Chirurgische Abteilung des Kreiskrankenhauses Alt-/Neuötting Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München (Chefarzt: Prof. Dr. M. Anthuber) Zur Behandlung primärer Dünndarmtumore: Klinische Resultate in einem 10- Jahreszeitraum an einem Versorgungskrankenhaus Astrid Corticelli Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Medizin genehmigten Dissertation. Vorsitzender: Univ.- Prof. Dr. D. Neumeier Prüfer der Dissertation: 1. Priv.- Doz. Prof. Dr. H. Bauer 2. Univ.-Prof. Dr. H. Bartels Die Dissertation wurde am 23.03.2004 bei der Technischen Universität München eingereicht und durch die Fakultät für Medizin am 16.06.2004 angenommen. Inhaltsverzeichnis I. Einleitung II. Fragestellung III. Patientenkollektiv und Methodik IV. Ergebnisse V. Diskussion VI. Zusammenfassung VII. Literatur VIII. Anhang 2 I. Einleitung 1. Inzidenz von Dünndarmtumoren und Risikofaktoren Obwohl die Dünndarmmukosa ca. 75% der Länge und ca. 90% der Schleimhautoberfläche des gesamten Verdauungstraktes bildet, entstehen dort nur 1-3% der gastrointestinalen Tumoren.(4,10,13) Damit bilden sie mit einer Inzidenz von 9,9/Million Menschen die seltenste gastrointestinale Neoplasie. Als Ursache für die Seltenheit diskutiert man verschiedene protektive Faktoren wie die Dünnflüssigkeit des Chymus, die kurze Kontaktzeit, die relative Sterilität im Vergleich zum Colon, das alkalische Milieu sowie die hohe IgA- Konzentration.(10) Benigne Tumoren sind mit abnehmender Häufigkeit Leiomyome, Adenome, Lipome, Hämangiome und Fibrome. Ihre Häufigkeit nimmt zum Ileum hin zu. Zwei Drittel aller Dünndarmneoplasien sind maligne.(10, 13) Die bösartigen Tumoren verteilen sich zu je ¼ auf das Duodenum und Jejunum und zu 50% auf das Ileum.(13) Unter diesen stellen Adenokarzinome, die bevorzugt im distalen Duodenum auftreten, mit einer jährlichen Inzidenz von 3,7/Million Menschen (44%) die grösste Gruppe dar. Darauf folgen die endokrin aktiven Tumoren, deren Gesamthäufigkeit zum Ileum hin zunimmt mit 3,8/Million Menschen. Lymphome (1,1/Million) und Sarkome (1,3/Million) treten weitaus seltener auf. Männer sind generell häufiger betroffen als Frauen. In 90% der Fälle erkranken Patienten im Alter von über 40 Jahren.(5) Diese Zahlen weisen in den letzten Jahren eine leichte Steigerung auf. 3 Die generelle Häufigkeitsverteilung der malignen Tumoren spiegelt auch eine aktuelle Studie aus Chicago (28) wider , die an 129 Patienten durchgeführt wurde. Nach deren Ergebnissen stehen mit 33% die Adenokarzinome an erster Stelle, dicht gefolgt von Karzinoiden mit 29%. An dritter und vierter Stelle findet man mit jeweils 19% Lymphome und Sarkome. Andere Tumorarten werden selten beobachtet. Je nach Darmabschnitt variieren die Häufigkeiten der verschiedenen Malignomtypen erheblich. Im Duodenum überwiegen Adenokarzinome mit ca. 80%, während die Karzinoide nur 9% ausmachen; im Ileum überwiegen Karzinoide mit ca. 60% während auf die Adenokarzinome hier nur 20% entfallen. Sekundäre Tumoren (Metastasen bei Ovarial- Ca, Magen- und Pankreas- Ca, darunter Papillenkarzinome) sind weitaus häufiger als primäre Malignome.(13) Ein gehäuftes Auftreten von Dünndarmneoplasien findet man bei Patienten mit genetischen Erkrankungen wie Peutz- Jeghers- Syndrom, familiäre adenomatöse Polypose (FAP) oder Morbus Crohn, Gardner- Syndrom, Neurofibromatose und Sprue.(9,10, 15) Wie eine Mailänder Forschungsgruppe feststellte, spielen Ernährungsgewohnheiten bei der Entstehung von Dünndarmkarzinomen eine wesentliche Rolle. So haben der Verzehr von Weissbrot, Pasta, Reis, Zucker und rotem Fleisch ein erhöhtes Risiko zur Folge, Fisch Gemüse und Obst sowie Kaffee tragen zur Risikosenkung bei. Nicht nachgewiesen ist bisher eine Erhöhung der Erkrankungswahrscheinlichkeit durch Alkohol- und Nikotinkonsum.(19) Nach den Ergebnissen einer dänischen Studie, die die Forschungsgruppe um L. Kaerlev durchführte, besteht allerdings der begründete Verdacht, dass die Aufnahme von grossen Mengen Bier oder hochprozentigen Alkohols zu häufigerem Auftreten von Dünndarmtumoren führt.(14) Interessanterweise gehen beide Autoren davon aus, dass Kaffee und Wein eher eine protektive Wirkung haben. 4 2. Tumorarten und Klassifikation Histopathologische Einteilung der malignen Dünndarmtumoren Epitheliale Tumoren • Adenokarzinom • Muzinöses Adenokarzinom • Siegelringzellkarzinom Undifferenziertes Karzinom • Neuroendokrine Tumoren • Karzinoidtumor • Andere Mesenchymale Tumoren* • Leiomyosarkom • Kaposi- Sarkom • Andere * GIST- Tumoren sind in dieser WHO- Klassifikation noch nicht aufgeführt Abb. 1: Histologische Klassifizierung nach WHO 5 2.1 Adenokarzinome Adenokarzinome gehören neben der Karzinoiden zu den am häufigsten vorkommenden Tumoren im Gastrointestinaltrakt(28). Regionäre Lymphknoten für das Duodenum sind die pancreatico- duodenalen, pylorischen, hepatischen und die Lymphknoten der Art. mesenterica superior. Regionäre Lymphknoten für Jejunum und Ileum sind die mesenterialen Lymphknoten einschliesslich der superioren und bei Karzinomen des terminalen Ileum die ileocolischen einschliesslich der posterioren coecalen Lymphknoten.