EIN SCHLAUES FÜCHSLEIN

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Bordeaux: …. und regionale Initiativen
Der Neue Merker 03/2012 S. Im Druck
Auch in Bordeaux ging es recht russisch zu. Nach einem ausgezeichneten und animierten Beginn der
Konzertsaison des Orchestre National Bordeaux-Aquitaine, dirigierte Ex-Bolshoi-Chef ALEXANDER
LAZAREV am 9. 2. ein russisches Programm mit unglaublichem Einsatz. Er begann mit Moussorgskys „Nacht
auf dem kahlen Berg“, sehr musiziert, worauf die 25-jährige georgische Pianistin KHATIA BUNIATISHVILI - die
in Wien studiert hat - das 2. Klavierkonzert von Rachmaninoff spielte. Obwohl sie die schwierige
Klavierpartie tadellos spielte, fehlte ihr hörbar die Muskel-Kraft gegen das riesige Orchester aufzukommen,
obwohl LAZAREV mit väterlicher Fürsorge die Wogen zurückhielt. Die Uraufführung eines kurzen Werks
„Maslenitsa“ des französischen Komponisten Guillaume Connesson [geb. 1970], das ein russisches
Volksfest nachfühlt, war ganz amüsant. Zum Abschluss war die 2. Symphonie von Borodin ein grossartiger
Höhepunkt, wo LAZAREV seine ganze Meisterschaft zeigen konnte. Grossartig! Man fragt sich warum diese
herrliche Symphonie so selten gespielt wird.
Interessant war, dass der 68-jährige Lazarev sich nicht scheute das Konzert auch in Sarlat (Perigord, 19 000
Einw., 200 km östlich) und Soustons (Landes, 7000 Einw., 160 km südlich von Bordeaux) zu wiederholen!
Und das nach dem „Schneesturm“ (ganze 5 cm Schnee in Bordeaux!) in der Nacht 4./5. 2. - hier eine Rarität
- der die ganze Region für eine Woche praktisch lahm gelegt hatte.
Janáček: „EIN SCHLAUES FÜCHSLEIN“ - Kinderfassung, Grand Théâtre, 12. 02. 2012.
Obwohl dieses musikalische Experiment in Bordeaux zu sehen war, kam die Produktion aus dem
Osten Frankreichs. Denn das Ensemble Justiniana (12 Instrumentalisten) ist in Besançon
beheimatet und wurde vom Opernstudio der Pariser Oper mit dieser Produktion betraut.
Es ist immer ein etwas gewagtes Unternehmen ein bekanntes Meisterwerk der Oper für Kinder zu
adaptieren. In Wien findet alljährlich am Tag nach dem Opernball eine „Zauberflöte für Kinder“ im
Balldekor der Oper statt. In Berlin gibt es einen „Freischütz für Kinder“ und selbst einen „JungSiegfried“! In Frankreich hatte in den 1990er Jahren Louis Erlo am Opernstudio in Lyon „Une
petite Flûte enchantée“, heraus gebracht, eine sehr gelungene Kinderfassung der „Zauberflöte“ auf
französisch, die in ganz Frankreich und auch in Paris an der Opéra comique mit grossem Erfolg
gezeigt wurde (Merker, Feb. 1995).
Natürlich bot sich „Das schlaue Füchslein“ (Příhody Lišky Bystroušky) von Leoš Janáček als
nächstes Opfer an. Diese Idee hatte der - aus Graz stammende - ALEXANDER KRAMPE mit Ronny
Dietrich umgesetzt. Die beiden Kumpane haben die Handlung auf eine Stunde zusammenstrichen,
was etwas brutal war. So sind einige der Figuren, wie der Wilderer Harašta, die Wirtshaus-Szene
samt Wirt, Wirtin, Lehrer und Pfarrer (der Dachs traute das Fuchspaar in einem Video), sowie
einige Waldtiere der Schere zum Opfer gefallen, so dass der Förster die Bystrouška erschiessen
musste. Doch da liegt nicht das Problem. Die Adaptation ergab „Une petite renarde rusée“ und
wäre leichter über die Bühne gegangen, wenn die Aufführung nicht teilweise auf tschechisch,
sondern nur auf französisch gesungen worden wäre (nur Förster und Gattin sangen französisch, was
weiter zur Konfusion beitrug), zumal man die Übertitelung vergessen hatte .... Alternativ hätte man
die im Programmheft angegebene, recht gute Inhaltsangabe irgendwie zeigen können, z. B. durch
Projektionen, denn deren gab es viele, auf Neben-Bildschirmen oder man hätte einen Erzähler
bemühen müssen.
