten sich großer
Popularität. Seine Symphonien bekamen nur die besten Kritiken. Vielleicht lag darin
der Grund, dass das Violinkonzert nur wenig Zustimmung bei manchen Rezensenten
fand. Erkki Salmenhaara thematisierte die Kritik in seinem Buch Jean Sibelius, Violin
Concerto. Karl Flodin zum Beispiel, der für Helsingfors-Posten schrieb, kündigte
seine negative Meinung an. Nach der ersten Aufführung schrieb er:
27
„We are afraid - - that the new violin concerto will not form a link in the
chain of really notable modern creations of this genre, much less build an
epoch. Permit me to say that the concerto is boring, a thing which one so
far could not say of a composition by Jean Sibelius, however strange it may
appeared in the beginning.“
Flodin
erwartete
ein
nationalistisches
Solokonzert
und
kritisiertedie
traditionelleForm sowie die technischen Schwierigkeitendes Konzerts:
„Above all, one had expected a Finnish, Sibelian Violin Concerto,
something quite new in form, in the handling of the technical aspect, in the
whole concept of the genre. This was realized only in part and in a way
other than one had imagined […] as well, he navigated in full sail into the
virtuosity’s mainstream, taking with him all that his predecessors en route
had carried as ballast. And the result was a technical overload, which not
only brought about quite overwhelming difficulties for the soloist but also
drew down the whole composition to average level.“7
Diese Kritik, welche auch auf die technischen Schwierigkeiten abzielt,enthälteinen
kleinen Kern der Wahrheit. Tatsächlich ist die Originalversion viel schwieriger zu
spielen als die revidierte Version, die man heutzutage oft hört, obwohl auch sie als
ein schwieriges Konzert gilt. Sibelius schuf ein Violinkonzert mit vielen technischen
Schwierigkeiten, welches nur von Virtuosen ihres Instruments gespielt werdenkann:
Es beinhaltet virtuose Läufe, Terzen, Sexten, Oktaven und galt als fast unspielbar.
Sibelius war nicht zufrieden mit dem Konzert. Einerseits stand er unter dem Einfluss
der negativen Kritik, andererseits verstand er, dass es wirklich zu schwierig zu
spielen war, und entschied sich, es zu revidieren. Der Komponist versuchte,eine
neue Version zu schreiben. Er strich viele virtuose Passagen und vereinfachte die
Form. Vergleicht man die zwei Versionen, dann bemerkt man, dass die revidierte
Version etwas kürzer als die Originalversion ist: Der erste Satz umfasst in der
Originalversion 542 Takte, in derneuenVersion hingegen nur 499 Takte; der dritte
7
Karl Flodin, zit. nach: Erkki, Salmenhaara: Jean Sibelius, Violin Concerto, S. 19 „Vor allem erwartete
man sich ein finnisches, Sibelius’sches Violinkonzert, etwas ganz Neues bezüglich der Form, der
Handhabung der technischen Aspekte, des Gesamtkonzepts des Genres. Dies wurde nur teilweise
und auf einem anderen Weg realisiert, als man sich vorgestellt hatte […] außerdem navigierte er mit
vollen Segeln in den Mainstream der Virtuosität und nahm alles mit, was seine Vorgänger auf
demselben Weg als Ballastmitgeführt hatten. Und das Ergebnis war eine technische Überlast, die
nicht nur ziemlich überwältigende Schwierigkeiten für den Solistenmit sich brachte, sondern auch die
gesamte Kompositionauf ein durchschnittliches Niveau sinken ließ.“
28
Satz ist nach der Revision 58 Takte kürzer (Original: 326, neue Version: 268 Takte).
Der zweite Satz blieb fast unverändert: Er ist 69 Takte lang, weist weniger
Ornamente auf und die ein taktige Kadenz fünf Takte vor dem Ende des Satzes
wurde gestrichen.Die revidierte Version wurde am 19. Oktober 1905 mit Karel Halir
als Solisten und der Berliner Hofkapelle unter der Leitung von Richard Strauss in
Berlin uraufgeführt.
Der zweite Satz gewann sofort nach der ersten Aufführung die Herzen des
Publikums. In der schwedischen Zeitung Hufvudstadsbladet schenkte Alarik Uggla
diesem Satz seine Aufmerksamkeit:
„This new, strongly inspired, and ingeniously designed composition,
which in both its brilliant outer movements brings such overwhelming
challenges for the performer, owns in the middle movement, Adagio
di molto, a musical pearl of incomparable beauty, a match for which it
is not easy to find in the violin literature.“8
1. Satz: Allegro moderato
Das Thema der Solovioline mit den ersten und zweiten Geigen im Hintergrund
eröffnet das Konzert. Es gibt keine echte Orchestereinleitung, vielmehr bereiten die
ersten und zweiten Geigen die Atmosphäremit lediglich drei Takten vor dem
Einsatzder Solovioline vor. Das folgende Notenbeispiel zeigt diese ungewöhnliche
Einleitung und den Anfang des Themas der Solovioline:
8
Salmenhaara, Erkki: Jean Sibelius, Violin Concerto, S. 17/18, „Diese neue, starkinspirierte undgenial
konzipierte Komposition, die in ihren beiden brillanten Ecksätzen solche überwältigen den
Herausforderungen für die Ausführenden birgt, besitzt im Mittelsatz, Adagio di molto, eine
musikalische Perle von unvergleichlicher Schönheit; eine Kombination, die in der Violinliteratur nicht
leicht zu finden ist.“
29
Notenbeispiel Nr. 1: Beginn des ersten Satzes
Schon zu Beginn des Werkes zeigen sich viele Charakteristika von Sibelius’Stil:
lange, gehaltene Töne an den Anfängen und Schlüssen der Phrasen, diesogenannte
Sibelius-Triole, dorische Melismen (d-f-a-c b-a) und die übermäßige Quart als
lydisches Element. Die fallende Quint ist auch von großer Bedeutung, da sie im
gesamten Werk erscheint. Die virtuosen Elemente wachsen schrittweise an:
gebrochene Akkorde, Sexten, Dreiklänge, und die Kulmination wirdim Lauf Veloce
sul Gerreichtund hält bis nach der Quasi-Kadenz (Largamente) an. Im folgenden
Notenbeispiel wird die Quasi-Kadenz,die bis zur Angabe TempoI dauert, gezeigt:
30
Notenbeispiel Nr. 2:die Quasi-Kadenz
Die Kadenz schließt mit parallelen Oktaven ab. Das zweite Thema wird vom
Orchester gespielt, dann übernimmt die Soloviolinedie Melodie. Dieses Mal ist das
Thema mit Sexten und Oktaven angereichert. Der Rhythmus ist interessant und stellt
ein wichtiges Stilcharakteristikum Sibelius’ dar: Während die Violine Triolen (6/4)
spielt, erklingt ein 4/4-Rhythmus imOrchester. Der nächste Einsatz des Orchesters,
der 55 (!) Takte umfasst, bringt neues melodisches Material, welches in der Reprise,
sowie das erste und zweite Thema, wiederholt wird.Dieses Mal scheinenintensive
virtuose Läufe und Doppelgriffe in der Solovioline auf. Danach folgt die Kadenz. Der
Komponist verwendet motivisches Material, mit dem der Zuhörer schon vertraut ist.
Die Kadenz ist sehr virtuos, mit vielen Doppelgriffen, schnellen Läufen und
gebrochenen Akkorden. In der Reprise erklingt das erste Thema in der Geige im
tiefen Register, es wird auf der G-Saite gespielt. Die Coda erscheint als Allegro molto
vivace und läuft wie ein wütender Sturm zu Ende.
31
2. Satz: Adagio di molto
Der zweite Satz fängt mit dem außerordentlich chromatischen Motiv in parallelen
Terzen in den Holzbläsern an. Esentwickelt sich aus der perfekten, ruhigen
Atmosphäre. Das wunderbare Adagio-Thema, welchesinsgesamt 20 Takte dauert
und auf der G-Saite gespielt wird, wirdvon der Solovioline gespielt. Folgendes
Notenbeispiel zeigt dieses Thema.
Notenbeispiel Nr. 3: Thema des zweiten Satzes, Solovioline
Diese Melodie enthält die fallende verminderte Quint und mutet deswegen lydisch
an. Nach dem Adagio-Thema entwickelt das Orchester das Anfangsmotiv in Kontrast
zum Thema, aber es gibt dennoch eine Verbindung zwischen den beiden
musikalischen Materialen, nämlich das Synkopenmotiv, welches zum ersten Mal im
6. Takt in der Begleitung auftritt, nur jetzt diminuiert. Nach dem Einsatzdes
Orchesters spielt die Violine den originellen Synkopenrhythmus in Kombination mit
großen Triolen, und das Orchester setzt mit den diminuierten Synkopen
fort.Schrittweise kommtes durch die Hauptmelodie im Orchester und die triolische
Begleitung in der Soloviolinezur Kulmination des Satzes. Der intensivstePunkt wird
nach den Trillern der Solovioline erreicht. Die Reprise desAdagio-Themaserklingtim
Orchester. Langsam kehrtdie Ruhe desAnfangs wieder ein und der Satz endet mit
dem Ton d(große Terz) in zwei hohenOktaven.
32
3. Allegro
DasFinale ist sehr virtuos und aufregend. Im Solopart sind parallele Terzen, Oktaven,
Doppelgriffe, gebrochene Akkorde, schnelle Läufe und, kurz vor dem Schluss,
Dezimen enthalten. Bei den wesentlichen rhythmischen Figurendieses Satz es
handelt es sich um Triolen und punktierte Rhythmen sowie um Quintolen. Es ist
bemerkenswert, dass sie im ganzen Konzert erscheinen. Der punktierte Rhythmus
verleihtdiesem Satz einen scharfen und brillanten Charakter, während die Quintolen
oder Triolen als weiche Figuren immer einen Kontrast darstellen. Der Dialog
zwischen dem Orchester und dem Solisten ist während des ganzen Satzes
vernehmbar. Dieser rhythmische Kontrast zusammen mit dem soeben genannten
Dialog hält den Schwung bis zum Ende aufrecht. Die erste Orchesterepisodebringt
neues musikalisches Material mit eineminteressanten Rhythmus: Der Komponist
kombiniert 6/8- und 3/4-Taktsowie Hemiolen, dies alles ist im 3/4-Taktnotiert. Nach
der Orchesterepisode übernimmt die Violine die Melodie in einer rhythmisch
komplizierteren Variante, die mit Doppelgriffen und gebrochenen Akkorden
angereichert ist.Das Haupt-Thema kommt noch einmal nach dem Übergang, nachder
Episode in d-Moll mit den Flageolettsin der Solovioline.Dies markiert den Beginn des
Endes: Das Rondo-Thema erscheint nicht mehr, nur derpunktierte Rhythmus als
Erinnerung.
Das Violinkonzert von Jean Sibelius gehört zu den wichtigsten Werken der
Konzertliteratur für Violine. Esist das einzige Konzert aus dem 20.Jahrhundert, das
beiallen Orchesterprobespielenvorgetragen werden kann; es steht somit neben den
Violinkonzerten von P. I. Tschajkowskij und J. Brahms. Es ist üblich, dass
Violinstudenten sich mit diesem Konzert auseinandersetzen und es einstudieren, und
jeder bedeutendeViolinist hat dieses Werk in seinem Repertoire.
