Porenbeton Fachtagung 2003

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PORENBETON
FACHTAGUNG 2003
Neue Entwicklungen
Neue Produkte
Neue Normen
NEUE ENTWICKLUNGEN
NEUE PRODUKTE
NEUE NORMEN
FACHTAGUNG 2003
2.
3.
7.
8.
April
April
April
April
2003
2003
2003
2003
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Ahrensburg
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April 2003
© Bundesverband Porenbeton
Veröffentlichungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers
Inhaltsverzeichnis
1
Wärmeschutz – Erfahrungen mit der EnEV ....................................... 4
Auslegung, Vollzug, Perspektiven
Baudirektor Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner,
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen,
Berlin
2
Schallschutz – neue Erkenntnisse /neue Regelwerke
Prof. Dr.-Ing. Heinz-Martin Fischer,
Fachhochschule Stuttgart/Hochschule für Technik
3
Brandschutz – Brandrisikoeinfluss der Baustoffe
und Bauarten
o. Univ. Prof. DDr. Ulrich Schneider,
Technische Universität Wien
4
Mauerwerk – Bemessung nach dem neuen
Sicherheitskonzept
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger,
Technische Universität Dresden
5
Das Porenbeton Bausystem – ..................................................................... 54
Neue Produkte und Konzepte
Dr.-Ing. Ronald Rast,
Xella Baustoffe GmbH, Duisburg
.......
15
..................
24
..................................
44
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
1
Erfahrungen mit der EnEV –
Auslegung, Vollzug, Perspektiven
Baudirektor Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner
Am 1. Februar 2002 ist die neue Energieeinsparverordnung in
Kraft getreten [1]. Damit wurde ein lang geplantes Verordnungsgebungsverfahren zur Zusammenfassung der Wärmeschutzverordnung und der Heizungsanlagenverordnung umgesetzt [2],[3].
Das Ziel der Verordnung ist es, die Anforderungen für den
Neubau um 30 % zu verschärfen, mehr Transparenz durch
Energiepässe zu schaffen und stärkere Impulse im Gebäudebestand zu geben. Der nachfolgende Beitrag erläutert Lösungen für Probleme bei der Umsetzung der EnEV und gibt einen
Ausblick auf weitere zu erwartende Regelungen.
Anforderungen nach EnEV
Neubau
Bestand
Gebäude
mit normalen
Innentemperaturen
Gebäude
mit niedrigen
Innentemperaturen
Gebäude
mit geringem
Volumen
Gebäude, die
von der EnEV
ausgenommen sind
JahresPrimärenergiebedarf QP
spezifischer
Transmissionswärmeverlust HT
Bauteilanforderungen
(wie Bestand)
Anforderungen an die Inbetriebnahme
v. Heizkesseln
spezifischer
Transmissionswärmeverlust HT
Anforderungen an die Inbetriebnahme
v. Heizkesseln
Anforderungen an die Inbetriebnahme
v. Heizkesseln
Gebäude
mit wesentlichen
Änderungen
JahresPrimärenergiebedarf
(40%-Regel)
Gebäude
mit Bauteiländerungen
bedingte
Anforderungen
Nachrüstpflicht
Nachrüstpflicht o.
freiwillige
Modern.
Bauteilanforderungen
oberste
Geschossdecke
dämmen
Anforderungen
an die
Inbetriebnahme
v. Heizkesseln
oder
sommerlicher
Wärmeschutz
Anforderungen an die
Inbetriebnahme v.
Heizkesseln
Heizungsmodernisierung
JahresPrimärenergiebedarf
(40%-Regel)
Anforderungen an die Inbetriebnahme
v. Heizkesseln
Nachweisverfahren
Nachweisverfahren
Energiebedarfsausweis
Energiebedarfsausweis
Nachweisverfahren
Abb. 1-1 Übersicht über die Anforderungen der EnEV
4
Nachweisverfahren
Energiebedarfsausweis
Energiekennzahl
(freiwillig)
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
1.1. EnEV – Ziele und methodische Umsetzung
Der Regelungsbereich der Verordnung umfasst im Prinzip alle
neu zu bauenden und die zu verändernden beheizten Gebäude einschließlich ihrer Heizungs-, raumlufttechnischen und zur
Warmwasserbereitung dienenden Anlagen. Bei neu zu errichtenden Gebäuden unterscheidet die Verordnung nach der Art
des Gebäudes und seinem Temperaturniveau (Soll-Innentemperatur). Dabei wird im wesentlichen zwischen Gebäuden mit
normalen (§ 2 Nr. 1 und 2) und niedrigen Innentemperaturen
(§ 2 Nr. 3) unterschieden. Beide Fälle werden mit differenzierten Anforderungen belegt.
Neu in der Methodik der Verordnung sind so genannte "Gebäude mit geringem Volumen". Hier handelt es sich zwar in
der Regel auch um normal beheizte Gebäude, aber mit sehr
kleinen Gebäudevolumina (z. B. Anbauten nach § 8 Abs. 3,
Kioske, freistehende Nebengebäude u. ä.). Zu beachten ist,
dass auch in den Fällen für Ausnahmen und Befreiungen die
Mindestanforderungen nach § 11 für die Inbetriebnahme einer
Heizungsanlage einzuhalten sind. Das führt in der Regel zum
Einbau von Niedertemperatur- oder Brennwertkessel (mit CE Zeichen) oder zu alternativen Heizungssystemen.
Um eine weitere Absenkung des Heizenergiebedarfs wirtschaftlich zu realisieren, wurde mit der neuen Verordnung das
Zusammenspiel zwischen dem Gebäude und seiner Heiztech-
nik zum zentralen Ansatzpunkt weiterer Regelungen gemacht.
Die Einbeziehung der Heizungsverluste erfolgt durch Bezug
der Anforderung auf Primärenergiebedarf und erfordert eine
komplexere Methodik seitens der Anforderungen und des
Nachweisverfahrens als die bisherigen öffentlich-rechtlichen
Vorschriften in diesem Bereich.
Die Konsequenz der neuen Anforderung ist, dass Defizite im
Bereich des baulichen Wärmeschutzes mit effizienter Anlagentechnik in einem gewissen Maße ausgeglichen werden
können. Bei der Vorgabe der Anforderungen wurden die unterschiedlichen Systeme der Warmwasserbereitung beachtet.
Das führt zwangsläufig zu drei Anforderungskurven (Abb. 1-2).
Folgende Anforderungsgruppen ergeben sich:
• Gebäude ohne Warmwasserbereitung,
• Gebäude mit zentraler Warmwasserbereitung,
• Gebäude mit dezentraler elektrischer Warmwasserbereitung.
Darüber hinaus wurden im Verordnungsgebungsverfahren
durch einzelne Branchen Sonderlösungen (zum Teil befristet)
durchgesetzt, die jedoch in der üblichen Baupraxis keine
große Rolle spielen dürften (z.B. zum Einsatz von Nachtspeicherheizungen kombiniert mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung). Ziel war hier, der betroffenen Industrie
Anpassungsfristen einzuräumen.
kWh
m2a
140
130
120
110
100
+ 42
90
f(AN)
80
fP = 1,15
70
60
50
Jahresprimäerenegiebedarf (o.WW)
40
Jahresprimärenergiebedarf
(mit elektrischer WW-Bereitung)
30
20
Jahresprimärenergiebedarf
(mit WW-Bereitung)
10
Jahres-Heizenergiebedarf
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
A/Ve
Abb. 1-2 Herleitung der Anforderungskurven für den Primärenergiebedarf
5
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
Neben den Höchstwerten für den Jahres-Primärenergiebedarf
sind auch Höchstwerte für den spezifischen, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogenen Transmissionswärmeverlust einzuhalten. Mit dieser Begrenzung soll sichergestellt werden, dass der bisher erreichte Wärmeschutz nach
der Wärmeschutzverordnung auch bei Einbau besonders primärenergetisch günstiger Heizungsanlagen nicht unterschritten wird.
1.2. Konsequenzen für den Baubereich
Das Nachweisverfahren kann in einen "Baupfad" nach DIN V
4108 - 6 [7] und einen "Anlagenpfad" nach DIN V 4701 - 10 [6]
getrennt werde. Beide Seiten kommunizieren eng miteinander.
Dieses Vorgehen führt dazu, dass bereits in frühen Planungsphasen eine enge Abstimmung von baulichem Wärmeschutz
und Anlagentechnik notwendig wird. Im Nachweisverfahren
werden auf beiden Seiten ausführliche und vereinfachte Verfahren angeboten. Die Ergebnisse aller Verfahren werden für
den öffentlich-rechtlichen Nachweis anerkannt und sind miteinander kombinierbar. In einer speziellen Auslegung der
Fachkommission Bautechnik der ARGEBAU wurde diese
Position des Verordnungsgebers noch einmal bekräftigt: "...alle
Verfahren (baulich: Heizperiodenverfahren, Monatsbilanzverfahren; anlagentechnisch: Diagrammverfahren, Tabellenverfahren, genaues Verfahren) sind miteinander kombinierbar.
Abstriche werden nicht gemacht. Dies bedeutet auch, dass
die pauschale Heizzeit von 185 Tagen ohne weiteren Nachweis angewendet werden darf. Einer Benutzung der durch genaue Rechenverfahren ermittelten Heizzeit in den Verfahren
nach DIN V 4701-10 steht jedoch nichts im Wege..." [8].
• mittels Temperatur-Korrekturfaktoren oder
• nach ausführlicher Methode der EN 832 [5]
Der baulich-energetische Standard eines Gebäudes wird insbesondere durch den spezifischen Transmissionswärmeverlust beschrieben. Die hier anzuwendenden rechnerischen
Ansätze zeigen, wie wichtig detaillierte Planung ist. Die Ermittlung des spezifischen Transmissionswärmeverlusts kann
gemäß DIN V 4108 – 6
erfolgen. Beide Verfahren dürfen gleichwertig angewandt werden. Sie werden durch die
EnEV durch den Bezug auf das ausführliche Monatsbilanzverfahren und mögliche Vereinfa-chungen angesprochen. Der
rechnerische Ansatz mittels Temperatur-Korrekturfaktoren
stellt sich wie folgt dar:
H T = ∑ Fx (Ui · Ai)+ H WB + ∆H T,FH
i
Dabei ist:
U
A
Fx
HWB
DIN V 4108-6
vereinfachtes
Verfahren
(Heizperiodenbilanzverfahren)
1.1.
1.2. Monatsbilanzverfahren
DIN V 4701-10
1.3. grafisches
Kurzverfahren
(Referenzanlagen)
Tabellarische
Verfahren
(standardisierte
Werte nach Norm)
ausführliche
berechnung
(konkrete Kennwerte einer Anlage)
Abb. 1-3 Zur Verfügung stehende Rechenverfahren
∆HT,FH
Wärmedurchgangskoeffizient in W/(m2K),
U-Werte sind nach DIN EN ISO 6946 bzw. für
Fenster nach DIN 4108-4 bzw. DIN EN ISO
10077-1 zu ermitteln (Index i bezeichnet das
jeweilige Bauteil)
entsprechende Bauteilfläche in m2
der Temperatur-Korrekturfaktor
nach DIN V 4108-6
pauschaler spezifischer Wärmebrückenzuschlag
in W/K
spezifischer Transmissionswärmeverlust von
Bauteilen mit integrierter Flächenheizung in W/K
Die Korrekturfaktoren wurden an Hand von Modellgebäuden
nach dem genauen Verfahren nach DIN EN ISO 13789 [9] ermittelt. Für Flächen, die an unbeheizte Räume grenzen, sind
die pauschalen Temperatur-Korrekturfaktoren Fx in der Regel
größer, als die korrekt für den Einzelfall gerechneten Reduktionsfaktoren b und liegen damit so zu sagen auf der sicheren
Seite. Eine Ausnahme davon stellen oberste Geschossdecken
dar. Bei ausführlicher Berechnung des Reduktionsfaktors b
ergibt sich in den meisten Fällen ein Wert größer als 0,8.