(13) 6 T- Primärtumor TX Primärtumor nicht beurteilbar T0 kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ T1 Tumor infiltriert Lamina propria oder Submucosa T2 Tumor infiltriert Muscularis propria T3 Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perimuskuläres Gewebe (Mesenterium/Retroperitoneum) bis 2cm T4 Tumor durchbricht das viszerale Peritoneum oder infiltriert direkt andere Organe oder Strukturen (auch andere Dünndarmschlingen), Mesenterium oder Retroperitoneum tiefer als 2 cm und die Bauchwand über die Serosa; für Duodenum: Invasion des Pankreas N- Regionäre Lymphknoten NX regionäre Lymphknoten nicht beurteilbar N0 keine regionären Lymphknotenmetastasen N1 regionäre Lymphknotenmetastasen M- Fernmetastasen MX Fernmetastasen nicht beurteilbar M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen Abb.2: TNM- Klassifikation der Dünndarmkarzinome (TNM = pTNM) nach WHO 7 Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium I T1 N0 M0 T2 N0 M0 T3 N0 M0 T4 N0 M0 Stadium II Stadium III jedes T N1 M0 Stadium IV jedes T jedes N M1 Abb. 3: Grading der Dünndarmkarzinome 8 Da die Tumoren oft spät erkannt werden, liegt die 5- Jahres- Überlebensrate in den meisten Studien nur bei ca. 20 - 30%. (13) Bei R0- Resektionen können jedoch im Stadium I/II über 50% und im Stadium III ca. 30% Heilungsraten erreicht werden. (13) Ein wesentlicher Prognosefaktor ist der Lymphknotenbefall. Bei fehlendem Lymphknotenbefall liegt das 5Jahres- Überleben bei 45-70%, bei befallenen Lymphknoten sinkt es auf 12-14%. (13) Zur Zeit besteht die einzig gesicherte Therapie in der ausgedehnten Resektion des Tumors gemäss den Regeln der Karzinomchirurgie.(12, 13) Der Nutzen adjuvanter Therapiemassnahmen wie Radio- oder Chemotherapie ist bisher nicht gesichert. (13) 9 2.2 Karzinoide Karzinoide gelten als semimaligne Tumoren, die bevorzugt im Gastrointestinaltrakt auftreten und dort häufig Appendix und Ileozäkalbereich befallen. Sie werden meist als Zufallsbefund nach Appendektomien diagnostiziert. Diese Tumoren kennzeichnet meist die Produktion von Hormonen wie Serotonin, Histamin, Insulin, Prostaglandinen und anderen Kininen. Trotz dieser Eigenschaften tritt nur in 4% der Fälle ein typisches Karzinoid- Syndrom durch Serotoninfreisetzung auf mit Symptomen wie Flush- Zuständen (90%), Koliken und Durchfällen sowie neu auftretendem Asthma bronchiale (20%), das oft während der FlushAnfälle auftritt. Dieser geringe Prozentsatz führt dazu, dass die Erkrankung oft sehr lange asymptomatisch verläuft und erst bei weit fortgeschrittenem Verlauf durch Stenosierung des Darmlumens und damit auftretenden Blutungen oder Ileussymptomen diagnostiziert wird. Spätfolgen bei fortgeschrittener Lebermetastasierung könne n Herzklappenfibrosen (30% aller Patienten mit Metastasen) und retroperitoneale Fibrosierungen sein, wenn die übermässig anfallenden Hormone nicht mehr ausreichend durch Monoaminooxidasen eliminiert werden können. Der Nachweis von Serotoninabbauprodukten wie 5- Hydroxy- Indolessigsäure (5HIES) im Urin kann zur Früherkennung des meist sehr langsam fortschreitenden Tumorbefalls dienen. Die elektive chirurgische Therapie orientiert sich an der Ausdehnung des Primärtumors. Beim solitären Tumordurchmesser unter 1 cm ist eine lokale Entfernung im Gesunden ausreichend, im Fall der Dünndarmkarzinoide folglich eine Segmentresektion. Ansonsten empfiehlt sich ein Vorgehen wie beim Karzinom. Bei Inoperabilität und zunehmender Lumeneinengung werden palliative Umgehungsanastomosen erforderlich. Karzinoide sind kaum strahlensensibel, so dass eine Strahlentherapie nur bei fehlenden alternativen Behandlungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen werden soll. 10 Symptomatische Chemotherapien mit Octreotid und H1/H2- Blockern zeigen bei FlushSymptomen gute Wirkung, zusätzlich besteht bei Diarrhoen eine weitere Therapiemöglichkeit in der Gabe von Serotoninantagonisten, da Octreotid hier meist nicht ausreicht.(13) Antineoplastische Chemotherapie ist bei Karzinoiden als Ultima Ratio indiziert, wenn die antihormonelle und symptomatische Therapie versagt, keine chirurgischen Interventionsmöglichkeiten gegeben sind und eine definitive Tumorprogression über 3 Monate oder ein hormonell inaktiver Tumor vorliegen.(13) Beim Karzinoid wird die Prognose durch Ausmass und Lokalisation der mesenterialen Lymphknotenmetastasen, den Bezug zu den Gefässen und das Ausmass der Lebermetastasen bestimmt.(13) Bei Abwesenheit von Metastasen und R0- Resektion erreicht die 5- JahresÜberlebensrate 75-94%, bei Befall regionärer Lymphknoten 45-90% und bei Lebermetastasen nur 19-54%. Neuroendokrine Tumoren des Gastrointestinaltraktes sind meist von geringer Malignität. Trotz in der Regel fortgeschrittenem Wachstums zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist die Lebenserwartung höher als bei Karzinomen. (Talamonti: 5-Jahres-Überleben: 64%) (23,28) Laut einer Studie aus Wien, die bei 58 Patienten mit Dünndarmkarzinoiden durchgeführt wurde erreicht man mit multimodalem Therapiekonzept (chirurgisch, medikamentös und interventionell) eine gesteigerte Überlebensrate und ebenfalls eine erhöhte Lebensqualität (23). Die Prognose wird vor allem durch den Grad der Ausbreitung und Metastasierung beeinflusst. 