Juristische Fakultät Konversatorium zum Bürgerlichen Recht I WS 2012/2013 Fall 6 – „Alles schief gelaufen“ [Auslegung, Irrtum bei der invitatio ad offerendum; Erklärungsirrtum, Anfechtung des kausalen und dinglichen Geschäftes; Kaufvertrag; Herausgabeanspruch nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 985 BGB] Ausgangsfall A. Frage 1: Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? Ein Kaufvertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Antrag (vgl. § 145 BGB) und Annahme (vgl. §§ 147 ff. BGB), voraus. 1. Antrag durch V oder K? Fraglich ist, ob V oder K einen Antrag abgegeben haben. a) Antrag des V durch Ausstellen des Buches? V könnte durch das Ausstellen des Buches konkludent einen Antrag abgegeben haben. Ein Antrag muss jedoch inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. er muss Regelungen hinsichtlich aller Punkte enthalten, deren Festlegung für den konkreten Vertrag unabdingbar ist (sog. essentialia negotii). Beim Kaufvertrag muss sich aus dem Antrag ergeben, wer Verkäufer und wer Käufer1 sein soll, was verkauft wird und wie hoch der Kaufpreis ist. Dem Verhalten des V ist weder der Käufer noch der Verkaufspreis zu entnehmen. Folglich fehlt es bereits an der Bestimmtheit, um von einem Antrag ausgehen zu können. Das Ausstellen des Buches stellt somit keinen Antrag des V dar. b) Antrag des K durch Preisnachfrage? K könnte durch seine Preisnachfrage bei V einen Antrag abgegeben haben. Aus Sicht eines objektiven Empfängers lässt sich der bloßen Nachfrage nach dem Preis noch nicht entnehmen, dass K sich bereits vor Kenntnis des Preises rechtlich binden wollte. Ein rechtsverbindlicher Antrag könnte nur dann angenommen werden, wenn K bereit ist, jeden erdenklichen Preis zu zahlen, oder er dem V die Bestimmung des Preises überlassen will, vgl. § 315 BGB. Dies müsste dann aber auch aus der Perspektive des objektiven Empfängerhorizonts nach §§ 133, 157 BGB (analog) ersichtlich sein. 1 Ausnahme: Antrag ad incertas personas. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung c) Antrag des V durch Preisauszeichnung und Übergabe Indem V das Buch mit dem Preis von 59 EUR auszeichnete und es sodann an K überreichte, könnte er einen konkludent Antrag abgeben haben. Fraglich ist aber, ob es sich dabei nicht lediglich um eine sog. invitatio ad offerendum, d.h. eine Aufforderung, einen Antrag abzugeben, handelt. Eine solche liegt vor, wenn sich der Verkäufer rechtlich (noch) nicht binden, sondern sich die Entscheidung über den Vertragsschluss vorbehalten will. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entscheiden, §§ 133, 157 BGB (analog). Hier hat V auf die Preisnachfrage des K ein konkretes Buch, nämlich das von Degartski, mit einem Preis von 59 EUR versehen. Da ab diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt waren, nämlich Vertragsgegenstand (Buch), Preis (59 EUR) und insbesondere die konkreten Vertragsparteien (V und K), und auch eine Gefahr der Mehrfachverpflichtung nicht gegeben ist, kann aus Sicht eines objektiven Empfängers von einem Rechtsbindungswillen und damit einem verbindlichen Antrag ausgegangen werden. Die Tatsache, dass V sich beim Preisauszeichnen vertippt hat und er damit objektiv etwas anderes erklärt hat als er subjektiv wollte, wirkt sich auf die Wirksamkeit des Antrags nicht aus. Er handelte damit zwar ohne Geschäftswillen. Der Geschäftswille ist für die Abgabe einer Willenserklärung jedoch nicht konstitutiv, was auch die Existenz von § 119 BGB belegt. Mit der Schaffung dieser Norm hat der Gesetzgeber dem Erklärenden ausschließlich die Möglichkeit zur Anfechtung an die Hand gegeben. Die Willenserklärung bleibt wirksam, wodurch der Erklärungsempfänger geschützt wird. Der sich irrende Erklärende ist nun unter Zugzwang, er kann es bei der fehlerhaften Erklärung belassen oder diese durch Anfechtung rückwirkend (ex tunc) beseitigen. V hat folglich einen wirksamen Antrag abgegeben. 