Auch für Flächen gegen Erdreich wurden analog der DIN EN
ISO 13789 Temperatur-Korrekturfaktoren ermittelt, obwohl
diese Bezeichnung strenggenommen nicht zutrifft [9]. Die
Korrekturfaktoren basieren auf einer Berechnung nach DIN EN
ISO 13370 [10] und berücksichtigen, dass das Erdreich für die
Wärmeleitung von innen nach außen einen zusätzlichen
Wärmedurchgangswiderstand darstellt und damit der Wärmeverlust geringer ist, als bei einem Bauteil, dass an Außenluft
grenzt. Die Korrekturfaktoren sind im Zusammenhang mit
„konstruktiven“ U-Werten zu verwenden. Die Ermittlung des
U-Wertes erfolgt über die Schichtfolge wie bei opaken Bauteilen nach DIN EN ISO 6946 [11]:
1
U = –––––––––––––––
Rsi + ∑ Ri + Rse
i
6
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
Die Wärmeübergangswiderstände werden bei angrenzender
Außen- bzw. Innenluft entsprechend DIN EN ISO 6946 angesetzt. Bei Kontakt mit Erdreich gilt:
Rse = 0 (m2K)/W
Der spezifische Transmissionswärmeverlust von Bauteilen gemäß ausführlicher Methode nach DIN EN 832 bzw. DIN EN
ISO 13789 stellt sich wie folgt dar:
H T = LD + Hu + LS + ∆HT,FH
Dabei sind:
LD
Leitwert zwischen beheiztem Raum und außen
nach Gleichung in W/K
Hu
spezifischer Transmissionswärmeverlust durch
unbeheizte Räume in W/K
LS
Leitwert über das Erdreich in W/K gemäß
DIN V 4108-6 oder DIN EN 13370,
∆HT,FH
spezifischer Transmissionswärmeverlust von
Bauteilen mit integrierter Flächenheizung in W/K
Neben der Einbeziehung der energetischen Qualität der Bauteile gegen Außenluft, Erdreich oder auch gegen unbeheizte
Räume spielen insbesondere der Wärmeverlust über Wärmebrücken und der spezifische Transmissionswärmeverlust von
Bauteilen mit integrierter Flächenheizung eine wichtige Rolle.
Bei gut gedämmten Gebäuden machen die Verluste über
Wärmebrücken immerhin 20 bis 30 % der gesamten Transmissionswärmeverluste aus. Ihre intelligente Vermeidung ist
eine der wirtschaftlichsten Maßnahmen zur Einsparung von
Energie. Neben geometrischen gibt es insbesondere materialbedingte, konstruktive und konvektive Wärmebrücken. Eine
moderne Architektursprache mit aufgelösten Fassaden und
damit vielen Vorsprüngen, Ecken, Materialübergängen schafft
Wärmebrücken, deren Wirkung auf den Wärmeverlust durch
entsprechende Planungen verringert werden muss.
Besonders risikoreiche Konstruktionen sind deshalb mit der
Neufassung der DIN 4108-2 [12] bereits nicht mehr gestattet.
Diese Norm ist hinsichtlich des baulichen Mindestwärmeschutzes in Deutschland bauaufsichtlich eingeführt. Das heißt,
die gesundheitlich-hygienische Mindestanforderung aus den
Landesbauordnungen deckt sich hier mit dem energetischen
Mindestlevel des Bundes. In diesem Sinne sind folgende Konstruktionen (ohne zusätzliche Wärmedämmung) nicht mehr für
die Baupraxis zugelassen:
•
•
•
•
Durchgehende, auskragende Balkonplatten,
Attiken,
Freistehende Stützen sowie
Wände mit einer Wärmeleitfähigkeit von λ > 0,5 W/(m ·K), die
in den ungedämmten Dachbereich oder ins Freie ragen
(z.B. als Brandwand).
Diese Bauteile dürfen nur errichtet werden, wenn entsprechende Dämmmaßnahmen getroffen werden. Sie stellen zwar
auch dann in der Regel noch eine zu beachtende Wärmebrücke dar und müssen in die Berechnungen einbezogen werden,
aber ihre Wirkung ist dann auf ein „normales“ Maß begrenzt.
Trotz Mindeststandards und planerischen Eingriffs auf die
Detailausbildung lassen sich Wärmebrücken wegen konstruk-
tiver und geometrischer Notwendigkeiten nie ganz vermeiden.
Der verbleibende Wärmebrückeneffekt kann je nach planerischer Durchbildung unterschiedlich groß sein. Der Verordnungsgeber hat hier die Absicht, nicht einen bloßen Nachweis der Verluste führen zu lassen. Vielmehr wurde die
Anforderung so aufgebaut, dass sie zur Überarbeitung der
Wärmebrückendetails anhält.
Der Wärmebrückenzuschlagskoeffizient ist mit dem Flächenwert für die gesamte wärmetauschende Umfassungsfläche zu
multiplizieren und erhöht die Verluste, die über die einzelnen
Bauteilflächen anfallen: H WB = ∆UWB · A. Dabei gibt es nach
EnEV drei Varianten:
a) Werden keine Maßnahmen im Sinne der DIN 4108 Bbl. 2
zur Reduzierung der Wärmebrückenwirkung durchgeführt,
ist der spezifische Transmissionswärmeverlust HT um den
Anteil der Verluste über Wärmebrücken pauschal mit einem
Wärmebrückenzuschlagskoeffizient ∆UWB = 0,1 W/(m2K) zu
erhöhen (Anhang 1 Nr. 2.5 a) EnEV). Dieser Wert darf ohne
weiteren rechnerischen Nachweis angesetzt werden.
b) Zur Vermeidung von Wärmebrücken können entsprechende Planungsbeispiele des neu erarbeiteten Beiblattes 2
zur DIN 4108 genutzt werden. Bei Anwendung dieser
Konstruktionen muss nur der halbe Zuschlag für Transmissionswärmeverluste über Wärmebrücken (∆UWB =
0,05 W/(m2K) angesetzt werden (Anhang 1 Nr. 2.5 b) EnEV).
Diese Maßnahme entlastet die baulichen Verluste deutlich
und ist eine wirtschaftliche Methode zur Energieeinsparung. Bei der Verwendung des vereinfachten Verfahrens ist
diese Vorgehensweise verbindlich (Anhang 1 Nr. 3 EnEV)!
c) Alternativ kann natürlich auch ein genauer Nachweis der
Wärmebrücken nach DIN V 4108-6 im Zusammenspiel
mit weiteren anerkannten Regeln der Technik erfolgen (Anhang 1 Nr. 2.5 c) EnEV). Die Verordnung konnte diese
Regeln nicht zitieren, da sie zum Zeitpunkt der Erarbeitung
der Vorschrift noch nicht als s.g. „Weißdruck“ vorlagen.
Mittlerweile sind die entsprechenden europäischen Normen verfügbar und vom DIN veröffentlicht. Es handelt sich
dabei um die DIN EN 10211-1:1995-11 und DIN EN 102112:2001-06. Die DIN EN 10211-1 erläutert das allgemeine
Berechnungsverfahren für Wärmeströme und Oberflächentemperaturen bei Wärmebrücken im Hochbau und die
DIN EN 10211-2 erläutert die Berechnung linienförmiger
Wärmebrücken.
Bei Buchstabe b) und c) sind alle Wärmebrücken durchgängig
nach dem gleichen Verfahren zu optimieren. Als „durchgängig“ ist zu verstehen, dass die nach der Norm DIN V 41086 angegebenen Wärmebrücken von der Planung mindestens
erfasst sein müssen. Dabei handelt es sich um Wärmebrücken
an
- Gebäudekanten,
- Fenster- und Türlaibungen,
- Wand- und Deckeneinbindungen,
- Deckenauflager,
- thermisch entkoppelte Balkonplatten.
Dabei sind alle Wand- und Deckeneinbindungen in die wärmetauschende Umfassungsfläche gemeint. Das heißt auch
zur Decke zum kalten Keller oder zum unbeheizten Dachraum.
Ein Mix der Verfahren ist nicht zulässig. Bei der Bearbeitung
nach Buchstabe b) erweist sich das Beiblatt nicht immer als
optimale Hilfe. Es ist möglich, dass Details im Beiblatt nicht
7
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
den zu planenden Anschlüssen entsprechen. In einer Auslegung der Fachkommission Bautechnik wird darauf hingewiesen, dass „ ... eine abweichende Detailplanung vom Beiblatt ist möglich, wenn der Beweis angetreten werden kann,
dass der Wärmeverlust über die Wärmebrücke gleich oder
kleiner ausfällt wie bei der Vorschlagslösung nach Beiblatt.
Dazu eigenen sich die Verfahren nach den entsprechenden
Europäischen Normen DIN EN 10211-1 und DIN EN 10211
oder auch bereits nachgewiesene Lösungen aus Wärmebrückenkatalogen.“ Darüber hinaus wurde zur Genauigkeit der
Berechnungen ausgeführt, dass „ ... Einflüsse, die das Ergebnis des Wärmeverlustes über Wärmebrücken um weniger als
3 % beeinflussen, vernachlässigt werden können“ [8]. Diese
Auslegung entspricht den Genauigkeitsanforderung bei der
Ermittlung von U-Werten nach der DIN EN ISO 6946. Das bedeutet z.B., dass bei einem Einfamilienhaus mit 300 lfd. Metern Wärmebrücken ein Detail mit weniger als 9 m vernachlässigt werden kann, wenn es sonstigen Mindestbestimmungen
entspricht. Die derzeitige Überarbeitung des Beiblattes wird
zu mehr „Regeldetails“ und Ansätzen für äquivalente Lösungen führen.
Das Beispiel eines Einfamilienhauses (entnommen aus [14])
zeigt, dass ohne Verwendung der Planungsbeispiele des Beiblattes 2 zur DIN 4108 erhebliche zusätzliche Transmissionswärmeverluste entstehen. Der Anstieg um ca. 12 % muss
entweder durch zusätzliche Dämmung oder durch eine effizientere Heizungsanlage ausgeglichen werden. Die Optimierung der Wärmebrücken und ihr detaillierter Nachweis dagegen entlasten die rechnerischen TransmissionswärmeTransmissionswärmeverluste um ca. 10 %. Das führt dazu,
dass als Alternative statt des Brennwertkessels durchaus
auch eine Niedertemperaturheizung verwendet werden kann.
Bei Einbau einer Flächenheizung ist der zusätzliche Transmis-
sionswärmeverlust einer Flächenheizung ∆HT,FH an die Außenluft, das Erdreich oder an unbeheizte Räume gesondert zu
ermitteln. Die Ermittlungen sind in der Regel aufwendig und
verändern bei gebräuchlichen Konstruktionen das Ergebnis
wenig. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, eine ausreichende
Dämmung gegen die zusätzlichen Verluste vorzusehen (die
alte Wärmeschutzverordnung hatte hier eine gesonderte
Bauteilanforderung). Es zeigt sich, dass der zusätzliche Wärmeverlust einer solchen Flächenheizung bei ausreichender
Dämmung (ab einer Dämmstoffstärke von 8 cm bei einem
Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit λ = 0,04 W/(mK)) vernachlässigbar gering ist. Der Anteil der zusätzlichen Wärmeverluste am Gesamtwärmeverlust liegt nach gutachterlichen
Ermittlungen unter 2 %. In einer Auslegung der Fachkommission Bautechnik wurde deshalb festgelegt, dass bei „ ... einer
Dämmung von mindestens 8 cm ... der Nachweis des spezifischen Transmissionswärmeverlustes ∆HT, FH ohne gesonderte
Ermittlung ausreichend geführt“ ist. Dies ist eine Berechnungserleichterung – keine Mindestanforderung!
