2 2012 Das Magazin für die Kunden der Schindler Aufzüge AG next floor Mit Höchstleistungen hoch hinaus In China und Indien boomen die Megastädte Kreatives Leben in der Ruine: Der Torre David in Caracas «Hochzwei» – überzeugende Aussichten in Luzern Roche-Hochhaus Rotkreuz – Ingenieurkunst vom Feinsten Inhalt 4 Energieeffizienz bis in die Wolken – Interview mit Professor Holger Wallbaum 6 10 12 China und Indien – die Megastädte boomen Schindler und die asiatische Herausforderung Der Torre David in Caracas: Kreatives Leben in der Ruine 15 Interview mit Hubert Klumpner und Alfredo Brillembourg: «Innovation ist unsere einzige Chance» 16 Stadtentwicklungsprojekt Praille-Acacias-Vernets – Genf erfindet sich neu 18 PORT-Technologie – das Erfolgsrezept heisst Kommunikation 20 Schlichtheit und Würde als Gestaltungsprinzip des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen 23 Roche-Hochhaus in Rotkreuz – Ingenieurkunst vom Feinsten 26 29 30 «Hochzwei» – überzeugende Aussichten in Luzern Schindler Award – spannendes Finale in Bern Supercomputer «Monte Rosa» – die ETH wappnet sich für die Zukunft Titelbild Die faszinierende Skyline der chinesischen Wirtschaftsmetropole Schanghai. Impressum Herausgeber Schindler Aufzüge AG, Marketing & Kommunikation, CH-6030 Ebikon Redaktion Beat Baumgartner Redaktionsadresse next floor, ­Zugerstrasse 13, CH-6030 Ebikon / Luzern, nextfloor @ ch.schindler.com Adressverwaltung address @ ch.schindler.com Titelbild Getty Images Layout aformat.ch Litho click it AG Druck Multicolor Print AG Auflage 32 000 Ex. Ausgaben next floor erscheint zweimal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache Copyright Schindler Aufzüge AG, Nachdruck auf Anfrage und mit Quellenangabe www.schindler.ch Editorial Herausforderungen Liebe Leserinnen und Leser Die Verstädterung in China und Indien schreitet rasant voran. China hat mittlerweile 164 Millionenstädte, in Indien sind es deren 46. Und ihre Zahl wächst unaufhaltsam weiter. Jedes zweite Hochhaus der Welt wird heute in diesen beiden Ländern gebaut. Und sieben von zehn neuen Aufzügen und Fahrtreppen werden dort montiert. Schindler hat die Zeichen der Zeit schon früh erkannt und war das erste westliche Unternehmen, das vor über 30 Jahren einen Joint Venture mit einem chinesischen Staatsbetrieb einging. Über die Jahre hinweg haben wir unsere Position in Asien laufend verstärkt. Letzter Schritt ist der Bau von zwei neuen Fabriken und Forschungszentren im chinesischen Jiading und indischen Pune. Ganz anders stellt sich die Situation in den gesättigten und entwickelten Märkten Europas dar. Hier geht es vorwiegend darum; – die urbanen Zentren zu verdichten und damit die Zersiedelung und den Landverschleiss zu stoppen, – die alte Bausubstanz der Städte zu revitalisieren und gleichzeitig neue Gebäude möglichst energieeffizient zu bauen, – mit innovativen Produkten wie etwa der Schindler Zielwahlsteuerung PORT die Mobilität und den Verkehrsfluss in Gebäuden zu verbessern. Doch «Verdichtung, Erneuerung und Innovation» genügen nicht, um die städtebaulichen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Immer deutlicher zeigt sich, dass moderner Städtebau besonders auch die Bedürfnisse von Menschen mit eingeschränkter Mobilität berücksichtigen muss. Es geht um «Barrierefreie Mobilität für alle» – ein Wahlspruch, den sich der Architekturwettbewerb «Schindler Award» seit 2003 auf die Fahne schreibt. In wenigen Tagen wissen wir, wer die fünfte Ausgabe gewonnen hat. Lassen Sie sich überraschen. Christoph Lindenmeyer CEO Schindler Schweiz next floor 3 Thema Hochhäuser überzeugen heute mit Energieeffizienz und guter Ökobilanz. Sind sie bloss die Leuchttürme einer nachhaltigen Gesellschaft oder auch das Mittel gegen Wohnungsknappheit und Zersiedlung? Professor Holger Wallbaum – Experte für nachhaltiges Bauen – erklärt. Energieeffizienz bis in die Wolken Hightech bildet die Grundlage für eine hohe Energie­effizienz in Hochhäusern – wie zum Bei­ spiel im Costanera Center in ­Santiago de Chile, das sich zurzeit im Bau befindet, oder im Hearst Tower (rechts) in ­Manhattan, New York. TEXT Raphael Hegglin BILD Thomas WEDDERWILLE & fabrikstudios D as 21. Jahrhundert steht für eine Wende: Erstmals leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und die Statistiker der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass der Trend zur Urbanisierung weiter anhält. In ihren «World Urbanization Prospects» prognostizieren sie, dass im Jahr 2030 mindestens 80 Prozent der Bevölkerung in Städten leben werden – in entwickelten Ländern. In weniger entwickelten Ländern soll es rund die Hälfte sein. Eines zeigt sich jetzt schon: Bauland ist insbesondere in urbanen Gebieten rar. Das wirkt sich auf die Architektur sowie die Lebensweise der Menschen aus – verdichtetes Bauen gilt als eine mögliche Lösung. Aber werden wir dereinst alle in Hochhäusern wohnen und arbeiten? «Hochhäuser werden in der Schweiz auch zukünftig nicht das alleinige Rezept gegen Wohn- und Arbeitsraumknappheit sein», sagt Professor Holger Wallbaum. «Aber sie besitzen Strahlkraft, werden zunehmend zu wichtigen 4 Wahrzeichen und Publikumsmagneten.» Und sie böten attraktiven Wohnund Arbeitsraum, mittlerweile in Verbindung mit hoher Energieeffizienz und guten ökologischen Kennwerten. Fassade nutzt Solarenergie Hochhäuser haben bezüglich Energieeffizienz einen ähnlichen Wandel durchgemacht wie die Ein- und Mehrfamilienhäuser. Sie sind heutzutage mit einer starken Wärmedämmung versehen, zudem sind sie so konstruiert, dass keine Wärmebrücken vorhanden sind. Waren Hochhäuser bis zur Jahrtausendwende noch Energieschleudern, profitieren Neubauten sowie sanierte ­Gebäude heute von innovativen bauphysikalischen Lösungen. Aufgrund ihrer hohen und schlanken Form weisen Hochhäuser allerdings eine geringe Kompaktheit auf. Über die – im Verhältnis zum Innenraum – grosse Oberfläche geht dementsprechend Wärmeenergie verloren. Doch diese Schattenseite hat auch eine S­ onnenseite, sogar wortwörtlich: «Die gross­flächigen Fassaden von Hoch­ häusern erlauben es, solare Energie ertragsreich zu nutzen», sagt Professor Holger Wallbaum. Das kann aktiv oder passiv geschehen: Ersteres in Form e­ iner Fassade bestehend aus Solarzellen, die Strom produzieren. Und passiv mit einer Glasfassade, die den solaren ­Wärmeeintrag zum Heizen nutzt. «In ­einer gesamtheitlichen Energiebetrachtung schneiden Hochhäuser der neuen Generation deshalb oft sehr gut ab.» Landressourcen optimal ausnutzen Zusätzlich punkten Hochhäuser dadurch, dass sie die Ressource Land optimal ausnutzen – auf das relativ kleine verbaute Terrain kommt viel Arbeitsund Wohnfläche. Doch wird bei Hochhäusern nicht selten der hohe Bedarf an grauer Energie und der grosse Umfang an benötigter Haustechnik kritisiert. Hinzu kommt der Aufwand an Prof. Dr.-Ing. Holger Wallbaum Holger Wallbaum ist Professor in ­Sustainable Building an der Chalmers University of Technology in Göteborg, Schweden. Zuvor hatte er die Assistenzprofessur für Nachhaltiges Bauen am Institut für Bau- und Infrastrukturmanagement (IBI) an der ETH Zürich inne. Seit 2002 ist er Gesell­schafter und Geschäftsführer der triple innova GmbH für Nachhaltiges Wirtschaften in Wuppertal (D). Zudem ist er Mitglied diverser internationaler Gremien wie etwa des International Council for Research and Innovation in Building and Construction (CIB) oder der ­Deutschen Gesellschaft für Nachhal­ tiges Bauen (DGNB). ­ otenzieller Energie, die es beim Überp winden der Stockwerke braucht – also um Heizungs- und Leitungswasser hochzupumpen sowie Personen und Güter mit dem Aufzug zu befördern. Professor Holger Wallbaum relativiert: «Auch hier steht dem energetischen Aufwand die grosse Nutzfläche eines Hochhauses gegenüber.» Einen wesentlichen Einfluss auf den Energiebedarf übe zudem die Nutzungsart eines Hoch- hauses aus: «Verglichen mit Wohnungen ist zum Beispiel der Frischwasserverbrauch in Büros klein. Dementsprechend muss in einem Bürohochhaus weniger Energie aufgewendet werden, um solches Wasser hochzupumpen.» Ausserdem produzieren Bürogeräte ­sowie Mitarbeiter viel Abwärme, die sich zum Heizen eignet. Deshalb: «Man kann keine definitive kritische Höhe oder Grösse für ein Hochhaus definie- ren, jedes Gebäude weist eine indivi­ duelle Ökobilanz auf.» Ein Unterschied allerdings zeigt