33
5. 2. Alexander Glasunow: Violinkonzert in a-Moll op. 82
Glasunow schrieb sein Violinkonzert für den berühmten Geiger Leopold Auer. Das
Werk wurde am 15. Februar 1905 in Sankt Petersburg im Rahmen eines Konzerts
der Russischen Musikgesellschaft uraufgeführt, mit dem Komponisten als Dirigent
und Leopold Auer als Solist.
Das Konzert weist lediglich einen einzigen Satz auf, die einzelnen großen, in sich
geschlossenenTeile folgen ohne Unterbrechung. Jedoch kann das Werk,abhängig
vom Charakter und dem Tempo, auf unterschiedliche Weise in drei oder vier Teile
geteilt werden.Nachfolgend werden die großen Abschnitte, die in der Partitur mit
verschiedenen Tempobezeichnungen markiert sind, aufgelistet. Sie werden hier als
separate Sätze betrachtet, um die Analyse des Werks einfacher zu machen:
I. Moderato
II. Andante sostenuto– Moderato
III. Allegro
Das Konzert ist, obwohl es unterteilt werden könnte, ein ungebrochenes Ganzes.
Die Form ist ungewöhnlichund erweckt den Anschein, als ob der langsame Satz
(Andante sostenuto) in der Mitte des ersten Satzes eingebaut ist. In einer Kritik wird
diese interessante Struktur einfach beschrieben: „The concerto includes a slow
movement, marked Andante sostenuto, framed by the first movement Moderato.“9
Das Moderato beginnt mit dem wunderbaren Dolce-espressivo-Thema in der
Solovioline,das nach einer kurzen Vorbereitung in den Klarinetten und Fagotten
erklingt. Es ist ein typischerspätromantischer Satz, der durchendlose Phrasen und
einen reichen Orchesterklang geprägt ist. Schon zu Beginn scheintjene punktierte
Figur auf, die im gesamten Werk immer wieder verwendet wird. Imnächsten
Notenbeispielwird das Eröffnungsthema gezeigt.
9
http://www.naxos.com/mainsite/blurbs_reviews.asp?item_code=8.550758&catNum=550758&filetype=
About%20this%20Recording&language=English
34
Das Thema dauert bis zum Gis im neunten Takt. Danach folgt die Entwicklung des
Themas:
Notenbeispiel Nr. 4: Das Thema und die Entwicklung, Solovioline
Das erste,„russische“ Thema und das lyrische zweite Tranquillo-Thema kontrastieren
zueinander.
Das Thema desAndante sostenutobeginnt mit jener punktierten Figur in der
Solovioline, die das erste Mal bereits am Anfang des Konzerts erscheint.Dieser Satz
ist ab dem ersten Ton sehr expressiv, hier kann der Solist all seine Leidenschaften
ausdrücken. Das Thema wird zuerst auf der G-Saite gespielt, um eine dunklere
Klangfarbe zu erhalten.FolgendesBeispiel zeigt den Anfang des Satzes bis zum
zweitenEinsatzdes Themas.
35
Notenbeispiel Nr. 5: Andante sostenuto, Solovioline
Das Andante sostenuto endet mit zwei Pizzicato-Akkorden in der Solovioline. Die
Reprise des Moderatos ist mit virtuosen Passagen in der Solovioline angereichert, zu
finden sind auch Doppelgriffe (Sexten und Oktaven) und Dreiklänge. Vor dem Ende
des Satzes kommt die Reprise des zweiten Themas; dieses Mal im tiefen Register,
nämlich auf der G-Saite. Mit einer Passage leitet die Solovioline die Kadenz ein.
Die Kadenz ist ziemlich lang, wenn man sich die Länge desgesamten Werkes vor
Augen hält. In der Kadenz finden sich viele Doppelgriffe und sie ist sehr
anspruchsvoll zu spielen. Jedoch ist sie nicht virtuos, denn es scheinen keine
schnellen Läufe auf – ausgenommen das Animato vor dem Ende, das direkt zum
Finale führt. Sie ist sehr expressiv und ausdrucksvoll. Für mich ist sie der schönste
Teil des Werks.
In der Kadenz wird zunächst das Tranquillo-Thema des ersten Satzes aufgegriffen.
DessenMelodie erscheint sogleich in variierter Weise,sie ist mit Vorschlägen und
gebrochenen Akkordenangereichert. Am Ende jeder Phrase ist ein kurzer Lauf
hinzugefügt, durch seine kurzen Sechzehntelnoteneinen Kontrast zum Thema
darstellt.Gleich nach dem zweiten Lauffolgt – auch variiert – das Thema des
Satzanfangsund wird mit Pizzicato-Akkorden abgeschlossen. Nach dem Pizzicato
folgt dasin seiner Melodik und Rhythmik unveränderte Thema, allerdings in einer
anderen Tonart.Danach wird es zweistimmig variiert. Nahezu die ganze Kadenz ist
36
im polyphonen Prinzip gestaltet. Die Notenwerte der unteren Stimme werden immer
kürzer, je weiter die Kadenz voranschreitet.Der Übergang (das Animato) zum letzten
Satz klingtschließlich so, als ob der Solist Triller spielen würde, obwohl alle Noten
genau notiert sind.Mit dem letzten,wilden Lauf leitet die Solovioline direkt ins Finale
über. In den Notenbeispielen wird die gesamte Kadenz und der Anfang des Animato
gezeigt.
37
Notenbeispiel Nr. 6: Die Kadenz
38
Der Anfang des Animato: Die ersten zwei Takte klingen so, als ob Triller gespielt
werden.
Notenbeispiel Nr. 7: Der Anfang des Animato
Die Trompeten eröffnen das Finale. Sie spielendas Thema mit dem gut erkennbaren,
punktierten
Rhythmus.
Dies
klingt
aufgrund
der
Besetzung
und
des
Rhythmusmilitärisch. Die Solovioline antwortet mit derselben Melodie. Danach
erklingen wieder die Trompeten, schließlich übernimmt die Solovioline noch einmal
die Melodie und variiert sie. Die Solovioline spielt fast allein, mit sehr wenig
Begleitung. Während des gesamten Satzes führen die Solovioline und das Orchester
oder einige solistische Instrumente einen Dialog. Der Unterschied zwischen
solistischer Stimme und Begleitstimme ist sehr deutlich zu vernehmen.Ab der Ziffer
36 beginnt ein Abschnitt, der einen anderen Charakter aufweist. Er ist lyrisch und
elegant und ist in der Partitur mit „grazioso“ bezeichnet. Das nächste Notenbeispiel
zeigt den Anfang des Satzes mit der Trompeteneröffnung und dem erstenEinsatz der
Solovioline:
39
Notenbeispiel Nr. 8: Der Anfang des 3. Satzes
Bei Glasunows Konzert handelt es sich um ein romantisches Werk, dessen Vorbilder
– die Konzerte der späten Romantik – sogleich erkennbar sind.Die einzigartige
formale Gestaltung als ein einziger Satz ist eine Folge der Bemühungenromantischer
Komponisten,alle Sätze des Werkes zyklisch miteinander zu verbinden.
Dieses Werk gehört nicht zu den großen Violinkonzerten, und es zählt auch nichtzur
Auswahl, die bei Probespielen verlangt wird. Dennoch gehört es zu den schönsten
Violinkonzerten und es wird sehr oft gespielt – sowohl von Studenten als auch von
berühmten Violinisten.
40
5. 3. Karol Szymanowski: Violinkonzert Nr. 1, op. 35
Bei diesem Werk handelt es sich um das erste moderne Violinkonzert. Keith
Anderson beschreibt es folgendermaßen:
„Das Neuartige dieses einsätzigen Konzerts[…] liegt in der Ausarbeitung
des melodischen Materials und der Klarheit seiner Struktur. In einer
ekstatisch wirkenden Melodielinie mit oft chromatischen Passagen und
Arabesquen erhebt sich die Solovioline über einem flirrenden Klangteppich,
in dem kleine, ständig wechselnde Instrumentengruppen das musikalische
Material immer wieder neu einfärben.“10
Szymanowski verließ mit diesem Werk die Tradition des 19. Jahrhunderts sowie das
Dur-Moll-System und schuf einen neuen Klang, eine neue koloristische Sprache und
eine neue Expressivität.Er folgte dabei keinen früheren Beispielen anderer
Komponisten. Vielmehr ist dieses Werk völlig originell. Eshat einen neuen Charakter
und ihm liegt eine neuartige formale und emotionelle Idee zugrunde. Der Komponist
legte die traditionelle Struktur ab und schrieb das Konzert in einem Satz. Keith
Anderson erwähnt Szymanowskis Auffassung über sein neues Werk in seinem Text:
„In einem Brief an seinen Freund Stefan Spiess schrieb Szymanowski über
das neue kleine Werk, daß es auf der einen Seite zu traditionellen Formen
zurückkehrt, während es auf der anderen Seite in neue Klangregionen
vorstößt. Das Neuartige dieses einsätzigen Konzerts, in dem die
sinfonische Viersätzigkeit noch rudimentär erkennbar ist, liegt in der
Ausarbeitung des melodischen Materials und der Klarheit seiner Struktur.“11
Bezüglich der Harmonik findet man in diesem Konzert ein sehr breites Spektrum
verschiedener Verfahrens weisen vor, so scheinen sowohl traditionell gestaltete
Passagen als auch neue Harmonik und Melodik auf. Zum ersten Mal verwendet der
Komponist einen Effekt, der in mehreren seiner späteren Werke auftaucht. Er
verändert plötzlich die harmonische Fortschreitung vom modernen Klang zur
Harmonie der Romantik, zur reinen Tonalität, und auf diese Weise erreicht er eine
bestimmte expressive Wirkung. Obwohl romantische Lyrik in diesem Werk gefunden
10
Keith, Anderson:
http://www.naxos.com/mainsite/blurbs_reviews.asp?item_code=8.557981&catNum=557981&filetype=
About%20this%20Recording&language=German
11
Keith, Anderson:
http://www.naxos.com/mainsite/blurbs_reviews.asp?item_code=8.557981&catNum=557981&filetype=
About%20this%20Recording&language=German
41
werden kann, geht die Stärke der Expressivität weiter als alle Modelle des
19.Jahrhunderts. The work could be described in terms of a special, personally felt
expressionism, rather than romanticism.“12Der besondere Charakter wird durch die
Verwendung von zweiemotionalen Elementen geschaffen: Märchenfantasie und
Romantik. Ersteres wird in den ornamentalen Figuren und dem farbvollen Klang
reflektiert, das Zweite in den intensiven melodischen und harmonischen Momenten.
Die melodischen Linien basieren auf „orientalischen“ Intervallen. Manchmal aber
auch auf rein tonalen, diatonischen Motiven, obwohl die harmonische Begleitung in
manchen Fällen dem tonalen Verständnis der Phrase widerspricht.
Das Konzert wurde im Jahr 1916 geschrieben und im gleichen Jahr in Warschau
uraufgeführt. Der Solist war Józef Oziminski mit dem Warschauer Philharmonischen
Orchester unter der Leitung von Emil Mlynarski.Szymanowski widmete das Konzert
seinem Freund Pavel Kochanski, der es im Jahr 1917 in St. Petersburg aufführte.
Die Orchesterbesetzung ist außergewöhnlich, denn sie umfasst ein Klavier, das die
Rolle eines Orchesterinstrumentes einnimmt.