Ein weiteres neues Kriterium für die Gebäudehülle ist ihre Luftdichtheit. Die DIN 4108-7 [15] gibt dazu Planungs- und
Ausführungsempfehlungen sowie entsprechende Beispiellösungen. Die Inanspruchnahme des Kriteriums „luftdichte
Gebäudehülle“ für die energetische Bilanzierung ist zwingend
an einen gesonderten messtechnischen Nachweis gebunden.
Als quantitative Kenngröße für den nach EnEV nachzuweisenden Grenzwert gilt der volumenbezogene Leckagestrom n50.
Diese Festlegung wird in § 4 der EnEV in Verbindung mit Anhang 4 Nr. 2 getroffen. Die Grenzwerte in der Energieeinsparverordnung sind deckungsgleich mit denen in der DIN 4108-7.
Sie sind eher moderat, entsprechen aber auch den derzeitigen
Gegebenheiten und Möglichkeiten des Handwerks. Zusätzlich
zum volumenbezogenen Leckagestrom n50 soll nach der
Norm auch der auf die Nettogrundfläche bezogene Leckage-
Beispielgebäude
A/Ve = 0,74,
Soll-Werte nach EnEV:HT´,max= 0,50 W/m2K
∆UWB = 0,05 W/m2K
∆UWB = 0,1 W/m2K
∆UWB = 0,01 W/m2K
Nutzung der Planungsbeispiele
des Beiblattes 2 zur DIN 4108
Ausgangsfall
Ohne weiteren Nachweis
Optimierung und gesonderter Nachweis mit Rechner-Programmen
Verschlechterung in %
Verbesserung in %
HT = 182,84 W/K
HT = 204,12 W/K
HT´ = 0,43 W/m2K
HT´ = 0,48 W/m2K
QP´´ = 110,59 kWh/m2a
QP´´= 119,74 kWh/m2a
Tab. 1-1 Beispielhafte Wärmebrückenwirkung
8
QP´´,max = 116,19 kWh/m2a
11,6 %
HT = 163,89 W/K
-10,4 %
HT´ = 0,39 W/m2K
8,3 %
QP´´= 102,47 kWh/m2a
-7,3 %
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
strom w50 einen Grenzwert nicht überschreiten. In der Energieeinsparverordnung ist dieser Wert nicht aufgenommen. Er ist
öffentlich-rechtlich nicht verbindlich, gilt jedoch als nach der
Norm heranzuziehender Wert, wenn die lichte Geschosshöhe
von Gebäuden deutlich von 2,60 m abweicht. Die Anforderungen nach Norm sind wie folgt zusammenzufassen:
Gebäude
Kennwerte
ohne
mit
RLT Anlagen
Luftwechsel (n50) [1/h] oder ≤ 3
Luftvolumenstrom
[m3/(h · m2)],
bezogen auf
≤ 1,5
Nettogrundfläche (qv,50,G),
wenn HR ≤ 2,6 m
Gebäudehüllfläche (qv,50,H)
≤ 7,8
≤ 3,9
Kann zusätzlich zur Beurteilung der
Gebäudehülle herangezogen werden,
Empfehlung: < 3,0
Tab. 1-2 Übersicht über die Anforderungen der Norm DIN 4108-7
Auf jeden Fall empfiehlt die Norm, keine großen Einzellecks
zuzulassen. Die generelle Dichtheitsanforderung wird zwar erreicht, aber an einer Stelle könnte es dann doch zu Bauschäden
kommen. In diesem Sinne wird in der Literatur auch angeregt,
einen hüllflächenbezogenen Leckagestrom qv,50,H zu ermitteln,
der die Luftdichtheit der Bauteile in der Hüllfläche besser
charakterisiert. Es wird ein Wert von qv,50,H < 3,0 m2/(h·m2)
empfohlen.
Obwohl auch in Zukunft vom Grundsatz bedingter Anforderungen nicht abgewichen werden soll, ergibt sich dennoch ein
erstaunliches Zugriffspotential. Das Instrument der bedingten
Anforderungen wurde dem neuesten Stand der Technik und
Wirtschaftlichkeit angepasst. Die Erweiterung der Anwendungsfälle wurde geprüft [16]. Danach wurden gegenüber der
Wärmeschutzverordnung verschiedene Tatbestände neu aufgenommen:
Die konsequente Ausbildung einer Luftdichtheitsschicht und
insbesondere die Optimierung der Anschlussstellen führt dazu, dass dieser In- und Exviltrationsluftwechsel soweit verringert werden kann, dass er vernachlässigbar ist. Demzufolge
können nachweislich dicht ausgeführte Gebäude die Luftwechselrate verringern. Sie ist hier mit n = 0,6 h-1 anzusetzen
anstatt der üblichen Luftwechselrate von n = 0,7 h-1. Dies beeinflusst die Verluste erheblich, wie das nachstehende Beispielgebäude zeigt. Der Einbau von Lüftungsanlagen ist nicht
vorgeschrieben, lohnt sich aber energetisch dann, wenn eine
Wärmerückgewinnung ermöglicht wird [13]. Eine reine Abluftanlage ist zwar aus hygienischen Gründen (Sicherstellung des
Mindestluftwechsels für die Vermeidung von Schimmelpilzbefall) und wegen der geringen Kosten empfehlenswert, bringt
aber keinen energetischen Nutzen (wegen der einzubeziehenden Hilfsenergie).
Nachrüstungen können im baulichen Bereich unter Beachtung
wirtschaftlicher Randbedingungen nur punktuell zum Zuge
kommen. Das betrifft vor allem die zusätzliche Dämmung der
obersten Geschossdecken unter nicht ausbaufähigen Dachräumen.
1.3.
Umfassende Auswirkungen der EnEV auf den
Gebäudebestand
Der Verordnungsgeber ist auch im Gebäudebestand an das
verschärfte Wirtschaftlichkeitsgebot für bestehende Gebäude
gebunden (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 3 EnEG). Deshalb
werden in der Regel Anforderungen gestellt, wenn das Bauteil
ohnehin (aus welchen Gründen auch immer – Austausch bei
physischem Verschleiß, Beseitigung von Mängeln und Schäden, Verschönerungen etc.) verändert wird. In diesem Zusammenhang soll auch die energetische Qualität auf neuestes
Niveau gebracht werden, da die Kopplung der energetischen
Ertüchtigung mit „Ohnehin-Maßnahmen“ wirtschaftlich darstellbar ist.
Im Regelungsbereich der geltenden Heizungsanlagenverordnung wurden auch bisher Nachrüstverpflichtungen eingeführt,
die sowohl wirtschaftlich als auch hinsichtlich ihres Investitionsmittelbedarfes als verhältnismäßig anzusehen sind. Derartige Potentiale werden auch mit der Energieeinsparverordnung erschlossen [17]. Nach statistischen Angaben sind noch
rd. drei Millionen veraltete Heizkessel in Betrieb, die vor dem
Inkrafttreten der 1. Heizungsanlagenverordnung eingebaut
worden sind. Die Brennstoffausnutzung und damit die energetische Qualität dieser Kessel ist im Vergleich zum heutigen
Standard allgemein schlecht. Sie sind häufig überdimensioniert und nur unzureichend gedämmt. Durch den Einbau
neuer Kessel kann der Energieverbrauch im Durchschnitt um
20 % gesenkt werden. Die Pflicht zur Erneuerung ist auch deshalb hoch wirtschaftlich, da diese Anlagen „physisch und moralisch völlig verschlissen sind“. Dabei spricht die EnEV nicht
vom Kesselaustausch, sondern von der Stilllegung alter
Kessel. Die Neuanlage kann dabei auch ein anderes Heizungssystem sein, ggf. auch unter Nutzung erneuerbarer
Energien. Ebenso wurde die Pflicht zur nachträglichen Dämmung zugänglicher Rohrleitungen und Armaturen in nicht
beheizten Räumen eingeführt.
Auch für den Gebäudebestand wurden Bemühungen unternommen, die Flexibilität der Planung deutlich zu erhöhen und
9
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
neue Freiräume zu schaffen In diesem Zusammenhang wird
dem Planer angeboten, eine Energiebilanz für das gesamte
Gebäude durchzuführen. Die dann zu erreichenden Anforderungen sind bei weitem nicht so scharf (+ 40%), wie für die
Neubauten. Bei wesentlichen Änderungen am Gebäude (umfassende Maßnahmen an Außenbauteilen gekoppelt mit einer
Erneuerung der Heizungsanlage) ist dies ohnehin der einzig
vernünftige Weg.
1.4.
Einbeziehung von Material- und Stoffkennwerten
Die in der Energieeinsparverordnung in Bezug genommenen
Berechnungsnormen (z.B. DIN EN 832, DIN V 4108-6, DIN ISO
6946 u.a.) benötigen als Eingangswerte die notwendigen energetischen Kennwerte für die einzelnen Bauprodukte. Dies sind
sogenannte Bemessungswerte der Wärmeleitfähigkeit und
der Wärmedurchlasswiderstände für Baustoffe und -konstruktion sowie Bemessungswerte für Wärmedurchgangskoeffizienten von Verglasungen, Fenstern und Fenstertüren einschließlich Rahmen. Die Fundstelle für die Veröffentlichung
dieser Bemessungswerte ist in den o.g. Normen nicht angegeben.
Bemessungswerte können nationalen und europäischen
Normen entnommen werden. Als Tabellenwerk steht die DIN
EN 12524 seit Juli 2000 zur Verfügung [18]. Wichtige Bauprodukte, wie z.B. Wärmedämmstoffe oder Mauerwerksbildner,
sind nicht enthalten. Bei diesen Produkten ist der Bemessungswert aus dem Nennwert zu ermitteln bzw. es müssen
Bemessungswerte aus bauaufsichtlichen Zulassungen oder
anderen nationalen Regelwerken ermittelt werden. Die Datenumrechnung kann für den Einzelfall manuell vorgenommen
werden. Die neue (pünktlich zum Inkrafttreten der EnEV ver-
Beispielgebäude
A/Ve = 0,74,
Soll-Werte nach EnEV: HT´,max = 0,50 W/(m2K)
QP´´,max = 116,19 kWh/(m2a),
Nutzung der Planungsbeispiele des Beiblattes 2 zur DIN 4108 (∆UWB = 0,05 W/m2K), eP = 1,41 (BW-Kessel), Monatsbilanzverfahren
n = 0,6 h-1
n = 0,7 h-1
Freie Lüftung,
dichtheitsgeprüftes Gebäude
Ausgangsfall
Freie Lüftung,
Ohne Nachweis der Luftdichtheit
(Verschlechterung in %)
HT =
HV =
H=
QP´´=
HT =
HV =
H=
QP´´=
182,84 W/K
88,59 W/K
271,43 W/K
106,77 kWh/(m2a)
Abluftanlage n = 0,55 h-1
Nachweis der Luftdichtheit
n50 ≤ 1,5 h-1
(Verbesserung in %)
HT =
182,84 W/K
HV =
81,21 W/K
H=
264,05 W/K
eP =
1,40
QP´´= 106,94 kWh/(m2a)
Tab. 1-3 Lüftungsregime Beispielgebäude
10
182,84 W/K
103,35 W/K
286,19 W/K
113,02 kWh/(m2a)
+ 16,6 %
+ 5,4 %
+ 5,8 %
Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung
mit η = 0,80
Nachweis der Luftdichtheit
n50 ≤ 1,5 h-1
Berücksichtigung der WR-Gewinne nach DIN V 4701-10
(Verbesserung in %)
HT =
182,84 W/K
- 8,3 %
HV =
88,59 W/K
–
- 2,7 %
H=
271,43 W/K
–
eP =
1,18
0
QP´´= 93,39 kWh/(m2a)
- 12,5 %
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
öffentlichte) Norm DIN V 4108-4 [19] erledigt dieses Anliegen
für alle gebräuchlichen Bauprodukte übersichtlich in tabellarischer Form. Es ist zu berücksichtigen, dass aufgrund bauaufsichtlicher Festlegungen bei Dämmstoffen, die ausschließlich
mit dem europäischen CE-Zeichen gekennzeichnet sind, nur
die Kategorie II (Sicherheitsbeiwert 1,2) zu verwenden ist.