2. Annahme durch K? Diesen Antrag müsste K auch angenommen haben. Indem der zum Kauf entschlossene K mit dem Preis einverstanden war und das Buch entgegennahm, hat er konkludent die Annahme erklärt. 3. Zwischenergebnis Zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Antrag und Annahme, liegen somit vor. Folglich haben sich K und V über den Kaufvertragsschluss geeinigt. Ein Kaufvertrag ist damit (an sich) wirksam entstanden. 4. Rückwirkende Nichtigkeit gem. § 142 I BGB (Anfechtung)? Der zwischen K und V geschlossene Vertrag könnte aber infolge einer Anfechtung gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Eine wirksame Anfechtung könnte durch V erfolgt sein. Dies Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung voraus. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung setzt einen 2 a) Anfechtungsgrund In Betracht kommt das Vorliegen eines Erklärungsirrtums gem. § 119 I Alt. 2 BGB. Ein Erklärungsirrtum ist dann gegeben, wenn der Erklärende „eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte“, d. h. er ein anderes Erklärungszeichen setzt, als er will, weil er sich verspricht, verschreibt oder vergreift. V hat die falsche Ziffertaste gewählt („59“) und damit nicht das Erklärungszeichen abgegeben, das er eigentlich abgeben wollte („69“). Damit liegt ein Fall eines Erklärungsirrtums hinsichtlich seines auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Antrags vor. V hätte eine entsprechende Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei vernünftiger Würdigung des Falles (der angegebene Preis liegt 10 EUR unter dem gewollten Verkaufspreis) nicht abgegeben. Damit ist der Irrtum des V für die Abgabe der Willenserklärung auch kausal gewesen. Ein Anfechtungsgrund liegt damit vor. b) Anfechtungserklärung, § 143 I, II Hs. 1 BGB Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung, die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels nicht gelten soll. Das Wort „anfechten“ braucht dabei nicht verwendet werden. Indem V dem K erklärt, dass er sich vertippt habe und er dieses Geschäft so nicht gewollt habe, macht er hinreichend deutlich, dass er das Geschäft infolge des Irrtums nicht gelten lassen will. Eine Anfechtungserklärung i.S.d. § 143 I BGB ist damit erfolgt. c) Anfechtungsfrist, § 121 I 1 BGB V erklärte K die Anfechtung unmittelbar nachdem ihm sein Irrtum bewusst wurde. Schuldhaftes Zögern ist ihm daher nicht vorzuwerfen. Er hat „unverzüglich“ gehandelt und die Anfechtungsfrist des § 121 I 1 BGB gewahrt. 5. Ergebnis: V hat seine Willenserklärung somit wirksam angefochten. Die von ihm abgegebene Willenserklärung und infolgedessen auch der darauf beruhende Vertrag sind gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Es besteht somit kein wirksamer Kaufvertrag zwischen V und K. B. Frage 2: Kann V Herausgabe des Buches von K verlangen? I. Anspruch des V gegen K auf Herausgabe des Buches gemäß § 985 BGB? V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Buches gem. § 985 BGB haben. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 3 1. Eigentum des V V müsste als Anspruchssteller Eigentümer sein. Ursprünglich war V Eigentümer des Buches. V könnte sein Eigentum aber gem. § 929 S. 1 BGB durch Übereignung an K verloren haben. Dies setzt eine rechtsgeschäftliche Einigung über den Eigentumsübergang (sog. dinglicher Vertrag), eine Übergabe, das Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe sowie die Verfügungsbefugnis des V voraus. a) Einigung Mit Übergabe des Buches hat V konkludent einen Antrag zur Übertragung des Eigentums erklärt. K hat diesen Antrag durch die Entgegennahme des Buches konkludent angenommen. (Beachte: Die Irrtumsanfechtung des Kaufvertrages tangiert grundsätzlich nicht die Wirksamkeit der dinglichen Einigung - Abstraktionsprinzip!) b) Übergabe V hat das Buch auch an K übergeben. c) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe V und K sind sich auch Eigentumsübergang einig. im Zeitpunkt der Übergabe noch über den d) Verfügungsbefugnis des V V ist als Eigentümer verfügungsbefugt. e) Zwischenergebnis V hat damit das Eigentum an dem Buch verloren. 