Diese Koproduktion zwischen Ensemble Justiniana, dem Pariser Opernstudio und dem Théâtre
musical de Besançon wurde 2009 in Amphitheater der Opéra Bastille erstmals gegeben. Der
Dirigent, DENIS COMTET, zog sich überraschend gut aus der relativ schwierigen Situation. Denn
musikalisch ist das „Füchslein“ ja kein leichter Brocken – besonders mit einem verkleinerten
Orchester. Die Regie von CHARLOTTE NESSI, der Mit-Gründerin des Ensemble Justiniana, war als
„Reiseinszenierung“ geschickt konzipiert, zumal die durchwegs jungen Sänger mit vollem Eifer bei
der Sache waren.
Die wenigen Kostüme von JÉRÔME KAPLAN, besonders die der Füchse jeglichen Alters waren
hübsch, gelungen und passend. GÉRARD CHAMPLON Zeichnete für die Szenographie, die recht einfach
war, da die Handlung großteils projiziert war: drei kleine Hügelchen vor zwei dunklen halbdurchsichtigen Projektionswänden. CHAMPLON sorgte auch für die entsprechende Beleuchtung, u.a.
einen hübschen Mond. Viele Vorgänge der Handlung (das Försterhaus, der Hühnerstall, der
wütende Hahn, der Frosch, die Veränderungen der Jahreszeiten usw.) spielten sich tadellos auf den
zwei grossen Planen ab, mittels gut konzipierten, bisweilen gefühlsvollen Projektionen von SAMUEL
HERCULE und MIKEKE GUERMYET ab. Durchwegs recht passend, waren die Videos aber bisweilen
etwas verworren. Da viele Rollen (die Hühner oder Vögel des Waldes) hinter den Projektionen
gesungen wurden, traten die Sänger nur hinter den Planen auf und wurden diskret angeleuchtet. Das
Problem war, dass zwischen den beiden, leicht versetzten, Projektionsflächen ein enger Eingang auf
die Spielfläche führte. Da aber die Projektionen beide Flächen verwendeten, hatten diese einen
vertikalen Bruch, was etwas stümperhaft wirkte.
Als Füchslein Bystrouška war die
junge Rumänin ELENA POESINA die
Älteste, denn sie singt seit einigen
Jahren Rollen des 2. Fachs. Ihr
hübscher Sopran trägt gut und sie
spielt die akrobatische Rolle
bestens. Es war sehr erfreulich, sie
endlich in einer Hauptrolle zu
hören. Ihr Gegenspieler, der
Förster, war ROGER JOAKIM, der
sich sehr gut hielt und blendend
seine grosse Zuneigung zur
Tierwelt und Natur im
allgemeinen und Bystrouška im
Das kleine Füchslein Bystrouška (ELENA POESINA) und ihr Galan (MAJA
besonderen, mit seinem warmen,
PAVLOVSKA) beraten über ihre künftige Kinderschar. © Xavier Pina / Opéra
sehr flexiblem Bariton zeigen
National de Paris
konnte. Der schöne Fuchs (der
auch den Hahn sang) war MAJA PAVLOVSKA, die bei ihrem 1. Auftritt in einem langen silbernen
Mantel sehr gute Figur machte. Die Stimme trägt gut, muss aber noch etwas mehr Erfahrung
sammeln.
Von den zahlreichen Nebenrollen traten nur der Dachs (NICOLAS ROUAULT), die Förstersfrau
(JENNIFER TANI, die auch Eule und Grünspecht hinter den Projektionen sang) und der Hund (MARC
VALERO) auf und machten das sehr passend. Die fünf Fuchskinder (CAMILLE CHOPIN, THIBAUD LE
CLECH, MARIE FEVRE-SCHEUERMANN, JULIA FURTUNA, IVAN PALACIOS) vom Kinderchor Sotto Voce
sangen bestens und balgten sich vergnüglich auf der Bühne. Die Hühner und Waldvögel waren nur
hinter den Projektionswänden zu sehen und verbeugten sich am Schluss in schwarzen Turnanzügen
(ANAÏS GONZALEZ, RAFAELA JIRKOVSKY, SIXTINE LE BORGNE, SOPHIA STER).
Ein interessantes, leider nicht ganz überzeugendes Experiment, zumal einige der zahlreichen Kinder
im Publikum sich sichtlich langweilten.
Wilhelm Guschlbauer
Das kleine Füchslein Bystrouška (ELENA POESINA) und ihr Galan (MAJA
PAVLOVSKA) beraten über ihre künftige Kinderschar. © Xavier Pina / Opéra
National de Paris
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