Darüber hinaus können Bemessungswerte auch nationalen
und europäischen bauaufsichtlichen Zulassungen entnommen werden. Eine dritte Möglichkeit eröffnen die bauaufsichtlichen Regelungen der Bauregelliste. Ausgewählte Bauprodukte, die noch nach nationalem Verfahren ihre Übereinstimmung mit den technischen Regeln zur Verwendung am Bau
erklären müssen, haben die Möglichkeit, den Bemessungswert über technische Regeln der Bauregelliste zu ermitteln.
Das sind Produkte, die bis auf die Wärmeleitfähigkeit den
noch geltenden nationalen Produktnormen entsprechen. Diese Produkte sind hinsichtlich ihres Materials und Geometrie
auf eine bessere Wärmeleitfähigkeit „getrimmt“. Dies betrifft
insbesondere Mauerwerksbildner, wie z.B. Leichthochlochziegel, Porenbeton und Kalksandsteinprodukte.
Um den Übergang von nationalen auf europäische Normen
gleitend zu gestalten und der Industrie keinen unnötigen Prüfaufwand zu bescheren wurden gestützt auf sachverständige
Kreise beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) folgende
Übergangsregelungen ermöglicht:
• Rechenwerte der Wärmeleitfähigkeit, der Wärmedurchlasswiderstände sowie von Wärmedurchgangskoeffizienten
nach der Wärmeschutzverordnung, die in gültigen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen des Deutschen Instituts
für Bautechnik festgelegt worden sind, dürfen im Rahmen
der Gültigkeit der Zulassung als Bemessungswerte für die
Berechnungen nach Energieeinsparverordnung verwendet
werden.
• Die bisher nach der Richtlinie über Mehrscheiben-Isolierglas
der Bauregelliste des Deutschen Instituts für Bautechnik
ermittelten Wärmedurchgangskoeffizienten von Verglasungen dürfen ohne Korrekturen als Bemessungswert für die
Berechnungen nach Energieeinsparverordnung verwendet
werden. Der Rechenwert für den Gesamtenergiedurchlassgrad nach der gleichen Richtlinie darf als Bemessungswert
für die Berechnung nach Energieeinsparverordnung weiter
verwendet werden, wenn er um 0,02 erhöht wird.
• Rechenwerte des Wärmedurchgangskoeffizienten für Fenster und Fenstertüren nach der Wärmeschutzverordnung,
die nach DIN 52619-1: 1982 - 11 durch Messung ermittelt
wurden, dürfen als Bemessungswerte des Wärmedurchgangskoeffizienten weiter verwendet werden, wenn ihr Wert
um 0,2 W/(m2K) erhöht wird.
• Wärmedurchgangskoeffizienten für Rahmen von Fenstern
und Türen, die nach DIN 52619-3: 1985-02 ermittelt wurden,
dürfen als Einzelwert des Wärmedurchgangskoeffizienten
für die Berechnungen nach Energieeinsparverordnung verwendet werden, wenn ihr Wert um 0,2 W/(m2K) erhöht wird.
Der Bemessungswert des Wärmedurchgangskoeffizienten
des Rahmens ist in Abhängigkeit vom Nennwert des Wärme durchgangskoeffizienten nach DIN V 4108-4: 2002-02,
Tabelle 7, zu bestimmen.
Nennwerte
bei CE-Produkten
z. Zt. Dämmstoffe
DIN EN 15524
gebräuchliche
Bauprodukte
DIN V 4108-4
alle Produkte
bis auf Materialien
nach DIN EN 15524
Tabellen
Tabellen
Bauaufsichtliche
Zulassungen
z.B. für
Dämmstoffe,
Mauerwerk
Gesonderte
technische
Regel nach
Bauregelliste
z.B. Mauerwerk
Bemessungswerte
Berechnungen nach EnEV
Abb. 1-4 Quellen der Bemessungswerte
11
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
• Die bisher nach der Richtlinie über Rollladenkästen der Bauregelliste des Deutschen Instituts für Bautechnik ermittelten
Rechenwerte des Wärmedurchgangskoeffizienten für Rollladenkästen dürfen bis zum 31. Dezember 2004 als Bemessungswert des Wärmedurchgangskoeffizienten verwendet
werden. Sind in bestehenden Übereinstimmungsnachweisen nur die Einhaltung der Mindestbedingungen nach
der Wärmeschutzverordnung bestätigt, so darf ohne weiteren Nachweis der Bemessungswert des Wärmedurchgangskoeffizienten mit U = 0,6 W/(m2K) angesetzt werden.
1.5.
Probleme bei der Durchführung der EnEV
Die EnEV gilt auch ohne weitere Bestimmungen der Länder
und ist seit dem 1. Februar 2002 für alle Bauherren bindend.
Die Länder greifen in materielle Anforderungen der EnEV nicht
ein, führen die Verordnung durch und können in diesem Zusammenhang Durchführungsbestimmungen erlassen. Solche
Vollzugsregelungen dienen der Rechtssicherheit und -klarheit.
Reglungsbedarf besteht dabei insbesondere bei:
• Zuständigkeiten (insb. für Ausnahmen, Befreiungen)
• Umsetzung der EnEV im bauaufsichtlichen Verfahren
(Bauvorlage, Prüfungen, Nachweisführende etc.)
• Anzeige- und Nachweispflichten Kontrollen bei Maßnahmen im Bestand
(z.B. Einbeziehung des Bezirksschornsteinfegermeisters)
• Ordnungswidrigkeiten Regelungen zu Bauprodukten und
Anlagen
Die aktuelle Übersicht zu den bereits erlassenen Regelungen
kann z.B. der Internetseite der Deutschen Energieagentur (dena)
entnommen werden (www.deutsche-energie-agentur.de).
Jede gesetzliche Reglung, insbesondere wenn sie auf komplizierten Sachverhalten aufbaut, benötigt bei der Anwendung
in speziellen Fällen eine gewisse Auslegung und Kommentierung. Um den Vollzug in den Ländern einheitlich zu gestalten
und übergreifend sachgerecht für Klarheit zu sorgen haben die
für den Vollzug verantwortlichen Länder eine Arbeitsgruppe
zur Auslegung der EnEV als Bund/Länder-Arbeitsgruppe bei
der Fachkommission Bautechnik der ARGEBAU gebildet. Ziel
ist die Schaffung von Übergangsregelungen und die Auslegung von Problemfällen für allgemein interessierende Fragen
für einen gleichmäßigen Vollzug in allen Ländern.
Die Auslegungen werden in den Mitteilungsblättern des DIBt
und vorab im Internet unter www.dibt.de (Aktuelles/EnEV)
veröffentlicht. Bis Januar 2003 waren ca. 30 Fragen ausgelegt. Sie betreffen vor allem Fragen zur Einbeziehung erneuerbarer Energien, zur Bewertung der Anlagentechnik und Bestandsmodernisierung und waren z.T. auch Gegenstand von
Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Bauphysik“.
1.6.
Ausblick – die neue EU-Richtlinie
Am 4. Januar 2003 wurde im Amtsblatt der EU die gemeinsame Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlamentes
über die „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ veröffentlicht [21].
Die Richtlinie legt Kriterien zur gesamtheitlichen Beurteilung
der Energieeffizienz von Gebäuden fest (Einbeziehung von
Wärmedämmung, Heizungsanlage, Warmwasserversorgung,
12
Klimaanlage, Belüftungssystem, Beleuchtung und Belichtung). Die Forderungen gehen über das bisherige Anforderungsprofil der Energieeinsparverordnung etwas hinaus. Das
betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Klimaanlagen
und Beleuchtung bei Nichtwohngebäuden. Der Ansatz soll
auch die südlichen Mitgliedstaaten (Anforderungen an Klimaanlagen) stärker in die Energieeinsparbemühungen der EU
einbinden. Darüber hinaus ist es ein Anliegen der Kommission,
einen integrierten Ansatz (wie er von Deutschland mit der
Energieeinsparverordnung in Verbindung mit der EN 832
schon weitestgehend umgesetzt wird) durchzusetzen. Besondere Bedeutung hat die Festlegung, Energieausweise für alle
Gebäude schrittweise einzuführen. Damit soll die Transparenz
für den Verbraucher verbessert und der Druck auf den Markt
hinsichtlich der Energieeffizienz erhöht werden.
Deutschland hat darauf hingewirkt, dass in die Erwägungsgründe zur Richtlinie ein Passus aufgenommen wurde, mit
dem die Kommission zur Erteilung eines Auftrages zur entsprechenden Weiterentwicklung der Normen aufgefordert
wird. Es gilt, ingenieurmäßige Modelle zu entwickeln, die die
bisherige Norm EN 832 erweitern. Dazu wurde in Deutschland
ein gemeinsamer Normenausschuss der Bau- und Anlagentechnik (NABau 00.82.00) geschaffen. Er soll insbesondere
Berechnungsansätze für die Einbeziehung der Beleuchtung/Belichtung und der Klimatisierung sowie Randbedingungen für die Behandlung des Gebäudebestandes erarbeiten.
Die Richtlinie sieht – analog zur EnEV – bedingte Anforderungen bei größeren Renovierungen bestehender Gebäude vor.
Das bedeutet, dass bei größeren Renovierungen die Anforderungen an die energetische Qualität der verwendeten Bauteile
einzuhalten sind. Die entsprechende Mindestschwelle für größere Renovierungen, von der an diese bedingten Anforderungen einzuhalten sind, ist auf Betreiben von Deutschland nicht
nur (wie von der Kommission vorgesehen) als Kostenanteil der
Renovierungsarbeiten am Versicherungswert des Gebäudes
definiert, sondern alternativ auch als Anteil der zu renovierenden Bauteile an der gesamten Gebäude-Außenfläche in physischen Einheiten (m2). Diese Regelung bietet einen erheblich
einfacheren Rechenansatz.
Die Richtlinie fordert u.a. Inspektionen und Effizienzkontrollen
bei Heizkesseln und Klimaanlagen ab einer bestimmten Leistung. Deutschland wird bei Klimaanlagen nationale Festlegungen treffen müssen. Bei Heizungsanlagen ist die Richtlinie bereits weitestgehend durch die 1. BImschV umgesetzt.
Die Richtlinie fordert, dass bei neuen Gebäuden mit einer Gesamtnutzfläche von mehr als 1.000 m2 die technische, ökologische und wirtschaftliche Einsetzbarkeit alternativer EnergieSysteme zu berücksichtigen ist. Dies kann in Einzelgutachten
für jedes Bauvorhaben geschehen, oder durch ein zentrales
Gutachten des Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Es ist
eine Methode zu entwickeln, die die verwaltungsmäßige
Durchführbarkeit dieser Forderungen durch nationale technische und rechtliche Umsetzungsmechanismen gewährleistet.
Mit der EnEV hat Deutschland einen Großteil der Richtlinie bereits umgesetzt. Für die vollständige nationale Umsetzung der
Richtlinie ist in dieser Legislaturperiode das nationale Energieeinsparrecht (insb. Energieeinspargesetz-EnEG und Energieeinsparverordnung-EnEV) zu prüfen und ggf. anzupassen
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
(insb. für die Ausstellung von Energieausweisen, die Erweiterung der Methodik etc.).