sich: Während in kleinen Gebäuden auch Konzepte mit ­wenig Technologie höchste Energie­ effizienz ermöglichen, bildet Hightech in Hochhäusern die Grundlage für hohe Energieeffizienz. Aufzüge als Lebensadern Zentral in einem Hochhaus sind die Aufzüge. Als eigentliche «Lebensadern» bezeichnet sie Holger Wallbaum. «Wie bedeutend Aufzüge sind, wird oft unterschätzt: Das Bauen in die Höhe wäre ohne sie gar nicht möglich.» So war im ausgehenden 19. Jahrhundert der Bau von Wolkenkratzern in den USamerikanischen Städten erst möglich, als sichere und zuverlässig funktionierende Personenaufzüge verfügbar ­waren. «Gleichzeitig nimmt man Aufzüge kaum wahr. Dass sie immerzu funktionieren, wird allgemein als selbstverständlich angesehen.» Dabei sei ­erstaunlich, wie sehr sich auch Aufzüge technologisch sowie energetisch verbessert haben. Der Schlüssel zu mehr Energieeffizienz und einer besseren Ökobilanz bei Aufzügen heisst: sparsame Antriebssysteme, die Rückgewinnung der Bremsenergie, geringer Standby-Verbrauch und gutes Traffic Management. Dieses Zusammenspiel wirkt auf zwei Ebenen: Einerseits verbrauchen die Aufzüge selbst weniger Strom, andererseits arbeiten sie speditiver: Es braucht weniger Aufzüge, um eine bestimmte Förderkapazität zu gewährleisten – womit sich der Bedarf an grauer Energie sowie der Flächenbedarf verringern. «Hochhäuser zu bauen, die durch eine gute Ökobilanz brillieren, ist heutzutage technisch kaum ein Problem», so Professor Holger Wallbaum. n next floor 5 Thema In Asien entwickelt sich der Wohnungsbau rasant. Heute wird jedes zweite Hochhaus in China oder Indien gebaut. Damit steigt auch die Nachfrage nach Aufzügen und Fahrtreppen enorm an. Heute China, morgen Indien – in Asien boomen die Megastädte 6 Die Skyline von Schanghai. In keinem Land der Welt ­werden derart viele Hochhäuser gebaut wie in China. Hongkong mit dem Inter­ national Commerce Center (links im Bild), das mit den superschnellen Schindler 7000 ausgerüstet worden ist. TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD Getty / Keystone N ichts verdeutlicht die rasante Entwicklung des asiatischen Raums so augenfällig wie die Skylines von Mega­ cities wie Schanghai, Peking, Mumbai, Delhi, Manila, Seoul oder Jakarta. Auf der globalen Landkarte sind es unübersehbare Fixpunkte. Doch wer hat schon von Anshan, Baoding, Benxi oder Huaibei gehört? Es sind vier «kleinere» von inzwischen mehr als 160 chinesischen Millionenstädten. Deren Zahl wächst unaufhaltsam weiter. Teils handelt es sich um vollständig am Reissbrett entworfene und auf der grünen Wiese komplett neu gebaute Siedlungen. Überall schiessen Wohnblocks sowie Geschäftsbauten wie Pilze aus dem ­Boden. Alle Gebäude müssen auch ­vertikal erschlossen werden. Schwergewicht China gibt den Ton an Der Wohnungsbau und damit die Nachfrage nach Aufzügen wächst ­nirgendwo schneller als in Asien. Eine überragende Rolle spielt dabei China. Im bevölkerungsreichsten Land der Erde wurden im vergangenen Jahr rund 60 Prozent aller weltweit neuen Auf- züge und Fahrtreppen installiert. Der Weltmarkt wuchs insgesamt um 17,3 Prozent, auf 665 000 Einheiten. Für vier Fünftel dieses Wachstums war der boomende Hochbausektor Chinas verantwortlich. «Was in China passiert, ist ein volkswirtschaftliches Erdbeben», sagt Kurt Haerri, Chef der Top Range Division (TRD) von Schindler und Präsident der Handelskammer China-Schweiz. Seit 1978, dem Beginn der schrittweisen Öffnung Chinas für den Weltmarkt, ist das Aussenhandelsvolumen geradezu explodiert, von 20 auf 3000 Milliarden US-Dollar. Zwar profitieren vom aktuellen Wirtschaftsboom nicht alle, aber doch immer mehr Menschen. über 1,2 Milliarden Einwohner zählt, wird China in den nächsten 15 Jahren bevölkerungsmässig überholen. Im Bausektor ist es im Vergleich zum Reich der Mitte zwar noch ein schlafender Riese. «Der Ausbaustandard ist heute weitaus geringer. Aber es besteht ein Riesenpotenzial, zumal einige Mega­ trends in Indien genauso spielen wie in China», betont Bernard Schwegler, Leiter TRD der Region Asien/Pazifik. Mehrfacher Rückenwind Noch hat die Entwicklung in den beiden Ländern nicht sämtliche Regionen erfasst. Das binnenwirtschaftliche ­Gefälle hat eine unaufhaltsame Wanderbewegung ausgelöst, aus den ländlichen Gebieten in die aufstrebenden Städte. Allein im letzten Jahr wuchs die Stadtbevölkerung in China wie in Indien jeweils um über 20 Millionen c Ein schlafender Riese erwacht Steigender Wohlstand kurbelt auch in Indien die Nachfrage in der Bauindustrie an. 200 bis 300 Millionen Inder ­gehören heute einer kaufkräftigen ­Mittelklasse an. Doch der Subkontinent befindet sich erst am Anfang jener baulichen Entwicklung, wie sie China gegenwärtig erlebt. Das Land, das heute next floor 7 Menschen. Inzwischen wohnt heute mehr als die Hälfte der Chinesen in Städten. In Indien hat die Urbanisierungsrate kürzlich die Schwelle von 30 Prozent überschritten. Bis zum Jahr 2050 – so die Prognosen – wird der ­Urbanisierungsgrad in Indien auf 75 Prozent steigen. Diese demografische Entwicklung belebt den Wohnungsmarkt in beiden Ländern weiter: ­Indien wächst jährlich um 15 Millionen, China trotz der offiziellen Einkindpolitik um 10 Millionen Menschen. Mehrere Faktoren spielen also zusammen, die die Nachfrage nach Aufzügen längerfristig ankurbeln werden. Hinzu kommen politische ­Entscheide. So ist die chinesische Regierung bestrebt, massiv in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Im letzten Jahr wurde Wer da nicht mithalten kann, verliert einen der wichtigsten Vorteile, nämlich die Kostenführerschaft», sagt Kurt Haerri. Über kurz oder lang wird auch kein Weg an Indien vorbeiführen. Denn bis 2050 könnte das Land China bezüglich Wirtschaftskraft eingeholt oder gar überholt haben. c rund ein Drittel der neuen Aufzüge in diesem Segment ­installiert. Falls sich die indische Regierung eines Tages entschliessen sollte, ebenfalls mit staatlichen Massnahmen die Wohnungsnot zu lindern, wird die Nachfrage nach Aufzügen auch auf dem Subkontinent sprunghaft ansteigen. Die asiatische Wachstumsdynamik prägt zunehmend die Strategien der globalen Aufzugskonzerne. Wer das Riesenpotenzial nutzen und seine Position behaupten will, muss in diesen Ländern entsprechend in die weitere Markterschliessung investieren. «Der chinesische Binnenmarkt ist aufgrund seiner Grösse für alle Anbieter zum ­entscheidenden Faktor geworden. Eines der weltweit höchsten Wohn­gebäude, die 163 Meter hohe Privatresidenz des indischen Unter­ nehmers Mukesh Ambani in Mumbai. Blick über die Nacht-Silhouette von Hongkong. 8 Zwischen Überhitzung und gesunder Abkühlung In letzter Zeit hat allerdings die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft, China, an Fahrt verloren. Die Zuwachsraten beim Brutto­inlandsprodukt (BIP) sind im ­zweiten Quartal etwas abge- Thema Während die frühere britische Kolonie Hongkong (Bild oben) sehr dicht mit Hoch­ häusern überbaut ist, gibt es im indischen Mumbai (Bild unten) erst wenige «Türme». flacht. China befindet sich damit aber immer noch auf einem beneidenswerten Niveau. Eine gewisse Korrektur des chinesischen Tempos halten Wirtschaftsexperten sogar für wünschenswert. Denn gerade im Bausektor waren in den letzten Jahren ungesunde Überhitzungstendenzen zu beobachten. In den industriellen Schwerpunktregionen Ostchinas explodierten die Preise für Bauland und Immobilien, und es man- gelte zusehends an Führungskräften und Facharbeitern. Nun zeichnet sich eine gesunde Abkühlung ab. Mit Bestimmungen, die vor allem den spekulativen Zweitwohnungsbau begrenzen, ist es den chinesischen Behörden gelungen, die private Bautätigkeit zu verlangsamen. Gleichzeitig hat der Staat aber den sozialen Wohnungsbau ­weiter angekurbelt, sodass sich die ­Situation insgesamt stabilisiert hat. n next floor 9 Thema Schindler geht auf den boomenden Märkten Asiens in die Offensive und verstärkt die Aktivitäten. In China und in Indien werden neue Produktionsstätten errichtet. Und die bestehenden Entwicklungsstandorte werden ausgebaut. Schindler und die asiatische Herausforderung TEXT PIRMIN SCHILLIGER BILD COM S chindler tätigt auf den dynamischsten und grössten Märkten in Asien entschlossen Investitionen, um in allen Segmenten eine führende Rolle einzunehmen. «Wir sind auf dem richtigen Weg und wachsen bereits heute schneller als der Markt», ­erklärt Bernard Schwegler, Leiter Top Range Division der Region Asien/Pazifik. In einer umfassenden Strategie hat Schindler festgelegt, wie die Position in den Schwerpunktländern China und Indien gefestigt und weiter ausgebaut werden soll. Wich­­ tigster Schritt: die Errichtung von neuen Produktionszentren in beiden Ländern. Weltweit grösstes Fahrtreppenwerk in China Das chinesische Werk für Aufzüge und Fahrtreppen entsteht in Jiading, einem Industriedistrikt rund 30 Kilo­meter ­ausserhalb von Schanghai. Im August ist auf dem 280 000 Quadratmeter gros­sen Gelände mit den Pfählungs­ arbeiten gestartet worden. Bis 2015 soll die neue Fabrik fertig gebaut sein. Im Vollbetrieb wird es sich um die weltweit grösste Fahrtreppenfabrik handeln. Für das Wohl der rund 3000 Beschäftigten ist ein Versorgungs- und Erholungszentrum mit Kantine, Café, ­Fitness- und Gymnastikräumen sowie einer Bibliothek geplant. 