Abhängig von den unterschiedlichen Charakteren und Stimmungen kann das
Konzert in folgender Weise gegliedert werden:
1. Vivace assai
2. Vivace scherzando
3. Kadenz
Es ist auf der anderen Seite jedoch klar, dass das Konzert ein ununterbrochenes
Ganzes ist. Alle Teile sind so stark miteinander verbunden, dass die einzige
Unterteilung, die man machen kann, vor der Kadenz ist. Dies jedoch nur, weil die
Violine plötzlich allein spielt. Die Unterteilung wurde somit lediglich zu Analyse
zwecken vorgenommen.
Das Konzert beginnt mit einemkleinen, lebendigen Dialog zwischen der Trompete
und dem Klavier. Sie spielen wechselweise ein melodisches Motiv. Danach treten
Klarinette und Flöte hinzu, zusammen mitStreichern. Die Solovioline setzt mit
12
http://www.karolszymanowski.pl/watch-listen/works/violin-concerto-no-1-op-35/
42
einerlangsamen, zarten Melodie in einem kontrastierenden Charakterein. Ein Akkord
der Blechbläser und des Schlagzeugs unterbricht das Soloplötzlich. Klavier, Streicher
und Bläser treten dazu, die Hauptrolle spielt das Englischhorn in einem wieder
lebendigen Charakter. Nach den Läufen in den Bläsern, Streichern und im
Klavierfolgen Glissandi in den Streichern. Danach setzt die Solovioline fort, als ob es
keine Unterbrechung gegeben hätte. Im weiteren musikalischen Verlauf scheinen
viele
solche
plötzlichen
Charakter-
und
Tempoänderungen
auf.
Über
die
außergewöhnliche Struktur dieses Konzerts wird folgendes geschrieben:
„It is really a concerto-poem – one which does not abandon the concerto
and virtuoso features, but which rejects the classical structure and takes on
the character of a one-movement (although internally highly differentiated)
poem. However, it is a poem not at all in the sense of a symphonic poem
with a literary program, but only in the sense of having individually designed
form which contains highly poetical content.“13
Stimmung und Ausdruck des Werkes werden folgen der maßen erklärt:
„Szymanowski, by sketching in his instrumental composition a complex
musical ‚story‘, whose material is provided by changing feelings and
moods[…]. In Szymanowski’s work there is no drama or tragedy – rather,
we meet here sharp, almost painfully sensual tensions and passionate,
ecstatic raptures, emerging from colorful and unusual, not to say magical,
sound images.“14
In diesem Teil kommt die wunderbare, einfache Melodie, mit der das Konzert später
endet und die vor dem Ende des zweiten Teils erscheint. Das bedeutet, dassin
dieser
in
allen
Aspekten
modernen
Komposition
eine
thematische
13
„Es ist wirklich eine Konzert-Dichtung – eine, die konzertante und virtuose Merkmale nicht
verabsäumt, aber die klassische Struktur verlässt und den Charakter einer einsätzigen Tondichtung
(allerdings mit sehr großen inneren Unterschieden) annimmt. Jedoch ist es nicht eine Tondichtung im
Sinn einer symphonischen Dichtung mit einem literarischen Programm, sondern im Sinn einer
individuell erdachten Form mit einem sehr poetischen Gehalt.“http://www.karolszymanowski.pl/watchlisten/works/violin-concerto-no-1-op-35/
14
„Szymanowski, durch Skizzierung einer komplexen musikalischen ‚Geschichte‘ inseiner
instrumentalen Komposition, deren Materialdurch Veränderung von Gefühlen und Stimmungen zur
Verfügung gestellt wird [...]. In Szymanowskis Werk gibt es kein Drama oderkeine Tragödie–vielmehr
treffen wir hier auf scharfe, fast schmerzhaftsinnliche Spannungen und leidenschaftliche, ekstatische
Verzückung, die aus den farbvollenund ungewöhnlichen,sogarmagischen Klangvorstellungen
entwachsen.“http://www.karolszymanowski.pl/watch-listen/works/violin-concerto-no-1-op-35/
43
Gebundenheitzwischen dem großen Ganzen vorzufinden ist. Das ganze Konzert ist
auf ein paar Motiven aufgebaut.
In diesem Werk gibt es keine übliche Unterteilung in verschiedene Tempi (schnelllangsam-schnell).Die großen Formteile werden, wie vorhin beschrieben, mit
folgenden
Bezeichnungen
gekennzeichnet:
Vivace
assai(schnell),
Vivace
scherzando(schnell) und die Kadenz, die eine echte Solokadenz ist, nach der das
Orchester wieder einsetzt. Das bedeutet, es gibt keinen Teil, der die Rolle eines
langsamen Satzes spielen könnte. Vielmehr geht die Musik in der gleichen Weise
weiter.
Der mit Vivace scherzando bezeichnete Teilbeginnt virtuos, danach folgt das
kontrastierende langsame Thema. In beiden Themen spielt die Solovioline die
Hauptrolle. Diese zwei unterschiedlichen Teile wiederholen sich. Danach führt das
Klavier eine neue, leidenschaftliche und stürmische Episode ein, in der das ganze
Orchester zum ersten Mal in diesem Teil zusammen mit dem Solisten spielt. Nach
dem Höhepunkt beruhigt sich die Atmosphäre wieder. Hier erscheint die Melodie aus
dem ersten Teil, mit der das Konzert endet. Jedoch endet dieser Teil nicht in der
ruhigen Stimmung, vielmehr folgt die stürmische Kadenz.
Die Kadenzbesteht aus drei kontrastierenden Teilen. Der erste Teil ist eine
Solokadenz, wodurch demSolistendie Gelegenheit gegeben wird, all seine
expressiven Qualitäten zu zeigen. Die Kadenz ist sehr kompliziert und aufregend, in
bestimmten Momenten sogar wild und stürmisch. Die Dynamik ist, passend zum
Charakter, meistens sehr laut. Der zweite Teil kontrastiert zum ersten mit seinen
tonalen Melodien und der warmen Expressivität, er ist sehr verschieden im Vergleich
zur Zügellosigkeit des ersten Teils der Kadenz. An dieser Stelle ist der vorhin
thematisierte Effekt des Kontrasts atonal – tonal erkennbar. Das Orchester (inklusive
Klavier) spielt mit dem Solisten. Alles klingt wie ein Rückgriff auf das 19. Jahrhundert.
Der dritte Teil ist in leiser Dynamik gehalten. Die Holzbläser verbreiten eine ruhige
Atmosphäre, danach folgenkurze und witzige Passagen von ihnen und dem Klavier.
Der Solist setzt ein und spielt eine wundervolle zarte Melodie im hohen Register. Das
Konzert endet außergewöhnlich, nämlich sehr leise und ruhig. Nach den Flageoletts
in der Solovioline spielen die tiefen Streicher Pizzicato. Nach einem kurzen Lauf des
44
Klaviers setzt die Solovioline mit einem Triller in hoher Lage ein, der vom Klavier mit
mehreren kurzen Passagen in leiser Dynamik begleitet wird. Danach folgt eine kurze
Passage nach oben und Pizzicato in den tiefen Streichern. Die Musik verschwindet.
Ich habe dieses Werk viele Male mit großer Aufmerksamkeit gehört, und mit jedem
Mal finde ich es interessanter und aufregender. Es gehört wirklich zu den schönsten
Werken für Violine.
45
5. 4. Igor Strawinsky: Violinkonzert in D-Dur
Das Violinkonzert von Igor Strawinskystellt den Prototypen des
neuklassischen
Violinkonzerts dar.DieArbeit an der Orchesterpartiturwurde am25. September
1931abgeschlossen und das Konzert wurde im selben Jahr am 23. Oktober in Berlin
vom Radioorchester Berlin unter der Leitung des Komponisten und mit Samuel
Dushkin als Solist uraufgeführt.
Strawinsky schrieb sein Konzert für Violine und Orchester in Zusammenarbeit mit
dem Geiger Samuel Dushkin. Dushkin war ihm eine große Hilfe, weilStrawinsky die
technischen
Möglichkeitendes
Instrumentes
nicht
gut
vertraut
waren.
Die
Zusammenarbeit betraf die Komposition der Violinstimme, wohingegen die
klanglichen Ideenbezüglich des Orchesters, der Solovioline sowie des gemeinsamen
Klangs Strawinskys eigene waren.
Das Konzert hat vier Sätze: Toccata, Aria I, Aria II und Capriccio. Jeder Satz beginnt
mit demselben Akkord: d1-e2-a3 im Fortissimo. Dieser Akkord wird später als
„Passport for the Concerto“ bekannt.
Die Solovioline eröffnet das Konzert mit dem soeben erwähnten Akkord und drei
folgenden Akkorden, von den Celli und Bässen unterstützt. Die Toccata klingt
zunächst marschartig, aber zusätzliche, rhythmisch deplatzierte Akkorde untergraben
diesen Charakter, den die Trompeten, mit Hörner und Fagotten unterstützt,
etablieren wollen. Strawinsky, und das ist typischfür ihn, unterbricht die Phrasen
plötzlich und unerwartet, und die verschiedenen Charaktere folgen nacheinander
ohne Übergang. Das Metrum ändert sich sehr oft, während die Länge der Viertelnote
unverändert bleibt. Das bedeutet,dass sich die Akzente unerwartet verschieben und
der Hörer ein Gefühl von Unsicherheit bekommt. Schon im dritten Takt scheint eine
Veränderung vom 3/4-Takt zum 2/4-Takt auf, zugleich ändern sich auch Farbe und
Charakter. Während die ersten Akkorde etwas unvollständig klingen, klingt das
Thema in der Trompete und danach in der Oboe weich und elegant. Im folgenden
Notenbeispiel wird der Anfang des Konzerts gezeigt:
46
Notenbeispiel Nr. 9: Anfang des Konzerts
Der zweite und dritte Satz – Aria I und II – stehen im Kontrast zueinander sowie zur
Toccata und zum Capriccio. Die Aria I fängt mit dem „Passport“-Akkord und den drei
folgenden Akkorden, dieses Mal im Pizzicato, an.Der Charakter ändert sich oft, aber
die kleinen Übergänge machen die Veränderungen weicher als im ersten Satz. Die
Orchestrierung ist durchscheinend und die grundlegende Dynamik istpiano; diesträgt
zur Leichtigkeit des Satzes bei. Es gibt nur eine Stelle, an derfortissimo und fortezu
spielen ist. Diese Anweisung gilt nur für den Solisten, das Orchester (auch die
solistischen Instrumente) spielt nie lauter als mf. Diese Stelle ist zudem sehr kurz (ab
Ziffer 68 bis Ziffer 71).
47
DerBeginn der Aria II klingt kraftvoller als die Anfänge deranderen Sätze. Dieser
Satz, der langsame Satz des Konzerts,beginnt abermals mit dem berühmten Akkord,
allerdings sind ihm ein B in der Posaune und ein Cis2 in der Klarinette hinzugefügt.
DieSolovioline wirdvon Flöte und Trompete mithilfe derselben Figur unterstützt, die
Flöte und die Solovioline spielen fast unisono, die Trompete eine Oktave tiefer.
