Mandschurenkraniche –

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Mandschurenkraniche –
Erfahrungen bei der Haltung und Zucht
Haltung und Zucht Um die Zukunft der Mandschurenkraniche (Grus japonensis) – geschätzte Gesamtpopulationsstärke in China, Japan und Russland
ca.2.000 Stück und damit der zweitseltenste Kranich
nach dem Schneekranich – ist es nicht sonderlich gut
bestellt.Die fortschreitende Habitatzerstörung durch
Entwässerung, Zersiedelung und Ausbreitung verschiedenster Industrien in ihren Verbreitungsgebieten haben die stark an aquatische Verhältnisse gebundene Art an den Rand der Ausrottung getrieben.
In Menschenobhut ist der Mandschurenkranich relativ gut vertreten und wird seit einigen Jahren auch
regelmäßig nachgezüchtet.
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Thomas E.Lifka, Linz/Österreich
M
einen ersten Mandschurenkranich
erwarb ich im Jahre 1997
von einem deutschen Züchter. Es
war ein ca. drei Monate altes Weibchen (vom Tierärztlichen Institut in
Göttingen durch DNA-Analyse aus
einer Feder bestimmt, alternativ ist
es auch aus Blut möglich, das ich aus
einem angeknipsten Zehennagel
entnehme). Es wurde in einem ca.
3.700 m² großen Gehege (Zaunhöhe ca. 2 m) mit einem großen Naturteich untergebracht, den es mit
einigen Enten, Gänsen und Schwänen teilte. Als Nahrung erhielt der
Kranich ein Gemisch aus Putenendmastpellets, Weizen, Meeresentenfutter und getrockneten Garnelen
(in der Zuchtzeit füttere ich zusätz-
lich Legekombipellets und alle zwei
Tage Futterfische/Mäuse).
Schwierige Geschlechtsbestimmung
Bei dieser Gelegenheit möchte ich
darauf hinweisen, dass es niemanden gibt, der bei jungen, nicht geschlechtsreifen Kranichen aufgrund
von äußerlichen Merkmalen sicher
1 Mandschurenkranich,
Kopfporträt.
2 Mandschurenkranich in
meiner Zuchtanlage.
3 Mandschurenkraniche im
Winter, rechts das Weibchen.
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4 den, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden!
Oft mehr Männchen als
Weibchen
Zurück aber jetzt zu meinem Weibchen. Da es bei Kranichen eigenartigerweise oft mehr Weibchen als
Männchen gibt, war es zu jener Zeit
unheimlich schwer ein passendes
männliches Tier zu bekommen.
Nach zahllosen Telefonaten und Faxen sowie E-Mails rund um die Welt
gelang es mir schließlich zu meinem
inzwischen dreijährigen Weibchen
gegen viel Geld 1,2 vierjährige Tiere aus einem Import aus der Zuchtstation Oka/Russland (ca. 5 Autostunden von Moskau entfernt) zu
bekommen.
4 MandschurenkranichWeibchen am Nest, in dem
zwei Eier liegen.
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5 Ei des Mandschurenkranichs.
das Geschlecht bestimmen kann.
Erst kürzlich hörte ich wieder von
einem Züchter, der meinte, bei Nestgeschwistern könnte man davon
ausgehen, dass es sich immer um ein
Paar handelt. Eine Aussage, die klar
ins Reich der Märchen verwiesen
werden kann und eher den Brüdern
Grimm zusteht als einem seriösen
Züchter.
Als Beispiel möchte ich nur anführen, dass unsere letztjährige
Nachzucht der Weißnackenkraniche folgende Geschlechter aufwies:
erstes Gelege zwei Männchen;
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zweites und drittes Gelege jeweils
zwei Weibchen; viertes Gelege zwei
Männchen. Um es noch weiter zu
präzisieren, behaupte ich, dass es
sich bei Nestgeschwistern oftmals
um gleichgeschlechtliche Tiere handelt. Natürlich können echte „Kranichprofis“ aufgrund der Größe und
des Verhaltens von – auf den Tag genau – gleichaltrigen Jungvögeln Geschlechtsprognosen abgeben, die oft
auch stimmen.