2. Ergebnis: Ein Anspruch aus § 985 besteht nicht, da V nicht mehr Eigentümer des Buches ist. II. Anspruch des V gegen K auf Rückübertragung des Eigentums und Besitzes an dem Buch gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB? V könnte gegen K einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums und des Besitzes an dem Buch gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB haben. Dies setzt voraus, dass K Eigentum und Besitz („etwas“) an dem Buch durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt hat. 1. Etwas erlangt K hat Besitz und Eigentum an dem Buch erlangt (s.o.). Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 4 2. Durch Leistung Durch Übergabe und Übereignung des Buches mehrte V bewusst und zweckgerichtet, nämlich zur Erfüllung der vermeintlichen Kaufvertragsverpflichtung aus § 433 I 1 BGB, das Vermögen des K. 3. Ohne Rechtsgrund Vorliegend kommt nur der zwischen V und K geschlossene Kaufvertrag als Rechtsgrund in Betracht. Diesen hat V jedoch wirksam angefochten (s. o.). Damit ist der Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen, vgl. § 142 I BGB (s. o.). Ein rechtlicher Grund ist demnach nicht ersichtlich. 4. Ergebnis Somit liegen alle Voraussetzungen des § 812 I 1 Alt. 1 BGB vor. V hat gegen K also einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB auf Rückübertragung des Eigentums und des Besitzes an dem Buch. Abwandlung 1 A. Frage 1: Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? Ein Kaufvertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Antrag (vgl. § 145 BGB) und Annahme (vgl. §§ 147 ff. BGB), voraus. 1. Antrag des V durch Einstellen des Buches auf der Homepage? Indem V das Buch zu einem Preis von 59 EUR auf seiner Verkaufs-Homepage einstellte, könnte er einen Antrag abgegeben haben. Auch hier ist durch Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB (analog) zu ermitteln, ob ein (rechtsverbindlicher) Antrag oder eine bloße Aufforderung zur Abgabe eines solchen Antrags (invitatio ad offerendum) vorliegt. Nicht von vornherein gegen einen objektiven Rechtsbindungswillen spricht der Umstand, dass sich V an einen unbestimmten Personenkreis richtet; denn auch Anträge ad incertas personas sind durchaus denkbar, sofern zumindest die Person des anbietenden Vertragspartners eindeutig bestimmbar ist. Da V aber nur in Besitz eines Exemplars des Buches ist, würde er durch die Abgabe eines Antrags ad incertas personas riskieren, an Verträge gebunden zu werden, die er nicht erfüllen kann. Damit würde er zudem Gefahr laufen, sich schadensersatzpflichtig zu machen. Dies kann aus Sicht eines objektiven Empfängers ersichtlich nicht gewollt sein. Folglich ist ein (objektiver) Rechtsbindungswille abzulehnen und von einer bloßen invitatio auszugehen. Ein Antrag des V liegt somit nicht vor. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 5 2. Antrag des K durch Anklicken des „Kaufen-Button“? Aus Sicht eines objektiven Empfängers hat jedoch K mit Anklicken des „Kaufen-Button“ einen verbindlichen Antrag abgegeben. Fraglich ist, welchen Geschäftswillen K geäußert hat. Auch insoweit ist die Erklärung des K aus Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen. K bezog sich mit seiner Willenserklärung erkennbar auf die von V verfasste invitatio ad offerendum. Damit konnte ein sorgfältiger Empfänger die Erklärung des K nur dahingehend verstehen, dass K den Kauf zum Preis von 59 EUR abschließen wollte. Damit bleibt festzuhalten: Indem K den „Kaufen-Button“ drückte, gab er einen Antrag zu einem Preis von 59,- € ab. 3. Annahme des Antrags durch V? Fraglich ist ob V diesen Antrag auch angenommen hat. Die Annahmeerklärung könnte in der automatisch erzeugten E-Mail zu sehen sein. Auch eine automatisierte Erklärung kann eine echte Willenserklärung darstellen, da sie letztlich auf menschlichem Handeln beruht. Vorliegend könnte jedoch eine bloße Eingangsbestätigung i.S.d. § 