Das Capriccio ist lebendig und witzig. Der Eröffnungsakkord erklingt nur sehr kurz,
die Soloviolinesetzt danach gleich mit brillanten D-Dur-Passagen fort. Auch in
diesem Satz sind die verschiedenen Abschnitte gut erkennbar. Vor dem Ende des
Konzerts gibt es eine besondere Stelle, nämlich ab Ziffer 117 bis Ziffer 119. Der
Solist und der Konzertmeister spielen einen wunderschönen Dialog mit weniger
Begleitung (nur die Streicher pizzicato in piano-Dynamik, ohne erste Geigen).
48
Notenbeispiel Nr. 10: Z. 117.-119.
49
Die
Orchesterbesetzung
ist
eigentlich
nicht
klein
–
obwohl
die
Anzahl
derStreicherverringertist –, aber das Werk klingt, als ob es für ein Kammerorchester
komponiert wäre.Es gibt sehr wenige Tuttistellen, die zusätzlichmeist nur auskurzen
Akkorden bestehen. Der Solist findet sich oft in der Rolle des Kammermusikers und
manchmal übernimmt er die Begleitung. In diesem Werk arbeitet Strawinsky viel mit
den Klangfarben und der Orchestrierung:„Stravinsky’s flair for making fresh
presentations of the familiar is now here so evident in this concerto as in matters of
color and texture.“15
Es gibt eine interessante Tatsache über Igor Strawinskys Violinkonzert. Es bildet die
musikalische Grundlage für ein Ballett des berühmten Choreografen George
Balanchine. Unter dem Namen „Balustrade“ wurde es von dem Original Ballet Russe
von Colonel de Basil am 22. Jänner 1941 uraufgeführt. Im Jahr 1972
schufBalanchine eine neue Choreografie mit dem Titel „Strawinsky Violin Concerto“,
die vom New York City Ballet im Zuge des Strawinsky-Festivals uraufgeführt wurde.
15
Michael Steinberg, http://www.sfsymphony.org/Watch-Listen-Learn/Read-ProgramNotes/Program-Notes/STRAVINSKY-Concerto-in-D-major-for-Violin-and-Orch.aspx, 2. 10.
2015
50
51
5. 5. Alban Berg: Violinkonzert, Dem Andenken eines Engels
Alban Berg widmete sein Violinkonzertderachtzehnjährigen Manon Gropius, Alma
Mahlers und Walter Gropius’ Tochter, dienur kurz zuvor an Kinderlähmung gestorben
war. Berg und Alma Mahler waren gut befreundet und Berg schätzte auch ihre
Tochter.Die Betroffenheit nach ihrem Tod nahm er zum Anlass, seinem Violinkonzert
den NamenDem Andenken eines Engelszu geben, um an dieses tragische Ereignis
zu erinnern.
Das Werk weist zwei Sätze auf, wobei jeder Satz in zwei Teile unterteilt ist. Das
Konzert ist in einer gewissen Hinsicht ein programmatisches Werk.Die vier Teile sind
wie ein biographisches Portrait konzipiert: Der erste Teil stellt die Geburt des
Mädchens dar, danach folgt die fröhliche Jugend, im dritten Teil bezieht er sich auf
die schreckliche Krankheit und am Ende auf den Tod.
Der erste Satz weist im Andante die klassische Sonatenform auf, gefolgt von einem
Allegretto-Teil, der tänzerisch geprägt ist. In diesem Abschnitt verwendet der
Komponist ein Volkslied, das in der Partitur als Kärntner Volksweise bezeichnet wird,
mit dem Titel Ein Vogel auf’m Zwetschgenbaum. In seinem Buch„ Alban Berg,
Violinkonzert“(1936)schrieb Rudolf Stephan, dass diese Melodie die Jugend des
unglücklichen Mädchens (Manon Gropius) symbolisiert. Jedoch zeigt eine andere
Quelle die Möglichkeit einer symbolischen Verbindung dieser Melodie zu Bergs
ehemaliger Geliebter und der Tochter, die er mit ihr hatte.16
Der zweite Satz beginnt mit dem Allegro-Teil, der weitgehend auf einer einzigen
wiederkehren den rhythmischen Zellebasiert. Dieser Abschnittkann als kadenzartig
beschrieben werden und weist sehr schwierige Passagen in der Solostimme auf. Es
handelt sich um einen vierstimmigen Kanon. Die Orchestrierungdes Höhepunktes
weist einen brutalen Charakter auf(was in der Partitur wörtlich als „Höhepunkt des
Allegro“ markiert ist). Der vierte und letzteAbschnitt, Adagio, ist in einer viel
ruhigerenStimmung gehalten.Das Finale endet mit einem Zitat ausJohann Sebastian
Bachs Choral Es ist genugaus der Kantate Nr. 60:O, Ewigkeit, du Donnerwort.
16
http://www.capriccio-kulturforum.de/orchestermusik/5549-berg-alban-violinkonzert-dem-andenkeneines-engels/
52
Die Reihe, die als Grundlage dieser Komposition dient, endet mit vier Tönen, die aus
der Eröffnung des soeben genanntenChorals übernommen wurden (h2, cis3, es3, f3)
Der Requiemcharakter entsteht durch die Widmung Dem Andenken eines Engels
und durch das Zitat des Chorals. Die ersten beiden Abschnitte des Konzerts
symbolisieren das Leben, die beiden letzten Tod und Verklärung.
Bergs Violinkonzert ist eine dodekaphonische Komposition. Es basiert auf
einer Reihe aller zwölf Töne der chromatischen Tonleiter. Bergs Methode
unterscheidet sich jedoch sehr stark von jener seiner Kollegen Arnold Schönberg und
Anton Webern. Während Webern
und
Schönberg
sich
bemühten,
tonale
Implikationen zu vermeiden, hatte Berg eine komplett gegensätzliche Vorstellung von
der Zwölftonmethode, denner versuchte, die tonalen Implikationen in der
Zwölftonmusik zu finden. Anhand der von ihm verwendeten Reihe lässt sich dieses
Bemühen erkennen, so weist jede Reihengestalt beispielsweise je zwei Moll- und
Durdreiklänge auf, einen verminderten und einen übermäßigen Dreiklang sowie drei
Ganztonschritte. Alle Töne sind in mehrfacher Weiseaufeinander bezogen. Das
folgende Notenbeispiel zeigt diese Reihe:
Notenbeispiel Nr. 11: Die Zwölftonreihe des Konzerts
In der Partitur scheinen viele Bezeichnungen auf, die von Berg vorgegeben wurden.
Neben den üblichen Bezeichnungen für Agogik und Dynamik, Tempo und Charakter
findet man Hinweise darauf, dass ein bestimmtes Instrument in dem Moment ein
Solo oder Begleitung spielt. Folgende Abkürzungen zeigen an, welche Funktion ein
bestimmtes Instrument gerade innehat: H bedeutet Hauptstimme, N bedeutet
Nebenstimme, II bedeutet, dass die bezeichnete Stimme den gleichen Rhythmus
53
(akkordtonbildend) wie eine Haupt- oder Nebenstimme aufweist, RH bedeutet
Hauptrhythmus, CH im letzten Satz bedeutet Choralmelodie.
Bläser spielen in der Instrumentierung dieser Partitur eine wichtige Rolle. Die
Orchestrierung ist klar und jede Stimme ist in jedem Moment hörbar. Die Solovioline
und die Bläser ergeben – so wie die Solovioline und die Streicher im tiefen Register
– einen interessanten Kontrast.
Das Violinkonzertist Bergs letztes vollendetes Werk.
Das Werk wurde für den berühmten amerikanischen Geiger Louis Krasner
geschrieben. Krasner, der die früheren Werke Bergs (die Oper Wozzeck und die
Lyrische Suite fürStreichquartett) sehr schätzte, wollte, dass Berg für ihn ein Konzert
schrieb und war bereit, für das Werk und das alleinige Aufführungsrecht für einige
Jahre $ 1500 zahlen. Dies war ausschlaggebend dafür, dass Berg mit der
Komposition des Violinkonzerts begann und sich auf die Suche nach neuen Wegen
der Behandlung der Violine als virtuosem Soloinstrument machte.
Bergs Violinkonzert wurde am 19. April 1936 auf dem 14. Musikfest der
Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Barcelona im Palau de la Música
Catalana uraufgeführt, mit Louis Krasner als Solist und unter der Leitung von
Hermann Scherchen. Die Aufführung des Werkeswarein unbestrittener Erfolg.Willi
Reich schrieb1936 in der Schweizerischen Musikzeitung: „Die Uraufführung des
letzten vollendeten Werkes Bergs, das Dem Andenken eines Engels gewidmeten
Violinkonzerts (vom amerikanischen Geiger Louis Krasner vorzüglich gespielt),
bedeutete eine wahre Sensation.“17Krasner konnte das Konzert bald darauf in den
musikalischen Zentren außerhalb Deutschlands bekannt machen: London(unter der
Leitung von Anton Webern), Wien (Otto Klemperer), Paris (Charles Münch) und in
Amerika.Der Grund, warumdas Werk von Kritikern und Publikum sehr gut
aufgenommen wurde, ist seine große romantische Ausdruckskraft. Es ist durch eine
meisterhafte Kombination von tonalen und zwölftönigen Komponenten bei der
Gestaltung der Melodie geprägt, und weist den vollen Klang eines großen
Sinfonieorchesters in Verbindung mit einer sehr ausdrucksvollen Solostimme auf.
17
Stephan, Rudolf: Alban Berg Violinkonzert (1936), Wilhelm Fink Verlag, München 1988, S. 46
54
Alban Berg schaffte es aufgrund seiner Kreativität, Romantik und Expressionismus
zu kombinieren, um eine Musik zu komponieren, die trotz ihrer Atonalität romantisch
klingt.
55
5. 6. Benjamin Britten: Violinkonzert in d-Moll, op. 15
DasViolinkonzert von Benjamin Britten gehört zwar zu den bedeutendsten englischen
Konzerten, allerdings wurde es in jener Zeit komponiert, als Britten im Asyl in
Amerika war. Das Werk wurde in den Jahren 1938 und 1939 komponiert und am 29.
März 1940 in New York mit Antonio Brosa und den New Yorker Philharmonikern
unter der Leitung von John Barbirolli uraufgeführt.
Britten selbst sprach über seine Werke sehr selten. Er vertrat die Auffassung, dass
ein Komponist seine Werke nicht kommentieren soll; so sagte er einmal:
„A composer’sjob is to create, not to comment; and this is not a theory, but
a conviction & an inclination. I hate talking about my own music, or my own
musical inclination, & avoid it whenever I can.“18
Aus diesem Grund kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob die Annahme mancher
Biografen Brittens stimmt, dass sein Violinkonzert als ein Requiem für die Opfer des
spanischen Bürgerkriegs komponiert wurde. Diese Möglichkeit besteht, doch es gibt
keine Dokumente des Komponisten, die dies bestätigen könnten. Man kann
erkennen, dass Britten viele spanische Themen und Motive verwendete. Britten
widmete das Konzert seinem ehemaligen Lehrer Henry Boys.