Nichtsdestoweniger sollte aber
beim Kauf der Tiere auf ein Geschlechtszertifikat bestanden wer-
Tipps für Kranichhalter
und solche, die es werden
wollen
Auch an dieser Stelle möchte ich
wieder einige Tipps aus meinem inzwischen reichen Erfahrungsschatz
weitergeben, um zukünftigen Kranichhaltern teure und leidvolle Erfahrungen ersparen zu helfen. Erwerben Sie nach Möglichkeit keine
kupierten Kraniche (besonders
Männchen), außer die Alternative
wäre, einen Vogel alleine stehen zu
lassen! Die Männchen befruchten
teilweise sehr schlecht bis gar nicht,
da sie sich schwerlich auf dem Rü-
cken der relativ aufrecht stehenden
Weibchen halten können, und generell besteht immer die Gefahr, dass
sich die Tiere beim Fangen (Gesundheitscheck, Entwurmen, Umsetzen etc.) an der kupierten Stelle
verletzen und sogar verbluten können. Das Argument, dass unkupierte Vögel entfliegen könnten, kann
ich eigentlich überhaupt nicht gelten lassen, da das Kupieren erstens
verboten ist, zweitens den Vögeln
beim Kupieren Schmerzen zugefügt
werden (außer es geschieht bei Eintagsküken) und ihr Verhaltensrepertoire (Tanz etc.) extrem stark eingeschränkt wird. Zusätzlich muss gesagt werden, dass jemand, der sich
so seltene, teure Tiere kauft und
nicht die Zeit aufbringen kann die
Federn der Tiere nach der Mauser
einseitig zu stutzen, lieber auf deren
Haltung verzichten sollte.
Zur Mauser noch ein Hinweis:
Nur Kronenkraniche und Jungfernkraniche mausern jedes Jahr Einzelschwungfedern und behalten dabei
ihre volle Flugfähigkeiten, alle anderen Arten wechseln ihre Flugfedern nur alle 2 bis 3 Jahre. Allerdings
ist mir speziell bei den Mandschurenkranichen aufgefallen, dass die
Männchen jedes Jahr unmittelbar
nach dem letzten Gelege in die Mauser fallen, die Weibchen aber nur alle zwei Jahre!
Zucht
6 Geschlüpfter Jungvogel
und geöffnetes Ei.
7 Ein Jungvogel in der Aufzuchtbox mit Dunkelstrahler
und gut sichtbar einer der
beiden angebrachten Spiegel.
Im Jahre 2001 legte das Weibchen
aus Russland erstmals zwei beige, relativ stark gesprenkelte Eier, die es
drei Tage selbst bebrütete. Leider
verschwanden nach dieser Zeitspanne die Eier spurlos. Nach ca.
zwei Wochen hatte ich das Glück zu7
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sehen zu dürfen, wie ein weiteres Ei
gelegt wurde, das ich sofort wegnahm und durch ein ausgeblasenes,
mit Gips gefülltes Weißnackenkranichei ersetzte. Auch das zweite Ei
des zweiten Geleges konnte ich
wegnehmen und durch ein befruchtetes Weißnackenkranichei ersetzen, im Gegenzug bekam das bewährte Zuchtpaar der Weißnackenkraniche die Mandschurenkranicheier zum Bebrüten (leider erwiesen
sich beide als unbefruchtet).
Wieder brüteten die Mandschuren einige Tage und plötzlich war das
Gipsei völlig zerhackt und das andere verschwunden. Ich ersetzte das
Gelege sofort durch andere unbefruchtete Kranicheier und musste zu
meinem Schrecken mit ansehen,
wie sie sofort vom Männchen zerstört wurden. Weitere Nachgelege
gab es in diesem Jahr nicht.
Im nächsten Jahr war ich gewappnet und legte den Tieren schon
vor der Brutperiode Gipseier und mit
Tabascosauce präparierte Eier ins
Gehege bzw. stutze ich den Schnabel des Männchens unblutig ca. 2
mm. Trotzdem fraß das Männchen
wieder das erste Gelege, beim zweiten Gelege ersetzte ich beide Eier
rechtzeitig durch Gipseier, die nach
einigen Stunden wiederum arg ramponiert waren, aber nachdem sie
nicht komplett zerstört werden
konnten, beruhigte das Männchen
sich und das Weibchen brütete die
vollen 30 Tage auf den kläglichen Eiüberresten, zuweilen sogar abgelöst
vom Männchen. Seit dieser Zeit ist
das Paar fürsorglichst um das jeweilige Gelege bemüht und ich habe nie
wieder ein Ei verloren. Leider waren
alle Eier der folgenden Jahre ebenfalls unbefruchtet!
In der Zuchtperiode 2005 wurde
das erste Gelege mit einem Eidurchschnittsgewicht von ca. 222 g
am 10./13. 4. 05 (viel früher als in
den Jahren davor) gelegt. Nachdem
ich es 10 Tage von den Eltern bebrüten ließ, gab ich die Eier in den
Brutapparat (Temperatur 37,5 °C;
Luftfeuchtigkeit 55 %). Leider musste ich sie nach einigen Tagen herausnehmen, da sie sich als unbefruchtet erwiesen. Auch das zweite
Gelege war taub.
