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Damit der Vampyr kraftvoll zubeißen kann
Zahnversorgung Sänger
erhält Reißzähne für
eine Rolle am
Koblenzer Theater
Von unserem Kulturchef
Claus Ambrosius
M Koblenz. Lange Eckzähne ragen
aus seinem Oberkiefer, die Frontzähne sind wild gefurcht und wirken ebenfalls ziemlich bedrohlich:
„Es soll an ein Raubtier erinnern“,
erklärt Daniela Dennert. „Drückt
es ein bisschen?“, fragt Michael
Heinen seinen Patienten im Zahnarztsessel. Statt einer Antwort gibt
es ein lautes „Roaaar!“ mit wilder
„Es gibt da etwas, was nur
Sie für das Theater tun
können ...“
Der Koblenzer Zahnarzt Michael Heinen erinnert sich schmunzelnd an die Anfrage nach
einer Unterstützung für Vampir-Oper. Für den
im Freundeskreis des Theaters engagierten
Arzt Ehrensache: Er spendet die neuen Beißerchen.
Grimasse in Richtung Spiegel: Offenbar gefallen Bastiaan Everink
die Vampirzähne, die ihm die beiden verpasst haben. Sie sind für
ihn quasi Arbeitskleidung: Vom 6.
Mai an steht er in der Titelpartie
von Heinrich Marschners Oper
„Der Vampyr“ im Theater Koblenz
auf der Bühne.
Für alle drei – die Ästhetikspezialistin vom Dental-Labor Lubberich, den Koblenzer Zahnarzt und
den niederländischen Bariton – ist
diese Zahnbehandlung absolutes
Neuland: Im Regelfall stehen
Fangzähne nicht auf dem Wunschzettel, den Patienten zum Zahnmediziner mitbringen. Es sei denn:
Es handelt sich um Menschen, die
nur für eine Zeit lang in die Rolle
der transsylvanischen Blutsauger
schlüpfen.
Wer schon einmal Plastik-Vampirzähne ausprobiert hat, die zur
närrischen Jahreszeit Konjunktur
haben, weiß: Dieser Scherzartikel
ist gerade mal für einen Augenblick erträglich, um ein lustiges Foto aufzunehmen. Bastiaan Everink
Einmal Reißzähne, bitte: Dieser Wunsch ist neu für den Zahnarzt Michael Heinen und die Dental-Ästhetikspezialistin
Daniela Dennert. Bastiaan Everink ist bald auf der Koblenzer Opernbühne als „Der Vampyr“ zu erleben. Foto: Ambrosius
„Der Vampyr“ im Internet: Live-Berichte aus der Probe
Die Handlung
Lord Ruthven ist ein Vampir. Unter
der Bedingung, dass er der Hölle
binnen 24 Stunden drei Opfer
bringe, wird ihm seine Frist auf Erden noch einmal verlängert.
Das Stück
Heinrich Marschner hat mit dem
„Vampyr” eine deutsche romantische Oper geschrieben, die ebenso
an Webers „Freischütz” anknüpft
wie sie auf Wagners „Fliegenden
Holländer” vorausweist. Nach ihrer
Uraufführung 1828 in Leipzig wurde
die Oper im 19. Jahrhundert viel
gespielt. Einem um die Jahrhundertwende nachlassenden Interesse
begegnete der Komponist Hans
Pfitzner 1924 mit einer Neubearbeitung, die ihrerseits dazu führte,
dass das Original weitgehend in
Vergessenheit geriet. In Koblenz
erklingt das Werk auf der Grundlage
einer wissenschaftlichen Neuedition
des Originals aus dem Jahr 2009.
Rund um die Produktion
Zu dieser Produktion bietet das
Theater am Montag, 24. April um
18 Uhr ein Tweetup an: Angemeldete Twitter-Nutzer berichten live
unter #TweetupKO aus einer Probe,
Infos unter blog.theater-koblenz.de
30. April, 11 Uhr, Foyer: Matinee
mit Einblicken in die Produktion
6. Mai, 19.30 Uhr: Premiere
Z
Infos und Karten unter Tel.
0261/129 28 40
allerdings wird mit seinen „Dritten“ viele Stunden auf der Bühne
verbringen – er muss er sich an das
Fremdkörpergefühl gewöhnen, das
die von Michael Heinen angepasste Schiene erzeugt. Das ist der
Knackpunkt: Für einen professionellen Sänger ist jede Änderung
des stimmerzeugenden Apparates
– und damit auch jedes Zahnproblem und jede größere Behandlung
beim Dentisten – ein potenzieller
Anschlag auf die in Jahren antrainierte Technik.
Versuchen möchte es Everink,
der Koblenzer Opernfreunden bereits als stimmgewaltiger Don Pizarro in Beethovens „Fidelio“ im
vergangenen Jahr bestens bekannt
ist, aber auf jeden Fall – schließlich
gibt es eine Reihe von Musicalkollegen, die sich der Herausforderung Vampirgebiss Abend für
Abend erfolgreich stellen: In der
laufenden Produktion „Tanz der
Vampire“ gehören scharfe Eckzähne zur Dienstkleidung, an einem Internetvideo, das über die
Herstellung und das Tragen der
künstlichen Beißerchen informiert,
haben sich auch der Koblenzer
Zahnarzt Michael Heinen und sein
wagemutiger Patient orientiert.
Die Idee, für die genretypische
Ausstattung des Hauptdarstellers
der Oper von 1828 fachärztliche
Hilfe heranzuziehen, stammt von
Juliane Wulfgramm, der Chefdramaturgin des Koblenzer Theaters.
Sie hatte sich vertrauensvoll an Michael Heinen gewandt – nicht nur,
weil sie in seiner Praxis Patientin
ist, sondern weil sie auch wusste,
dass er als Mitglied des Freundesvereins ohnehin Unterstützer des
Theaters ist. „Ich bekam eine EMail mit der Frage: Es gibt da etwas, was nur Sie für das Theater
tun können ...“, erinnert sich Heinen lachend. Darauf konnte er sich
zunächst keinen Reim machen –
als Wulfgramm ihm die Vampirgeschichte erzählte, war sein beruflicher Ehrgeiz geweckt, seine
Arbeitszeit und das Material gehen
als Spende an das Theater.
Ob wohl bis zur Premiere Sänger und Kunstzähne gut zusammenfinden? „Roaaar“ wiederholt
Bastiaan Everink leidenschaftlich
auf dem Stuhl – am 6. Mai wissen
wir mehr, wenn „Der Vampyr“
erstmals auf Jungfrauenjagd geht.
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