Inhalt Defintion 1.1. Psychose 1.2. Schizophrenie 2.Häufigkeit der Schizophrenie, Erkrankungsrisiko und -alter 2.1. Häufigkeit 2.2. Erkrankungsrisiko von Verwandten 2.3. Erkrankungsalter 3. Frühwarnzeichen und Symptome 2 2 2 2 2 3 3 3 3.1. Frühwarnzeichen 3.2. Symptome 3 4 4. Unterformen schizophrener Psychosen 6 3.2.1. Plus- Symptome 3.2.2. Minus- Symptome 3.2.3. Verlauf von Plus- Minus- Symptomatik während der Schizophrenie 4 5 6 4.1. Paranoid- halluzinatorische Schizophrenie 4.2. Schizoaffektive Psychose 4.3. Hebephrene Psychose 4.4. Katatone Verlaufsform 4.5. Blande Psychose (Schizophrenia simplex) 6 7 7 7 7 5. Diagnosestellung 8 5.1. Nicht- apperative Untersuchungen 5.2. Apperative Untersuchungen 6. Ätiologie 8 8 9 6.1. Psychodynamisches Modell nach Mentzos 6.2. Multifaktorielles Modell 6.3. Integratives Modell 9 10 11 7. Behandlung und Rückfallschutzmaßnahmen 11 7.1. Medikamentöse Therapie 7.2. Psychotherapeutische Behandlung 7.3. Soziotherapeutische Maßnahmen, Rehabilitation 12 12 12 8. Prognose 13 9. Literatur 15 1 1. Definition 1.1.Definition von Psychose Roche Lexikon Medizin (1987, S. 1418): "vorübergehende oder sich stetig verschlechternde psychiatr.Erkrankung oder Abnormität mit erheblicher Beeinträchtigung psychischer Funktionen mit v.a. gestörtem Realitätsbezug, mangelnder Einsicht und Fähigkeit, üblicher sozialer Norm bzw. Lebensanforderungen zu genügen. Die strenge Abgrenzung gegenüber Neurose (Borderline-P.) u. Psychopathie ist nicht immer möglich." Man unterscheidet Psychosen mit exogener Ursache (d.h. die Ursache liegt außerhalb des Körpers bzw. nicht innerhalb der Psyche), z.B. Psychosen durch Alkohol, Drogen, Infektionen, Stoffwechselstörungen, etc. und mit endogener Ursache (d.h. innerhalb der Psyche entstanden, nicht eindeutig körperlich begründbare Psychose), zu dieser Gruppe gehört die Schizophrenie. 1.1. Definition von Schizophrenie Roche Lexilon Medizin (1987, S. 1534):"Spaltungsirresein, Dementia praecox (frühere Bez.): Psychose mit Verlust des Strukturzusammenhangs der Persönlichkeit u. mit Spaltung von Denken, Affekt u. Erleben (einschl. des Zusammenhangs ihrer Komponenten), wahrscheinlich auf einer Interaktion psychischer u. somatischer Faktoren beruhend." 2.Häufigkeit von Schizophrenien, Erkrankungsrisiko und -alter 2.1. Häufigkeit Nach Bäuml (1994, S. 35): ca. 1 % der Bevölkerung ähnlich häufig wie Diabetes kein Unterschied zwischen den Geschlechtern kein Unterschied zwische verschiedenen Völkern keine Zunahme in den letzten Jahrzehnten 2 2.2. Erkrankungsrisiko von Verwandten Nach Bäuml (1994, S. 44): Erkrankungsrisiko von Kindern, wenn ein Elternteil erkrankt ist 10- 15 % beide Elternteile erkrankt sind 30- 50 % Erkrankungsrisiko von Geschwistern, wenn ein eineiiger Zwilling erkrankt ist 25- 50 % ein zweieiiger Zwilling erkrankt ist 10- 15 % keine Zwillingsverwandtschaft besteht 6- 10 % Erkrankungsrisiko, wenn Onkel, Tante, Nichte oder Neffe erkrankt ist 3- 4 % 2.3. Erkrankungsalter Die meisten Schizophrenien werden zwischen der Pubertät und dem Beginn des vierten Lebensjahrzehnts manifest, hier kommen viele Streßfaktoren zusammen, wie z.B. Auszug aus dem Elternhaus, neue Beziehung, Studiumbeginn, erste Arbeitsstelle, etc..Das Klimakterium ist eine andere biologische Krisenzeit, hier kommt es ebenfalls zu Schizophrenieausbrüchen. 