11 2.3 Leiomyosarkome Nach neueren Untersuchungen verbergen sich unter den Leiomyomen/Leiomyosarkomen Tumoren mit unklarer histogenetischer Herkunft, die sogenannten gastrointestinalen Stromatumoren (GIST). Ihr immunhistochemisches Verhalten weicht von dem klassischer neurogener und myogener Tumoren ab.(13) GIST- Tumoren sind die häufigsten mesenchymalen Tumoren des Verdauungstraktes. Am häufigsten treten sie in Magen (60-70%) und Dünndarm (25-35%) auf. (18). Sie kennzeichnet die Ausbildung eines Wachstumsfaktoren- Rezeptors mit Tyrosinkinaseaktivität, des sogennannten KIT. Immunhistochemisch lässt sich das Protein CD117 in 96% der Fälle nachweisen.(31) In den bisher erstellten Studien war bei vollständiger Tumorresektion eine 5-JahresÜberlebensate von ca. 50% zu erwarten, bei bereits bestehender Metastasierung war die mittlere Überlebenszeit ungefähr 20 Monate und Patienten mit Lokalrezidiv überlebten zwischen 9 und 12 Monaten.(6) GIST- Tumoren sprechen üblicherweise nicht auf konventionelle Chemotherapeutika an Seit kurzer Zeit besteht mit der Einführung von Imanitib , einem Hemmstoff des KIT- Faktors, erstmals eine Therapiemöglichkeit bei fortgeschrittenem Tumorstadium.(6/18) Die Stadieneinteilung der Weichteilsarkome ergibt sich nach UICC aus Differenzierungsgrad, Tumorgrösse sowie Lymphknoten und Metastasierungsstation. Die Grenze zwischen T1 und T2- Tumoren liegt hier bei 5 cm.(13) 12 2.4 Lymphome Gastrointestinale Lymphome werden nach Isaacson in B-/T- Zell- Lymphome und in Low/High- Grade- Lymphome unterteilt. Die gastrointestinalen Non-Hodgkin- Lymphome traten in einer kroatischen retrospektiven Studie mit 79 Patienten (21) bevorzugt im Magen (57%) auf, gefolgt von Dünndarm (24%) und Dickdarm (11%) Multifokaler Tumorbefall wurde bei 8% der Patienten beobachtet. Bei 65% der Patienten beobachtete man ein sehr aggressives Tumorwachstum, bei 35% MALT- Lymphome. Die Stadieneinteilung erfolgt nach der modifizierten Ann- Arbor- Klassifikation von Musshoff. (13) Ann- Arbor- Klassifikation modifiziert nach Musshoff I1 Tumorgrösse < 5 cm, kein Serosabefall, kein Lymphknotenbefall I2 Tumorgrösse > 5 cm Serosabefall, kein Lymphknotenbefall II 1 Befall von regionären Lymphknoten (paragastral bis Truncus coeliacus) II 2 Befall von entfernten Lymphknoten (paraaortal, parailiacal, inguinal) III Befall von Lymphknoten ober- und unterhalb des Zwerchfells IV Organbefall (z.B. Leber, Lunge, Knochenmark) Abb. 4: Ann- Arbor- Klassifikation modifiziert nach Musshoff Mit multimodalem Therapiekonzept erreicht man eine 5- Jahres- Überlebensrate von etwa 50%. (13) 13 Während sich bei den MALT- Lympho men des Magens im Frühstaduim durch eine Eradikationsbehandlung des Helicobacter pylori ein kausaler Therapieansatz ergibt (3), bestehen bei den Lymphomen des Dünndarms keine derartigen Therapieoptionen In der Studie von Radman et al.(21) an 79 Patienten verglich man den Behandlungserfolg der chirurgischen (33%) mit dem der konservativen Therapie (59%), wobei in allen Fällen Chemotherapie eingesetzt wurde. Bei 15 dieser Patienten musste eine Notoperation durchgeführt werden. Insgesamt erreichte man in 68% der Fälle eine Vollremission, in 7% eine Teilremission. Ein progredientes Tumorwachstum war bei 23% zu beobachten. Die 10-Jahres- Überlebensrate lag insgesamt bei 63%. (Demgegenüber beobachtete man bei der Studie aus Chicago nur eine 5-JahresÜberlebensrate von 29%.(28)) Als Ergebnis der Studie zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen der chirurgisch und der konservativ therapierten Gruppe, so dass einer Behandlung durch Chemotherapie der Vorzug zu geben ist. Für die Prognose ist primär die Tumorlokalisation und –ausbreitung entscheidend. 14 2.5 Gutartige Dünndarmtumoren Benigne Tumoren des Dünndarms können sich als einzelne Läsionen oder auch als multiple Tumoren entwickeln, so z.B. bei der familiären adenomatösen Polypose. Histologisch unterscheidet man Adenome, hyperplastische Polypen, Lipome, gutartige GISTTumoren, Hämangiome und die mit dem Peutz- Jeghers- Syndrom assoziierten Tumoren.(26) Ihre Häufigkeit nimmt vom Duodenum zum Ileum hin zu Die gutartigen Tumoren zeichnen sich meist durch langsames Wachstum und lange Latenzzeit aus. Sie bleiben oft lebenslang asymptomatisch und werden dann bei einer Autopsie als Zufallsbefund entdeckt. Man unterscheidet drei Wachstumsmuster: die Serosa befallend, infiltrativ und intraluminal. Die intraluminalen Tumoren führen im Spätstadium meist zu Obstruktionen, während die Serosatumoren mit dem Auftreten eines Volvulus in Verbindung gebracht werden. (26) Unter den benignen Neoplasien weisen villöse Adenome >4 cm das höchste Malignitätsrisiko auf. Gutartige GIST- Tumoren (früher Leiomyome) können in jedem Abschnitt des Dünndarms auftreten. Gutartige Tumoren der glatten Muskulatur treten 2-3-fach häufiger auf als Sarkome, die Differenzierung kann mitunter schwierig sein. Etwa 10% der Tumoren sind Hämangiome, die solitär oder multipel auftreten können. Die benignen Dünndarmtumoren unterscheiden sich in ihrer Symptomatik nicht von den malignen Neoplasien, meist werden als Leitsymptome epigastrische Schmerzen, Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit etc. beobachtet, auffällig ist jedoch das gehäufte Auftreten von Blutungen (38%), vor allem bei Hämangiomen, die in manchen Fällen eine Notoperation erforderlich machen. Darmperforationen durch den Tumor mit nachfolgender Peritonitis wurden ebenfalls beobachtet.