Fakultät für Psychologie Wenn Kinder Krisen kriegen – Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen am Beispiel von Schlafstörungen 11. Jahreskongress Psychotherapie Bochum 17./18. Oktober 2015 Prof. Dr. Angelika A. Schlarb Fakultät fürPsychologie Psychologie Abteilung AE 7 Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters Schlafen Entspannung Bewegung Essen Säulen der Gesundheit Sitzung 2 16.04.2014 Fakultät fürPsychologie Psychologie Abteilung AE 7 Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters Schlafen Entspannung Bewegung Essen Säulen der Gesundheit Sitzung 2 16.04.2014 Fakultät fürPsychologie Psychologie Abteilung AE 7 Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters Veränderungen Schlaf über die Lebensspanne • Veränderung Schlafmuster und Schlafdauer Sitzung 2 16.04.2014 Abb. Aus Spiegelhalder, Backhaus & Riemann, 2011, S. 17. Fakultät für Psychologie Durchschnittliche Nachtschlafdauer bei Kindern und Jugendlichen Iglowstein et al., 2003 Fakultät für Psychologie Durchschnittliche Nachtschlafdauer bei Kindern und Jugendlichen Iglowstein et al., 2003 Fakultät für Psychologie Insomnien – ein häufiges Krankheitsbild… percent % 25 20 15 10 5 0 0-2 Jahre 3-6 Jahre 7-10 Jahre 11-13 Jahre 14-17 Jahre Schlafprobleme allgemein Einschlafprobleme Durchschlafprobleme beides N=17,641 Kinder und Jugendliche (KiGGS) Schlarb AA, Gulewitsch MD, Weltzer V, Ellert U, Enck P. Sleep duration and sleep problems in a representative sample of German children and adolescents. Health. accepted Fakultät für Psychologie Kinderärzte als erste Adresse… Pädiater geben an ca. 3.3% an Kindern in ihrer Praxis wegen Insomnie zu sehen. familiäre Häufung: 23.9%. eingeschätzter Belastung der 3.11 (SD=0,83) (0: keine Belastung, 4: sehr hohe Belastung). Intervention: 9.6% der Pädiater: Hinzuziehen eines Psychologen usw. 7.8% : Maßnahmen wie Einschlafritual oder Schlafprotokoll 20.0% : Einsatz von naturheilkundlichen Medikamenten bzw. pflanzlichen Sedativa Schlarb AA, Gulewitsch MD, & Hautzinger M. (2010). Insomnien in der pädiatrischen Praxis: Häufigkeit, familiäre Belastung und Behandlungsempfehlungen. Somnologie, 14, 129-134. Fakultät fürPsychologie Psychologie Abteilung AE 7 Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters Kinder kriegen Krisen… Darstellung Schlafzyklus • schematische Kritische Lebensereignisse Können jederzeit auftreten Beispiel: Umzug, Trennung der Bezugspersonen, Tod, chronische Erkrankungen, Geburt eines Geschwisters Erfordern eine Neuanpassung an veränderte Gegebenheiten Gelingt leichter, wenn absehbar und vorbereitet Sitzung 2 16.04.2014 Fakultät für Psychologie Krise: Krieg und Flucht Kinder, die Krieg/Angriffe erlebten haben drei Jahre später 5fach größeres Risiko für Schlafstörungen als eine Vergleichsgruppe (Chemtob et al., 2008). Schlafprobleme und Störungen bei Kindern: Schlafprobleme und Störungen bei Kindern mit PTSD: Alpträume bei Kindern: Alpträume bei Kindern mit PTSD: 6.1-22.5% 3-77.1% 6.8-20% 13.1-64.4% Teufelskreis: Kriegserleben der Eltern -> Gewalt gegen Kinder -> Gewalt als Eltern gegen Kinder Kovachy B, O´Hara R, Hawkins N, Gershon A, Primeau MM, Madej J, Carrion V. (2013). Sleep Disturbance in pediaric PTSD: Current Findings and future