3. Frühwarnzeichen und Symptome 3.1. Frühwarnzeichen Die Frühwarnzeichen einer Psychose sind von Patient zu Patient unterschiedlich. Die häufigsten Frühwarnzeichen sind nach Bäuml (1994, S. 11): zunehmende Geräusch- und Lärmempfindlichkeit, allgemeine innere Unruhe, Nervosität, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, unbestimmte Angst, Mißtrauen, Gereiztheit, Interessensverlust, Niedergeschlagenheit. Das Krankheitsgefühl und die Bereitschaft sich behandeln zu lassen, nehmen mit fortschreitender Verschlechterung der Psychose rasch ab. Deshalb ist es von großer Bedeutung, sich bereits bei den ersten Anzeichen in ärztliche Behandlung zu begeben. Die Prognose, daß ein drohender Rückfall abgefangen werden kann, ist umso besser, je früher die medikamentöse Behandlung begonnen wird. 3 3.2. Symptome Jeder Patient hat laut Bäuml (1994, S. 13) aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner Lebensgeschichte seine typische einmalige Ausprägung der Erkrankung. Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es kein einheitliches Erscheinungsbild der Schizophrenie. Auch bei wiederholtem Auftreten einer Psychose kann sich diese bei der gleichen Person jedesmal anders äußern. Dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten der Symptome. Die Hauptsymptomatik wird in zwei Gruppen unterteilt, in die PlusSymptome und die Minus- Symptome. 3.2.1. Plus- Symptome (plus: es kommt zum üblichen Durchschnittserleben noch etwas hinzu) Denkstörungen: - Konzentrationsstörungen - in schweren Fällen Verlangsamung des Gedankengangs - den Faden verlieren - vereinzelt treten Neologismen auf (Wortneuschöpfungen) auf - Patienten können nicht mehr abstrakt denken - gelockerte Assoziationen (durch einzelne Begriffe, die die Patienten während des Gesprächs hören, werden sie zu verwandten spontanen Äußerungen angeregt) - Gedankendrängen ( der Patient ist mit gesteigerten inneren Gedankenkreisen so stark beschäftigt, daß er sich nicht mehr auf die Umwelt konzentrieren kann) - Zerfahrenheit (die Logik kann aus der Aneinanderreihung von einzelnen Worten nicht erkannt werden Innere Erregung und Anspannung: Der Patient wirkt nach außen ruhig, ist aber innerlich sehr angespannt, hat Angst und ist ratlos. Dieser Zustand kann in große Unruhe und massive Erregung umschlagen. Wahnstimmung und Wahnerlebnisse: Der Patient besitzt plötzlich die Gewißheit, daß etwas Unheimliches in Gang ist. Diese Annahme führt er auf Ereignisse zurück, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar sind. Die Richtigkeit der 4 abgeleiteten Schlüsse steht für ihn außer Frage. Halluzinationen (Trugwahrnehmungen): - Am häufigsten treten akkustische Halluzinationen auf (Stimmemhören); gefährlich können imperative Stimmen sein, sie können zu selbstschädigenden Verhaltensweisen führen. - Am zweit häufigsten sind Geruchs- und Körperhalluzinationen (der Patient erlebt den Körper verändert, z.B. seinen Kopf als aufgeklappt!) Ich- Störungen und Fremdbeeinflussung: - Die Unantastbarkeit der eigenen Person, des eigenen Ichs ist gefährdet. - Die Erkrankten fühlen sich von außen beeinflußt, wie von einem Roboter gesteuert. - Sie haben das Gefühl, einem fremden Willen zu gehorchen. 3.2.2.Minus- Symptome (minus: es wird ein Mangel empfunden im Vergleich zu gesunden Tagen) Verarmung des Gefühllebens innere Leere Niedergeschlagenheit und Depression Mut und Hoffnungslosigkeit Minderwertigkeitsgefühle Antriebslosigkeit fehlende Spontaneität Rückzugsverhalten Es müssen nicht alle Symptome gleichzeitig vorliegen, oft treten nur eine oder zwei Beschwerdegruppen davon auf. Minus- und Plus- Symptome treten oft gleichzeitig auf. 5 3.2.3. Verlauf von Plus- und Minus- Symptomen während der akuten Psychose Erläuterung: Quelle: Bäuml (1994, S. 19) Die durchgezogeneLinie veranschaulicht den zeitlichen Ablauf einer akuten Psychose (die Symptome, die im Vordergrund stehen). Die