312g Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB vorliegen. Diese stellt keine Annahme, sondern lediglich einen Hinweis dar, dass das Angebot des Kaufinteressenten eingegangen ist. Welche dieser beiden Varianten zutrifft, ist durch Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB (analog) zu ermitteln. Aus dem Inhalt der Mail („wird Ihnen [...] zugestellt“) ergibt sich, dass keine bloße Empfangsbestätigung, sondern eine verbindliche Annahme erklärt werden sollte. Ein objektiver Empfänger kann die Mitteilung nur so verstehen, dass nicht mehr über den Kaufvertrag an sich entschieden werden sollte. Eine wirksame Annahme liegt damit vor. 4. Ergebnis: K und V haben demnach einen Kaufvertrag geschlossen. 5. Rückwirkende Nichtigkeit gem. § 142 I BGB (Anfechtung)? Der zwischen K und V geschlossene Kaufvertrag könnte aber infolge einer Anfechtung gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Eine wirksame Anfechtung könnte durch V erfolgt sein. Dies setzt einen Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung voraus. a) Anfechtungsgrund Als Anfechtungsgrund könnte ein Inhaltsirrtum nach § 119 I Alt. 1 BGB in Betracht kommen. Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende sich über die Bedeutung seiner Erklärung nicht im Klaren ist. Er äußert zwar die Erklärungszeichen, die er äußern will; die objektiv-normative Auslegung seiner Erklärung ergibt aber einen anderen als den von ihm gewünschten Sinn. Subjektiv ging V davon aus, er nehme mit seiner Erklärung einen Antrag des K über 69 EUR an. Indem sich K bei der Abgabe des Antrags auf die im Internet veröffentlichten Angaben bezog, machte er dem V gegenüber einen Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrages über 59 EUR. Das ergibt die Auslegung der Erklärung des K aus der Sicht eines sorgfältigen Empfängers (s.o.). Durch die Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 6 Annahme dieses Antrags erklärte V, er sei mit dem von K vorgeschlagenen Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Preis von 59 EUR einverstanden. V irrte somit über die objektive Bedeutung seiner Erklärung. Stellt man auf die Annahmeerklärung des V ab, so wird man von einem Inhaltsirrtum ausgehen müssen, § 119 I Alt. 1 BGB. Zu einer anderen Einordnung gelangt man, wenn man die Erstellung der invitatio ad offerendum nicht gänzlich ausblendet: Der Fehler entstand bereits in der Phase der Aufforderung zum Antrag. V 2 vertippte sich und dies wirkte sich bis zur Annahmeerklärung fort. Stellt man auf das vorherige Vertippen und dessen Fortwirken ab, so wäre von einem Erklärungsirrtum gem. § 119 I Alt. 2 BGB auszugehen. Der Irrtum war für die Abgabe der Willenserklärung auch kausal. Folglich liegt ein Anfechtungsgrund vor. 6. Anfechtungserklärung, § 143 I, II Hs. 1 BGB V hat gegenüber K erklärt, dass er den Vertrag so nicht wolle. Darin ist eine Anfechtungserklärung zu sehen. 7. Anfechtungsfrist, § 121 I 1 BGB Die Anfechtung erfolgte ohne schuldhaftes Zögern, mithin unverzüglich. 8. Zwischenergebnis V hat seine Willenserklärung somit wirksam angefochten. Die von ihm abgegebene Willenserklärung und infolgedessen auch der darauf beruhende Vertrag sind gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Es besteht somit kein wirksamer Kaufvertrag zwischen V und K. II. Ergebnis Ein wirksamer Kaufvertrag liegt also nicht vor. B. Frage 2: Kann V Herausgabe des Buches von K verlangen? I. Anspruch des V gegen K auf Herausgabe des Buches gemäß § 985 BGB? Keine relevanten Abweichungen zum Ausgangsfall. 2 BGH NJW 2005, 976. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 7 II. Anspruch des V gegen K auf Rückübertragung des Eigentums und Besitzes an dem Buch gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB? Keine Abweichung zum Ausgangsfall. Abwandlung 2 A. Anspruch des V gegen K auf Herausgabe des Buches gemäß § 985 BGB V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Buches nach § 985 BGB haben. I. Eigentum des V V müsste als Anspruchssteller Eigentümer sein. Ursprünglich war V Eigentümer des Buches. V könnte sein Eigentum aber gem. § 929 S. 1 BGB durch Übereignung an K verloren haben. Dies setzt eine rechtsgeschäftliche Einigung über den Eigentumsübergang (sog. dinglicher Vertrag), eine Übergabe, Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe sowie die Verfügungsberechtigung des V voraus. 