directions. Journal of Clinical Sleep Medicine, 9(5), 501-510. Catani C. (2010). Krieg im Zuhause – ein Überblick zum Zusammenhang zwischen Kriegstraumatisierung und familiärer Gewalt. Verhaltenstherapie. Saile R, Ertl V, Neuner F, Catani C. (2013). Does war contribute to family violence against children? Child Abuse & Neglect. Fakultät für Psychologie „traumhafter“ Schlaf und Schulleistung bei Kindern 27 Grundschulen mit 1.144 Kindern und ihren Eltern Schlafprobleme (z.B. Einschlafprobleme, nächtliches Erwachen, Schlafwandeln, Albträume, Einnässen) Von 1.144 Kinder (Alter: 9.6 Jahre, 51% Jungen), hatten • • • • 760 (66.4%) Schlafprobleme (Elternauskunft): 49.1% Einschlafprobleme Alpträume: manchmal 44.5; oft 6.7% Schlechte Schulleistungen waren vor allem mit häufigen Albträumen assoziiert. Schlechte Schulleistungen: Note 4 oder schlechter Wiechers S, Schlarb AA, Eggebrecht E, Schlaud M, Poets CF, & Urschitz MS. (2011). Sleep problems and poor academic performance in primary school children. Somnologie, 15(4), 243-248. Schlarb, A. A. , Gulewitsch, M. D., Kulessa, D., & Hautzinger, M. (2010). Alpträume in der pädiatrischen Praxis: Häufigkeit, familiäre Belastung und Behandlungsempfehlungen. Pädiatrische praxis, 76, 223-230. Fakultät für Psychologie Aufrechterhaltung Schlafdruckteufelskreis (in Anlehnung an Rabenschlag, 2001; Frölich & Lehmkuhl, 1998) Schlafprobleme Schlafdefizit Schlafdruck unkontrollierte Erhöhung des Erregungsniveaus Schwierigkeiten mit niedrigem Erregungsniveau Selbststimulation (aktiv/passiv) Fakultät für Psychologie Aufrechterhaltung Schlafdruckteufelskreis (in Anlehnung an Rabenschlag, 2001; Frölich & Lehmkuhl, 1998) Schlafprobleme Schlafdefizit Schlafdruck unkontrollierte Erhöhung des Erregungsniveaus Schwierigkeiten mit niedrigem Erregungsniveau Selbststimulation (aktiv/passiv) Fakultät für Psychologie Schlaf und Aggression 1879 Jugendliche und Studierende (21.5 +/- 2.01 Jahre, 73.9% Frauen) * * Schlarb AA, Sopp R, Claßen M. Elucidating the Association between Sleep and Aggression: A Structural Equation Model of a Prefrontal Mediation. subm. Fakultät für Psychologie Schlafstörungen führen zu psychischen Störungen Lavigne et al. (1999) Aronen et al. (2000), Geringe Schlafmenge führt zu externalisierenden Verhaltenweisen: aggressives Verhalten delinquentes Verhalten, Aufmerksamkeitsprobleme Gregory & O´Connor (2002) Im Alter von 4 Jahren vorliegende Schlafprobleme sagen verhaltens- und emotionale Probleme in der mittleren Adoleszenz vorher (v.a. Depression, Angst, Aufmerksamkeitsprobleme oder Aggression) Roberts et al. (2002) Insomnie bei Jugendlichen führt zu einem 3fachen Risiko für Depression, 4faches Risiko für geringere Lebensqualität, 5facher Anstieg d. mentalen Beeinträchtigung 15 | Dr. Schlarb © 2011 Universität Tübingen Schlaf als Risikofaktor? Fakultät für Psychologie Schlaf als Risikofaktor? 