10 Schon weiter fortgeschritten ist der Bau der neuen ­indischen Aufzugs- und Fahrtreppenfabrik in Pune, südwestlich von Mumbai. Dieses wird 2014 in ­Betrieb gehen. «Nach Bedarf kann die Produktion später etappenweise hochgefahren werden», sagt Jörg Mächler, Leiter Konzernprojekte. Mit den neuen Fabriken in China und Indien, die Investitionen von rund 200 Millionen Franken auslösen, kann Schindler die Kapazitäten gegenüber heute verviel­fachen. Drei komplette R&D-Zentren An den Standorten Jiading und Pune werden ausserdem Forschungs- und Entwicklungszentren (R&D) aufgebaut. Zu den Infrastrukturen in Jiading gehört ein Versuchsturm von 200 Metern Höhe, mitsamt einem Freifallprüfstand. Darin können Anwendungen im Bereich von Hochleistungsaufzügen getestet werden. Froh um diese Möglichkeit ist Guntram Begle, CTO (Chief Technology Officer) Schindler. «Die ­Bewilligung für einen derart hohen Turm in Ebikon zu erhalten, wäre wohl schwierig; in China hingegen gaben die Behörden relativ schnell grünes Licht», erklärt er. In Jiading werden bis 2015 rund 150, in Pune 100 bis 120 Personen im Bereich R&D tätig sein. Mit den beiden neuen Zentren in Asien sowie Das neue Forschungszentrum sowie das Schindler-Forschungsteam in Pune, Indien. Seit 1980 Schindler ist seit 1980 in China präsent. In der Region Asien/Australien/Afrika, die China und Indien einschliesst, wurden 2011 rund 21 Prozent des gesamten Umsatzes getätigt. Mehr als ein Viertel des Personals, nämlich gegen 12 000 Personen, waren in dieser ­Region mit den Schwerpunktländern China und Indien beschäftigt. Deren Bedeutung wird in Zukunft noch zunehmen. Dies bestätigen auch die jüngsten Zahlen für das erste Halbjahr 2012. Schindler wuchs in der Region Asien/Australien/Afrika am stärksten, nämlich um 23 Prozent. Die Region trägt inzwischen anteils­ mässig rund einen Viertel zum Gesamtumsatz bei. Im Segment der Hochleistungsaufzüge ist die Position Chinas noch ausgeprägter. Ingenieure, Zeichner, technische Verkäufer usw. Kompetentes und gut ausgebildetes Personal ist die Voraussetzung, um auch in Asien Aufzüge und Fahrtreppen mit den etablierten Schindler-Qualitäts­standards installieren und unterhalten zu können. Konzentration und Kundennähe dem bestehenden in Ebikon setzt Schindler künftig auf drei voll ausgebaute Forschungsstandorte im Raum Asien/Pazifik. Aufwärts mit Akquisition und Ausbildung Das neue Werk im chinesischen Jiading mit dem imposanten 200 Meter hohen Versuchsturm. Zur gezielten Wachstumsstrategie in Asien gehören auch Akquisitionen. So hat Schindler im vergangenen Jahr einen 46-Prozent-Anteil an Xuchang Xiji ­Elevator Co. Ltd. in der Provinz Henan übernommen. Damit wurde die Marktposition im rasch wachsenden ­Segment des sozialen Wohnungsbaus gestärkt. Zu­sehends stärker gewichtet wird in China und Indien die Aus- und Weiterbildung. Am neuen Standort in ­Jiading entsteht ein Trainingszentrum, in dem jährlich mehr als 1000 Personen ausgebildet werden: Applikationsentwickler, Weiter baut Schindler das Netz regionaler Niederlassungen in den beiden Schwerpunktländern laufend aus. In China ist Schindler inzwischen auch in ­Städten zweiter und dritter Grös­sen­ ordnung, die im Bausektor besonders hohe Zuwachsraten verzeichnen, mit eigenen Leuten präsent. Mit der Expansionsstrategie verbessern sich auch die Möglichkeiten, die Wertschöpfungskette zu optimieren, dem enormen Preisdruck zu begegnen und die Kosten zu senken. «Alles ist an den beiden Standorten Jiading und Pune jeweils vereint, von der Entwicklung über den Bau der Prototypen bis zur Serien­produktion», sagt Jörg Mächler. Die Fortschritte in der Elektronik, im Engineering und bei den verwendeten Materialien sollen es letztlich möglich machen, dass jedes neue Modell günstiger und besser ist als sein Vorgänger. n next floor 11 Thema Rund 2500 Menschen wohnen illegal im Torre David, einem 45-stöckigen, nie fertig gestellten Wolkenkratzer in Caracas, Venezuela. Die Bevölkerung hat die als Büroturm geplante Betonruine besetzt. 12 Oben: Der Innenraum des nie fertig erstellten Torre David mit zwei leeren Liftschächten. Unten: Die Grossstadt Caracas – Hochhausgebiete verwachsen mit Slums. Leben in der Ruine: Der Torre David in Caracas Praktisch jede Wohnung im Torre David ist ­belegt, insgesamt wohnen 2500 Menschen im 190 Meter hohen Hochhaus. TEXT Martin Behr /«Salzburger Nachrichten» BILD Iwan Baan W as für ein Gebäude, was für ein Projekt! Ein 190 Meter hoher Büroturm hätte es werden sollen, doch die Wirtschaftskrise in Venezuela machte diese Pläne zunichte. Der Baustopp kam im Jahr 1994, und seither gilt das Bauprojekt «Centro Financiero Confinanzas» in Caracas als gescheitert. Es wurde zu einem Mahnmal für die Krise: tonnenweise Beton für nichts und niemanden. Bis zum Jahr 2007. Da kamen die Ersten aus den Barrios, den Armenvierteln, und nahmen den leer stehenden Turm ein. Besiedelten ihn. ­Errichteten improvisierte Wohnstätten und Schlafplätze. Raus aus den peripheren Slums, hinein in die – im Volksmund nach dem letztlich gescheiterten Investor David Brillembourg – Torre David ­genannte Investitionsruine im Zentrum der Stadt. Der Turm ist heute belebt. Und wie. Das Gebäude ­bietet mittlerweile mehr als 750 Familien eine neue, wenngleich improvisierte Heimstätte. Mindestens 2500 Menschen haben hier also ihren ordentlichen Wohnsitz. Aufzüge oder verputzte Fassaden gibt es keine, ­Balkongeländer fehlen ebenso wie Zwischenwände in manchen ­Geschossen. Überall Glasscherben, Betonteile und Baumaterial. Was aber hier keinen stört. Man hat endlich ein richtiges Dach über dem Kopf. Kreative Selbstorganisation Im Torre David gibt es neben Wohnungen auch improvisierte Arztpraxen, Geschäfte, Lokale und Fitnessstudios. Wasser wurde über Tanks und Pumpen eingeleitet und auch Strom haben sich die ­ ewohner im Laufe der Jahre mit einfachsten Mitteln selbst organiB siert. Das geschäftige Treiben im Torre David wird von den Behörden und der Polizei geduldet, von Architekturexperten beobachtet und analysiert. Mehr als ein Jahr lang haben die Mitglieder des internationalen Kollektivs «Urban-Think Tank» die physische und soziale Organisation dieser Squatter-Gemeinschaft untersucht. Squatting steht für kreatives Besetzen von aufgegebenen Orten. «Wir stehen dieser Invasion generell kritisch gegenüber, plädieren nicht für ein Wohnen in unfertigen Gebäuden, zumal das Leben im Turm ja gefährlich ist. Unser Ziel ist es aber jetzt, Wege zu finden, wie dieser Turm noch funktionaler und bewohnbarer gemacht ­werden kann», sagt Hubert Klumpner, der gemeinsam mit Alfredo Brillembourg (Grossneffe des Bankiers und Investors David Brillembourg) «Urban-Think Tank» leitet. Klumpner, wie sein Kollege Professor für Architektur und Städtebau an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, widmet sich seit Jahren städtebaulichen und architektonischen Projekten in Armenvierteln. Laut Schätzungen lebt heute rund eine Milliarde verarmter Menschen in Slums. «Wir glauben, dass das nicht nur ein Problem dieser Städte in der südlichen Hemisphäre ist. Das geht uns alle an», sagt Klumpner. Der Torre David ist heute im Besitz eines der Regierung Venezuelas gehörenden Konkursfonds. «Was sich im Gebäude abspielt, wird ­bewusst übersehen, eine Räumung stand bislang nicht im Raum», c next floor 13 Thema ­berichtet Hubert Klumpner. Tatsache ist, dass sich die Menschen ihr Leben unter schwierigen Bedingungen