1. Einigung, § 929 S. 1 BGB Die dingliche Einigung zur Eigentumsübertragung an dem Buch setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit entsprechendem Inhalt voraus. Ein (konkludenter) Antrag auf Eigentumsübertragung ist in dem Verschicken des Buches durch V zu sehen. Die Annahme erfolgte konkludent durch das Behalten des Buches (als Eigentum). Eine Einigung i. S. d. § 929 S. 1 BGB liegt demnach (zunächst) vor. 2. Rückwirkende Nichtigkeit gem. § 142 I BGB? V könnte die Willenserklärung auf Eigentumsübertragung wirksam angefochten haben. Damit wäre die Willenserklärung und infolgedessen auch die dingliche Einigung als von Anfang an nicht anzusehen, vgl. § 142 I BGB. a) Anfechtungsgrund , § 119 I Alt. 2 BGB? Fraglich ist aber, ob hinsichtlich der Willenserklärung Eigentumsübertragung ein Anfechtungsgrund gegeben ist. des V auf Grundsätzlich sind auch dingliche Rechtsgeschäfte anfechtbar. Diese beinhalten jedoch (so die h.M.) nur einen sehr beschränkten Inhalt: Durch die Erklärung sollen die Parteien, der betroffene Gegenstand und die Art der intendierten Rechtsänderung konkretisiert werden, sog. „sachenrechtlicher bzw. dinglicher Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 8 Minimalkonsens“. Damit verbleibt wenig Raum für ein Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem. V hat sich vergriffen und damit statt der günstigeren die teurere Ausgabe des Buches aus dem Regal entnommen und verschickt. Er setzte damit ein anderes (konkludentes) Erklärungszeichen, als er eigentlich wollte. Das Vergreifen stellt somit einen typischen Fall des Erklärungsirrtums nach § 119 I Alt. 2 BGB dar. Der Irrtum war für die Abgabe der Erklärung auch kausal. Ein Anfechtungsgrund ist demnach gegeben. b) Anfechtungserklärung, § 143 I, II Hs. 1 BGB Eine Anfechtungserklärung ist im Herausgabeverlangen und dem Hinweis auf das Vergreifen zu sehen. c) Anfechtungsfrist, § 121 I 1 BGB V hat die Anfechtung unverzüglich und damit fristgemäß erklärt. d) Zwischenergebnis: Die Willenserklärung des V auf Übertragung des Eigentums ist gem. § 142 I BGB nichtig. Eine Einigung liegt somit nicht vor. V hat somit das Eigentum an dem Buch nicht an K verloren. II. Besitz des K K übt die tatsächliche Sachherrschaft aus. Das Buch befindet sich damit in seinem Besitz. III. Recht zum Besitz des K, § 986 I 1 BGB? Des weiteren darf K kein Recht zum Besitz zustehen, vgl. § 986 I 1 BGB. Dieses kann vorliegend nicht aus dem (in dieser Abwandlung wirksamen) Kaufvertrag resultieren, da dieser auf Besitzverschaffung (und Eigentumsverschaffung) an dem günstigen Buch gerichtet war, während vorliegend das teure Buch versandt wurde. K steht somit kein Recht zum Besitz zu. IV. Ergebnis V hat einen Anspruch gegen K auf Herausgabe des Buches nach § 985. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 9 B. Anspruch des V gegen K auf Rückübertragung des Besitzes an dem Buch gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB Zu den Voraussetzungen siehe oben. I. Etwas erlangt K hat (nur) Besitz an dem Buch erlangt. II. Durch Leistung Durch Übergabe des Buches mehrte V bewusst und zweckgerichtet, nämlich zur Erfüllung der vermeintlichen Kaufvertragsverpflichtung aus § 433 I 1 BGB, das Vermögen des K. III. Ohne Rechtsgrund Der Kaufvertrag über das Buch in Lederimitat-Einband stellt keinen Rechtsgrund für die Leistung der teureren Ausgabe dar. Ein Rechtsgrund für die Leistung des Buches besteht mithin nicht. IV. Ergebnis V hat somit gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Buches gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB. Konversatorium BGB I WS 2012/2013 Fall 6 Lösung 10