Trotz der generellen Übergangsfrist von drei Jahren erscheint
der Zeitraum für nationale Reglungen und insbesondere für
die damit verbundene Normungstätigkeit äußerst knapp bemessen.
1.7.
Energieausweise – heute und in Zukunft
Die Energieeinsparverordnung enthält in § 13 Abs. 1 Satz 3
eine Ermächtigung zum Erlass einer Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Erstellung von Energiebedarfsausweisen.
Von dieser Ermächtigung wurde unverzüglich Gebrauch gemacht. Diese Ausweise dienen in erster Linie der Information
der Bauherrn und der Nutzer, was sich unmittelbar aus dem
Verweis auf Absatz 5 der EU-Richtlinie 93/76/EWG [22] ableiten lässt.
wendig. In Deutschland muss im Zusammenhang mit dem
konkreten Inhalt von Energieausweisen nach der Richtlinie geprüft werden, wie im Bestand ggf. auch Ausweise aufgrund
einfacher Verfahren (z.B. durch Inbezugnahme von „Gebäudekategorien“) erstellt werden können und mit welchen Randbedingungen Bestandsgebäude genau berechnet werden.
Des weiteren muss geprüft werden, wie die Vorgabe, Energieausweise für öffentliche Gebäude gut sichtbar auszuhängen,
umzusetzen ist.
Das System zukünftiger Energieausweise ist technisch vorzubereiten. Darüber hinaus wird gegenwärtig im Auftrag des
BMVBW bei der Deutschen Energieagentur (dena) ein einheitliches Label für die Darstellung der Energieeffizienz von Gebäuden vorbereitet. Modelle für neue Ausweise und ein Label
(siehe Abb. 1-5) sollen dann gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in einem Feldversuch getestet werden.
Für Neubauten wurde ein Energiebedarfsausweis pflichtweise eingeführt, der auf den bei der Planung zu führenden
Nachweisen aufbaut. Grundlage hierfür ist – neben dem Jahres-Primärenergiebedarf – der Endenergiebedarf, der für den
Verbraucher am aussagekräftigsten ist. Mit der Verbreitung
von Energiebedarfsausweisen im Neubau soll sich am Grundstücksmarkt zunehmend das Bewusstsein für die Bedeutung
der energetischen Eigenschaften von Gebäuden bilden.
Energieeffizienz
Für den Gebäudebestand ist die Ausstellung eines solchen
Ausweises nur dann obligatorisch, wenn bei einer wesentlichen Änderung des Gebäudes ein kompletter Nachweis nach
EnEV erfolgt ist und somit die notwendigen Daten ohnehin
verfügbar sind. Darüber hinaus kann er auch bei kleineren
Maßnahmen oder bei etappenweiser Abarbeitung eines Maßnahmepaketes freiwillig erstellt werden. Ohne planerische
Leistungen ist dies jedoch nicht durchführbar. Für den Gebäudebestand sollen deshalb nach § 13 Abs. 5 EnEV auch Energieverbrauchskennwerte fakultativ eingeführt, die informell
einen Beitrag zur Einschätzung der energetischen Situation
bei Mehrfamilienhäusern geben können. Für weitergehende,
rechtsverbindliche Lösungen wie im Neubau, die eine vollständige Erfassung der energiebezogenen Merkmale des Gebäudes erforderlich machen würden, reichen die gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlagen bisher nicht aus.
C
Heizung und Warmwasser
Geringer Energiebedarf
A
B
D
E
E
F
G
H
I
J
Hoher Energiebedarf
Abb. 1-5 Vorschlag für ein Energie-Label für Gebäude
Mit der neuen EU-Richtlinie „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ ist auch in Deutschland die obligatorischen Pflicht
zur Erstellung von Energieausweisen für den Gebäudebestand
(bisher nach EnEV i.d.R. nur für neue Gebäude) zu realisieren.
Wegen des vergleichsweise hohen Anteils von Mietwohnungen bzw. Mehrfamilienhäusern dürfte schon im Frühstadium
der Umsetzung der Richtlinie für eine sehr große Zahl von
Wohnungen die Erstellung des Energieausweises fällig sein.
Der Grund ist: Schon der erste Mieter- oder Eigentümerwechsel im Gebäude macht die Berechnung des Energiebedarfs
bzw. -verbrauchs für das Gesamtgebäude erforderlich. Darüber hinaus ist bei öffentlichen Gebäuden dieser Ausweis gut
sichtbar auszuhängen. Die Vorbildfunktion der öffentlichen
Hand soll so gestärkt werden.
Literatur:
[1]
Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz
und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden
(Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 16. November
2001, Bundesgesetzblatt I, S.3085
[2]
Hegner H-D.: Energieeinsparverordnung 2000, BbauBl
48 (1999) H.6, S.10
Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz bei Gebäuden (Wärmeschutzverordnung –
Wärmeschutz-V) vom 16. August 1994, Bundesgesetzblatt I, S.2121
[3]
Da die Rechenmethodik zur Erstellung des Bedarfsausweises
für neue Gebäude nicht ohne weiteres auf bestehende
Gebäude übertragbar ist, sind hier Weiterentwicklungen not-
13
1 Erfahrungen mit der EnEV – Auslegung, Vollzug, Perspektiven
[4]
Hauser, G. und Maas A.: Überprüfung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des Energieeinspargesetzes bei den
neuen Anforderungen der Wärmeschutzverordnung
1999 Teil II – Wirtschaftlichkeitsberechnung auf der
Grundlage konkreter Konstruktion und Baukosten, Informationszentrum für Raum und Bau Stuttgart (2000)
[5]
DIN EN 832: 1998-12 „Wärmetechnisches Verhalten
von Gebäuden – Berechnung des Heizenergiebedarfs.“
Beuth Verlag GmbH
[6]
DIN V 4701-10: 2001-02 „Energetische Bewertung
von heiz- und raumlufttechnischen Anlagen, Teil 10:
Heizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung.“ Beuth Verlag GmbH
[7]
DIN V 4108-6: 2000-11 „Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 6: Berechnung des Jahresheizenergiebedarfs.“ Beuth Verlag GmbH
[8]
[9]
[10]
www.dibt.de\Aktuelles\Energieeinsparverordnung
Auslegungen der Bund/Länder-Projektgruppe zur
EnEV bei der Fachkommission Bautechnik der ARGEBAU
DIN EN ISO 13789: 1999-10 „Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden, Spezifischer Transmissionswärmeverlustkoeffizient, Berechnung“. Beuth Verlag
GmbH
[14]
Hegner, H.-D.; Vogler, I.: Energieeinsparverordnung
EnEV – für die Praxis kommentiert, Ernst & Sohn Verlag
für Architektur und technische Wissenschaften GmbH
und Co. KG, Berlin, 2002
[15]
DIN V 4108-7: 2001-08 Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 7: Luftdichtheit von Gebäuden, Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele. Beuth Verlag GmbH
[16]
Feist W.: Überprüfung der bedingten energetischen
Anforderungen im Gebäudebestand bei Beibehaltung
der gegenwärtigen Rechtsgrundlage der Wärmeschutzverordnung. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Dez. 1997
[17]
Feist, W.: Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ausgewählter Energiesparmaßnahmen im Gebäudebestand,
Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft (1998).
[18]
DIN EN 12524: 2000-07 „Baustoffe und Bauprodukte –
Wärme- und feuchteschutztechnische Eigenschaften,
Tabellierte Bemessungswerte“. Beuth Verlag GmbH
[19]
DIN V 4108 – 4: 2002-02 „Wärme- und feuchteschutztechnische Bemessungswerte“. Beuth Verlag GmbH
[20]
Verordnung über Kleinfeuerungsanlagen (1. BImschV)
in der Neufassung der Verordnung vom 14. März 1997,
Bundesgesetzblatt I, S. 490
[21]
Richtlinie 2002/91/EG des Rates und des Europäischen Parlaments vom 16. 12.2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 1/65 vom 4.01.2003
[22]
Richtlinie 93/76/EWG der Rates vom 13. September
1993 zur Begrenzung der Kohlendioxidemissionen
durch eine effizientere Energienutzung (SAVE), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 237/28
vom 22. 09.1993
DIN EN ISO 13370: 1998-12 „Wärmetechnischen Verhalten von Gebäuden, Wärmeübertragung über das
Erdreich, Berechnungsverfahren“. Beuth Verlag GmbH
[11] DIN EN ISO 6946: 1996-11 „Bauteile - Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient, Berechnungsverfahren“ Beuth Verlag GmbH
[12]
DIN V 4108-2: 2001-03 „Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden, Teil 2: Mindestanforderungen an
den Wärmeschutz.“ Beuth Verlag GmbH
[13] Hegner, H.-D., Hauser, G.: Moderne Ansätze für das energiesparende Bauen statt alter Behauptungen!, BbauBl
50 (2001) H.8
14
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
2.
Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
Prof. Dr.-Ing. Heinz-Martin Fischer
2.1.
Neue Regelwerke für den baulichen Schallschutz
Die aktuelle Normungssituation ist im baulichen Schallschutz
durch die Neuerarbeitung der DIN 4109 („Schallschutz im
Hochbau“) geprägt. Brauchen wir eine neue DIN 4109? Mit
Hinblick auf die harmonisierten europäischen Normen des
baulichen Schallschutzes gibt es darauf eine eindeutige Antwort: unabhängig von der Diskussion, ob eine neue DIN 4109
wirklich gebraucht wird, wird die Überarbeitung alleine durch
die Existenz der europäischen Normen und deren Vorgaben
de facto erzwungen. Die maßgeblichen Gründe dafür sind:
• Änderung von Prüfverfahren: der bisherige Prüfstand
mit bauähnlicher Flankenübertragung wurde abgeschafft.
Kennzeichnende Größe für die Prüfung der Schalldämmung
von Bauteilen im Labor ist ausschließlich R bzw. Rw.
• Die neuen Berechnungsverfahren sind (weitgehend) nicht
kompatibel mit den Verfahren der DIN 4109.
• Der derzeitige Bauteilkatalog (Ausführungsbeispiele in Beiblatt 1 [1]) muß völlig überarbeitet werden, da alle Angaben
auf der Basis von R’w hinfällig geworden sind und neue Größen (Stoßstellendämm-Maß kij) für den rechnerischen Nachweis dazugekommen sind.
Andererseits aber wird auch deutlich, dass unabhängig vom
äußeren Handlungsdruck eine Überarbeitung als Chance zur
konstruktiven Änderung der DIN 4109 verstanden werden
kann. Folgerichtig wurde vom zuständigen Normungsgremium NABau-DIN 4109 die Überarbeitung der DIN 4109
beschlossen. Entgegen den ursprünglichen Absichten,
lediglich das Beiblatt 1 zu DIN 4109 einer Überarbeitung zu
unterziehen, stellte es sich bald als zweckmäßig heraus, in
diesem Zusammenhang gleich die gesamte DIN 4109 zu
überarbeiten.
Inzwischen sind auch bei uns alle bauakustischen Meß- und
Prüfverfahren auf europäische Normen umgestellt worden.
„Restnormen“, die solche Teile der DIN 52 210 aufgreifen, die
von den europäischen Meß- und Prüfverfahren (noch) nicht
abgedeckt werden, sind erarbeitet worden. So liegt seit 1997
der überarbeitete Teil 7 der DIN 52 210 [2] vor und auch ein
neues Beiblatt 4 zu DIN 4109 wurde erarbeitet [3]. In diesem
geänderten Umfeld mußten auch notwendige Anpassungen
vorgenommen werden, um mit der derzeitigen DIN 4109 für
den Schallschutznachweis handlungsfähig zu bleiben. Beiblatt 3 zu DIN 4109 [4] verdankt dieser Anpassung seine
Entstehung. Mittlerweile ist erkennbar, dass die „alte“ DIN
4109 isoliert in einer geänderten Normungsumgebung steht.