gut organisiert haben. Im 28. Stockwerk fahren Kinder mit ihren Dreirädern, dort, wo es keine Handläufe oder Geländer gibt. Eine Halle fungiert als Fussballplatz. Etliche Bereiche sind mit Wireless Internet ausgestattet. Die Gross­familien haben sich eine wechselseitige Nachbarschaftshilfe aufgebaut. «Diese soziale Struktur der Unterstützung ­interessiert uns sehr. Man ist aufeinander angewiesen, die fehlende Infrastruktur wird durch Menschlichkeit ersetzt: ein spannendes ­Phänomen.» Zudem muss man wissen: Caracas ist ein eigentümliches, gefährliches Pflaster. Trinkwasser ist hier teurer als Benzin, die Verbrechensrate ist hoch. c talliert. An den Wänden hängen Fotos vom Turm, auf den Tischen liegen Infomaterialien. Hubert Klumpner: «Wir haben so einen ­sozialen Raum geschaffen, der jenem der Bewohner des Torre David ­ähnelt.» In der Jurybegründung in Venedig hiess es, der Preis sei auch den Menschen in Caracas gewidmet, die sich als informelle Gemeinschaft aus eigener Kraft ein neues Zuhause in einem nicht fertig ­gestellten Gebäude geschaffen hätten. Ein Statement, das in ­Venezuela wiederum derzeit für heftige Diskussionen sorgt. Der ­internationale Erfolg hat vor Ort einen Diskurs entfacht. Endlich. n Less stupid Cities Der Torre David ist weltweit kein Einzelfall. Laut Klumpner existieren unter anderem in Johannesburg, Bangkok oder Mumbai ähnliche Projekte, bei denen sich die Armen in funktionslos gewordenen Wolkenkratzern eingenistet haben. Der Professor ist überzeugt, dass die westliche Gesellschaft von den in «vertikalen Slums» gefundenen Lösungsansätzen lernen könne. Nicht nur von den «ausgeklügelten Improvisationsfähigkeiten» der Bewohner: «Es geht auch darum, ­unsere teuren und hochgezüchteten Technologien, die nicht unbedingt nachhaltig sind, kritisch zu hinterfragen.» Klumpner hofft, dass eine neue Generation von Städtebauern und Architekten weniger an «Smart Cities» als an «Less stupid Cities» interessiert ist. Der Torre David sei in diesem Sinne ein «ideales Labor», um gemeinsam mit Industrie und Bewohnern abgespeckte Technologien zu testen: «Wir müssen uns endlich um die eine Milliarde Menschen, die in Slums wohnen muss, kümmern.» Deshalb hat «Urban-Think Tank» etwa in Caracas, wo es kaum noch Platz gibt, eine robuste urbane Seilbahn, vertikale Sportanlagen und Gymnasien sowie ohne Wasser funktionierende Toilettenanlagen entworfen. «Hinschauen allein reicht nicht, man muss auch etwas tun», sagt Klumpner. Goldener Löwe an der Architekturbiennale in Venedig Auf der Architekturbiennale in Venedig erhielt «Urban-Think Tank» für die Installation «Torre David / Gran Horizonte» den Goldenen ­Löwen für das beste Projekt im Rahmen der «Common Ground»Ausstellung des Biennale-Direktors David Chipperfield. Im Arsenale hat das Kollektiv ein improvisiertes, venezolanisches Restaurant ins- 14 Buchhinweis Torre David Informal Vertical Communities Herausgegeben von Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner, Urban-Think Tank Lehrstuhl für Architektur und Städtebau, ETH Zürich. Die Publikaiton der Studie «Torre David – Informal Vertical Communities» wurde durch Schindler ermöglicht. Fotografien Iwan Baan. 480 Seiten, 300 Abbildungen Lars Müller Publishers, Zürich, 2012 ISBN 978-3-03778-298-9, Englisch «Innovation ist unsere einzige Chance» Welche Rolle nimmt Ihr Lehrstuhl innerhalb der ETH ein? Hubert Klumpner: Alfredo und ich sind sehr gut in den Bereich «Net- Die Professoren Hubert Klumpner (links) und ­Alfredo Brillembourg in ­angeregter Diskussion – und vor einem Slum in Caracas (Bild links). BILD U-TT / Daniel Schwartz A n der letzten Architekturbiennale in Venedig erhielten Hubert Klumpner und Alfredo Brillembourg von «Urban-Think Tank» für die Installation «Torre David / Gran Horizonte» einen ­Goldenen Löwen. Wir wollten von den beiden zuerst wissen, welche Kernaufgaben sie konkret mit ihrem Institut erfüllen. Hubert Klumpner: Wir arbeiten seit über zehn Jahren an Themen zur Stadt im globalen Süden. Es geht um Herausforderungen als auch Potenziale, die sich dadurch für die sogenannte «Entwickelte Welt» und deren Städte ergeben. Unser Lehrstuhl an der ETH versucht dem Thema Städtebau in der Schweiz eine Basis zu verschaffen. Nun ist es ja nicht so, dass wir dem einzigen Lehrstuhl zu diesem Bereich vorstehen. Aber die Ausrichtung unseres Lehrstuhls auf die Städte des globalen ­Südens und die damit verbundenen Herausforderungen von schwacher ­finanzieller Basis von Stadtregierungen, überdehnten ­Infrastrukturen und knappen Ressourcen, gepaart mit einer steigenden Dichte von Bewohnern und Gebäuden, vervollständigt das Lehrund Forschungspotenzial des Departements Architektur der ETH. Ihre Suche nach innovativen Ansätzen ist allgegenwärtig. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass diese Innovationsimpulse in der Praxis – in der Architektur und in der Städteentwicklung – mehr als faszinierende Denkansätze sind? Alfredo Brillembourg: Innovation ist unsere einzige Chance, Städte und ihre Bewohner zu erreichen, bevor es im wahrsten Sinne des Wortes zu spät ist. Man könnte auch sagen «Innovation takes command». Die Herausforderung hierbei ist es, eine Atmosphäre zu erzeugen, in der fortschrittliches Denken gefördert und ermöglicht wird. Der erste Schritt dazu ist es, selbstkritisch zu sein und zu bleiben. work City Landscape» eingebunden, das ist neben dem Studio Basel und «Future City Lab» in Singapur jener Ort, wo man sich innerhalb der ETH mit Fragen des Territoriums, Stadtentwicklung und Stadt als kulturelle Errungenschaft und Herausforderung beschäftigt. Neben technischen Fragen geht es dort vor allem um das Verständnis der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Dimension der Stadt. Wie soll sich der «Urban-Think Tank» weiterentwickeln? Hubert Klumpner: «Urban-Think Tank» wurde ursprünglich in Südamerika als Non-Profit-Organisation gegründet. Im Vordergrund stand von Anfang an die Frage, wie man die Aufgabe Stadtentwicklung in Entwicklungsländern und Schwellenländern in aktuellen Zusammenhängen nicht nur als Phänomen besser verstehen, sondern auch praktisch eingreifen kann. Internationale Vernetzung und die Verbindung von Mission, Vision und Aktion haben uns über die Columbia University, wo wir das SLUM_Lab gründeten, an die ETH Zürich geführt. Ein natürlicher Schritt dieser Entwicklung ist unser Ziel, in der Schweiz eine neue Generation von Architekten auszubilden. Sehen Sie sich als kritisches Gegenüber zur klassischen Architekturlehre? Alfredo Brillembourg: Unsere Herangehensweise knüpft an die Zeit vor der Postmoderne an, also vor jener Zeit, als Architektur sich auf «Form = Inhalt» konzentrierte. Es war eine Epoche, als man sich auch noch im Europa der Nachkriegsjahre neben den klassischen Fragen der Moderne mit Fragen unserer Gesellschaft im grösseren Zusammenhang beschäftigte. Der Besuch des Previ-Projektes in Lima (Peru) war dabei für uns ein Schlüsselerlebnis. Südamerika als Laboratorium und die langfristigen Verformungen jener Ideen, denen Architekten wie Team 10, Aldo van Eyck, Ralph Erskine oder Yona Friedmann sich stellten, sind für uns hochinteressante Anknüpfungspunkte, um die Architekturlehre wieder auf eine breitere Basis zu stellen. Wie definieren Sie Städtebaulehre? Hubert Klumpner: Es gibt viele Herangehensweisen, Städtebau zu ­betreiben. In Asien oder Afrika werden wir heute – wie vor einigen Dekaden in Südamerika – tatsächlich neue Städte als Ökologien entwickeln oder bereits existierende Städte fünf-, sechsfach erweitern müssen, wenn die Prognosen stimmen, wonach auch dort mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in urbanen Zentren leben ­werden. Die Frage für uns ist es heute jedoch, wie setzen wir solche Erfahrungen in gebaute Stadtkörper um. n next floor 15 Urbanität Genf – eine Stadt erfindet sich neu Im Herzen von Genf entsteht das Stadtquartier La Marbrerie – eines der ersten im Rahmen des umfassenden Stadtentwicklungsprojektes im Stadtgebiet PAV (Praille-Acacias-Vernets). Zwei Wohntürme mit jeweils 16 Stockwerken sollen sich in einem völlig neu gestalteten urbanen Umfeld erheben. TEXT Jean-Louis Emmenegger Bild STADT GENF & CLR ARCHITEkten W ie andere europäische Städte ist auch Genf seit einigen Jahren mit einem starken Wachstum konfrontiert: steigende Einwohnerzahlen, Ausweitung