Das Konzert hat drei Sätze, jedoch mit einer für das klassische und romantische
Konzert sehr ungewöhnlichenAbfolge der Tempi:
1. Moderato con moto, Agitato, Tempo primo
2. Vivace,Animando, Largamente, Kadenzund
3. Andante lento(Passacaglia).
Dieses Modell (drei Sätze: langsam – schnell – langsam) wurde zum ersten Mal von
Sergei Prokofjew in dessen erstem Violinkonzert in D-Dur verwendet. Bei dem
besagten Konzert handelt es sich um ein sehr originelles Werk. Es ist das erste
Violinkonzert des 20. Jahrhunderts, in dem mit der traditionellen Satzfolge gebrochen
wurde. Dem entsprechend ist es auch das erste Konzert des 20. Jahrhunderts, das
18
http://www.academia.edu/3999425/Benjamin_Britten_s_Violin_Concerto_A_Musicologic
al_Narrative
56
langsam und weich endet. Eine weitere Neuerung stellt das Tubasolo dar. Britten
wurde durch all diese Elemente inspiriert.
Das Konzertbeginnt mit Paukenschlägen, das Fagott und die anderen
Instrumente übernehmen diesen Rhythmus danach. Dieser Rhythmus bleibt als
Ostinato das ganze Werk hindurch bestehen. Die Solovioline setzt leise über dem
Orchestermit einer zarten Melodie ein. Danach folgt das etwas militärische Agitato,
dem die zarte Melodie der Solovioline des Anfangs folgt. Am Ende des Satzes
verbreitet sich zunehmend die totale Ruhe, er endet mit doppelten Flageoletts.
Der zweite Satz ist sehr rhythmisch und wild im Charakter, weswegen er an
den zweiten Satz aus dem ersten Violinkonzert von Prokofjew erinnert. Das
Largamente stellt eine Unterbrechung dar, mit einer leidenschaftlichen, etwas
orientalisch klingenden Melodie in der Solovioline. Die Kadenz stellt die Kulmination
des Satzes dar: Motive aus dem ersten und zweiten Satz scheinen auf, zudem ist sie
sehr virtuos und expressiv sowie mit vielen technischen Schwierigkeiten versehen.
Die Kadenz leitet zum letzten Satz über.
Die Passacaglia ist eine Variationen folge (in der Tradition der barocken Chaconne
von J. S. Bach und Henry Purcell) auf einer tonal instabilen Bassstimme. Das erste
Mal wird sie vom Fagott gespielt, während die Solovioline wieder das lyrische Thema
des ersten Satzes spielt. Die Variationen weisen verschiedene Charaktere auf: lied-,
tanz-, capriccio- und marschähnlichen Charakter. Am Ende erklingt im Orchester ein
Akkord, der als Andeutung eines D-Dur-Akkordes verstanden werden kann, während
der Solist mit einem Triller zwischen den Tönen F und Ges unentschieden bleibt.
Das Konzert ist musikalisch und auch technisch durchwegs sehr anspruchsvoll. Es
scheinen viele Doppelgriffe und Flageoletts auf, besonders die Doppelflageoletts
stellen eine spieltechnische Herausforderung dar, was auch von der berühmten
niederländischen Violinistin Janine Jansen in einem Interview19 betont wurde.
19
http://www.violinist.com/blog/laurie/20103/11103/
57
5. 7. Die Violinkonzerte Béla Bartóks
Der ungarische KomponistBéla Bartók (1881–1945) zählt zu den bedeutendsten
Vertreter der nationalen Schulen des 20. Jahrhunderts. Er zeigte großes Interesse
fürdie ungarischeFolkloresowie für dieVolkstraditionen derumliegenden Völker:
Serben,
Rumänen,
Bulgaren.Erbefasste
sich
mitmusikethnologischerArbeit
undsammelteTausende vonVolksliedern und Tänzenaus dieser Region. Aufseine
eigene Art gelang esBartók, die künstlerischen Traditionendes Westensmit der
ursprünglichen Folklore zu binden. Abgesehen von seinen früheren Werken,
verwendet er keine Zitate von Volksliedern. Vielmehr greift er spezifische Elemente
des Folklorematerials auf und integriert diese in seine expressionistische
Kompositionsweise. In seinen Werken finden sich verschiedene folkloristische
Elemente: modale Skalen und Pentatonik, modale, polymodale und polytonale
Harmonien, asymmetrische Taktarten, die den Volkstänzen entstammen, komplexe
rhythmische Muster, starke Akzente sowie häufige und plötzliche Veränderungen des
Metrums.
Bartóks BeiträgezurMusik für Violine sind von größter Bedeutung. Neben den
beidenSonaten für Violine undKlavier, einerSolosonate, zweiViolinkonzertenund
44Duos20 müssenseine sechs Streichquartette erwähnt werden, dieeinenwichtigen
Platzin der Musikdes 20. Jahrhunderts einnehmen. Im Folgenden werden die
beidenViolinkonzerte thematisiert.
Jahrelang galt das2.Violinkonzertals einziges Violinkonzert Bartóks. Es wurde für den
ungarischen Virtuosen Zoltán Székely komponiert. Bartók plante, eine große Serie
von Variationen zu schreiben, aber Székely wünschte sich ein traditionelles Konzert
in drei Sätzen. Schließlich fand der Komponist folgende Lösung: Zwar weist das
Konzert drei Sätze auf (Allegro non troppo, Andante tranquillo, Allegro molto), der
zweite Satz ist jedoch eine Reihe von Variationen. Auch der dritte Satz ist eine
Variation, weilhier Material des ersten Satzes aufgegriffen und variiert wird. Zwar
20
In Zusammenarbeit mit dem Geigenlehrer Erich Doflein schrieb Bartók die 44 Duos für zwei Violinen
für Bildungszwecke (zur Überwindung der technischen Probleme durch Musizieren), die auch in der
Öffentlichkeit aufgeführt werden können.
58
handelt es sich bei Bartóks Konzert nicht um ein zwölftöniges Werk, dennoch enthält
es zwölftönige Themen.
Notenbeispiel Nr. 12:Das zwölftönige Thema des ersten Satzes.
Der erste Satz, Allegro non troppo ist rhapsodisch, die Themen sind breit angelegt
und die Tempi wechseln sehr oft, sodass dieser Satz einen improvisatorischen
Charakteraufweist. Jedoch sind sowohl die gesamte Partitur als auch die Solostimme
sehr exakt notiert, woran manBartóks Bemühen um Eindeutigkeit erkennen
kann.Dies wird durch dasfolgende Zitat, das sich auch auf die Solokadenz
bezieht,illustriert:
„Er legte viel Wert auf Genauigkeit und trug immer ein Metronom bei sich,
um damit die Tempi zu kontrollieren, auch wenn er selbst spielte. In den
Noten des zweiten Violinkonzerts stehen nicht nur viele, sondern auch sehr
genaue Anweisungen bezüglich Tempi, Dynamik und Ausdruck.“21
Der zweite Satz, Andante tranquillo,ist ein Thema mit Variationen. Das Thema ist
schlicht und weist eine dunkle Klangfarbe auf;von Streichern imtiefen Register, Harfe
und Paukenwird es begleitet.Im Verlauf vonsechsVariationen entwickelt sich das
Thema,es wächst und wirdaggressiver. Schlussendlich kehrt es dann wieder zum
ursprünglichen Charakter zurück.
Im Allegro molto werden die im ersten Teil vorgestellten Ideen verwendet.
Ursprünglich plante Bartók, die letzten 26 Takte nur vom Orchesterspielen zu lassen.
Hier äußerte Zoltán Székely noch einmal seine Missbilligung und der Komponist war
21
http://www.br.de/radio/br-klassik/sendungen/das-starke-stueck/starke-stuecke-bartok-violinkonzertnr-x100.html
59
dazu gezwungen, eine neue Version, in der der Solist mit dem ganzen Orchester bis
zum Ende spielt, zu schreiben.
In Jahren 1937–1938 geschrieben gehört dieses Werk zu den späten Werken
Bartóks und weist seinen gut erkennbaren Stil auf. Schon amAnfangistdie
kompositorische Tendenzzur Verwendung einerspezifischenMelodik erkennbar.
Die Violinstimme ist sehr anspruchsvoll. In Zusammenarbeit mit Erich Doflein lernte
Bartók viel über die technischen und expressiven Möglichkeiten der Violine. Dieses
Wissen setzte er insbesondere bei der Komposition dieses Werkes ein.
Das Violinkonzert Nr. 2 wurde am 23. März 1939 mit Zoltán Székely als Solist und
demAmsterdam
Concertgebouw
Orchester
unter
der
Leitung
von
Willem
Mengelberg uraufgeführt.
Bartókserstes Violinkonzert
Bartóks erstes Violinkonzert blieb dem Publikum für viele Jahre unbekannt. Er
komponierte es in den Jahren 1907–1908 – 30 Jahre vor dem zweiten Konzert –für
seine damalige Geliebte, die junge Violinistin Stefi Geyer. Im ersten Satzstellte
Bartók die idealisierte Stefi Geyer dar, göttlich und demütig; im zweitenporträtierteer
ihre fröhliche undwitzigeSeite. Seine ursprüngliche Ideefür einendritten Satz
wurdenie erforscht, möglicherweise war es seine Absicht, die „indifferente, kalte und
leise Stefi Geyer“22zu porträtieren.
Dieses Werk ist ein typisches Beispiel für ein Solokonzert mit einer ungewöhnlichen
Form. Es besteht aus zwei Sätzen, wobei der schnelle Satz (Allegro giocoso)nach
dem langsamen (Andante sostenuto) folgt. Der erste Satz strahlt Zärtlichkeit aus und
die Phrasensindklar und harmonisch, während die Dynamik leiser bleibt. Der zweite
Satz steht ganz im Gegensatz zum ersten. Er ist sehr virtuos und hat einen
spielerischen Charakter mit vielen Doppelgriffen und schnellen Passagen in der
Solostimme. Bereits in diesem frühen Werk zeigt sichdie Faszination, welche die
Volkstraditionen auf den Komponisten ausübten. Bemerkenswert sind zwei scheinbar
22
http://web.archive.org/web/20040620030336/http://www.cso.org/main.taf?p=5,5,1,42
60
entgegengesetzte, aber sehr schön kombinierte Tendenzen. Auf der einen Seite ist
der Wunsch des Komponisten sichtbar, romantische Gefühle auszudrücken, und auf
der anderen Seite bemüht er sich, diese Gefühle mithilfe der modernen
musikalischen Sprache zu artikulieren. Er sucht neue Wege durch die Verwendung
von folkloristischen Elementen, nämlich spezifische Intervalle, Melodik, Harmonik
und Rhythmik.
61
5. 8. Arnold Schönberg: Violinkonzert op. 36
Schönberg erlangte wegen seiner Ausweitung der traditionellen Harmonik, wie sie
sich bei Brahms und Wagner zeigte, bereits früh in seiner Karriere Bekanntheit. Die
musikalische Sprache von Max Reger, der die Tonalität bis zur letzten Grenze
erweiterte, hatte einen großen Einfluss auf Schönberg. In seinen Kompositionen ging
Schönberg einen Schritt weiter und verließ alle tonalen Verbindungen. Er widmete
sich der Atonalität, die zu einem der wichtigsten Merkmale des 20. Jahrhunderts
wurde. In den 1920er Jahren erfand er ein neues Kompositionssystem, aus dem er
die Zwölftontechnik entwickelte. Das Zwölftonsystem sollte das frühere System
ersetzen, nicht nur in Schönbergs Kompositionen. Erist als der ältesteVertreter
derZweiten Wiener Schule bekannt.23Mehrere Komponisten übernahmen und
entwickelten
seine
Ideen
weiter
und
verwandten
die
Schönberg’sche
kompositorische Organisationsweise und Technik.