Auch von dieser Seite her erweist sich der Entschluss zu einer
neuen DIN 4109 als zukunftsgerichtet.
2.2.
Ausgangspunkt: die europäischen Normen des
baulichen Schallschutzes
Die für den Bausektor geltenden Voraussetzungen zum europäischen Binnenmarkt wurden in der Bauproduktenrichtlinie
des Jahres 1988 niedergelegt [5]. Danach sind „harmonisierte“ (d.h. vereinheitlichte) Normen für Bauprodukte in all
denjenigen Bereichen, die sogenannte „wesentliche Anforderungen“ an Bauwerke enthalten, zu erstellen. Zu diesen wesentlichen Anforderungen gehört auch der Schallschutz. Damit ist eindeutig festgelegt, daß auch der Bereich des baulichen Schallschutzes auf europäischer Ebene zu regeln ist. Im
„Grundlagendokument Schallschutz“ [6] wurden die den baulichen Schallschutz betreffenden Vorgaben konkretisiert.
Was soll nun auf europäischer Ebene „harmonisiert“ werden?
Entgegen der Vermutung, daß infolge der Bauproduktenrichtlinie nur das einzelne Bauprodukt betroffen sei, wurde der Geltungsbereich vielmehr eindeutig auch auf die Eigenschaften
fertiger Gebäude ausgedehnt. Drei Bereiche werden durch die
CEN-Normen abgedeckt:
• Prüfverfahren zur Ermittlung der schalltechnischen Eigenschaften von Bauteilen, aber auch kompletter Gebäude.
• Bewertungsverfahren, mit denen die meßtechnisch ermittelten Eigenschaften von Bauteilen und Gebäuden durch
einen einzigen Wert („Einzahlwert“) charakterisiert werden
können.
• Berechnungsverfahren, mit deren Hilfe die bauakustische
Qualität eines Gebäudes, z.B. im Rahmen der Prognose
oder eines Nachweisverfahrens, rechnerisch ermittelt werden kann.
Unter zahlreichen Änderungen, die im Detail oft nur für Prüfstellen von Bedeutung sind, sollen hier diejenigen erläutert
werden, die sich in der Schallschutzpraxis als bedeutsam für
die Planung herausgestellt haben.
2.3.
Änderungen bei Messverfahren
Die messtechnische Ermittlung von Kennwerten für luft- und
trittschalldämmende Bauteile erfolgt nach den europäischen
Prüfverfahren schon seit einiger Zeit nur noch in Wand- und
Deckenprüfständen ohne Flankenübertragung. Der bisherige
deutsche „Prüfstand mit bauähnlicher Flankenübertragung“
nach DIN 52 210–2 [7] ist damit abgeschafft worden. Meßgrößen im Labor sind nun nur noch R statt R' für die Luftschalldämmung und Ln statt L'n für die Trittschalldämmung.
2.4.
Änderungen bei Bewertungsverfahren
Bei der Ermittlung von Einzahlangaben haben sich folgende
Änderungen ergeben:
• Bauteile werden nur noch durch Rw und Ln,w gekennzeichnet. R'w und L'n,w gibt es nur noch bei Gebäuden. Dies hat
Auswirkungen auf das Nachweisverfahren der DIN 4109 und
die Ausführungsbeispiele im Beiblatt 1 zu DIN 4109.
• Der Schallschutz in Gebäuden kann außer durch R'w und
L'n,w auch mit anderen Einzahlangaben (z.B. den nachhallzeitbezogenen Größen Dn,T,w , L'n,T,w) gekennzeichnet
werden.
Durch zusätzliche sogenannte Spektrum-Anpassungswerte
können bei der Ermittlung von Einzahlangaben verschiedene
15
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
Schallpegelspektren unterschiedlicher Lärmquellen berücksichtigt werden. Bei der Kennzeichnung der Luftschalldämmung von Bauteilen sind neben Rw obligatorisch die
Spektrum-Anpassungswerte C (für eine Anregung mit A-bewertetem Rosa-Rauschen) und Ctr (für eine Anregung mit
A-bewertetem städtischen Straßenverkehrslärm) anzugeben.
Bei der Bewertung der Trittschalldämmung kann zusätzlich
ein Anpassungswert CI ermittelt werden, der die tatsächliche
Anregung von Decken durch Gehen besser berücksichtigt. Die
Angabe von CI ist allerdings nicht verbindlich. Die SpektrumAnpassungswerte können für verschiedene Frequenzbereiche
angegeben werden.
2.5.
Änderungen bei Berechnungsverfahren
Auch wenn gelegentlich zu hören ist, daß insbesondere für
die Berechnungsverfahren auf europäischer Ebene kein Normungsbedarf bestände, ist hierfür durch die EU-Vereinbarungen ein eindeutiger Normungsauftrag erteilt worden. Dies ist
im Sinne eines gemeinsamen Marktes auch nur folgerichtig,
da Handelshemmnisse nicht nur beim Warenaustausch, sondern auch im Dienstleistungsbereich abgebaut werden sollen.
Konsequenterweise sollen deshalb nicht nur die Produkteigenschaften einheitlich gekennzeichnet werden, sondern
auch die Berechnungsverfahren über die Grenzen hinweg
gemeinsamen Grundsätzen folgen. Durch das „Grundlagendokument Schallschutz“ [6] ist deshalb festgelegt worden,
dass im Rahmen der europäischen bauakustischen Normung
auch Berechnungsverfahren zu erarbeiten sind. Es handelt
sich dabei um folgende Teile:
•
•
•
•
•
Teil 1:
Teil 2:
Teil 3:
Teil 4:
Teil 5:
Luftschalldämmung zwischen Räumen
Trittschalldämmung zwischen Räumen
Luftschalldämmung gegen Außenlärm
Schallübertragung von Räumen ins Freie
Schallpegel von haustechnischen Anlagen und
Installationen in Räumen
• Teil 6: Nachhallzeit in Räumen.
Die Teile 1 bis 4 sind seit längerer Zeit bereits im Weißdruck
erschienen und liegen inzwischen in deutscher Übersetzung
auch als DIN EN–Normen der Normenreihe 12354 vor [8 -11].
Teil 5 befindet sich zur Zeit noch in Bearbeitung. Ein erster
Normentwurf wurde vorgelegt. Für Teil 6 wurde der Schlußentwurf erarbeitet.
2.6.
Das CEN-Rechenmodell für den Luftschall
Die Rechenverfahren folgen im wesentlichen den physikalisch
nachvollziehbaren Gegebenheiten [12]. Das Grundprinzip ist
einfach: berücksichtigt werden alle Schallübertragungswege,
deren einzelne Beiträge zur gesamten Schallübertragung
aufsummiert werden. Jeder Weg kann unabhängig von den
anderen Wegen behandelt und berechnet werden. Besondere
Beachtung wird der flankierenden Übertragung beigemessen.
Bei der üblichen Übertragungssituation (1 Trennbauteil, vier
flankierende Bauteile) sind insgesamt 13 verschiedene Übertragungswege zu berücksichtige. Davon entfallen 12 Wege auf
die flankierende Übertragung. Für jeden dieser Übertragungswege kann ein eigenes Schalldämm-Maß ermittelt werden.
Die resultierende Schalldämmung R’w unter Berücksichtigung
aller flankierenden Wege ergibt sich dann durch „energetische“ Addition der einzelnen Schalldämm-Maße.
16
Abb. 2-1 Berücksichtigung der einzelnen Übertragungswege im vereinfachten Modell nach DIN EN
12354-1
Dd: Direkt-Übertragung; Ff, Fd und Df: Flankenwege
Es ist klar, dass diese Berechnung nicht von Hand sondern mit
Hilfe geeigneter Berechnungsprogramme durchgeführt wird.
Der befürchtete zusätzliche Aufwand gegenüber der derzeitigen Nachweismethode kann dadurch drastisch gesenkt werden. Vor allem aber muß auf einen wesentlichen Vorteil hingewiesen werden, der sich durch den vorliegenden Berechnungsansatz ergibt: der Anteil jedes Übertragungsweges an
der Gesamt-Schalldämmung kann einzeln betrachtet werden
und bezüglich seines Einflusses auf das Endresultat beurteilt
werden. Im Einzelfall kann, falls der Bedarf nach detaillierterer
Betrachtung existiert, durch Variation der konstruktiven Eigenschaften die Auswirkung von Alternativlösungen auf den zu
planenden Schallschutz ermittelt werden.
Den physikalischen Gegebenheiten folgend werden nicht nur
die Eigenschaften der einzelnen Bauteile sondern auch die
akustischen Eigenschaften von Bauteilverbindungen (Stoßstellen) einbezogen. Im Prinzip können Stoßstellen aller in der
Praxis auftretenden Bauteilverbindungen in die Berechnung
eingebunden werden, sofern die dafür benötigten Daten
verfügbar sind. Die neue, dafür benötigte Größe ist das so
genannte Stoßstellendämm-Maß kij, durch welches die Schallübertragung über die Bauteilverbindung hinweg charakterisiert wird. Darüber hinaus können bei allen Bauteilen Vorsatzkonstruktionen (z.B. Vorsatzschalen vor Wänden, schwimmende Estriche auf Böden) separat berücksichtigt werden.
Die Rechenverfahren verwenden als Eingangsdaten diejenigen Kenngrößen, die auch in den Bauteilprüfungen nach
harmonisierten Prüfverfahren ermittelt werden können. In
so genannten „Detaillierten Modellen“ wird die Rechnung
frequenzabhängig durchgeführt. Benötigt werden deshalb
auch frequenzabhängige Eingangsdaten. Zusätzlich zu diesen
frequenzabhängigen Berechnungen gibt es sogenannte „Vereinfachte Modelle“, in denen die Berechnung auf Einzahlangaben basiert.
2.7.
Bauteildaten für die Berechnung
Bauteilsammlungen, die wie in Beiblatt 1 zu DIN 4109 eine
umfangreiche Zusammenstellung von Ausführungsbeispielen
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
beinhalten, sind in diesen Rechenverfahren nicht vorgesehen.
Jedoch enthalten sogenannte „informative Anhänge“ eine Anzahl von Beispielen, die aber nicht den Anspruch auf repräsentative Darstellung erheben wollen und können. Ein „Europäischer Bauteilkatalog“ ist somit nicht verfügbar.
Zu berücksichtigen ist, dass die in den informativen Anhängen
der europäischen Berechnungsnormen genannten Daten
nicht als verbindliche Angaben zu betrachten sind. Sie haben
vielmehr beispielhaften, unverbindlichen Charakter, so daß je
nach Anwendungsbereich vom Nutzer selbst definierte oder
auf nationaler Ebene vereinbarte Bauteildaten verwendet werden können. Für die Anwendung der europäischen Rechenverfahren im Rahmen einer neuen DIN 4109 besteht jedoch
Einigkeit darüber, daß auch zukünftig ein Bauteilkatalog zur
Durchführung des Schallschutznachweises verfügbar sein
muß. Für den nach DIN 4109 zu führenden Schallschutznachweis wird es deshalb auch zukünftig einen eingeführten Bauteilkatalog geben, vergleichbar dem derzeitigen Beiblatt 1 zu
DIN 4109. Er muß auf der Basis der europäischen Vorgaben
erstellt werden. An der Erstellung eines solchen Bauteilkatalogs wird gearbeitet.
2.8.
Handlungsbedarf für die DIN 4109
Die europäische Normung greift tief in die derzeitige deutsche
Normungspraxis im baulichen Schallschutz ein. Zwar sind die
Anforderungswerte davon ausdrücklich nicht betroffen, doch
berühren harmonisierte Prüfverfahren und Rechenmethoden
Konzept und Inhalt der DIN 4109 und deren Beiblatt 1 so
weitgehend, dass eine komplette Überarbeitung notwendig
wurde.