151 Patienten mit psychischen Störungen (46% männlich), mittleres Alter 33.46 Jahre (SD = 11.08) 152 gesunde Erwachsene (37% männlich) mittleres Alter 32.73 Jahre (SD = 10.18) 72 Fragen zu Schlaf und Schlafproblemen Einschlafschwierigkeiten nächtlichen Erwachens Schlafdauer als Kind Konsequenzen der Insomnie wie Tagesmüdigkeit, Reizbarkeit etc. Schlafbezogener Ängste Hypersomnie als Kind Schlafhygiene Parasomnien (Alpträume etc) Apnoe Kind Jugendlicher Erwachsener Grübeln Fakultät für Psychologie ** 35 †† 30 ** 25 20 †† ** 15 10 † 5 0 Parasomnia 60 Adolescence 40 AlpträumeOutpatients Healthy controls ** †† ** † 30 20 10 Schlafhygiene †† Outpatients Healthy controls 40 35 ** 30 †† 25 †† 20 15 10 5 0 Adulthood ** 50 Sleep hygiene Frequency of upper answer-categories (%) XX 40 Childhood Frequency of upper answer-categories (%) XX Outpatients Insomnie Healthy controls Childhood Adolescence Sleep apnea Frequency of upper answer-categories (%) XX Frequency of upper answer-categories (%) XX Insomnia Adulthood Outpatients Schlafapnoe 40 Healthy controls †† 35 † 30 25 20 15 10 5 0 0 Childhood Adolescence Adulthood Childhood Adolescence Adulthood * Signifikante Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen (*p < .05, **p < .01); † signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen (†p < .05, ††p < .01). Schlarb AA, Milicevic V, Brandhorst I, Pauli P, Schwerdtle B, Kübler A, Hautzinger M. Persistent sleep problems in childhood can be an early risk factor for mental disorders in adulthood. BMC Psychiatry. submitted. Fakultät für Psychologie Schlafstörungen und psychische Störungen Schul-/Leistungsprobleme Beeinträchtigte körperl. Verfassung (Chervin et al., 2003; Fallone et al., 2005; Schlarb et al., 2012) (Mindell & Owens, 2000) ADHS Bipolare Störung? (Mayer … Schlarb, 2010) Ängste Schlaf Insomnie, Schlafbezogene Atmungsstörungen, Hohe Variabilität, Assoziation mit Albträumen (Thunstrom, 2002, Wagner & Schlarb, 2012) (Ohayon & Roth, 2003; Schlarb et al., 2010; Schlarb et al., 2015) Depressivität (Dahl et al., 2002) Aggression / Störung des Sozialverhaltens (Velten-Schurian… Schlarb, 2010) Suizidalität (Liu, 2004; Zschoche & Schlarb, 2015) Fakultät für Psychologie Entwicklung altersspezifischer Schlaf-Behandlungsprogramme •Mini-KiSS (0,5-4J.): Elterntraining, 6 Sitzungen •KiSS (5-10J.): 3 Sitzungen Kinder, 3 Sitzungen Eltern •JuSt (11-17J.): 5 Sitzungen Jugendliche, 1 Sitzung Eltern • SWIS: Schlaf-Training für Studenten, 6 Sitzungen • Schlaf-Erwachsene: 6 Sitzungen Fakultät für Psychologie Mini-KiSS – das Elterntraining für Kinder mit Schlafstörungen Therapiemanual Kalimba, der Leopard 2 Imaginations-CDs Eltern Einschlafgeschichten, Fingerspiele, Massagebeispiele Schlarb AA. 2013. Mini-KiSS – Therapeutenmanual und Begleit- und Arbeitsbuch für Eltern. Kohlhammer Verlag. Fakultät für Psychologie ** ** ** Schlafen schneller ein Wachen nicht mehr so häufig auf ** Sind nachts weniger lang wach Schlafen mehr Schlarb A A, Brandhorst I, & Hautzinger M. (2011). Mini-KiSS - ein multimodales Gruppentherapieprogramm für Eltern von Kleinkindern mit Schlafstörungen: Eine Pilotstudie. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 39(3), 197-206. Schlarb A A, & Brandhorst I. (2012). Mini-KiSS Online: an Internet-based intervention program for parents of young children with sleep problems influence on parental behavior and children?s sleep. Nature and Science of Sleep, 4, 41-52. Brandhorst I, Peters E, Hautzinger M, Schlarb AA. Telephone support in an Internet-Based Treatment for Sleep Problems in Early Childhood. subm. Fakultät für Psychologie KiSS – Behandlungsmanual für Kinder mit Schlafschwierigkeiten ... 