Beim dritten Gelege hatte ich
ebenso wenig Hoffnung, aber zu
meiner großen Freude erwies sich eines der Eier als befruchtet. Im Brutapparat vernahm ich nach 27 Tagen
erstmals Piepgeräusche aus dem Ei
und legte es in den Schlupfbrüter
(Temperatur 36,6 °C; Luftfeuchtigkeit ca. 85 %). Als ich zwei Stunden
später Nachschau hielt, war das Ei
bereits angepickt und nach weiteren
drei Stunden war das Kleine ge9
schlüpft und augenscheinlich auch
gesund.
Aufzucht
Ich setzte es innerhalb einer Stunde
nach dem Schlupf in einen Aufzuchtkäfig mit Dunkelstrahler, mit
den Maßen 140 cm lang × 70 cm
breit × 50 cm hoch. Links und rechts
sind Spiegel angebracht, um dem
einzelnen Jungvogel das Gefühl zu
geben, dass er Geschwister hat.
Als Bodenbelag verwende ich
hochwertige, helle, geknüpfte und
leicht abwaschbare Teppichbodenstücke und als Futter/Tränkeschalen nehme ich weiße Blumentopf-
untersetzer (hier sind eine eventuelle Verschmutzung sowie das
Futter gut sichtbar). Die Fütterung
erfolgt durch Kranichpuppen mit einem beweglichen Holzschnabel
(um die Prägung auf Menschen gering zu halten), die ich mir über den
rechten Arm streife.
Der kleine Kranich nahm schon
am nächsten Tag frisch gehäutete,
weiße Mehlwürmer aus dem Kunstschnabel und fraß am zweiten Tag
nach dem Schlupf schon großteils
selbstständig. Als Futter reichte ich
zusätzlich ein Gemisch aus Putenstarter und Meeresentenaufzuchtfutter/Lund Micro (Minikugeln).
Im Alter von ca. drei Wochen beringte ich das weibliche Jungtier
(DNA-Blutuntersuchung im Alter
von ca. 12 Tagen) mit einem 20-mmRing über dem Gelenk. In diesem
Zusammenhang möchte ich dringend darauf hinweisen, dass es ab einem Alter von zwei Wochen sinnvoll ist mindestens alle zwei Tage zu
probieren, ob der Ring schon über
dem Gelenk hält, da das Beinwachstum enorm ist und es unter
Umständen schnell unmöglich sein
kann den Ring oben anzubringen!
Ich hoffe, dass die Mandschurenkraniche noch ein weiteres Gelege
zeitigen und möchte dann eine Naturbrut versuchen.
Einen Nachtrag zum Bestimmen,
ob ein Ei befruchtet oder unbefruchtet ist, möchte ich noch anbringen. Bis zu dieser Brutsaison habe ich die Eier ausschließlich mit einer starken Schierlampe (Marke Eigenbau) durchleuchtet, was sich
speziell bei den sehr dickschaligen,
teilweise stark gesprenkelten Kranicheiern als durchaus schwierig bis
unmöglich herausgestellt hat! Einmal ist es mir sogar passiert, dass ich
einen lebensfähigen Jungvogel verloren habe, weil das Ei fünf Tage
überfällig war, ich es für abgestorben
hielt und es aufgeschlagen habe.
Jetzt habe ich von der Fa. Grumbach
ein Gerät (Buddy 2) zum Messen der
Herzfrequenzen erstanden, das ich
– obwohl es relativ teuer und noch
nicht 100%ig adaptierbar für alle Vogelarten ist sowie die Deutung der
Messdaten etliches an Erfahrung bedarf – Züchtern von seltenen und
teuren Vögeln durchaus empfehlen
kann!
Fazit
Generell ist zu sagen, dass Mandschurenkraniche sehr liebenswerte,
wunderschöne, widerstandsfähige
und problemlose Kraniche sind (die
bis zu 70 Jahre alt werden können),
obwohl ihre – nicht übermäßig oft
vorgetragenen – Lautäußerungen
für empfindliche, unmittelbare
Nachbarn schon zur Belästigung
werden können.
Sollten Sie Interesse an Kranichen
haben, stehe ich gerne mit Rat und
Tat zur Verfügung (Tel. 0043/6643356252). Derzeit halten wir elf verschiedene Kranicharten und haben
noch folgende Arten abzugeben:
Mandschurenkraniche,
Weißnackenkraniche, graue Kronenkraniche und Jungfernkraniche.
8 Mandschurenkranichpaar
mit Jungvogel in meiner
Zuchtanlage.
9 Mandschuren- und Saruskraniche.
Fotos: T. E. Lifka
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