gestrichelte Linie zeigt die Symptome, die im Hintergrund stehen. Die Ausgangsschwankungen der Grundlinie sollen andeuten, daß auch bei Gesunden das Befinden manchmal etwas auf und ab gehen kann. Frühwarnzeichen sind stärkere Abweichungen der Befindlichkeitskurve, meistens Plus-Symptome, aber auch Minus-Symptome können dem Beginn oder Wiederbeginn vorausgehen. Während der akuten Psychose kommt es zu ausgeprägten Plus-Symtomem, deshalb werden vorhandene Minus-Symptome gar nicht richtig registriert. Nach Abklingen der Akut-Phase treten die MinusSymptome leider bei vielen Patienten mehr in den Vordergrund. Diese postpsychotische Depression kann viele Wochen bis Monate anhalten. 4.Unterformen schizophrener Psychosen 4.1. Paranoid- halluzinatorische Schizophrenie Sie ist die häufigste Form der Schizophrenie. Wahnerlebnisse (paranoid) und Trugwahrnehmungen (Halluzinationen) stehen im Vordergrund. Diese führen zu 6 Angst, Fassungslosigkeit und starkem Mißtrauen des Patienten. Ich- Störungen kommen gehäuft vor. Eine Veränderung der Stimmungslage ist selten. 4.2. Schizoaffektive Psychose Diese Form hat gute Heilungschancen.Wahn, Trugwahrnehmungen und IchStörungen treten auf, außerdem ist die Stimmung sehr stark beeinträchtigt. Diese Patienten können an einer eigenständigen schweren Depression mit massiven Angstzuständen leiden. Zum späteren Erkrankungszeitpunkt kann es umschlagen in einen manischen (gehobenen, überschwenglichen) Gefühlszustand. Dann stehen Glücks- und Überlegenheitsgefühle im Vordergrund, außerdem eine ausgeprägte motorische Unruhe. 4.3. Hebephrene Psychose Sie macht nur eine kleine Gruppe unter den Schizophrenien aus und beginnt meist schon in früher Jugend. Auffallend sind Denkstörungen und eine Beeinträchtigung der Stimmungslage. Diese Patienten wirken unbekümmert und unangebracht heiter, ohne sich wirklich freuen zu können. 4.4. Katatone Verlaufsform Im Vordergrund stehen die Beeinträchtigungen des Bewegungsablaufs. Die Patienten verharren häufig ungewöhnlich lange in unnatürlichen und bizarren Körperstellungen, die sie willentlich nicht verändern können. Dieses Bewegungsverharren kann rasch umschlagen in einen allgemeinen Bewegungsdrang. Die febriele Katatonie ist selten, hier kommt es zu einem Temperaturanstieg bis zu 39,5°C. 4.5. Blande Psychose (Schizophrenia simplex) Sie ist eine seltene Unterform, beginnt schleichend und wird erst einige Jahre später rückblickend als Erkrankung erkannt. Tpische Symptome, wie akutes Wahnerleben, Halluzinationen und Ich- Störungen kommen meist gar nicht oder nur angedeutet vor. Die Patienten weisen einen deutlichen negativen Knick in ihrer Lebenslinie auf, d.h. die zunächst positive soziale Entwicklung bricht mehr und mehr ab, die üblichen Aufgaben in Beruf und Familie werden vernachlässigt. Die Betroffenen isolieren sich 7 immer mehr von ihrer Umwelt, es treten sonderbare und bizarre Verhaltensweisen auf. 5. Diagnosestellung Nach Bäuml (1994, S. 22): Es müssen andere organische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Die Diagnosestellung erfordert Zeit und kann nicht innerhalb weniger Tage erfolgen. Untersuchungsmethoden: 5.1. Nicht apperative Untersuchungen: ärztliches Gespräch Verhaltensbeobachtung Selbstzeugnisse der Betroffenen Angaben von Angehörigen psychologische Testverfahren standardisierte Beurteilungsinstrumente (Eine Zusammenstellung von gezielten Fragen, die dem Untersucher helfen, keine wichtigen Einzelheiten außer acht zu lassen und andererseits nicht eindeutige krankhafte Auffälligkeiten keine unangemessene Bedeutung beizumessen. Dadurch wird gewährleistet, daß