der Wirtschaftstätigkeit und des Dienstleistungssektors, Expansion der Geschäftsflächen, Erhöhung des städtischen Verkehrsaufkommens usw. Das stellt Genf vor die Herausforderung, den Einwohnern die Lebensqualität zu erhalten oder gar zu verbessern. Ziel: Verdichtung Um dieser Situation gerecht zu werden, plant die Stadt umfangreiche Investitionen für Wohnungsbau, Stadtteilplanung, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur usw. Dazu gehören der Bau neuer Tramlinien und die geplante Bahnverbindung CEVA (Cornavin–EauxVives–Annemasse). Um städtisches Wachstum zu ermöglichen, gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: entweder Ausdehnung (wie in den USA) oder aber das Gegenteil, nämlich Verdichtung. In der Schweiz und insbesondere in Genf ist der Raum knapp – Ausdehnung ist daher ausgeschlossen. Für eine realistische Stadtplanung bleibt einzig und allein das Konzept der Verdichtung. Das bedeutet: Es muss in die Höhe gebaut werden! Diesem Grundsatz haben sich im Übrigen alle Schweizer Städte verschrieben: zum Beispiel Zürich (Prime Tower), Basel, Grossraum Lausanne, Freiburg, Zug, Luzern usw. Glück, denn es steht eine Fläche von 230 Hektaren nahe dem Stadtzentrum zur Verfügung. Eine einmalige Chance – Genf kann sich ganz in der Nähe seines Stadtkerns entwickeln! Das macht das Stadtgebiet PAV – Praille-Acacias-Vernets – zu einem wichtigen Projekt des städtischen Wandels in Richtung Zukunft.» Das Gebiet PAV umfasst das Industriegebiet La Praille (Güterbahnhof) und die Quartiere Acacias und Vernets. Es liegt auf dem Territorium der drei Gemeinden Carouge, Genf und Lancy. Dieses Gebiet wird als «gemischte Zone» bezeichnet, das heisst, es umfasst Siedlungsraum (Wohnungen) und gewerbliche Einrichtungen (Handwerk, Handel und Kleinindustrie) mit 20 000 Arbeitsplätzen. Städtischer Wandel par excellence 140 der 230 Hektaren des PAV werden umgezont, die bestehenden Infrastrukturen (Verkehrswege usw.) jedoch beibehalten. Ziel der Stadtplaner ist es, eine heute sehr aktive Industrie- und Handwerkszone in ein neues, durchmischtes Stadtzentrum mit hoher Dichte umzuwandeln. Die Herausforderung liegt in der Neuaufteilung von Siedlungsraum (geplant ist der Bau von 11 000 Wohnungen) und gewerblichen Tätigkeiten. Neubauten sollen dabei die zur Verfügung stehenden Flächen verdichten und neu angelegte Plätze für Lebensqualität im öffentlichen Raum sorgen. Das neue Stadtquartier La Marbrerie PAV: Einmalige Chance Nathalie Luyet Girardet, Leiterin der Abteilung für operative Aufgaben des Stadtplanungsamts Kanton Genf, betont: «Genf hat grosses 16 Ein erstes Teilstück befindet sich nun in der Ausarbeitungsphase: das Gebiet La Marbrerie (Carouge), das sich im Besitz des Kantons Genf befindet. Den ersten Architekturwettbewerb für das PAV ge- Im neuen Quartier sind die beiden Hochhäuser «Castor» und «Pollux» geplant, die beide je 16 Stockwerke hoch werden. Bild: CLR Architekten, Genf wann das Büro CLR architectes (Genf). Patrick Longchamp, einer der Gründer, umschreibt die Ziele seines Projektes so: «Unser Projekt ermöglicht die Koexistenz von Wohnraum und von KMU und Handel. Die gewerblichen Einrichtungen befinden sich auf zwei Ebenen mit einer Fläche von 6000 Quadratmetern. Ab dem dritten Stockwerk erheben sich zwei (Wohn-)Türme mit jeweils 14 Etagen und einer Höhe von 50 Metern.» Zwei Türme: «Castor» und «Pollux» Die Mauer entlang einer stark befahrenen Strasse schafft einen geschützten Hof, eine Art Ruheoase inmitten des gewerblichen und urbanen Treibens, und bietet Rückzugsraum für die Bewohner. Geplant sind eine bepflanzte Terrasse, eine Kinderkrippe und ein Spielplatz. Auf dem Dach der beiden Türme «Castor» und «Pollux» verfügen die Mieter der 158 Wohnungen über eine Terrasse und einen Begegnungs- und Veranstaltungsort. Das Energiekonzept der Gebäude erfüllt strengste Kriterien. Der Bauherr plant, mit dem Bau im Jahr 2014 zu beginnen. Einweihung soll dann 2017 sein. Nach La Marbrerie werden weitere Gebiete innerhalb des PAV umstrukturiert. Genf hat mit einem tiefgreifenden Wandel begonnen: Die Stadt erfindet sich neu und wird zu einem topmodernen Ballungsraum im Geist des städtebaulichen Designs des dritten Jahrtausends. n Facts & Figures Projekt La Marbrerie Architektur- und Stadtplanungswettbewerb zur Verdichtung des Stadtgebiets PAV, «Genf 2020» (Bund Schweizer Architekten) 2007Vorstellung eines Masterplans (erste Definierung des PAV) 2009 Gesetzesentwurf zur Umzonung 2011Einstimmiger Beschluss der Umzonung des PAV durch das Kantonsparlament September 2011 Erster Architekturwettbewerb für das PAV, Projekt La Marbrerie Februar 2012Das Gewinnerprojekt steht fest: «Castor & Pollux» von CLR Architekten, Genf 2014 Baubeginn 2017 Einweihung des neuen Stadtquartiers La Marbrerie 2005Internationaler Das Quartier La Marbrerie ist eines der ersten, das im Rahmen des bedeutenden Stadtentwicklungs­ projektes PAV realisiert wird. next floor 17 Accessibility Das Erfolgsrezept heisst Kommunikation Schindler PORT lastet Aufzüge optimal aus. Aber nicht nur das: Die Technologie leitet Besucher effizient durch Gebäude und versorgt sie mit wichtigen Informationen. Dank Transit Management verkürzen sich die Wartezeiten und der Energieverbrauch der Aufzüge sinkt, zudem wird wertvolle Baufläche eingespart. TEXT Raphael Hegglin BILD ALBERT ZIMMERMANN G ebäude werden zunehmend grösser und komplexer. Knappe Baulandreserven sowie Bevölkerungswachstum verlangen nach verdichteten Bauten. Gerade in grossen und hohen Gebäuden ist es zentral, Besucher nicht sich selbst zu überlassen. Denn oft strömen zu den Stosszeiten Hunderte oder gar Tausende an ihre Arbeitsplätze. Die Schlüsselfunk­­­­­ tion, um diese Personen schnell ans Ziel kommen zu lassen, bilden die Aufzüge und Fahrtreppen. Arbeiten ­diese Systeme koordiniert, lassen sich Wartezeiten 18 vermeiden. ­Funktionieren sie nach dem alten Prinzip «first-come, first-served», bilden sich Warteschlangen. Transit Management Das Erfolgskonzept für ein effizientes Transit Management heisst Kommunikation. Genau das bietet die neue PORT-Technologie: Sie leitet Besucher in leicht verständlicher Weise zum geeigneten Aufzug und durch ein Gebäude an den jeweiligen Zielort. ­Schindler PORT koordiniert dabei sämtliche Aufzüge und errechnet laufend, wie ein Passagier am schnellsten zum gewünschten Stockwerk gelangt. Dadurch sind die Aufzüge optimal ausgelastet, Leerfahrten und Zwischenhalte werden minimiert. Im Endeffekt sind so weniger Aufzüge erforderlich und es steht mehr wertvolle Fläche für Wohnungen oder die gewerbliche Nutzung zur Verfügung. ­ nweisungen erfolgen also visuell und akustisch. A PORT ermöglicht so auch den behindertengerechten Zugang zu Gebäuden: Personen mit Sehschwäche werden akustisch geführt und Rollstuhlfahrer – per Zutrittsausweis als solche erkannt – erhalten längere Türöffnungszeiten sowie die geräumigsten Aufzüge zu­gewiesen. Die Zeiten sind vorbei, wo man mittels Drücken einer Taste in der Kabine sein Ziel wählt. Auf Benutzer angepasst Dank PORT-Technologie wird der Besucher zum geeigneten Aufzug geleitet, der ihn auf schnellstem Weg zum Ziel bringt. Der Benutzer-Terminal (Bild links) lässt sich auch mit einem Batch bedienen. Die Kommunikation übernehmen im Gebäude installierte Benutzer-Terminals – sogenannte «Personal ­Occupant Requirements Terminals» (PORT). Die ­Terminals verfügen über einen Badge-Leser; Besucher mit Zutrittsausweis werden so automatisch erkannt und gemäss Programmierung an den gewünschten Ort geleitet. Die PORT-Terminals sind zudem mit ­TFT-Displays sowie Touchscreen-Funktion ausgestattet und verfügen über einen Lautsprecher – die Mehr Fahr- und Energieeffizienz Die PORT-Technologie lässt sich in bestehende Gebäudeleitsysteme und Sicherheitskonzepte integrieren. Die Zugangskontrolle kann damit auf die Aufzüge ausgedehnt werden und in Notfällen geben die BenutzerTerminals Evakuierungshinweise, auch in akustischer Form. Schindler PORT sorgt für mehr Fahr- und Energieeffizienz und leitet Besucher schnell und unkompliziert an ihr Ziel. n next floor 19 Bauen und erneuern Schlichtheit und Würde als Prinzip Die Stadt St. Gallen ist neuer Standort des Bundesverwaltungsgerichts. Der Neubau aus der Feder der Architekten Staufer & Hasler demonstriert städtebauliche Präsenz und bildet einen unaufdringlichen, aber markanten Rahmen für die staatspolitisch wichtige Institution. 