Im Jahr 1936 schrieb Arnold Schönberg sein Konzert für Violine und Orchester op.
36 in Amerika, nachdem er 1934 vor den Nazis geflohen war. Dabei handelt es sich
um eines der ersten größeren Werke aus dieser Zeit. Obwohl das Konzert 1936
komponiert wurde, gibt es Skizzen aus den Jahren 1922 und 1927.Sie zeigen, dass
er schon früher den Plan hatte, ein Violinkonzert zu schreiben.
Als Grundlage dieses zwölftönigen Werks dient eine für Schönberg charakteristische
Reihe, die aus zwei ähnlichen Hexachorden besteht. Die wichtigsten Elemente sind
die Halbtonschritte am Anfang jedes Hexachords und der Tritonus, der insgesamt
vier Mal erscheint.Das folgende Beispiel zeigtdieGrundreihe.
23
„Als Zweite Wiener Schule wird in der Musikgeschichte der sich um Arnold Schönberg(darum auch
Schönberg-Schule genannt) am Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien herausbildende
Komponistenkreis genannt, der maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Neuen Musik ausübte.
Neben Schönberg gehörten zum engeren Kreis noch seine beiden Schüler Alban Berg und Anton
Webern […] (später kamen deren und weitere Schüler von Schönberg dazu). Nach einer Phase freier
Atonalität (ab 1908) entwickelte Schönberg Anfang der 1920er Jahre die so genannte Zwölftontechnik,
die seine Schüler übernahmen und eigenständig modifizierten und weiterentwickelten.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Schule_%28Moderne%29
62
A-B-Es-H-E-Fis-C-Cis-G-As-D-F
Beispiel Nr. 13:Die Grundreihe des Konzertes
Jeder der drei Sätze beginnt mit der Kombination von Tönen aus der Grundreihe und
der Umkehrung, nicht transponiert oder quinttransponiert. Jedes Mal fängt die
Solovioline mit der Grundreihe an und spielt alle Töne horizontal. Die Verwendung
der Reihe im weiteren Verlauf der Sätze ist nicht systematisch und mehrere
Kombinationen erscheinen. Das Konzert ist in einer dicht gefügten, polyphonen
Satztechnik komponiert, mit einer virtuosen und brillanten Gestaltung des Soloparts.
Schönberg entschied sich für die traditionelle Dreisätzigkeit, obwohl er die innere
formale Organisation auf eine besondere Weise behandelte. Es gilt als eines der
schwierigsten Werke der gesamten Violinliteratur.
Das Konzert wurde am 6. Dezember 1940 vom Philadelphia Orchestra unter
der Leitung von Leopold Stokowski und mit Louis Krasner als Solist in Philadelphia
uraufgeführt. Die Aufführung wurde vom Publikum missbilligt. Ein Großteil der
Zuhörer verließ den Konzertsaal noch vor dem Ende des Konzerts. Das Werk wird,
unter anderem, als sehr ungemütlich beschrieben.
63
5. 9. Aram Chatschaturjan: Violinkonzert in d-Moll, op. 46
Das Violinkonzert ist eines von Chatschaturjansschönsten und populärsten Werken.
Im Sommer des Jahres 1940 war der Komponist sehr inspiriert und komponierte
seine besten Werke. Das Konzert wurde in sehr kurzer Zeit(in nur zweieinhalb
Monaten) geschrieben, und Chatschaturjan erinnerte sich, dass er einige
Schwierigkeiten hatte, alle Ideen aufzuschreiben:
„I was writing it with strong enthusiasm. I was overflowing with musical
ideas, surpassing the speed of their writing on the note paper.“24
Das Konzert wurde am 16. September 1940 in Moskau bei den Tagen der SowjetMusik unter der Leitung von A. V. Gauk uraufgeführt.Der Solist war der junge David
Oistrach, dem das Werk auch gewidmet ist. Das Werk hinterließ einen starken
Eindruck auf ihn und er war sehr glücklich und stolz, dass er die Chance bekam,
dieses Werk vor allen anderen zu spielen:
„I clearly remember the summer day of 1940, when A.Khachaturian came
to our residence in the country [...]. A new outstanding work was obviously
born and would have to live a great life at the concert stage.
My violin was destined to put the beginning of this life.“25
Die Uraufführung fand im neuen P. I. Tschaikowski-Saal statt und im Publikum
waren viele bedeutende Komponisten: Sergej Prokofjew, Dmitri Schostakowitsch
und Nikolai Mjaskowski (Chatschaturjans Lehrer am Moskauer Konservatorium).
Das Werk wurde sofort sehr gut und mit Begeisterung angenommen. Die originellen,
witzigen undschönen Melodien und die nationalen Anklänge trugen dazu bei, dass
das Konzert auch für den normalen Hörer leicht verständlich war, was damals sehr
wichtig war. Schon nach der Uraufführung konnte man sagen, dass es lange nach
dieser Zeit gespielt werden würde. Es erlangte große Popularität vor und während
dem Zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit konnte man es oft im Radio hören. Wegen
24
http://www.khachaturian.am/eng/works/koncert.htm
25
„Ich erinnere michdeutlich an denSommertag1940, als A. Chatschaturjan zu unserer Residenz am
Land kam[...]. Ein neues herausragendes Werk war offensichtlich geboren und würde ein großes
Leben auf der Konzertbühne zu leben haben. Meine Geige war dazu bestimmt, den Beginn dieses
Lebens zu markieren.“http://www.khachaturian.am/eng/works/koncert.htm
64
seinem optimistischen Charakter und den nationalen Anklängen war es eine Art
moralische Unterstützung für die Welt des russischen Volkes, die durch den Krieg
zerstört war:
„[…]helping endure distresses with its vivid character, vital energy, and
strengthening the belief in the future and the victory.“26
In kurzer Zeit erlangtedas Werk Anerkennung auf der ganzen Welt, und es
wurdeschnellimmer beliebter. Heute wird es oft gespielt, sowohl im Zuge der
Musikausbildung als auch im Konzertsaal. Alle renommierten Violinisten haben
dieses Konzert in ihrem regelmäßigen Repertoire.
Das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan ist auch bezüglich des politischen
Aspekts interessant. In der Zeit, in der Chatschaturjan dieses Werk schrieb, war
Josef Stalin als Sekretär der Kommunistischen Partei (ab 1922) schon lange Zeit der
Führer
der
UdSSR.
Im
Jahr
1928
startete
er
eineKampagne
zur
Zwangskollektivierung des Landes und ab 1930 begann die Zeit des politischen
Terrors. Die Bevölkerung litt unter dem schrecklichen Druck und viele Menschen
wanderten nach Europa aus. Unter Stalins Regime wurden, unter anderem,
Intellektuelle verfolgt, in die Gulags verbannt und liquidiert. Alle Medien standen
unter strenger Kontrolle und viele künstlerische Werke (Musik, Literatur, Malerei)
unterlagen der Zensur. Die Kunst musste den Geist des russischen Volkes darstellen
und hatte vor allem im Einklang mit den Regeln der Partei zu sein. Künstler mussten
ihre Werke für die riesigen Volksmassen schaffen und nicht für die kleine Elite. Musik
und Bilder durften nicht modern sein, sondern traditionell und einfach zu verstehen.
Der nationale heroische Charakter war erwünscht, und man sollte in einem
Musikstück die Liebe für das Vaterland und den Kommunismus erkennen. Deswegen
wurden in dieser Zeit viele Hymnen komponiert. Inmitten dieser Situation wurde das
Violinkonzert von Chatschaturjan von Stalin sofort als das gute nationale Werk
erkannt. Es hatte alles, was für ein Musikstück unbedingt notwendig war: einen
optimistischen Charakter, eine romantische Melodik und Elemente russischer
Volksmusik.
26
http://www.khachaturian.am/eng/works/koncert.htm
65
In seinem Violinkonzert verwendete Chatschaturjan eine traditionelle romantische
Melodik mit Elementen russischer Volksmusik. Die drei Sätze weisen die Charaktere
und Tempi auf, die für das traditionelle Solokonzert üblich sind:
1. Allegro con fermezza
2. Andante sostenuto
3. Allegro vivace
Das
Orchester
eröffnet
zwar
das
Konzert,
dennoch
gibt
es
keine
Orchesterexposition. Gleich nach der kurzen Einleitung erscheint das markante
rhythmische Thema in der Solovioline. Im weiteren Verlauf führen Orchester und
Solovioline immer einen Dialog, während dem sie die Phrasen zusammen bilden.
Das Thema wird in dem Satzvielmals verarbeitet und wiederholt. Der Übergang zum
zweiten Thema kommt plötzlich und unerwartet. Nach der Melodie in der Oboe setzt
die Solovioline mit dem Thema ein. Das zweite Thema ist viel langsamer und
unterscheidet sich deutlich vom ersten Thema. Es ist sehr ausdrucksvoll und
leidenschaftlich. Man bemerkt orientalische Merkmale der Melodie, die hier viel
offensichtlicher sind als im ersten Thema. Die Solokadenz scheint in der Mitte des
Satzes auf und beginnt mit dem leidenschaftlichen zweiten Thema. Das musikalische
Material ist mit verschiedenen Läufen angereichert. Die Solovioline spielt die kurzen
Läufe und die Klarinette wiederholt sie. Des Weiteren erscheint auch das erste
Thema, zuerst nur für einen Augenblick, aber vor dem Ende der Kadenz in seiner
vollständigen Form. Während der gesamten Kadenz hat man den Eindruck, als ob
zwei Violinen spielen würden. Die betrifft aufgrund der Registerwechsel und den
eigenartigen Akzenten insbesondere den Einstieg des ersten Themas. Die Reprise
folgt gleich nach der Kadenz. Jetzt spielt die Klarinette das Thema, welches von der
Solovioline danach übernommen wird. Mit dem abermaligen Erscheinen des ersten
Themas schließt der Satz.
Der zweite Satz wird von den tiefen Bläsern und Streichern eröffnet. Nach der
kurzen Einleitung setzt die Solovioline mit dem Thema ein. In diesem Satz erkennt
man sehr deutlich die orientalischen und russischen melodischen Elemente. Er weist
eine ausgesprochen tragische Atmosphäre auf. Das Thema erscheint als Einleitung
66
zuerst im Fagott, danach übernimmt es die Solovioline und behält es nahezu
während des gesamten Satzes bei. Die Begleitung ist dezent, während die Klarinette
und Oboe kurze Bravuren spielen. Die Orchestereinwürfe beunruhigen und betonen
den tragischen Charakter.
Der dritte Satz ist schnell und sehr virtuos, mit einem tänzerischen Charakter. Die
Orchestereinleitung klingt sehr militärisch, danach setzt die Solovioline mit ihrer
optimistischen und fröhlichen Melodie ein. Das Thema der Solovioline wird in einigen
Momenten
durch
das
militärische
musikalische
Material
des
Satzanfangs
unterbrochen. Das zweite Thema kontrastiert wie auch im ersten Satz sehr stark zum
vorherigen musikalischen Material, vor allem durch seine Seriosität. Während das
erste Thema mit Leichtigkeit und Sorglosigkeit strahlt, weist das zweite Thema einen
etwas tragischen Charakter auf. Dieser Unterschied wird unter anderem durch die
Registerunterschiede der Solovioline betont. Hier hat der Solist die Möglichkeit, sein
musikalisches Potenzial auszudrücken. Wenn das erste Thema wieder erreicht wird,
wird es in wildem Lauf zu Ende geführt. Der Aufbau dieses Satzes ist mit dem
ganzen Werk vergleichbar: Die schnellen äußeren Sätze umschließen den
langsamen mittleren Satz.