die Diagnose in verschiedenen Ländern und Kliniken nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgt.) körperliche Untersuchung 5.2.Apperative Untersuchungen: Labor (Blut, Urin), um Schilddrüsenfunktionsstörung, Eisen- oder schwerer Vitamin B12- Mangel auszuschließen Liquorpunktion (Nervenwasseruntersuchung), um eine entzündliche Gehirnerkrankung auszuschließen EEG (Elektroenzephalogramm) CCT (Craniales Computertomogramm) evtl. NMR (Nuklear- Magnet- Resonanz- Untersuchung, genauer als CCT) evtl. PET (Positronen- Emissions- Tomogramm, d.h. CCT mit Kontrastmittel), um die Stoffwechselaktivität der einzelnen Gehirnabschnitte darzustellen. 8 6. Ätiologie 6.1. Das Psychodynamische Modell nach Mentzos Laut Mentzos (1991, S.112) sollen psychische Störungen auf mindestens 3 grundlegenden Dimensionen erfaßt werden, um Psychosen von Neurosen und von Störungen des intermediären Raums (diese gehören weder zu den Psychosen noch zu den Neurosen, z.B. Borderline-Patienten) abzugrenzen.Bei der Schizophrenie handelt es sich um eine Störung auf 1. Niedrigem Strukturniveau: Die Ich-Grenze ist mangelhaft ausgeprägt, es besteht ein geringer Grad der Integration und Kohäsion 2. Der Grundkonflikt liegt auf niederem Niveau: Der Konflikt betrifft die SubjektObjekt- Trennung, d.h. autistische versus fusionäre Tendenzen (zwischen narzistischen und fusions-verschmelzungs-objektalen Tendenzen) 3. Der Modus der Verarbeitung des Konfliktes: primitive, grobe Abwehr- und Kompensationsmechanismen (wie Wahnideen und Halluzinationen) stehen im Vordergrund. Die Psychose auslösenden Situationen sind nicht irgendwelche unspezifischen Stressoren wie Kriegsereignisse, Hunger, Not oder Überarbeitung, sondern Objektverluste oder umgekehrt sich anbahnende intime Beziehungen. Was wird abgewehrt? Mentzos (1991, S. 29 ff): Ungünstige primäre Objektbeziehungen blockieren eine Lösung der ersten Aufgaben. Die allmählich entstehenden Selbst- und Objektrepräsentanzen sind unklar, unscharf und schwach ausgeprägt. Der Betreffende behält gleichzeitig sowohl seine Sehnsucht nach der Vereinigung mit dem Objekt als auch seine Angst, dabei sein Selbst zu verlieren. Dieser Gegensatz wird bei jeder neuen Beziehung, auch später im Erwachsenenalter, immer von neuem aktualisiert. Dynamisch betrachtet bleibt der Konflikt aktuell. Die Anwesenheit des Objekts ist angstauslösend und wird mit aggressiven Gegenmaßnahmen bekämpft.Die Fortführung dieser Dynamik hat verheerende Folgen.Das nicht nur externe sondern auch intrapsychische Objekt wird schließlich exkommuniziert (herausgeworfen), damit aber auch ein großer Teil des Selbst, der mit ihm eng verbunden war. Die dadurch entstandene Leere, das Vakuum, muß durch die produktive Symptomatik aufgefüllt werden, z.B. durch das Stimmenhören. Diese Stimmen können dann erst im Verlaufe einer mühsamen 9 langjärigen Behandlung als die ursprünglich eigenen erkannt und wieder aufgenommen werden. 6.2. Multifaktorielles Erklärungsmodell Dieses Modell besagt, daß die Interaktion zwischen biologischen, familiären und sozialen Belastungsfaktoren zum Ausbruch der Schizophrenie führt, siehe Bäuml (1994, S. 45ff): Biologische Faktoren Hirnorganische Defekte: Die Gehirnsubstanz ist etwas kleiner und das Ventrikelsystem ist größer als normal. Es kann auch eine Anomalie des limbischenn Systems vorliegen (Teil der Großhirnrinde), Limbopathie genannt.Sekundär durch die Limbopathie kommt es zur Neurotransmitterstörung. Es wird zuviel Dopamin gebildet. Diese funktionelle Veränderung bewirkt eine Kommunikationsstörung zwischen den einzelnen Hirnregionen. Folge ist eine geringe Informationsaufnahmekapazität und -geschwindigkeit, es gibt Probleme in der Auswahl relevanter Reize und der Hemmung irrelevanter Reize. Diese hirnorganischen Defekte entstehen durch Vererbung. Eindeutige Hinweise für eine genetische Ursache liefert die Zwillingsstudie. Die Defekte können aber auch aufgrund von Infektionen in der Schwangerschaft, besonders während des 2. SSTrimesters (4.