(26) 15 3. Symptomatologie und Diagnostik 3.1 Klinische Symptomatik Dünndarmtumoren verursachen erst im weit fortgeschrittenen Stadium für den Patienten bemerkbare Symptome, die vor allem durch ein stenosierendes Tumorwachstum bedingt werden. Die am häufigsten beobachtbaren Symptome sind neben Übelkeit und Erbrechen auch Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Stuhlunregelmässigkeiten und Anämie. Durch die Arrosion von Blutgefässen durch den Tumor kann es zu massiven lebensbedrohlichen gastrointestina len Blutungen kommen. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es meist zu Behinderung der Magen- Darm- Passage bis hin zum Ileus. So besteht in vielen Fällen eine vitale Bedrohung für den Patienten, so dass eine Notfallindikation zur Operation besteht und eine umfangreiche präoperative Diagnostik nicht durchgeführt werden kann. In diesen Fällen erfolgt die Diagnosestellung intra- oder postoperativ histologisch.(7) Nur in einem Teil der Fälle führen die Symptome zur Diagnose. Die „diagnostische Verschleppung“ beträgt in der Literatur bis zu einem Jahr und in 25% der Fälle wird die Diagnose erst intraoperativ gestellt.(13) 16 3.2 Diagnostische Massnahmen Laboruntersuchungen Laboruntersuchungen liefern im allgemeinen nur uncharakteristische Befunde im Sinne einer möglichen Blutungs- und Tumoranämie, Zeichen eines allgemeinen entzündlichen oder malignen Prozesses oder einer manifesten Metastasierung z. B. in Leber oder Skelettsystem. Bei Verdacht auf ein Karzinoid muss die Bestimmung von Beta- Hydroxy- Indolessigsäure im Urin erfolgen (13). Bei 96% der Patienten mit GIST- Tumoren lässt sich immunhistochemisch das CD117Protein nachweisen.(31) Endoskopie Häufig sind die Tumoren in Duodenum und terminalem Ileum lokalisiert, so dass die Entdeckung und histologische Diagnosesicherung durch eine obere oder untere Endoskopie in vielen Fällen möglich ist. Eine vollständige endoskopische Abklärung der Patienten zum Ausschluss eines Zweittumors bei vermuteten oder nachgewiesenen Dünndarmtumoren sollte immer durchgeführt werden (ÖGD und Rekto-/Koloskopie) (13). Mit der Kapselendoskopie steht heute eine Methode zur Verfügung, die es erlaubt, z.B. Blutungsquellen aus Tumoren im Dünndarm zu lokalisieren und in Einzelfällen auch intralaminäre Tumoren zu entdecken.( 20/25/29) 17 Sonographie Lymphknotenpakete und grössere Tumoren sind im Ultraschall ebenfalls zu erkennen, die bedeutendste Rolle der Sonographie besteht jedoch beim Staging in der Suche von Lebermetastasen. Röntgendiagnostik Die entscheidende bildgebende Untersuchung ist die fraktionierte Dünndarmpassage nach Sellink sowie der selektive Kontrasteinlauf. Bei unklarer Blutungsanämie kann die Diagnose auch über eine Aniographie gestellt werden. Diese gelingt jedoch nur im aktiven Blutungsstadium bei einer Blutung von über 1ml/min. Selten gelingt der Tumornachweis durch Darstellung pathologischer Gefässe. Eine Abdomen- Computertomographie gibt Auskunft über die Ausdehnung des Tumorbefalls. Bei Sarkomen erhält man durch ein MRT oft bessere Aussagen als durch ein CT. Ein neues Verfahren ist die virtuelle Intestinoskopie mittels MR oder CT. Ihre diagnostische Wertigkeit bzw. Treffsicherheit für die Diagnostik von Dünndarmtumoren erlaubt jedoch wohl keine breite Anwendung in der Diagnosesicherung.( 24/25/32) Zur Abklärung pulmonaler Filialisierung ist ein Röntgen- Thorax unbedingt nötig. 18 4. Therapie Die Prognose des Patienten hängt entscheidend von der Dignität des Tumors und davon ab, ob eine vollständige Resektion erreicht werden kann, und ob Metastasen bestehen (21) (bei 40% liegen zum Diagnosezeitpunkt Metastasen vor). Der Einfluss von Tumorstadium oder Grading auf das Überleben ist dagegen in der Literatur unterschiedlich einzustufen, was die TNMKlassifikation etwas relativiert.(13,21) Prognosefaktoren bei Patienten mit Adenokarzinomen sind die R0- Resektion, ein negativer Lymphknotenstatus, ein frühes Tumorstadium (Stadium I und II nach UICC) und der fehlende histopathologische Nachweis einer Lymphangiosis carcinomatosa und/oder einer Angioinvasion. Entsprechend dem Vorge hen bei Kolonkarzinomen wird auch bei malignen Dünndarmtumoren eine ausgedehnte Resektion des befallenen Abschnitt und keilförmige Mitnahme des Mesenteriums bis an den Stamm der A. mesenterica superior durchgeführt. Lymphknoten ausserhalb dieses Bereichs werden bei Auffälligkeit separat entfernt. Paraaortale Lymphknoten gelten als Fernmetastasen. Bei Duodenalkarzinomen im kurablen Stadium ist die Duodenopankreatektomie nach Whipple angezeigt.(13) Selbst bei fortgeschrittener Metastasierung sollte die palliative Tumorresektion mit End- zu End- Anastomose vorgenommen werden um Komplikationen wie Ileus, Blutungen, etc. zu vermeiden. Bei nicht resektablem Tumor können Umgehungsanastomosen oder bei Duodenal- Ca. eine Gastroenterostomie mit biliodigestiver Anastomose angelegt werden. 