67
5. 10. Erich Wolfgang Korngold: Violinkonzert in d-Moll, op. 35
Korngold wurde im Jahr 1897 in Österreich geboren. Er fing sehr früh an, Klavier zu
spielen. Mit acht Jahren schrieb er Klavierstücke und mit elf ein Ballett. Im Alter von
20 Jahren schrieb Korngold seine erste Oper und avancierte in den folgenden Jahren
zum populärsten Opernkomponisten in Europa. Im Jahr 1934 verließ Korngold
wegen den Nazis seine Heimat undging nach Los Angeles, wo er sich der Filmmusik
widmete. Seine Musik für Filme war ihm nicht weniger wichtig als seine Opern. Für
ihn waren die Filme „opera without singing“27. In diesem Bereich erreichte Korngold
große Erfolge. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschied er sich, Musik für den
Konzertsaal zu komponieren. Bei der ersten dieser Kompositionen handelte es sich
um das Violinkonzert op. 35 in D-Dur, das er auf das Zusprechen des Geigers
Bronislaw Huberman schrieb. Die Partitur stellte er im Jahr 1945 fertig und das Werk
wurde am 15. Februar 1947 mit dem St. Louis Symphony Orchestra, Vladimir
Golschmann als Dirigent und Jascha Heifetz als Solist uraufgeführt. Das Werk wurde
vom Publikum sofort außerordentlich gut angenommen. Jedoch war es in der Zeit der
atonalen Musiksehr außergewöhnlich, dass ein berühmter Komponist eine solch
traditionelle tonale Komposition schrieb. In seinem Text schrieb Tom Nolan folgendes
über die negative Kritik, die das Werk bekommen hatte:
„But influential East Coast critics were not kind to this gorgeous music that
seemed so out of step with postwar atonalism. ‚More corn than gold‘,
sniffed the New York Sun’s Irving Kolodin.“28
Das Violinkonzert wurde Alma Mahlergewidmet, der Witwe des ehemaligen
Professors Korngolds, Gustav Mahler.
Das Werk ist sehr virtuos und technisch anspruchsvoll, aber es enthält auch
viele lyrische Episoden. Dadurch bedarf es einergroßen Sensibilität des Solisten.
Nachdem Jascha Heifetz das Konzert in der Carnegy Hall am 30.März 1947spielte,
war Korngold sehr zufrieden. Erschrieb:
27
Tom, Nolan: http://www.wsj.com/articles/SB10001424052748704804204575069461091400560
Tom, Nolan: http://www.wsj.com/articles/SB10001424052748704804204575069461091400560
28
68
„In spite of the demand for virtuosity in the finale, the work with its many
melodic and lyric episodes was contemplated for a Caruso than for a
Paganini. It is needless to say how delighted I am to have my concerto
performed by Caruso and Paganini in one person: Jascha Heifetz.“29
Jascha Heifetz trug viel zur Popularität des Werks bei. Dieses Konzert wurde fixer
Bestandteil des Violinrepertoires und wurde schnell zu Korngolds berühmtestem
Werk. Heutzutage wird es selten im Konzertsaal gespielt, aber viele bedeutende
Violinisten haben dieses Konzert aufgenommen, darunter Itzhak Perlman, Gil
Shaham, Anne-Sophie Mutter, Philippe Quint und Hilary Hahn. An dieser Stelle muss
der Dirigent André Previn erwähnt werden, weil er dieses Konzert mit drei
verschiedenen Solisteneinspielte.
In alle Konzertwerke übernimmt Korngold thematisches Material aus seinen
Filmpartituren, das Violinkonzert ist das aufregendste Beispiel dieser Praxis. Im
ersten Satz verwendet er die Themen aus „Another Dawn“(1937) und „Juarez“
(1939); im wundervollen zweiten Satz verwendet er die Musik aus dem Film „Anthony
Adverse“ (1936), für die er den Oscar gewann; und einige Teile des dritten Satzes
entstammen der Musik für „The Prince and the Pauper“ (1937). Das Konzert ist somit
eine Kombination aus der Filmmusik der1940er Jahre, virtuosen Elementen in der
Solostimme und der romantischen Handhabung der Melodik und Harmonik. Der
Orchesterapparat ist groß besetzt: mit allen Holzbläsern und einer riesigen Palette an
Schlagwerk: Pauken, Große Trommel, Gong, Röhrenglocken, Glockenspiel,
Xylophon, Vibraphon, Becken und Celesta, die eine koloristische Funktion haben.
Das Violinkonzert weist folgende Sätze auf:
1. Moderato nobile
2. Romance (Andante)
3. Finale (Allegro assai vivace)
29
http://www.wsj.com/articles/SB10001424052748704804204575069461091400560
69
Das Konzert wird von der Solovioline mit einer wundervollen, lyrischen Melodie im
hohen Register, die mit einer kleinen Kadenz endet, eröffnet. Nach der kurzen
Solokadenz kehrt das Thema wieder, dieses Mal im Orchester, während die
Solovioline
neues
motivisches
Material
einführt.
Dieses
neue
motivische
Materialentwickelt sich zum neuen Thema. Das zweite Thema weist einen
kontrastierenden Charakter auf, es ist motorisch und bewegter, mit einer neuen
Melodik und Klangfarbe. Das Hauptthema scheint wieder in der Solovioline auf und
es entwickelt sich bis zur Solokadenz. Das Hauptthema wird nach der Solokadenz
mit vollem und wirklich grandiosem Klang vom Orchester gespielt. Man erwartet,
dass dieses Mal das Orchester den Satz zum Schluss bringen wird, aber der
Komponist schiebt das Ende auf und bearbeitet das Thema erneut. Schlussendlich
beendet die Solovioline die letzten raschen Läufe und schließt mit Unterstützung der
hohen Streicher und Holzbläser (kurz vor dem Ende auch Trompete, Celesta, Harfe
und Becken) den ersten Satz. Das nächste Notenbeispiel zeigt die letzten acht Takte
der Solovioline und der Streicher.
70
Notenbeispiel Nr. 14: Ende des ersten Satzes, Solovioline, Streicher
Der zweite Satz ist ein romantischer, langsamer Satz, aber trotzdem bewegend (der
Komponist wählte als Tempo Andante).Er ist sehr ausdrucksvoll, meiner Meinung
nacheiner der schönsten Sätze für Violine und Orchester. Der Klang ist warm und
der Charakter ist etwas melancholisch. Nach der kurzen Orchestervorbereitungvon
acht Takten im Dreivierteltakt setzt die Solovioline mit der wundervollen Melodie in
piano dolce ein. Das Thema der Violine beginnt zwar im Viervierteltakt, aber gleich
der nächste Takt ist wie der im Dreivierteltakt. Diese Veränderungen des Metrums
71
sind typisch für diesen Satz. Das Metrum wechselt zwischen 3/4, 4/4 und 2/4. Im
kontrastierenden mittleren Teil (Poco meno (misterioso)) wechselt das Metrum
zwischen 6/8, 9/8 und 12/8.In diesem Teil spielt die Solovioline mit Dämpfer und der
Klang ist etwas kälter. Auch die Melodik wechselt ihren Charakter; sie ist neu und
modern, die Tonart ist nicht klar definiert. Der Charakter und Melodik dieses Teils
werden mit den Akkorden der Holzbläser vorbereitet. Im weiteren Verlauf spielt die
Solovioline die Melodie, während Soloklarinette, Flöte und Celesta kurze Antworten
geben. Der Übergang zur Reprise ist weich und natürlich. Im ganzen Satz scheint
das Thema immer in der Solovioline auf, und das Orchester unterstützt sie. Der
Komponist
verwendet
viele
verschiedene
Instrumentengruppen,
um
neue
Klangfarben zu erreichen. Diese außerordentlichen Farben tragen zu einem etwas
moderneren Klang des Werks bei.
Das Finale ist im Wesentlichen ein witziger und tänzerischer Satz mit folkloristischem
Charakter. Das tänzerische erste Thema und die schnellen Läufe werden mit dem
lyrischen zweiten Thema unterbrochen. Diese langsamen Teile entstehen aber sehr
logisch und weich aus dem wilden Charakter des Satzes. Das Motiv, auf dem das
wundervolle
zweite
Thema
basiert,
stammt
aus
dem
Film
„The
Prince
andthePauper“. Der Anfang des Satzes ist schnell und virtuos. Gleich nach dem
lauten Akkord des Orchesters spielt die Solovioline das erste Thema staccato,
während die Begleitung im Orchester sehr dezent bleibt. Das Orchester, dessen
Holzbläser an dieser Stelle dominieren, antwortet dann dem Solisten und die
Solovioline spielt Akkorde pizzicato.Interessant sind die unerwarteten Akzente, die
dem Thema einen bestimmten folkloristischen Impulsgeben. Während die Solovioline
Sechzehntel spielt, erklingen in den Streichern pizzicato Quartolen, was den
Eindruck erweckt, dass Violine und Streicher nicht ganz zusammen wären. Im
folgenden Beispiel werden sowohl Akzente als auch die Quartolen gezeigt:
72
Notenbeispiel Nr. 15:Der erste Einsatz des Themas.
Währenddes ganzen Satzes kommunizieren das Orchester und die Solovioline in
dieser Weise. Sie spielen miteinander wie zwei Kinder, mit zwischenzeitlichen
Beruhigungen. Das thematische Material wird immer wieder verarbeitet und mit
neuen rhythmischen Figuren und Klangfarben aufgefrischt. Um bestimmte Farben zu
erreichen, verwendet der Komponist nicht nur die verschiedenen Orchestergruppen,
sondern auch besondere Spieltechniken, z. B. Pizzicato, Ricochet und Glissandi, in
den Streichern ebenso wie in der Solostimme. Die Solostimme ist außergewöhnlich
virtuos und anspruchsvoll, aber alle Bravuren, Doppelgriffe, Läufe und Akkorde
stören nicht den musikalischen Verlauf, sondern sind der Schönheit der Musik
dienlich.
73
5. 11. Dmitri Schostakowitsch: Violinkonzert Nr. 1 in a-Moll, op. 77
„Indeed, the range of expression here is unusually wide, and this, combined
with its wealth of color, makes it one of a handful of truly great violin
concertos, right up there with those by Beethoven, Brahms, Sibelius,
Mendelssohn, Tchaikovsky, and perhaps one or two others.“30
Mit diesen Worten beschreibt David Hurwitz31 Dmitri Schostakowitschs Violinkonzert
in seinem Buch Symphoniesand Concertos.
Das Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 in a-Moll op. 77 zählt zu den größten
Violinkonzerten, was seinem breiten Farbspektrum und seinem großen Umfang des
Ausdrucks zu verdanken ist. Zudem weist es eine sehr besondere kompositorische
Form auf. Es handelt sich um eine Suite,die aus einer Kombination barocker und
klassischer Formen sowie auch aus Stücken mit romantischem Charakter besteht,
nämlich Nocturne, Scherzo, Passacaglia und Burlesque. Dieses Verfahren wurde
von Schostakowitsch schon früher verwendet. Zum ersten Mal scheint es in seinem
Klavierquintett (1940) auf, dann entwickelte er seine neuen Ideen im Streichquartett
Nr. 2 (1944) weiter. Das Violinkonzert Nr. 1 ist das einzige Orchesterwerk,dem
ausschließlich diese Formlösung zugrunde liegt.