20 Der Neubau des Bundes­ verwaltungsgerichts ist vom Westen von St. Gallen her gut sichtbar und bildet eine Art Landmarke zum Zentrum der Stadt. TEXT Katrin Ambühl BILD ALBERT ZIMMERMANN B rombeeren und Wildblumen blühten noch vor wenigen Jahren auf dem «Chrüzacker». Seit Sommer 2012 ist die einstige Brache in Zentrumsnähe neuer Arbeitsort von 400 Mitarbeitenden des Bundesverwaltungsgerichts. Der Umzug der Institution von Bern nach St. Gallen bildete den Abschluss eines langwierigen Prozesses, der im Jahr 2000 mit der vom Stimmvolk angenommenen Justizreform begonnen hatte. Ziele waren unter anderen die Entlastung des ­Bundesgerichts und die Vereinfachung der Verfahren. Zudem sollte das Bundesverwaltungsgericht, das auf drei Standorte verteilt war, unter einem Dach zu­ sammengefasst werden. Die Wahl für St. Gallen sei Bauherr Hochbauamt Kanton St. Gallen nicht ­zuletzt ein demokratischer Akt gewesen, Architektur Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld ­beteuerte Bundesrätin Simonetta Sommaruga an GU Rohbau und Hülle: der Einweihung: «Die Bundesgerichte in Lausanne, HRS Real Estate AG, St. Gallen ­Bellinzona und St. Gallen bilden mit dem Versiche BauleitungInnenausbau und Gebäudetechnik: rungsgericht in Luzern ein eidgenössisches Gerichts Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld gleichgewicht, das ausgewogener und gerechter Bauzeit 2009 bis 2012 nicht sein könnte.» Kosten 106 Mio. Franken Aufzüge4 Aufzüge Schindler 5400 Ehrlich und selbstbewusst 2 Schindler 5300 Als ausgewogen kann auch das neue Gebäude bezeichnet werden. Das Ensemble des zweistöckigen Flügelbaus und des 50 Meter hohen Turms stellt eine Balance zwischen Zurückhaltung und Monumentalität, zwischen ehrlicher und selbstbewusster Formgebung dar. Die Gliederung ergab sich aufgrund städtebildet, und ein Turm. Dieser liegt am westlichen Ausbaulicher und nutzungsorientierter Überlegungen. Im läufer des Rosenbergs und ­ergänzt die Reihe von be13-stöckigen Hochhaus ist der abgeschirmte Bereich deutungsvollen Bauten, nämlich das Stadthaus am der Verwaltung untergebracht. Im Hochhaussockel Bahnhof, das neue Fachhochschulzentrum oder auch und im Flügelbau finden sich die halböffentlichen das Hochhaus des Kantonsspitals. «Der Turm ist vom ­Zonen mit Cafeteria, Bibliothek, Sitzungszimmern und Westen und den umliegenden Hügelzügen gut sichtGerichtssälen. bar. Das Gebäude bildet als Landmarke den westli«Eine der Kernfragen war, wie man ein so grosses chen Eingang zum Zentrum der Stadt», sagt Patrick ­Volumen von 86 000 Kubikmeter an dieser prominenBünter vom Hochbauamt ­Kanton St. Gallen. ten Lage am Ausläufer des Rosenbergs setzt», sagt Inszenierte Doppelgeschosse Rico Lauper. Er ist Projektverantwortlicher bei StauBei der Gestaltung des Hochhauses wählten die Arfer & Hasler Architekten. Die Antwort der Architekten chitekten einen Ansatz, der dem derzeitigen Trend ist ein in den Hang eingebetteter Sockelbau, der mit entgegenläuft. Sie stülpten die Statik nach aussen, c der bestehenden Villa einen ­öffentlichen Aussenraum Facts & Figures next floor 21 Bauen und erneuern Sicher und schnell ans Ziel während die meisten modernen Hochbauten diese verbergen und nur die Fassade zeigen. Beim Bundesverwaltungsgericht haben alle sichtbaren Elemente eine tragende Funktion. Die Stahlbetonkonstruktion des Hochhauses ruht auf einem dreigeschossigen ­Sockelbau mit Lochfassade und inneliegender Eingangshalle. Darüber liegen zehn Stockwerke, die in zweigeschossigen Einheiten in die Höhe gestapelt sind. Das Zusammenfassen der Etagen in fünf Doppelgeschosse spiegelt die Struktur der Verwaltung, die aus fünf Abteilungen besteht. «Durch seinen kommunikativen und auf die inneren Verhältnisse verweisenden Ausdruck erhält das Bauwerk einen angemessenen repräsentativen Charakter und eine zeitgemässe Würde», sagt Architekt Rico Lauper. c Hunderte von Personen nutzen täglich die Aufzüge im neuen Bundesverwaltungsgericht. Alle haben ein Ziel: möglichst schnell anzukommen. Um dies zu ­ermöglichen, sind die Aufzüge im Hochhaus mit einer Zielwahlsteuerung ausgestattet. Sie gruppiert Personen, die ins gleiche Stockwerk fahren wollen. Die zentrale Steuerung er­rechnet, welcher Aufzug der idealste ist, damit der Fahr­gast ­möglichst ohne Zwischenhalt ans Ziel kommt. Ziele hervorragend umgesetzt Im Turm wurde über 15 Etagen eine Triplex-Anlage mit drei Personenaufzügen Schindler 5400 ein­ gebaut. Ein vierter Lift vom gleichen Typ ist als spezieller Feuer­wehraufzug konzipiert. Der Seitenflügel ist mit zwei ­Standardaufzügen Schindler 5300 aus­ gerüstet. Die Triplex-Aufzüge im Turm wurden früh montiert, weil zwei davon als Bauaufzüge dienten. Für diese Phase wurden die Aufzüge mit einer speziellen ­Innenauskleidung und robusten Türen ausgestattet. 22 Das Prinzip von Schlichtheit und Würde setzt sich im Innern fort, was in der Eingangshalle besonders gut zur Geltung kommt: Sichtbeton wird ergänzt mit Stucco lustro, Wandfüllungen und Schrankwände bestehen aus geölter Eiche und für die Böden kamen Terrazzo-Beläge mit Intarsien zum Einsatz. Allesamt traditionsträchtige, hochwertige Materialien, bei deren Verarbeitung ein hohes Mass an handwerklichem Know-how und Präzision gefragt war. Vor allem beim abgeschliffenen Steinboden: Die Bodenintarsien bestehen aus unterschiedlichen Steinarten in Gelb-, Rot- oder Grüntönen. Sie verleihen jedem Raum eine eigene Farbgebung und Atmosphäre. Der Grundstein für das Projekt wurde 2005 mit einem zweistufigen Projektwettbewerb gelegt, den der ­Kanton St. Gallen durchführte. Fast 200 Vorschläge gingen für die erste Stufe ein. Die Vorgaben des Wettbewerbsprogramms waren deutlich: Das Gerichts­­­ge­ bäude sollte einladend wirken, die Justiz und Gerechtigkeit reflektieren sowie die Vorstellung von Recht materialisieren. «Dieses grundlegende Ziel wurde von Staufer & Hasler Architekten mit der ­äusseren Erscheinung, der inneren Organisation und den verwendeten Materialien hervorragend umgesetzt», sagt Patrick Bünter vom Hochbauamt Kanton St. Gallen. Der Kanton ist Bauherrin des Gebäudes, das vom Bund geleast wird. Er wiederum vermietet es dem Bundesverwaltungsgericht, bei dem 75 Richter sowie 320 Mitarbeiter und Gerichtsschreiber arbeiten. Sie sind mit bis zu 17 000 Fällen beschäftigt und fällen rund 9000 Urteile pro Jahr. Im neuen Gebäude hat die Institution nun einen Rahmen gefunden, der ihre Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit nach aussen trägt. n Architektur Schweiz Ingenieurskunst vom Feinsten Das Hochhaus zieht unweigerlich die Blicke der Automobilisten auf sich. Es liegt an der A14, bei der Verzweigung Rütihof am Eingang zum Kanton Zug. Aufmerksamkeit verdient das neue Verwaltungsgebäude der Roche Diagnostics International AG nicht nur wegen seiner augenfälligen Architektur, sondern auch für sein intelligentes Energie- und Haustechnikkonzept. next floor 23 Architektur Schweiz TEXT Stefan Doppmann BILD Albert Zimmermann D er «Bau 5», wie das Hochhaus nüchtern genannt wird, dient der Roche Diagnostics International AG seit Mitte 2011 als administratives Zentrum. Das Unternehmen hat seine Aktivitäten in den vergangenen Jahren in Rotkreuz konzentriert und stark ausgebaut. Zu diesem Zweck wurden nach und nach verschiedene, architektonisch sehenswerte, Gebäude errichtet. Ihre Anordnung folgte einem Masterplan der ­Luzerner Architekten Scheitlin & Syfrig. So entstand ein eigentlicher Campus, dessen vorläufiger Schlusspunkt das 68 Meter hohe Verwaltungsgebäude ­bildet. Der Roche-Bau 5 bietet Raum für rund 625 Arbeitsplätze. Diese verteilen sich auf moderne offene ­Arbeitszonen, die sich mit verglasten Einzelarbeitsplätzen und Besprechungsräumen abwechseln. Die 13 Geschosse, auf die die Büroarbeitsplätze verteilt sind, sind durch grosszügig konzipierte Wendeltreppen miteinander verbunden. Dies verkürzt die Wege und erleichtert die Kommunikation. In den beiden obersten Stockwerken wurden verschiedene Sitzungs­ zimmer eingerichtet. Mitarbeitende und Gäste ­können hier die atemberaubende Aussicht vom Facts & Figures Stockwerke 2 UG, 1 EG, 13 Norm-, 2 Konferenzgeschosse Fläche956 m2 Grundfläche, 17 236 m2 Bruttogeschossfläche Nutzung Büros (600 Arbeitsplätze), Tagungsräume Lage Rotkreuz, Areal Roche Diagnostics International