19 II. Fragestellung Mit der retrospektiven Untersuchung der Daten aller Patienten, die in den Jahren 1986-1996 im Kreiskrankenhaus Altötting an einem primären Dünndarmtumor operiert wurden soll die Vergleichbarkeit der Ergebnisse eines Versorgungskrankenhauses mit nicht selektiertem Patientengut mit den Daten aus der internationalen Literatur untersucht werden. 20 III. Durchführung der Studie 1. Patientengut Im Zeitraum von 1986 bis 1996 wurden im Kreiskrankenhaus Altötting 20 Patienten (12 Männer und 8 Frauen) mit primärer Dünndarmneoplasie operiert, wovon bei 18 Patienten Malignome in unterschiedlichen Stadien, bei 2 Patienten benigne Neoplasien vorlagen: In die Studie wurden nur Patienten aufgenommen, die eine Primärmanifestation eines Dünndarmtumors aufwiesen. Die um ein vielfaches grössere Anzahl der Patienten mit primären Malignomen des Magens, des Pankreas und der Gallenwege mit Befall des Dünndarms wurde nicht berücksichtigt. 21 2. Auswertung der Krankenakten Zuerst wurden anhand der Operationsbücher der Jahre 1986 - 1996 die durchgeführten tumorbedingten Dünndarmoperationen erfasst. Zusätzlich wurde die ICD- Datenbank des Krankenhauses nach den Diagnosen „bösartige Neubildung des Dünndarms einschliesslich des Zwölffingerdarms“, und „gutartige Neubildung des Dünndarms einschliesslich des Zwölffingerdarms“ abgefragt. Operationen an Tumoren des Pankreas inklusive der Vater`schen Papille wurden nicht berücksichtigt. Es wurden 20 Patientenakten ausgewertet und in die Studie aufgenommen. Dabei wurden folgende Daten aufgenommen: • Name, Alter, Anschrift, Hausarzt, • OP- Datum, Beginn der Symptomatik, Zeitpunkt der Diagnosestellung, • Laborwerte bei Aufnahme, insbesondere CA/CEA, präoperative Diagnostik • Tumorlokalisation, Staging, histopathologischer Befund • Operative Therapie • Adjuvante Therapiemassnahmen • Postoperativer Verlauf, Komplikationen Diese Daten wurden in einer Datenbank gespeichert und anschliessend ausgewertet. 22 Bei der Auswertung der Krankenakten konnten genaue Daten über Zeitraum und Art der Symptome und die präoperativ durchgeführte Diagnostik sowie die dabei erhobenen Befunde gewonnen werden. Aus den OP- Berichten konnten Aussagen über die Tumorausbreitung und das chirurgische Vorgehen in Erfahrung gebracht werden. In der Regel war in den Akten ein histopathologischer Befund vorhanden, der Aussagen über Differenzierung und Lymphknotenbefall lieferte. Zum postoperativen Verlauf, eventuellen Komplikationen sowie der geplanten Weiterbehandlung konnten den Akten meist ausreichende Informationen entnommen werden. 23 3. Fragebogenaktion Anschliessend wurde an die behandelnden Hausärzte der Patienten ein Fragebogen verschickt, um Auskunft über den weiteren Verlauf zu erhalten. Dabei war besonders die Überlebensrate und das Auftreten von Rezidiven oder Fernmetastasen von Interesse. 4. Auswertung der Daten Alle Daten wurden verschlüsselt in einen PC eingegeben. Als Benutzeroberfläche diente Windows 98, als Textverarbeitungsprogramm Microsoft Word 97. Als Datenbank diente das Programm Microsoft Access 97, als Tabellenkalkulationsprogramm wurde Microsoft Excel 97. 24 IV. Ergebnisse 1. Symptomatologie Die Tumoren verursachten in 75% der Fälle (15 Patienten) klinische Symptome. Leitsymptome waren Schmerzen im Epigastrium bei 15 unserer Patienten sowie Erbrechen und Gewichtsverlust bei 8 bzw. 5 Patienten. Zusätzlich konnten wir in 8 Fällen wässrige Diarrhöen beobachten, diese traten bei 3 Karzinoidpatienten, 4 Patienten mit Adenokarzinom und bei dem Patienten mit BurkittLymphom auf, der im weiteren Verlauf eine ausgeprägte B-Symptomatik entwickelte. 4 Patienten klagten über ein ausgeprägtes Schwächegefühl bei Tumoranämie, 2 der Patienten mit Karzinoid beschrieben ein dafür typisches Karzinoidsyndrom mit wechselnder Obstipation und diffusen Bauchschmerzen. Gastrointestinale Blutungen konnten wir bei 4 unserer Patienten beobachten, allerdings bestand in keinem Fall eine akute vitale Bedrohung, die eine sofortige chirurgische Intervention forderte. Der Symptombeginn lag bei unseren 20 Patienten zwischen 3 Wochen und 2 Jahren vor der endgültigen Diagnosestellung. Die Beschwerden zeigten zumeist eine rasche Progredienz in den Wochen vor der stationären Aufnahme. Im Fall der Patientin mit dem Leiomyosarkom war die Diagnose ein Zufallsbefund im Rahmen einer Pyelonephritis. 25 2. Diagnostik Nach Aufnahme in die Klinik wurden bei allen Patienten Blutabnahmen einschliesslich Kontrolle der Tumormarker CA und CEA sowie Sonographien durchgeführt, ausserdem eine Ösophago- Gastro- Duodenoskopie und/oder ein Enteroklysma. Als zusätzliche diagnostische Untersuchungen wurde bei 7 Patienten eine Magen- Darm- Passage und in 10 Fällen eine Koloskopie veranlasst. Bei 2 Patienten mit Tumorlokalisation im mittleren Jejunum wurde zusätzlich eine Angiographie durchgeführt. Von allen Patienten wurden Röntgenbilder des Thorax angefertigt. Zwischen 1986 und 1993 war bei 8 von 11 Malignompatienten eine Computertomographie möglich, ab 1994 bei allen Patienten mit maligner Neoplasie. In allen Fällen konnte die Diagnose je nach Lage des Tumors mit einer Ösophago- GastroDuodenoskopie oder mittels Enteroklysma präoperativ gestellt und im CT bestätigt werden. Die endgültige Diagnosesicherung erfolgte ausschliesslich mittels Biopsie und histologischer Untersuchung. 