Schostakowitschkomponierte sein erstes Violinkonzert1947–48. In diesen Jahren
war noch das sogenannte Schdanow-Dekret32 gültig. Schostakowitsch war
vondiesen
Denunziationenbetroffen,
weswegen
das
Werk
zunächst
nicht
aufgeführtwerden konnte.Erst nach Joseph Stalins Todkonnte es am 29. Oktober
1955 mit David Oistrach als Solist und denLeningrader Philharmonikern unter der
Leitung
vonJewgeniMrawinskiuraufgeführt
werden.
Zu
dieser
Zeit
galt
Schostakowitsch schon als der berühmteste russische Komponist und das
Violinkonzert wurde sowohl vom Publikum als auch von der Kritik sehr gut
30
Hurwitz, David: Symphoniesand Concertos, S. 114.„In der Tat ist hier der Bereichdes
Ausdrucksungewöhnlich breit, und dies,in Kombination mit dem Reichtum anFarben, macht
eszueinemderwenigenwirklichgroßenViolinkonzerte, auf gleicher Höhe mitdenenvonBeethoven,
Brahms,Sibelius, Mendelssohn, Tschaikowskyundvielleichtein oder zweianderen.“
31
David Hurwitz schreibt über klassische Musik und ist Kritiker und Schlagwerker.
32
Im Jahr 1946 veröffentlichte der Parteisekretär Andrei Schdanowein Dekret über die strenge
staatliche Kontrolleder Künste, und der Kampf gegenwestliche Einflüsse.
74
aufgenommen. So schreibt Hurwitz beispielsweise: „It is without doubt a milestone in
twentieth-century music.“33
Das Konzert wird sehr oft gespielt und nimmt einen wichtigen Platz im Repertoire
aller großen Violinistenein.
Dererste Satz (Nocturne: Moderato)istdurch eine nur undeutlich wahrnehmbare
Tonalität geprägt. Die Harmonik ist durchwegs chromatisch und instabil. Im
Gegensatz dazu enthält die Melodik motivische Elemente, die leicht erkennbar sind,
wenn sie erscheinen. Bereits der erste Einsatz der Celli und Bässe und die Melodie,
welche von der Solovioline gespielt wird, sind von diesen motivischen Elementen
geprägt. Die Instrumentierung weistein Übergewicht der Holzbläser im tiefen
Register, Bassklarinette, Posaune und Kontraposaune auf. Am Ende des Satzes
bleiben nur Harfen, Celesta und Tamtam übrig. Diese Instrumenteerklingen nur in
diesem Satz und sie tragen zur fantastischen Atmosphäre bei.
Der zweite Satz (Scherzo: Allegro) weist eine klassische Sonatenform auf. In diesem
Satz verwendet Schostakowitsch zum ersten Mal sein musikalisches Akronym, das
aus dem ersten Buchstaben seines Vornamens(D)und den ersten drei Buchstaben
seines Nachnamens auf Deutsch besteht (SCH: S = Es, C, H = B). Dieses Motiv
verwendete er in vielen Werken, z. B. im Klaviertrio Nr. 2, in der Klaviersonate Nr. 2,
in den Symphonien Nr. 10 und 15 oder im Streichquartett Nr. 8. In diesem Satz
scheint dieses Motiv zum ersten Mal auf,die Solovioline spielt es sehr lautnachdem
grotesken Lauf in allen Holzbläser.
Dieser Satz ist auch wegen des Einsatzes von Tamburin und Xylophon,
welche das zweite Thema spielen, interessant.Schostakowitsch verwendet das
Tamburin nur ein einziges Mal in seinem ganzen Opus, nämlich in diesem Satz. Das
zweite Thema weist einen jüdischen Charakter auf. Schostakowitsch interessierte
sich sehr für die jüdische Musik und integrierte ihre Elemente in viele spätere
33
Hurwitz, David: Symphonies and Concertos, S. 115.
75
Kompositionen; diese Auseinandersetzung ist beispielsweise im Liedzyklus From
Jewish Folk Poetry offensichtlich.34
Über den dritten Satz (Passacaglia: Andante) schrieb Hurwitz Folgendes: „This
movement, the heart of the work, achieves a passion and nobility of spirit virtually
unequalled in the violin-concerto literature.“35
Die Passacaglia ist eine Folge von neun Variationen des Themas, welches die
ungewöhnliche Länge von 17 Takten aufweist. Diese ungeradeTaktanzahl ermöglicht
die Flüssigkeit des Werkes. Das gleiche Motiv wird in der Bassstimmewiederholt, es
dient als Grundlage der Variationen. Nach den neun Variationen folgt die Coda. In
diesem Satz sind Piccoloflöte und Flöte völlig ausgenommen und so schuf der
Komponist eine warme Atmosphäre, obwohl die Partitur sehr zurückhaltend
instrumentiert ist.Zusammen mit der hauptsächlich diatonischen Harmonik trägtdiese
Eigenschaft dazu bei, dass sich der dritte Satz stark vom dunklen ersten Satz des
Konzertes unterscheidet.
1. Variation: Das Thema erklingt in den Celli und Bässen. Es wirkt dunkel und etwas
tragisch. Die Hörner spielen über den Streichern eine feierliche Melodie.
2. Variation: Tuba und drittes Fagott übernehmen das Thema, während das
Englischhorn und die Klarinetten zusammen mit den restlichen Fagotten einen
Choralmit einem liturgischen Charakterspielen. Es scheint, als ob eine Orgel spielen
würde.
3. Variation: Das Thema erklingt in den Celli und Bässen. Violinen und Violen spielen
den Choral. Die Solovioline erscheint zum ersten Mal in dieser Variation.Sie spielt
eine zarte und warme Melodie, während das Thema in den Celli und Bässen als
Klangteppich hörbar ist.
34
Hurwitz, David: Symphonies and Concertos An Owner’s Manual, Amadeus Press, 2006, S.
117
35
Hurwitz, David: Symphonies and Concertos, An Owner’s Manual, Amadeus Press, 2006, S.
117
76
4. Variation: Das Thema und der Choral erklingen so wie in der dritten Variation,
Englischhorn und Fagotte spielen die Melodie, die die Solovioline zuvor vorgestellt
hat, während die Soloviolinedie Melodie weiterentwickelt.
5. Variation: Die Hörner spielen das Thema. Die Geigen spielen den Choral und die
Holzbläser schließen sich später an. Celli und Bässe spielen die Solomelodie aus der
vierten Variation und die Solovioline setzt ihr Spiel mit immer größer werdender
Leidenschaft fort.
6. Variation: Hörner, Celli, Bässe und Tuba übernehmen das Thema. Violinen und
Violen behalten den Choral bei.
7. Variation: In dieser Variation erklingen lediglich die Streicher. Sie stellt den
Höhepunkt des Satzes dar. Die Violinen und Violen spielen den Choral, die Celli und
Bässe spielen den melodischen Kontrapunkt und der Solist das Passacaglia-Thema.
8. Variation: Hierbei handelt es sich um eine weichere Rekapitulation der dritten
Variation. Tuba und Fagott spielen das Thema, die Klarinetten den Choral und die
Solovioline die Melodie ihres ersten Einsatzes, jetzt allerdings in einem tieferen
Register.
9. Variation: Die Pauken und die Streicher, die pizzicato spielen,spielendas Thema;
die SoloviolinejeneMelodie, die zu Beginn die Hörner gespielt haben.
Alle Variationen sind ohne Unterbrechungen aneinandergereiht und die Spannung
entwickelt sich dank der Solovioline durch den ganzen Satz bis zurachten Variation.
Die letzten zwei Variationen führen schließlich zur totalen Beruhigung,die Solovioline
bleibt allein.
Nach dem dritten Satz folgt die Kadenz, die man aufgrund ihrer Länge als getrennten
Satz betrachten könnte. Sie dauert wie der letzte Satz fünf Minuten;in seinem ersten
Cellokonzert, zum Beispiel, bezeichnete Schostakowitsch die Kadenz als einen
separaten Satz. Die Kadenz enthält größtenteils das musikalische Material aller
vorangehendenSätze, zusammen mit dem DSCH-Motiv und dem jüdischen Tanz aus
dem zweiten Satz. Sie fängt sehr ruhig und leise an und wird gegen Endeimmer
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lebhafter. Schließlich leitet sie zum letzten Satz über. Die folgenden Beispiele zeigen
Ausschnitte aus der Kadenz:
Notenbeispiel Nr. 16: Die erste Phrase
Notenbeispiel Nr. 17: Melodie aus dem jüdischen Tanz
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Der letzte Abschnitt, der zum letzten Satz führt; „attacca“ steht am Ende der Kadenz:
Notenbeispiel Nr. 18: Der letzte Abschnitt
Im vierten Satz (Burlesque: Allegro conbrio) wird das Hauptthema der Solovioline
aus derNocturneverwendet. Das Thema ist im letzten Satz schneller und weist eine
andere Harmonisierung auf. Jedoch sind die rhythmischen und motivischen
Elemente alle auf ihrem Platz und erkennbar. Das Thema wird zunächst vom ganzen
Orchester gespielt und die Solovioline übernimmt alle Wiederholungen. Zwischen
den Einsätzen des Themasstellt die Solovioline zusammen mit dem Orchester neue
Ideen vor.
In diesem Konzert sind die Elemente des nationalen Stiles sehr offensichtlich
erkennbar. Neben dem jüdischen Tanz, derauch in der Partitur als solcher
bezeichnet ist, findet man alle wichtigen Merkmale dieses Stiles. Schostakowitsch
verwendet Elemente aus der Volkstradition in einer expressionistischen Weise. In
den schnellen Sätzen liegt der Akzent auf dem rhythmischen Element: Dies sind
79
rhythmische Motive, die mehrmals wiederholt werden, sowie Akzente und
ungewöhnliche Betonungen. Auch im ersten Satzkommt das Thema immer wieder
mit seinem gut erkennbaren,punktierten Rhythmus. Aber das Konzert ist auch
neoklassisch, dennes enthält klassische und barocke Formen: Nocturne, Scherzo,
Passacaglia und Burlesque. Es besteht aus vier Sätzen, deren Tempi so wie in
einerbarocken Suitekontrastieren. Die Orchestrierung ist klar. Der Ausdruck und die
Expressivität des Werkes sind schließlich unzweifelhaft romantisch.
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6. Fazit
Mit meiner Arbeit beabsichtigte ich einen Beitrag zum besseren Verständnis einer
wichtigen und sehr interessanten Epoche in der Entwicklung der Musik zu geben. Die
erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist von großer Bedeutung für die Entwicklung der
Gattung Violinkonzert. Im Gegensatz zu vorherigen Perioden, wirkten in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Komponisten, welche sich dieser Form widmen.
Besonders interessant ist die Tatsache, dass jeder dieser Autoren nach seiner
eigenen Art komponierte. Durch die Analyse ausgewählter Werke erfahren wir, wie
Änderungen in Form, Harmonie, Melodik und Rhythmik zustande gekommen sind,
sowie die Umgangsformen mit dem Solisten und Orchester.
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7. Literaturverzeichnis
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