AG Bauherr Roche Diagnostics International AG Vertretung projektrosenberg, Zürich Architekten & GP Burckhardt + Partner AG, Basel Bezug Mitte 2011 Aufzüge3 Personenaufzüge Schindler 5400 1 Waren-, Personen- und Feuerwehraufzug, Schindler-Custom-Design 24 Höhe68 m, 18 Z­ ugersee bis zu den Alpengipfeln geniessen. Zuoberst befindet sich auch ein 100 Plätze umfassender Konferenzraum mit einer Vorzone für Begegnung, Apéros und Verpflegung. Innovatives Statikkonzept Den Gestaltungsauftrag für das Hochhaus gewann – nach einem Wettbewerb unter fünf namhaften Schweizer Architekturbüros – Burckhardt + Partner ­Basel. Ihr Projekt zeichnet sich insbesondere durch sein imposantes und auch wirtschaftliches Statikkonzept aus. Zentrales Element der Statik sind die V- und A-förmigen Stützen, die das Bild der transparenten Fassade prägen. Diese vorfabrizierten Elemente tragen einen wesentlichen Teil der Kräfte und entlasten so ­signifikant den Betonkern. Auf diese Weise konnte die Stärke der Kernwände im Hochhaus deutlich von 50 auf 30 Zentimeter reduziert werden, was die ­Nutz­fläche erhöhte. Geringer Energiebedarf – keine Klimaanlage Ebenso innovativ ist auch das Energie- und Haustechnikkonzept. Der Energiebedarf des Gebäudes liegt bei rund 81 Kilowattstunden pro Quadratmeter jährlich. Damit wird die hausinterne Vorgabe von Roche, die bei 100 Kilowattstunden liegt, deutlich unterschritten. Die Heizwärme wird mit einer an Erdsonden angeschlossenen Wärmepumpe erzeugt. Im Sommer werden die Räume durch Betonkernaktivierung gekühlt: Dabei wird Wasser durch ein Rohrsystem geleitet, das in die Betondecken eingelassen ist. Das zirkulierende Wasser kühlt die massiven Betondecken von innen. Diese im Betonkern eingelagerte Kälte wird über mehrere Stunden in den Raum abgegeben und sorgt so auch bei warmen ­Aussentemperaturen für ein ausgeglichenes und angenehmes Raumklima. Auf den Einsatz energieaufwendiger Klimaanlagen kann somit verzichtet werden. Eine besondere Herausforderung für die Architekten stellte die Schalldämmung dar. Damit die Betonkernaktivierung ihre kühlende Wirkung optimal entfalten kann, musste die Betondecke grossflächig frei sichtbar bleiben. Um dennoch eine gute Raumakustik zu erhalten, entwickelten die Projektverantwortlichen in Zusammenarbeit mit dem renommierten Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart eine innovative ­Lösung: In die Decke wurden streifenweise mit Glasgranulat gefüllte Faserzementprofile eingelegt. Dann wurde die Decke mit einem Akustikverputz über­ zogen. Auf diese Weise wird ein grosser Teil des Schalls absorbiert, ohne die Wirksamkeit der Betonkernaktivierung einzuschränken. Mit der Zielwahlsteuerung ­erreichen Lift-Benützer schnell und komfortabel die gewünschte Etage. Die auffällige Fassade des «Bau 5»Hoch­hauses. Schliesslich ist auch die Fassade eine Neuentwicklung. Die Fassadenelemente bestehen aus einer Aluminiumrahmenkonstruktion, mit Dreifachverglasung nach ­innen und Einfachverglasung nach aussen. Im Raum dazwischen bewegt sich der Sonnenschutz, ohne Wind und Wetter ausgesetzt zu sein. Durch permanente Belüftung des Hohlraums wird die Bildung von Kondenswasser an der Aussenseite der Fassadenelemente vermieden. Die gewählte Konstruktionsweise erleichtert die Reinigung und gewährleistet dennoch einen effizienten Schutz vor Sonneneinstrahlung. In jeder zweiten Fassadenachse befindet sich ein dezentrales Lüftungsgerät. Die Abluft wird zentral aus dem Raum über die Kerne zur Abluftzentrale auf dem Dach geführt. Intelligente Aufzugssteuerung Einen Beitrag zum effizienten Betrieb des Gebäudes leistet auch das Mobilitätsmanagement innerhalb des Gebäudes. Simulationsberechnungen hatten ergeben, dass die Kapazität der drei geplanten Personenaufzüge in Spitzenzeiten zu knapp bemessen sein könnte. Deshalb konfigurierte man den Waren­aufzug so, dass er den Standard für die Personenbeförderung erfüllt. Die Zielwahlsteuerung PORT-Techno­logie sorgt jetzt dafür, dass alle Fahrgäste auf dem schnellsten Weg ans Ziel gelangen. Der Roche Tower in Rotkreuz ist das erste Gebäude der Schweiz, das mit der neuen PORT-Technologie ausgerüstet ist. n next floor 25 Architektur Schweiz «Hochzwei» – überzeugende Aussichten in Luzern 26 Bei der Volksabstimmung umstritten, heute akzeptiert. Die beiden Wohnhochhäuser auf der Luzerner Allmend. Das neue Fussballstadion, das Sportgebäude mit Hallen­ bad und die Wohnhochhäuser bilden eine Einheit. Früher das Militär, heute Sportstätte, Messeplatz, Natur- und Erholungsraum – die Luzerner Allmend deckt seit je ein vielseitiges Angebot ab. Entsprechend gross war die Herausforderung für die Architekten bei Planung und Bau der neuen Sportarena mit den beiden Wohnhochhäusern «Hochzwei». TEXT Beat Christen­­BILD ALBERT ZIMMERMANN Z uerst existierte ein Gipsmodell. Später kamen dreidimensionale Visualisierungen hinzu, die die neue Situation auf der Luzerner Allmend nach dem Bau der geplanten Sportarena mit den beiden Wohnhochhäusern darstellten. «Es war nicht immer einfach, den Leuten anhand dieser Visualisierungen ­unser städtebauliches Grundkonzept zu vermitteln», erinnert sich der Luzerner Architekt Iwan Bühler. Er hat, zusammen mit dem ebenfalls in Luzern tätigen Architekten Daniele Marques, das siegreiche Projekt im Rahmen eines Architekturwettbewerbs für das neue Fussballstadion in Luzern entwickelt. «Zentral für das Verständnis ist», sagt Iwan Bühler, «dass die Allmend für die Stadtluzerner ein ganz besonderer Ort ist.» Dass der Vorschlag Marques / Bühler schliesslich die Jury überzeugte, hatte zwei Gründe: Einerseits sind die Baukörper klar positioniert. Andererseits war es den Architekten gelungen, trotz der geforderten Baumasse auf den Landschaftsraum Allmend zu reagieren. Der Entscheid, die unterschiedlichen Nutzungen – Fussballstadion, Sportgebäude mit Hallenbad und Fitnesscenter sowie Wohnhochhäuser – zu tren- nen, erwies sich in der Folge als Schlüssel zum Erfolg. Sämtliche Gebäudeteile konnten so unabhängig voneinander realisiert werden. Zwei Architekten – ein Team Glich das Architekturgespann Marques / Bühler anfänglich eher einer Zweckgemeinschaft, so wuchs es mit jedem weiteren Planungsschritt zu einem Team zusammen – ein Glücksfall für das ganze Projekt. Da ist auf der einen Seite Daniele Marques. Vom Typ her eher der Künstler und Ästhet, dessen Bauten sich dank der für ihn eigenen Architektursprache von c next floor 27 Facts & Figures Entwicklung / Totalunternehmung ARGE Halter / Eberli Bauherrschaft Stadion Stadion Luzern AG Bauherrschaft SportgebäudeCSA Real Estate Switzerland, eine Immobiliengruppe der Credit Suisse Anlagestiftung Bauherrschaft WohnhochhäuserCS Real Estate Fund Living Plus, ein Immobilienfonds der Credit Suisse Bauherrschaft Breitensportanlagen Stadt Luzern ArchitektenArchitekturgemeinschaft Marques AG, Luzern, und Architekturbüro Iwan Bühler GmbH, Luzern Bauzeit 2009 bis 2012 Aufzüge Swissporarena: 2 Schindler 3300, 2 Schindler 2600 Sportgebäude: 3 Schindler 3300, 1 Schindler 2600 Schiesssporthalle: 1 Schindler 3300 Wohnhochhäuser: 6 Schindler 5400 auf die Atmosphäre von Parklandschaft und Aussensportanlagen beziehen», beschreiben die beiden ­Architekten ihre Überlegungen und ergänzen: «Obwohl verschieden genutzt, weisen die Gebäude ­konstruktiv einfache Strukturen auf.» Akzeptanz dank Architektur Die Kombination von Blau, Weiss und Gold ist eine Reverenz an die ­Farben des Fussballclub Luzern. c anderen Bauten klar abheben. Iwan Bühler zeichnet die Liebe zum Detail aus, verbunden mit einem klaren Fokus auf zeitgenössisches Denken in der Architektur, und die Kompetenz im Umgang mit historischen ­Gebäuden. Diese Kombination ermöglichte schliesslich, die schwierige Balance zwischen ökonomischen Aspekten und städtebaulicher Verträglichkeit im heiklen Umfeld der Luzerner Allmend zu finden. Die Architektur enthält klassische Elemente von Parkanlagen wie Zäune, Gittertore und Lauben. «Der daraus ent­ wickelte filigrane Ausdruck der Architektur soll sich 28 Jetzt sind auch die beiden Wohnhochhäuser namens «Hochzwei» mit ihren 285 Wohnungen und das Sport­ gebäude fertig. So entwickelt sich die ganze Kraft dieses Bauwerks, das zuerst über die Wohnhochhäuser wahrgenommen wird. Die beiden 88 und 77 Meter hohen Gebäude waren bei der ersten Volksabstimmung noch um­stritten. Heute ist die