26 3. Tumorart und Lokalisation Histologisch konnten wir folgende Diagnosen verifizieren: Karzinom Duodenum Jejunum 4 4 Karzinoid 1 Sarkom 1 Ileum 3 4 Summe 2 10 2 6 1 Mal. Lymphom Summe maligner multipel 6 3 1 1 5 18 Tumoren Fibrom Adenom Summe be nigner 1 1 1 1 1 1 0 0 2 5 7 3 5 20 Tumoren Gesamt Tab. 1: Histologische Diagnosen und Lage der Dünndarmtumoren aus dem eigenen Krankengut 27 3.1 Karzinome Zu den Altersstufen und der gechlechtsspezifischen Verteilung der Karzinome ist zu bemerken, dass das männliche Geschlecht häufiger vertreten war (9 Männer/1 Frau). Männer und Frauen erkrankten im Mittel mit 68 Jahren (56-86 J.). Bei 3 der Patienten trat das Dünndarmkarzinom als Zweit-Karzinom nach Diagnosestellung eines kurativ behandelten Karzinoms an anderer Stelle auf, in 2 Fällen handelte es sich vermutlich um eine Metastase eines bereits resezierten GI- Tumors. Früher diagnostizierter Tumor Dünndarmtumor Peripheres Bronchialkarzinom Jejunalkarzinom. Uteruskarzinom Duodenalkarzinom Sigmakarzinom Jejunalkarzinom Pankreaskarzinom Metastase Magenkarzinom Ileum- Ca. Tab. 2: Zweit- Karzinome 28 Vier Tumoren wuchsen von Duodenum ausgehend, vier Tumoren lagen im Jejunum und bei zwei Patienten lag ein Mesenterialkarzinom vor. Die Stadieneinteilung der 10 eigenen Patienten nach UICC zeigt folgende Tabelle: Stadium I 0 Stadium II 3 Stadium III 3 Stadium IV 4 Tab. 3: Stadieneinteilung nach UICC der 10 eigenen Patienten 3.2 Karzinoide Bei den Karzinoiden war das weibliche Geschlecht mit 4 von 6 Patienten bevorzugt, wovon eine 38 Jahre, die anderen drei der Patientinnen über 70 Jahre alt waren, die beiden männlichen Patienten erkrankten mit 53 und 70 Jahren. Drei unserer Patienten wiesen zum OP- Zeitpunkt ein lokales Tumorwachstum ohne Metastasierung auf, bei einem anderen Patienten stellte man Milzmetastasen fest. Zwei weitere Patienten litten unter einem Ileum- Karzinoid mit multipler Metastasierung. 29 3.3 Sonstige Bei dem 20-jährigen Patienten wurde ein extranoduläres hochmalignes lymphoblastisches Non- Hodgkin- Lymphom vom Typ Burkitt IVB festgestellt. Zum Diagnosezeitpunkt bestand bereits eine ausgeprägte B- Symptomatik. Die Patientin mit dem Leiomyosarkom war bei Diagnosestellung 72 Jahre alt. Die beiden benignen Tumoren traten bei einer 18- und einer 54- jährigen Patientin auf. 3.4 Altersverteilung des Gesamtkollektivs 6 5 4 3 2 Männer 1 Frauen 0 10- 29 J. 30- 49 J. 50- 59 J. Abb. 5: Altersverteilung 30 60- 69 J. über 70 J. 4. Chirurgische Intervention und postoperative Phase 4.1 Anzahl der Operationen/Jahr Operationen 6 5 4 3 2 1 0 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 Abb. 6: Anzahl der Operationen im Berichtszeitraum Entsprechend des Tumorstadiums und der gegebenen anatomischen Verhältnisse wurde bei 14 Patienten eine kurative, bei 6 Patienten eine palliative operative Therapie angestrebt. In den meisten Fällen (14, davon 3 palliativ) unterzog man die Patienten einer je nach Tumorlokalisation und –ausdehnung festgelegten Dünndarmteilresektion. In drei Fällen, davon 2 palliativer Natur, entschied man sich aufgrund der proximalen Lage der Neoplasie für eine Gastro- Enterostomie mit Braun`scher Fusspuntkanastomose. Bei 2 Patienten führte man in kurativer Absicht eine Operation nach Whipple- Child durch, während bei einem Patienten die Tumorentfernung nicht möglich war, so dass zur Passagesicherung eine JejunoTransversostomie unter Belassung des Tumors vorgenommen wurde. 31 4.2 Operationstechniken Dünndarmteilresektion Whipple-Op Gastroenterostomie Umgehungsanastomose Abb. 7: Operationstechniken 4.3 Postoperative Phase Der postoperative Verlauf gestaltete sich bei 17 von 20 Patienten trotz zum Teil palliativer Eingriffe komplikationslos. Zwei der operierten Patienten entwickelten kurz nach dem Eingriff Fieber, wahrscheinlich im Zusammenhang mit einer Katheterinfektion, die unter antibiotischer Therapie problemlos beherrschbar war. Ein 86-jähriger Patient mit der Diagnose eines Duodenalkarzinoms, bei welchem palliativ eine Gastroenterostomie vorgenommen worden war, verstarb am 6. postoperativen Tag nach zunehmender Desorientiertheit im Multiorganversagen. 32 5. Langzeitergebnisse Aus den Patientenakten geht hervor, dass drei Patienten infolge ihres Tumorleidens innerhalb eines Jahres verstarben. Aus den Krankenakten und der Befragung der Hausärzte war der langfristige Verlauf bei 18 der 20 Patienten zu entnehmen. Demnach sind heute 7 von 20 Patienten gesund. Davon wurden alle zum Zeitpunkt des Eingriffs in kurativer Absicht an unterschiedlichen Tumoren operiert. Eine Patientin lebt, leidet aber an fortgeschrittener Tumorerkrankung. Zehn Patienten sind inzwischen verstorben, davon 8 infolge der Grunderkrankung „Dünndarmtumor“. Ein Patient mit Karzinom des Duodenums lehnte ein Jahr nach Diagnosestellung bei Verdacht auf ein Rezidiv jegliche Therapieweiterführung ab, leider konnten wir über den weiteren Verlauf nichts in Erfahrung bringen. Ebenso war es nicht möglich bei einem anderen, initial palliativ behandelten Patienten mit fortgeschrittenem Karzinoid Aussagen über den Verlauf zu eruieren. 