-6. SS-Monat) oder während der ersten Lebensmonate entstehen. Ebenso kann Sauerstoffmangel während der Geburt zu diesen Defekten führen. Es besteht eine teilweise Überlappung Schizophrener mit ADS-Patienten. Familiäre Belastungsfaktoren Als Schizophrenie begünstigend gilt eine frühkindliche double bindKommunikationsstruktur. Es äußert sich in einem ambivalenten reduzierten Bindungsangebot seitens der Mutter. Soziale Faktoren Laut dem "EE"- Konzept (expressed emotions) wirkt sich impulsives Verhalten im direkten Umfeld des Schizophrenie-gefährdeten für den Ausbruch der Erkrankung förderlich aus. Er braucht Rückzugsmöglichkeiten, zu dichte starke und intensive Beziehungen sind schädlich. Typische "HEE"- Verhaltensweisen von Angehörigen (high expressed emotions: sehr gefühlsmäßige Reaktionen) sind: Kritikfreudigkeit Feindselige Ablehnung 10 Bevormundung und Überbehütung 6.3. Integratives Modell Laut Mentzos (1991, S.15) kann man den Begriff der somatopsychischenpsychosomatischen Erkrankung, der für schwere Psychosomatosen, wie z. B. Asthma bronchiale gilt, auch für endogene Psychosen anwenden: 1. vorgegebene, konstituelle (wahrscheinlich angeborene) relativ geringfügige Störung (biologischer Faktor) und 2. Bedingungen eines bestimmten Milieus, d.h. eine bestimmte psychosoziale Konstellation, nämlich die gestörte Beziehung zu den Primärbezugspersonen (psychosoziale Faktoren), führen zu 3. einer psychischen Struktur und Persönlichkeit, die unausweichlich mit der Entstehung intrapsychischer Konflikte und Spannungen einhergeht (psychische Störung). 4. In einem lebenslangen Prozeß führen diese Spannungen zu somatischen Veränderungen, Störungen und Schädigungen (körperliche Störungen). Dies wäre bei der Schizophrenie die Neurotransmitterstörung. 7. Behandlung und Rückfallschutzmaßnahmen Nach Bäuml (1994, S.53 ff): 7.1. Medikamentöse Therapie wird mit Psychopharmaka durchgeführt, das sind Medikamente, die einen Einfluß auf die Psyche haben und sich regulierend auf das seelische Befinden auswirken. Die Schizophrenie wird vor allem mit Neuroleptikern behandelt, welche zu den Psychopharmaka gehören. Sie haben einen beruhigenden Einfluß auf das Nervensystem. In zahlreichen Studien hat sich herausgestellt, daß bei Schizophrenie die Behandlung mit Neuroleptikern allen anderen Therapieformen überlegen ist. Es wird unterschieden in hochpotente, mittelpotent und niedrigpotente Neuroleptikern, welche nach den jeweils vorherrschenden Symptomen eingesetzt werden. Neuroleptiker haben zahlreiche Nebenwirkungen. 11 7.2. Psychotherapeutische Behandlung Allgemein stützendes Basisverhalten Dieses wird grundsätzlich bei allen Patienten, vor allem während der Akutphase, von jedem behandelnden Arzt angewandt: > seelische Unterstützung durch Gespräche und persönlicher Beistand > patientengerechte Information über die Erkrankung und die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen > Krankheitskonzept-Bildung mit Compliance Förderung > Hilfestellung, die Erlebnisse zu verdauen, Unterstützung in der längerfristigen Auseinandersetzung mit der Erkrankung Spezielle psychotherapeutische Verfahren Diese werden nach der Akutphase an die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepaßt. Der