Akzeptanz in der Bevölkerung da – nicht zuletzt dank oder gerade wegen der Architektur. Die aus einem Quadrat entwickelte geschwungene Form, verbunden mit der vom Fussballstadion und dem Sportgebäude übernommenen filigranen Struktur, verleiht den beiden Wohnhochhäusern ­etwas Edles und Aussergewöhnliches. Das wohl markanteste Element der neuen Sportarena ist die goldene Struktur, sie rührt von den pulverbeschichteten Aluminiumstäben her. Das Stadion wird durch ein Stabwerk umhüllt, das gleichzeitig den ­grossen Erschliessungsumgang umfasst. Durch die luftdurchlässige Aluminiumfassade schimmert die innere blaue Schale der eigentlichen Arena. Die Kombination von Blau, Weiss und Gold ist eine Reverenz an die Farben des Fussballclubs Luzern. Vier Gebäude – eine Einheit Das neue Fussballstadion mit seinen rund 16 000 Sitzplätzen und das Sportgebäude mit einem Hallenbad mit 25-Meter-Schwimmbecken bilden zusammen mit den beiden Wohnhochhäusern eine Einheit. Und nicht nur das. Die Sportarena Allmend setzt das um, was die Stadt Luzern seit 2004 in ihrer Strategie festhält: Bewahrung und Stärkung der Grünraumqualität und grössere Verdichtung des bebauten Bereichs. Die Sportarena ist eine echte Ergänzung zum Nah­ erholungsraum Allmend. n Schindler Award Am 7. Dezember 2012 kommt es im Paul-Klee-Museum in Bern zum spannenden Finale. Aus zehn nominierten Projekten wird der diesjährige Sieger des Schindler Award erkoren. Mit dabei ist wiederum ein Wettbewerbsbeitrag aus der Schweiz. Spannendes Finale im Klee-Museum in Bern Die Jury des diesjährigen Schindler Award. TEXT Beat Baumgartner BILD Raffael Waldner D ie zehn Preisträger des Schindler Architekturwettbewerbs kommen aus sechs Ländern Europas. Eine hochkarätig zusammengesetzte Jury hat sie aus insgesamt 113 Projekten ausgewählt, die von einzelnen Architekturstudierenden oder Teams aus Architekturschulen in ganz Europa eingereicht worden sind. Die Projekte werden am 7. Dezember 2012, 16 Uhr, anlässlich der Preisverleihung im Paul-Klee-Museum in Bern in einer eigenen Ausstellung präsentiert. Der ­Gewinner und die Ränge zwei bis fünf werden mit Geldpreisen ausgezeichnet. Neben den Verfassern der besten Projekte wählte die Jury auch drei ­Architekturschulen aus. Sie erhalten Bei­ träge im ­Gesamtwert von 50 000 Euro als Forschungsunterstützung und als ­Anerkennung für die Vorbeurteilung der Wettbewerbsprojekte ihrer Studierenden sowie allgemein für die Aufnahme des Themas in ihren ­Lehrplan. Der diesjährige Wettbewerb stellte die Architektur­studierenden vor eine besondere Herausforderung: Wie lässt sich der Bereich um die Schützenmatt direkt neben der weltberühmten Berner Altstadt neu gestalten und für alle Menschen, auch solche mit Behinderungen, zugänglich zu machen? Die Schützenmatt ist ein Ort mit vielen verschiedenen Nutzungsmöglich­keiten und unterschiedlichen topografischen ­Niveaus, die zu wenig miteinander verbunden sind. Die Studenten waren aufgefordert, Ideen zu liefern, wie dieser öffentliche Raum aufgewertet und besser genutzt werden kann. Dabei mussten auch Vorschläge gemacht werden, wie die verschiedenen ­Kultur- und Randgruppen, die in dieser Gegend an­gesiedelt sind, integriert statt ausgegrenzt werden. www.schindleraward.com Die Nominierten des Schindler Award 2012 Projekt Nr. 3Ensembles Nr. 5The Nr. 14New Nr. 60Joining Lund School of Architecture, Schweden Hub Lund School of Architecture, Schweden spaces for democracy Sint-Lucas School of Architecture, Belgien Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Schweiz Nr. 62Convergent Diversity Voles Higher School of Architecture, Spanien Nr. 81No Nr. 98No Nr. 100lmpuls Nr. 101Bridging Nr. 104The title Technische Universität Berlin, Deutschland title Technische Universität Berlin, Deutschland Kraft Technische Universität Berlin, Deutschland Barriers Technische Universität Berlin, Deutschland Valley Sint-Lucas School of Architecture, Belgien next floor 29 Visionen Die Schweiz setzt neue Massstäbe Vor kurzem wurde in Lugano das neue Nationale Hochleistungsrechenzentrum eröffnet. Der Neubau mit seinen Supercomputern soll sicherstellen, dass die Schweiz als Forschungsplatz im Bereich des Hochleistungsrechnens wettbewerbsfähig bleibt. 30 Ein eher unscheinbarer Bau – das Verwaltungs­gebäude des neuen ­Nationalen Hochleistungs­­rechen­zentrums. Facts & Figures Auftraggeber Bauunternehmer ETH Zürich Implenia Impresa Generale SA, Lugano BauzeitJanuar 2010 bis Januar 2012 Offizielle Eröffnung 31. August 2012 Veranschlagte Kosten 67 Mio. Franken Aufzüge 1 Personenaufzug Schindler 5300 1 Lastenaufzug Schindler 2600, hydraulisch Neubau Teil der HPCN-Strategie TEXT Simone Ulmer, ETH Zürich Bild ALBERT ZIMMERMANN Der CSCS-Neubau ist Teil der Hochleistungsrechnenund Vernetzungsstrategie (HPCN). Die Strategie wurde vom ETH-Rat entwickelt und vom Bundesrat und Parlament 2009 genehmigt. Die Kosten für den HPCN-Neubau wurden inklusive der Seewasserkühlung auf 67,5 Millionen Franken veranschlagt. Zusätzlich steuerte der Kanton Tessin fünf Millionen Franken bei. Die Stadt Lugano gewährte dem CSCS gratis das Baurecht für 40 Jahre. Zudem ermöglichte die Stadt die Umsetzung und den Bau der Seewasserkühlung. N ach knapp zweijähriger Bauzeit hat die Schweiz ein neues Hochleistungsrechenzentrum – und eines der weltweit energieeffizientesten. Das CSCS (Centro Svizzero di Calcolo Scientifico) in Lugano-Cornaredo ist der «in Stein gemeisselte» Teil der nationalen Hochleistungsrechnen- und Vernetzungsstrategie. Konkurrenzfähigkeit sichern Der CSCS-Neubau soll sicherstellen, dass auch die zukünftigen ­Supercomputer des Nationalen Hochleistungsrechenzentrums ­optimal und energieeffizient betrieben werden können. Die Supercomputer des CSCS stehen allen Schweizer Hochschulen und ­Forschungsanstalten zur Verfügung. Mit dem Neubau kann der ­Forschungsstandort Schweiz noch stärker in allen Bereichen des High Performance Computing (HPC) profitieren. «Hochleistungs­ fähige Rechner sind eine zentrale Voraussetzung für die weltweite Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Hochschulen», betonte ETHRatspräsident Fritz Schiesser anlässlich der Eröffnung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen mit Hilfe von Supercomputern, Lösungen für komplexe Fragestellungen zu finden. Simulationen setzen heute dort an, wo Experimente nicht mehr möglich sind oder herkömmliche Methoden nicht mehr ausreichen. So können Forschende mit Simulationen das Wetter vorhersagen, Naturgefahren besser einschätzen, noch unbekannte Materialien modellieren oder sie für die medizinische Diagnostik einsetzen. In vielen Forschungsdisziplinen ergänzt das Hochleistungsrechnen heute Theorie und Experiment. Allein seit 2010 hat sich die Nachfrage nach Rechenzeit am CSCS nahezu verdoppelt – 2012 wurden unter den Benutzern rund 325 Millionen Rechenstunden verteilt. Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Uni Lugano Durch die stetig steigende Nachfrage nach Rechenpower reichten die räumlichen und technischen Kapazitäten des alten Sitzes in Manno nicht mehr aus. Deshalb wurde der Neubau in der Via ­Trevano in Lugano notwendig. ETH-Präsident und Bauherr des ­Rechenzentrums Ralph Eichler hob bei der Eröffnungsfeier zwei Vorteile des neuen Standorts hervor: «Zum einen lässt sich der Rechner mit Seewasser aus dem Luganersee kühlen, andererseits ist die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern der benachbarten Università della Svizzera italiana eine enorme Bereicherung und fördert die intellektuelle und kulturelle Vielfalt.» Für die ETH Zürich zentral war, dass das neue Rechenzentrum die benötigte Supercomputing-Infrastruktur für mindestens die kommenden 40 Jahre beherbergen kann. Das Rechenzentrum ist deshalb als modularer Bau konstruiert, der bei Bedarf weiter ausgebaut werden kann. Bereits ab 2013 wird am CSCS ein Rechner der Peta­ flops-Leistungsklasse eingesetzt. Da die Supercomputer durch ein ausgeklügeltes System gekühlt werden, ist das CSCS derzeit eines der energieeffizientesten Rechenzentren der Welt. n next floor 31 Rubrik One Central, Macau Wir bewegen. In Bern und im weiteren Umkreis. Täglich nutzen weltweit 1 Milliarde Menschen Aufzüge, Fahrtreppen und innovative Mobilitätslösungen von Schindler. Hinter unserem Erfolg stehen 44 000 Mitarbeitende auf allen Kontinenten. www.schindler.ch 32