33 Die Langzeitergebnisse sowie die Bedeutung der unterschiedlichen Grunderkrankungen für den weiteren Verlauf zeigt die folgende Tabelle: Kurativ Gesamt Lebend Karzinom 6 1 (12J.) Karzinoid 4 4 (6-12J.) Sarkom 1 Tumorpersistenz Verstorben 5 (6-24 Mon.) *) 1 (14J., nach 11J. Rezidiv) Palliativ Adenom 1 1 (6J.) Fibrom 1 1 (14J.) Karzinom 3 3 (6 Tage – 14 Mon.) Karzinoid 1 1 (<1 Jahr) Lymphom 1 1 (<1 Jahr) Tab. 4: Langzeitüberleben *) Ein Patient aus der primär kurativ therapierten Gruppe verstarb 6 Jahre nach der OP an akutem Herzversagen 34 Rezidivrate Adenokarzinome: Stadium Anzahl Rezidive 5- JahresÜberleben II 3 1 2 III 2 1 0 IV und palliativ 4 1 0 (Bei einem Patienten (Stadium unbekannt) konnten wir über den späteren Verlauf keine Aussagen erfahren.) Karzinoide: Anzahl 5 Jahres- Überleben N0, M0 3 3 M1 und palliativ 2 1 (Bei einem Patienten (M1) konnten wir über den späteren Verlauf keine Aussagen erfahren.) Bis zum aktuellen Zeitpunkt wurde bei keinem der Karzinoidpatienten ein Tumorrezidiv diagnostiziert. 35 Der Patient , der an dem hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt war, wies zum Aufnahmezeitpunkt multiple Lebermetastasen, sowie mesenteriale und paraaortale Lymphknotenmetastasen auf und konnte bei fortgesetzt aggressivem Tumorwachstum nur palliativ mittels Tumorreduktion therapiert werden. Die Patientin mit dem Leiomyosarkom des Jejunums wurde primär 1987 kurativ therapiert, entwickelte jedoch nach 10 Jahren ein Rezidiv des Tumors und war bis 2001 (14 Jahre nach Erstdiagnose) noch am Leben. 36 V. Diskussion Malignome treten nicht in allen Abschnitten des Verdauungstraktes mit gleicher Häufigkeit auf. Obwohl der Dünndarm ca. 90% der Schleimhautoberfläche des Magen- Darm- Trakts umfasst, entstehen hier nur etwa 1-2% aller gastrointestinalen Neoplasien (5,10,22,30) Adenokarzinome treten nach der Literatur (16) mit einem Durchschnittsalter von 60,4 Jahren auf , bei den Karzinoiden scheint nach einer grossen Studie mit 279 Patienten (27) die Ileozökalregion vor allem bei älteren Frauen gehäuft betroffen. Einer anderen grossen Studie zufolge (11) ist die Verteilung der Karzinoidtumoren bei Männern (n=166) und Frauen (n=148) insgesamt ausgewogen, das Durchschnittsalter der Erstmanifestation liegt demnach bei 61 Jahren. In unserer Studie war bei den Karzinomen das männliche Geschlecht häufiger vertreten war (9 Männer/1 Frau). Männer und Frauen erkrankten im Mittel mit 68 Jahren (56-86 J.). Bei den Karzinoiden war das weibliche Geschlecht bevorzugt (4 von 6), wovon eine 38 Jahre, die anderen drei der Patientinnen über 70 Jahre alt waren, die beiden männlichen Patienten erkrankten mit 53 und 70 Jahren. Die Diskrepanz in den Verteilungshäufigkeiten ist durch die geringeren Fallzahlen in unserer Klinik zu erklären. Dünndarmtumoren werden erst im fortgeschrittenen Stadium symptomatisch, da eine Obstruktion aufgrund des an dieser Stelle noch sehr dünnflüssigen Chymus erst sehr spät auftritt. Die Patienten lassen sich je nach Symptomatik folgenden Gruppen zuordnen (22): - Patienten mit akuter Komplikation (Blutung, Ileus, Perforation) die zum Teil in Unkenntnis der Diagnose notfallmässig laparotomiert werden müssen 37 - Patienten mit rasch progredienter Symptomatik (Stenosezeichen) die ein Handeln innerhalb von Wochen erforderlich macht - Patienten mit langer Anamnese von intermittierenden Beschwerden bei denen die Diagnostik ergebnislos bleibt. Diese Symptome werden oft als psychosomatische Störung fehlinterpretiert. - asymptomatische Patienten, deren Dünndarmtumor als Zufallsbefund, im Rahmen einer anderen Operation oder bei der Obduktion diagnostiziert wird. Die Patienten mit langer Anamnese klagen häufig über intermittierende Schmerzen und Stuhlunregelmässigkeiten. Diese Symptome lassen zunächst an andere, häufigere Erkrankungen denken und werden daher oft fehlinterpretiert, was manchmal jahrelange Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen zur Folge hat. Besteht bereits ein Gewichtsverlust, ein tastbarer Tumor oder ein Karzinoidsyndrom, so deutet dies auf eine fortgeschrittene Erkrankung hin. (22) Die Verzögerung der Diagnose durch den Patienten beträgt nach einer Untersuchung von Maglinte weniger als 2 Monate, durch den Hausarzt bereits 8 Monate und weitere 12 Monate durch die Radiologie, da die Darstellung des Tumors meist nicht sofort gelingt. (17) In der Literatur wird die Diagnose in weniger als der Hälfte der Fälle präoperativ gestellt. Bei unseren eigenen Patienten war dies in allen Fällen möglich, was in der onkologischen Chirurgie sicherlich die Ausnahme darstellt und durch die geringe Fallzahlen zu erklären ist. Daraus ergibt sich auch die hohe Rate an Notfalleingriffen (33-64%).(2,8) Eine Untersuchung aus Ungarn (33) die mit unserer Studie vergleichbar ist, berichtet über 13 von 21 Patienten, bei welchen eine Notintervention erforderlich war. 38 Tumoren des Dünndarmtrakts bedeuten eine diagnostische Herausforderung, da zumeist Abdomenleeraufnahmen nur bei Perforation oder Ileus aussagekräftig sind und der grösste Abschnitt des Dünndarms endoskopisch nicht zugänglich ist. Etablierte Methoden der Diagnostik sind Enteroklysma und Doppelkontrastdarstellung nach Sellinck. CT und NMR bieten bei grösseren soliden Tumoren eine gute Aussagekraft, sind im Frühstadium aber zu unsicher. Bei sonographischen Untersuchungen beeinträchtigen Luftüberlagerungen oftmals die Aussagekraft, so dass meist nur Tumoren in Bauchdeckennähe gut diagnostiziert werden können. Der Nachweis von Lebermetastasen, freier Flüssigkeit oder Pendelperistaltik bei chronischem Ileus ist gut möglich.