6 Therapiesitzungen (3 Eltern- & 3 Kindersitzungen) Elternsitzung 1 Kindersitzung 1 Elternsitzung 2 Kindersitzung 2 Kindersitzung 3 Elternsitzung 3 Informationsvermittlung, Tagesstruktur Kalimba der Zeopard, Atemtechniken Erziehungsstrategien, Situations-Verhaltensketten Problemlösestrategien Mein Werkzeugkasten Was ich jetzt alles kann Anwendung & Transfer Schlarb AA. 2013. KiSS – Therapeutenmanual und Begleit- und Arbeitsbuch für Eltern. Kohlhammer Verlag. Schlarb AA, Velten-Schurian K, Poets CF, Hautzinger M. First effects of a multicomponent treatment for sleep disorders in children. Nature and Science of Sleep. 2011;3:1-11.. Fakultät für Psychologie KiSS – Behandlungsmanual für Kinder mit Schlafschwierigkeiten N=112 Kinder 59 Jungen (52.7%) 53 Mädchen Alter = 8.1 Jahre, SD = 1.8, (range 5-11.5 Jahre) Eltern = 37.7 Jahre, SD = 5.2. Alle Kinder hatten eine chronifizierte Insomnie (ICSD-3) Dauer der Erkrankung: M=4.6 Jahre (SD = 3.2). ICSD-2: Behavioral Insomnia of Childhood (71.4%) Psychophysiological Insomnia (28.6%) Fakultät für Psychologie Einschlafdauer * PI = Psycho-physiological Insomnia, BI-S = Behavioral Insomnia of Childhood Sleep Onset Type, BI-L = Behavioral Insomnia of Childhood Limit Setting Type. t1 = pre-treatment, t2 = post-treatment, t5 = 12-month follow-up. Fakultät für Psychologie Psychische Auffälligkeiten – 1 Jahr später… Ängste, Depression ADHS, Aggression Fig. Long-term course of internalizing and externalizing problems; t1 = pre-treatment, t2 = post-treatment, t3 = 3-month-, t4 = 6-month-, t5 = 12-month follow-up. * p ≤ .001. Fakultät für Psychologie JuSt - Training für Jugendliche mit Schlafstörungen Privates Schlaflabor Labor für Hypnose Labor für gesunden Schlaf Labor für gestörten Schlaf Labor für PMR Labor für Schlafhygiene Labor für Ängste/Sorgen Schlafdoc & Schlaflabor Labor für Stress Zu-Bett-Geh-Rituale Labor für Schlafumgebung Schlarb AA, Liddle CC, & Hautzinger M. (2011). JuSt - a multimodal program for treatment of insomnia in adolescents: a pilot study. 3, 13-20. Fakultät für Psychologie Einschlafdauer * Fig. t1 = pre-treatment, t2 = post-treatment, t3 = 3-month-, t4 = 6-month-, t5 = 12-month follow-up. * p ≤ .001. Roeser K, Schwerdtle B, Kübler A, Schlarb AA. 2015. Further Evidence for the JuSt Program as Treatment for Insomnia in Adolescents: Results from a 1-Year Follow-up Study. Journal of clinical sleep medicine. Fakultät für Psychologie Nächtliche Wachzeit * Fig. t1 = pre-treatment, t2 = post-treatment, t3 = 3-month-, t4 = 6-month-, t5 = 12-month follow-up. * p ≤ .001. Roeser K, Schwerdtle B, Kübler A, Schlarb AA. 2015. Further Evidence for the JuSt Program as Treatment for Insomnia in Adolescents: Results from a 1-Year Follow-up Study. Journal of clinical sleep medicine. Fakultät für Psychologie Psychische Auffälligkeiten * Fig. t1 = pre-treatment, t2 = post-treatment, t3 = 3-month-, t4 = 6-month-, t5 = 12-month follow-up. * p ≤ .001. Fakultät für Psychologie Zusammenfassung: Wenn Kinder Krisen kriegen ist Schlaf ein wichtiger Faktor. Gesunder und ausreichend Schlaf ist wichtig für die körperliche und seelische Gesundheit. Bei Schlafproblemen kann man was ändern – und sollte es auch! Die Behandlungskonzepte sind erfolgreich.