Für die Umsetzung der europäischen Normen sind vor allem
die folgenden Schritte erforderlich:
• harmonisierte Rechenverfahren hinsichtlich der deutschen
Baubedingungen verifizieren,
• den Bauteilkatalog überarbeiten, vor allem Eingangsdaten
für die Direktdämmung massiver Bauteile und Eingangsdaten für Stoßstellendämm-Maße kij verfügbar machen,
• Handlungsanleitungen zur Handhabung der Rechenverfahren erstellen (Anwendungsdokumente).
Betroffen vom Umstellungsdruck ist vor allem der Massivbau,
da dort alle bisherigen Bauteildaten auf der Basis von
R’w-Werten nicht mehr verwendet werden können und für die
Stoßstellendämm-Maße ebenfalls nicht auf Vorhandenes
zurückgegriffen werden kann. Neue Werte müssen in beiden
Fällen erst ermittelt und verifiziert werden.
2.9.
Umsetzung der europäischen Berechnungsverfahren
Bei der Umsetzung im Rahmen der neuen DIN 4109 spielen
die ersten beiden Teile der Normenreihe DIN EN 12354 die
wichtigste Rolle. Insbesondere zum Teil 1 (Luftschalldämmung) wurden von mehreren Stellen Untersuchungen durchgeführt, die sich mit der Anwendung des Berechnungsverfahren und der Erarbeitung von Daten für den Bauteilkatalog beschäftigen. Eine Vorreiterrolle spielen in diesem Zusammenhang die Untersuchungen für den Mauerwerksbau, z.B. [13,
14, 15]. Grundsätzlich wurde die Entscheidung getroffen, dass
beim für die DIN 4109 durchzuführenden Schallschutznach-
weis auf das sog. „Vereinfachte Modell“ zurückgegriffen wird:
die gesamte Berechnung wird nicht frequenzabhängig (wie im
„Detaillierten Modell“) sondern mit Einzahlwerten durchgeführt.
Auch bei der Umsetzung von Teil 2 (Trittschalldämmung) soll
auf das Vereinfachte Modell zurückgegriffen werden. Dieses
entspricht im wesentlichen dem derzeitigen Verfahren (äquivalenter bewerteter Norm-Trittschallpegel Ln,w,eq und bewertete Trittschallminderung DLw), berücksichtigt aber zusätzlich
für die flankierende Trittschallübertragung einen Korrekturfaktor, der in Abhängigkeit von der mittleren flächenbezogenen Masse der flankierenden Bauteile ermittelt wird:
L’n,w = Ln,w,eq - ∆Lw + K
Inwiefern das primär für den Massivbau vorgesehene vereinfachte Verfahren auch für andere Situationen zutreffend ist,
bedarf noch einer näheren Überprüfung.
Kern des in Teil 3 beschriebenen Verfahrens ist die Ermittlung
des resultierenden Schalldämm-Maßes einer Fassade aus den
Teilschalldämm-Maßen. Insofern entspricht die Vorgehensweise derjenigen der DIN 4109, wobei zusätzlich aber auch
flankierende Übertragungswege mitberücksichtigt werden
können. Über Einzelheiten der konkreten Umsetzung wurde
noch nicht entschieden.
Teil 4 behandelt die Schallabstrahlung durch Gebäude. Dieser
Themenkomplex wird durch die DIN 4109 nicht abgedeckt,
und es ist auch nicht vorgesehen, ihn in ihren Zuständigkeitsbereich zu übernehmen. Hinsichtlich der DIN 4109 besteht
damit auch kein Umsetzungsbedarf. Jedoch wird Teil 4 die
VDI-Richtlinie 2571 (Schallabstrahlung von Industriebauten)
zukünftig ersetzen.
Für die Umsetzung ist dagegen Teil 5 von großer Bedeutung,
da hier der bislang stets stark vernachlässigte Bereich der
haustechnischen Anlagen aufgegriffen wird. Im zuständigen
Normungsgremium CEN/TC126/WG2 wird zur Zeit an Methoden zur Berechnung der Luft- und Körperschallübertragung
haustechnischer Anlagen gearbeitet. Es ist jedoch abzusehen,
dass die Normungsarbeit an diesem Teil noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird, da mit den Berechnungsmöglichkeiten
Neuland ohne verfügbare Vorarbeiten betreten werden muß.
Mit einer kurz- oder mittelfristigen Einbindung in das deutsche
Normenkonzept kann deshalb nicht gerechnet werden. Bei
Geräuschen haustechnischer Anlagen wird man deshalb
für eine längere Übergangszeit mit Interimslösungen leben
müssen.
Teil 6 wird im DIN 4109-Konzept als eigenständiges Nachweisverfahren keine Rolle spielen, da an Nachhallzeiten oder
äquivalente Absorptionsflächen keine direkten Anforderungen
gestellt werden. Vorstellbar ist höchstens, dass in Zusammenhang mit Teil 5 bei der Berechnung von Schallpegeln haustechnischer Anlagen auf ihn zurückgegriffen werden könnte.
2.10. Auswirkungen auf die Planung des Schallschutzes
Für den Massivbau hat die europäische Normung schwerwiegende Folgen. Nach dem Wegfall des früheren Prüfstandes
mit bauähnlicher Flankenübertragung gibt es zur Kennzeich-
17
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
nung der Schalldämmung eines Bauteils nur noch das Schalldämm-Maß R bzw. dessen Einzahlwert Rw. Die durchzuführende Laborprüfung im nebenwegfreien Prüfstand sorgt dafür,
dass ausschließlich die über das Trennbauteil übertragene
Schallleistung in den Kennwert eingeht. Das ist von der europäischen Normung so gewollt, da man eine eindeutige Kennzeichnung der Bauteileigenschaften, nicht aber eine Vermischung mit den Eigenschaften flankierender Bauteile fordert.
Wie kommt man nun aber zum Schallschutz im Gebäude? Das
wird zukünftig nur noch durch Berechnung erfolgen. Ein „Hineinmessen“ der flankierenden Übertragung, wie dies im früheren Prüfstand mit bauähnlicher Flankenübertragung der Fall
war, ist damit nicht mehr möglich. Das Schalldämm-Maß Rw
(zur Beschreibung der Bauteileigenschaft) und der Schallschutz im Gebäude (beschrieben z.B. durch das Bau-Schalldämm-Maß R’w) sind damit zwei völlig verschiedene Dinge.
Diese Trennung zwischen Bauteil- und Gebäudeeigenschaften hat Konsequenzen: anstelle eines „Nachweises der Eignung der Bauteile“ geht es nun eindeutig um den „Nachweis
des Schallschutzes in Gebäuden“. In dieser Art wird der zukünftige Schallschutznachweis der DIN 4109 durchzuführen
sein. Auf dem Hintergrund der derzeitigen DIN 4109 ist das für
den deutschen Anwender eine neue Vorgehensweise. Gezielt
wird nun die flankierende Übertragung in die Berechnung aufgenommen, so daß die Eigenschaften der Flankenwege für die
Berechnung bekannt sein müssen. Es wird damit möglich, von
der konstruktiven Seite her die flankierende Übertragung in die
Planung aufzunehmen. Zugleich erfolgt damit aber auch eine
eindeutige Trennung der Verantwortungsbereiche und ein eindeutiger planerischer Ansatz: der Schallschutz ist eindeutig
zur Aufgabe für die Planung geworden. Es ist Planungsaufgabe, die flankierende Übertragung in das schalltechnische
Konzept einzubinden.
2.11. Die neue DIN 4109: voraussichtlicher Aufbau und
wesentliche Festlegungen
Für die neue DIN 4109 wird gegenüber der derzeitigen Ausgabe eine völlig neue Gliederung vorgesehen. Beabsichtigt
ist dabei eine Aufteilung in inhaltlich klar von einander abgegrenzte Teile, die sich jeweils auf nur einen der folgenden
Bereiche beziehen:
•
•
•
•
•
Mindestanforderungen an den Schallschutz
Vorschläge für erhöhten Schallschutz
Rechnerischer Nachweis der Erfüllung der Anforderungen
Bauteilkatalog
Meßtechnischer Nachweis des Schallschutzes.
Die Mindestanforderungen werden denselben Umfang wie
bislang abdecken:
• Schutz von Aufenthaltsräumen gegenüber Schallübertragung aus einem fremden Wohn- oder Arbeitsbereich (Luftund Trittschalldämmung)
• Schutz gegen Geräusche aus haustechnischen Anlagen
• Schutz gegen Geräusche aus Betrieben
• Schutz gegen Außenlärm.
Grundsätzlich ist die Beibehaltung des derzeitigen Schallschutzniveaus vorgesehen. Diskutiert wird jedoch zur Zeit die
durch die europäischen Normen gegebene Option, als kennzeichnende Größen für die Schallschutzanforderungen nach-
18
hallzeitbezogene Größen (Dn,T,w anstelle von R’w für den Luftschallschutz und L’n,T,w anstelle von L’n,w für den Trittschallschutz) heranziehen zu können. Unabhängig von der grundsätzlichen Diskussion über Vor- und Nachteile der einen oder
der anderen Lösung wäre mit dem Schritt zu nachhallzeitbezogenen Größen auf jeden Fall eine eindeutige Trennung
zwischen der schalltechnischen Leistungsfähigkeit eines Bauteils (Rw und Ln,w) und dem Schallschutz im Gebäude (Dn,T,w
und L’n,T,w) sichergestellt.
Die Vorschläge für den erhöhten Schallschutz sollen dem zur
Zeit als Entwurf verhandelten neuen Teil 10 der DIN 4109
folgen [16]. Die dann getroffenen Festlegungen sollen übernommen werden.
Besonderes Interesse gilt der Umsetzung der europäischen
Berechnungsverfahren. Prinzipiell wäre es denkbar, hier lediglich auf die als DIN EN-Normen erschienenen Dokumente
[8, 9, 10] zu verweisen. Die Besonderheiten dieser Dokumente
lassen dies für die praktische Anwendung im Rahmen des
beabsichtigten Schallschutznachweises aber nicht als zweckmäßig erscheinen. Dagegen spricht der zum Teil enorme
Umfang der einzelnen Teile (alleine 53 Seiten für DIN EN
12354-1), von dem nur ein geringer Anteil für den eigentlichen
Schallschutznachweis benötigt wird. Dies liegt daran, dass
von den genannten Optionen für die Berechnung (Detailliertes
oder Vereinfachtes Modell) nur das Vereinfachte Modell herangezogen werden soll und die zahlreichen Anhänge weitgehend
nur informativen Charakter haben und auf sie nur partiell zurückgegriffen werden soll. Im Rahmen eines baurechtlich eingeführten Schallschutznachweises sind hingegen verbindliche
Festlegungen zu treffen. Dies betrifft solche informativen Anhänge, die Angaben zu den schalltechnischen Eigenschaften
von Bauteilen liefern und aus deutscher Sicht zumindest einer
kritischen Überprüfung auf ihre Anwendbarkeit hin bedürfen.