Psychotherapeut sollte sehr viel Erfahrung in der Behandlung von Psychosen besitzen und sich mit dem behandelnden Arzt fortwährend absprechen. Entspannungsverfahren, stützende Psychotherapie, verhaltenstherapeutische Verfahren, tiefenpsychologische Verfahren, Familientherapie, etc. 7.3. Soziotherapeutische Maßnahmen, Rehabilitation Hierunter versteht man die gezielte Beeinflussung der Alltagssituation der Patienten durch "lebenspraktische Maßnahmen", d.h. die nähere Umgebung des Patienten soll so umorganisiert werden, daß sich die Betroffenen trotz ihrer krankheitsbedingten Leistungseinbuße wohl fühlen können. Diese Maßnahmen werden in speziellen Einrichtungen, wie Tagesklinik, Nachtklinik, Rehabilitationseinrichtung, soziotherapeutische Station, etc. durchgeführt. 12 Problembereich Wohnen Maßnahmen nachtklinische Betreuung, therapeutische Wohngemeinschaft, Übergangswohnheim, Dauerwohnheim, selbständige Wohnform, etc. Arbeit Arbeitstherapie in einer Tagesklinik, beschützende Werkstätten, Patientenfirmen, Berufspraktikum, Umschulungsmaßnahmen, Arbeitsversuch, etc. Finanzen Sozialhilfe, Wohngeldzuschuß, Wiedereingliederungshilfen, Beratungsmaßnahmen, Schwerbehindertenausweis, Beratung bei finanziellen Problemen, etc. Freizeit Patientenclubs, Teestube, Patiententreffs, Gesprächsangebote in SPDIs (Sozialpsychiatrische Dienste), Planung von Urlaubsfahrten, etc. Soziale Integration SPDIs, Selbsthilfeinitiativen von Patienten und Angehörigen, weitere Einrichtungen mit sozialtherapeutischem Auftrag 8. Prognose Nach Bäuml (1994, S. 9): 10-20% der Psychosepatienten erkranken nur einmal an einer Psychose 40-60% leiden an mehrmaligen Erkrankungen, die aber jedesmal wieder abklingen. Unter entsprechender Behandlung klingen die akuten Beschwerden bei den allermeisten Patienten innerhalb einiger Monate nahezu vollständig ab.Durch Beibehaltung einer wirksamen Rückfallschutzbehandlung kann das Wiederauftreten der Krankheit weitgehend verhindert werden. Ein Großteil der Patienten kann daher ein nahezu normales Leben führen. Ein geistiger Abbau ist mit der Krankheit nicht verbunden. 20-30% leiden an einem chronischen Schwächezustand (Residualzustand), diese Patienten erholen sich nicht von der Krankheit. Sie leiden unter Energiemangel, die täglichen Aufgaben werden nur mit großer Mühe bewältigt, sie können sich nicht freuen und glücklich fühlen.Die Ursache liegt wahrscheinlich in einer Verkettung 13 von vielen ungünstigen Faktoren. Heute kann eine solche ungünstige Entwicklung durch die Rückfallschutzmaßnahmen verhindert werden. Positiver Knick Selbst bei sehr ungünstig verlaufenden Erkrankungen tritt nach 10-20 Jahren eine deutliche Abschwächung der Symptomatik ein und die Patienten können ein zufriedenstellendes Leben führen. 14 9. Literatur • Bäuml, Josef (1994): Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, Berlin Heidelberg (Springer) • Fisseni, Hermann- Josef (1998): Persönlichkeitspsychologie, (4. überarb. u. erw. Aufl.), Göttingen (Hogrefe) • Krech/ Crutchfield u.a. (1992): Grundlagen der Psychologie, Weinheim (Psychologie Verlags Union) • Lexikon der Psychologie, 2000 (Bassermann) • Matussek, Paul (1990): Beiträge zur Psychodynamik endogener Psychosen, Berlin Heidelberg (Springer) • Mentzos, Stavros (1991): Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) • Pschyrembel Medizinisches Wörterbuch, (257. Aufl.), Hamburg 1994 (Nikol Verlagsgesellschaft mbh) • Roche Lexikon Medizin, (2., neubearb. Aufl.), München, Wien, Baltimore 1987 (Urban und Schwarzenberger) • Tölle, R (1982): Psychiatrie, (6.Auflage), Berlin Heidelberg (Springer) 15