(22) Wenn möglich sollte unabhängig von der histologischen Diagnose immer eine En- blocResektion erfolgen. Leider werden Dünndarmtumoren wegen ihrer spät einsetzenden und unspezifischen Symptomatik erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Palliative Eingriffe sind dennoch oft sinnvoll um Komplikationen zu behandeln oder zu vermeiden. Der Erfolg in der Therapie der Dünndarmkarzinome hängt neben der vollständigen En-blocResektion nach onkologischen Kriterien, die immer anzustreben ist weitgehend vom histologischen Differenzierungsgrad ab (1). Demnach verschlechtert eine niedrige Differenzierung des Tumorgewebes ebenso wie der Tumorbefall der Resektatränder oder das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen die Prognose des Patienten. Eine wesentliche Rolle spielt ebenfalls die extramurale mesenteriale Ausbreitung und die Tiefe der Tumorinvasion, sowie die Grunderkrankung Morbus Crohn. Alle diese Faktoren beeinflussen den Verlauf ungünstig und wirken sich negativ auf die Überlebensrate aus. Demgegenüber spielen andere Faktoren wie Alter und Geschlecht des Patienten, Grösse des Tumors, begleitende Entzündungsreaktion und auch der Einsatz adjuvanter Therapien nahezu keine Rolle bezüglich der Prognose.(1) In der Arbeit von Talamonti wird bei insgesamt 43 Patienten eine 5-Jahres-Überlebensrate von 37% beschrieben.(28) 39 Ein wesentlicher Unterschied in den Überlebenszeiten besteht durch die ursprüngliche Therapieintention. So ist bei initial bereits palliativer Therapie ein 5-Jahres-Überleben nicht zu erwarten während primär benigne Tumoren mit 5-Jahres-Überlebensraten von 100% eine exzellente Prognose aufweisen. Dünndarmtumoren stellen aufgrund all dieser Faktoren eine besondere Herausforderung dar, die darin liegt, bei Patienten mit unklaren abdominellen Beschwerden überhaupt an diese seltene Erkrankung zu denken. Die Prognose verschlechtert sich oft durch eine lange Latenzund Leidenszeit der Patienten bis die richtige Diagnose gestellt wird. 40 VI. Zusammenfassung Tumoren des Dünndarmes nehmen wegen ihrer Seltenheit und histologischen Vielfalt eine Sonderstellung unter den Neoplasien des Verdauungstraktes ein. (22) Mit der Auswertung von 20 Patientenakten und der nachfolgenden Recherche bei den betreuenden Hausärzten wurde der Verlauf und die Langzeit- Überlebensrate der in den Jahren 1986-1996 im Krankenhaus Altötting an Dünndarmtumoren operierten Patienten untersucht. Darunter waren 10 Karzinome, 6 Karzinoide, 1 Lymphom, 1 Sarkom und 2 benigne Tumoren. Eine erweiterte präoperative Diagnostik war bei 19 Patienten möglich, nur bei einem Patienten war eine Notoperation mit intraperativer Diagnosestellung erforderlich. Die höchste diagnostische Wertigkeit wiesen die Kontrastdarstellung (Enteroklysma) und das CT auf. Ein wesentliches therapeutische s Problem besteht bei allen Dünndarmtumoren durch den extrem späten Zeitpunkt der Diagnosestellung, was ursächlich dadurch bedingt ist, dass charakteristische Symptome erst bei fortgeschrittenem stenosierendem Tumorwachstum auftreten. Dies erklärt auch den hohen Anteil der Patienten (6 von 20) bei welchen von Beginn an nur ein palliatives Therapiekonzept möglich war. Langzeitergebnisse waren bei 18 von 20 Patienten zu ermitteln. Demnach sind heute 5 von 11 Patienten mit maligner Erkrankung und primär kur ativer Therapieintention gesund. Eine Patientin lebt, leidet jedoch an einem Tumorrezidiv. 10 Patienten sind inzwischen verstorben, darunter die 6 Patienten, bei welchen initial nur eine palliative Therapie möglich war. Die beiden Patienten mit benignem Tumor sind bis heute gesund. Insgesamt betrachtet ist die Operation bei allen Patienten mit Malignomen mit Ausnahme der Lymphome die Therapie der Wahl. Die radikale Tumorentfernung ist entscheidend für die 41 Prognose der Patienten und man erreicht selbst bei palliativer Intention in den meisten Fällen eine erhöhte Lebenserwartung und Lebensqualität. 42 VII. Literaturverzeichnis 1 Abrahams NA, Halverson A, Fazio VW, Rybicki LA, Goldblum JR. Department of Anatomic Pathology, Cleveland Clinic Foundation, 9500 Euclid Avenue L25, Cleveland, OH 44195, USA. Adenocarcinoma of the small bowel: a study of 37 cases with emphasis on histologic prognostic factors. Dis Colon Rectum 2002;45(11):1496-502 2 Broll R, Bruch HP, Daniel D, Schiedeck T. 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Bedanken möchte ich mich auch für die Unterstützung durch die Archivarin Fr. Hummelsberger, ohne die der Zeitraum der Datenerfassung nie so reibungslos verlaufen wäre. Meinem Freund Peter Scheßl danke ich für die Korrekturen, seinen Zuspruch, seine Kritik, das offene Ohr und die Schulter zum Anlehnen, die jeder mal braucht. Mein tiefer Dank gilt meinen Eltern Siegfried und Christl Corticelli die mir durch Ihre Unterstützung während des Studiums und der AiP - Zeit meinen Traumberuf überhaupt erst ermöglichten. 52