Dies betrifft aber auch solche Anhänge wie den Anhang C in
DIN EN 12354-1, der einen Vorschlag für die Handhabung
der sog. In-situ-Korrektur formuliert (siehe hierzu [13]). Da
diese In-situ-Korrektur sich massiv auf das Endergebnis der
Berechnung auswirken kann, sind für deren Handhabung
verbindliche Festlegungen zu treffen. Insgesamt ergibt sich
damit, das die vorliegenden Normen der DIN EN 12354-Reihe
für einen praktikablen Schallschutznachweis, frei von unnötigem
Ballast, nicht unmittelbar in ihrer Originalform übernommen
werden sollten. Statt dessen sollen – und dies konform mit
europäischen Normungsgepflogenheiten – die tatsächlich
benötigten Bestandteile in einem sog. Anwendungspapier zusammengestellt und für die nationale Anwendung aufbereitet
werden. Dazu gehört die Darstellung der einzelnen Berechnungsverfahren in der für unseren Schallschutznachweis benötigten Form. Dazu gehören aber auch Festlegungen zu den
zu verwendenden Eingangsdaten (Daten aus Bauteilkatalog,
Einzelnachweise), zur Handhabung von Unsicherheiten der
Eingangsdaten und der Berechnung, zur Behandlung besonderer Bausituationen und Rechenbeispiele zu den einzelnen
Rechenverfahren. Es ist die Intention, den tatsächlich benötigten Umfang der europäischen Normen – und nur diesen – in
geschlossener Form so darzustellen, dass für die geforderten
Nachweise nur die Dokumente der neuen DIN 4109 herangezogen werden müssen.
In einem eigenen Teil (Bauteilkatalog) sollen die Eingangsdaten für den rechnerischen Nachweis des Schallschutzes zu-
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
sammengestellt werden. Gegenüber den entsprechenden
Teilen des derzeitigen Beiblatts 1 sind ganz erhebliche Überarbeitungen erforderlich:
• Umstellung von R’w auf Rw; dies betrifft in erster Linie den
Massivbau
• Berücksichtigung von Stoßstellendämm-Maßen kij
• Aktualisierung und Ergänzung von Bauteildaten.
Inwiefern der zuletzt genannte Punkt in absehbarer Zeit tatsächlich realisiert werden kann, hängt im wesentlichen von der
Unterstützung und Mitarbeit der „interessierten Kreise“ ab.
Das aufzubringende Engagement ist dabei partiell durchaus
unterschiedlich. Besondere Fortschritte konnten im Mauerwerksbereich erzielt werden. Der enorme, insgesamt zu erkennende Überarbeitungs- bzw. Neuerarbeitungsbedarf läßt
erwarten, dass die gewünschte Vollständigkeit des Bauteilkatalogs in vertretbarer Zeit nicht erreicht werden kann. Um
dennoch Handlungsfähigkeit und ein anwendbares Dokument
sicherzustellen, wird erwogen, den Bauteilkatalog als ein
„dynamisch“ weiter zu entwickelndes Dokument zu verstehen,
welches bei Vorliegen neuer abgesicherter Ergebnisse ergänzt
werden kann. Vorteil einer solchen „dynamischen“ Konzeption
wäre auch die permanente Aktualisierbarkeit des Bauteilkatalogs und damit die Gewähr eines stets aktuellen Dokuments.
Dieser Aspekt gewinnt zusätzliche Bedeutung, wenn berücksichtigt wird, dass der Bereich der haustechnischen Anlagen
wegen noch ausstehender europäischer Berechnungsverfahren zur Zeit noch gar nicht im Bauteilkatalog abgedeckt
werden kann.
Der Bauteilkatalog soll grundsätzlich auf der Basis von Einzahlwerten erstellt werden. Dies entspricht den Festlegungen
für die Vereinfachten Modelle, trägt aber auch dem Gesichtspunkt Rechnung, dass ein mit frequenzabhängigen Daten zu
füllender Bauteilkatalog alle derzeit bekannten Dimensionen
sprengen würde . Die Angabe frequenzabhängiger Daten wird
deshalb kommerziellen Softwarelösungen mit entsprechenden Datenbanken vorbehalten bleiben, die auch eine über
die DIN 4109 hinausgehende Anwendung der Detaillierten
Berechnungsmodelle vorsehen. Gegenüber dem derzeitigen
Beiblatt 1 ist beabsichtigt, die aufgeführten Ausführungsbeispiele durch Angaben zu Herkunft und Streuung der Daten
zu ergänzen. Darüber hinaus soll die Möglichkeit geboten
werden, in Form von „Musterlösungen“ solche Baulösungen
zu benennen, die ohne weiteren rechnerischen Nachweis
mit den dafür genannten Schallschutzwerten nachgewiesen
werden können.
Entgegen vielen Erwartungen wird es – zumindest in absehbarer Zeit – keinen europäischen Bauteilkatalog geben. Schon
in einer relativ frühen Erarbeitungsphase der EN 12354-1
zeigte sich nämlich recht schnell, dass die unterschiedlichen
nationalen Vorstellungen über die Inhalte und insbesondere
die anzugebende Zahlenwerte von Bauteildaten derartig
divergierten, dass ein einheitlicher europäischer Bauteilkatalog erst gar nicht erwogen wurde.
Ebenfalls in einem eigenständigen Dokument soll die Handhabung bauakustischer Prüfungen geregelt werden. Hierbei
geht es darum, die Vorgehensweise bei der Durchführung
bauakustischer Prüfungen im Labor und in Gebäuden festzulegen. Dazu sind die anzuwendenden Meßverfahren auf der
Basis der aktuellen europäischen Meßverfahren zu benennen.
Dort nicht geregelte Punkte bei der Meßdurchführung sind
aufzunehmen. Diese sind derzeit im neuen Beiblatt 4 zu DIN
4109 [3] zusammengestellt worden. Hierbei handelt es sich
um Ergänzungen aus der zurückgezogenen DIN 52 210.
2.12. Perspektiven zur Einführung
Die Ausführungen dieses Beitrags lassen erkennen, dass mit
der neuen DIN 4109 sowohl formal wie inhaltlich neue Wege
beschritten werden. Nach zahlreichen, oft lang andauernden
Diskussionen um Form und Inhalt konnten grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden, die den Weg für die konkrete
Erarbeitung freigemacht haben. Relativ weit gediehen sind
insgesamt die Arbeiten im Massivbaubereich, so dass dort mit
einer Fertigstellung der Normvorlagen noch im Jahr 2003 gerechnet werden kann. Von einer zusätzlichen Bearbeitungszeit
von etwa einem weiteren Jahr wird für den Holz- und Leichtbaubereich ausgegangen. Unwägbarkeiten dieser Prognose
ergeben sich allerdings aus der nicht ausreichend sichergestellten Unterstützung für alle noch erforderliche Arbeiten. So
wird gegenüber der angestrebten Komplettlösung vorerst mit
Abstrichen bezüglich Vollständigkeit und Aktualität des neuen
Bauteilkatalogs gerechnet werden müssen, damit die begonnene Arbeit in absehbarer Zeit zum Abschluß gebracht werden
kann. Schon jetzt aber sollte bedacht werden, dass mit der
neuen DIN 4109 ein völlig neues Konzept verfolgt wird, das bei
seiner Einführung mit Sicherheit noch bei weitem nicht alle
seine Möglichkeiten ausgereizt haben wird.
2.13. Umsetzung der europäischen Normen des baulichen Schallschutzes für die Porenbetonindustrie
Unter diesem Namen wurde an der Fachhochschule Stuttgart/Hochschule für Technik (HfT) im Auftrag der Forschungsvereinigung Porenbetonindustrie e.V. und mit Förderung
durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) ein umfangreiches Forschungsvorhaben
durchgeführt. Ziel war die Erarbeitung von Grundlagen, Berechnungsdaten und Anwendungskriterien, um für die Porenbetonindustrie Handlungsfähigkeit im Rahmen der europäischen Vorgaben und einer neuen DIN 4109 herzustellen. Im
Einzelnen ging es dabei um die folgenden Fragestellungen:
• Verifizierung des CEN-Berechnungsverfahrens für das
Bauen mit Porenbeton.
• Ermittlung abgesicherter Daten für die Schalldämmung und
Stoßstellendämmung von Porenbeton.
• Erarbeitung von Musterlösungen für Gebäude mit Porenbeton.
Die Untersuchungen sind vollständig in einem Forschungsbericht [17] dokumentiert und finden derzeit Eingang in die
aktuelle Normungsarbeit. Mit den abgesicherten Eingangsdaten für Mauerwerk aus Porenbeton und den gewonnenen
Erkenntnissen zur Handhabung des Rechenverfahrens kann
zukünftig der Schallschutz in Gebäuden mit Mauerwerk aus
Porenbeton ausreichend genau vorherberechnet werden. Die
Umsetzung der CEN-Rechenverfahren für Porenbetonbauteile
ist somit gewährleistet.
19
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
2.14. Daten für die Schalldämmung von Mauerwerk aus
Porenbeton
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der neuen Berechnungsverfahren ist die Verfügbarkeit geeigneter und abgesicherter Daten für die schalltechnischen Eigenschaften der
verwendeten Bauteile. Für die Direktdämmung von Mauerwerk kann dabei aus den in Abschnitt 3 genannten Gründen
nicht mehr auf die bisherigen Werte der DIN 4109 (Beiblatt 1,
Tabelle 1) zurückgegriffen werden. Da die nun geforderten
Schalldämm-Maße Rw (ermittelt ohne flankierende Übertragung!) nicht verfügbar waren, mussten sie komplett neu
gewonnen werden. Dies war eine vorrangige Aufgabe der in
[17] durchgeführten Forschungsarbeiten, um die Handlungsfähigkeit im neuen Normenkonzept herzustellen. Grundlage
für die Erstellung eines neuen und zuverlässigen Datenbestands für die Schalldämmung von Porenbeton waren Messungen an ausgewählten Porenbetonwänden in Prüfstellen,
die für die Durchführung von Eignungsprüfungen zugelassen
sind. Bei diesen Prüfungen wurden anhand eines dafür ausgearbeiteten Pflichtenheftes alle schalltechnisch relevanten
Merkmale erfasst. Insbesondere wurde bei den Untersuchungen in nebenwegfreien Prüfständen auch jeweils der Verlustfaktor der Prüfwand in eingebautem Zustand messtechnisch
erfasst, da sich dieser Einfluss als bedeutsam für das Messergebnis und dessen Anwendbarkeit herausgestellt hat [13, 14].
Ergänzend zu diesen Untersuchungen konnten zur Unterstützung der Aussagen noch Ergebnisse aus anderen Prüfstandsuntersuchungen herangezogen werden, die die vorliegenden
Ergebnisse bestätigten und damit weiter absichern konnten.
Begleitend und ergänzend zu den hier vorgestellten Untersuchungen wurden weitere Untersuchungen der schalltechnischen Eigenschaften von Porenbeton am Fraunhofer-Institut
für Bauphysik durchgeführt [19, 20, 21]. Diese Untersuchungen wurden in enger Abstimmung mit den Untersuchungen an
der HfT-Stuttgart [17] durchgeführt, so dass ein direkter Bezug zu diesen hergestellt werden konnte und insgesamt eine
abgesicherte Festlegung der Schalldämm-Maße für Porenbeton möglich wurde. Auf der Basis experimentell ermittelter
Materialeigenschaften (Rohdichte, Feuchte, E-Modul, PoissonZahl, Verlustfaktor) [19] wurden in [20,] und [21] Berechnungen
der Schalldämmung von Porenbetonwänden durchgeführt.
Es konnte festgestellt werden, dass eine vermörtelte Porenbetonwand als quasi homogene Platte betrachtet werden
kann. Die aufgebrachten Putzschichten spielen für die
Schalldämmung, außer der dadurch geringfügig erhöhten
flächenbezogenen Masse, praktisch keine Rolle. Durch vergleichende Berechnungen für andere Materialien wurde
außerdem festgestellt, dass Mauerwerk aus Porenbeton
höhere Werte der Schalldämmung aufweist als gleich
schwere Wände aus anderen Materialien höherer Rohdichte.
Die durchgeführten Untersuchungen führten insgesamt zu
dem Resultat, dass auch weiterhin die Angabe einer Massekurve zur Vorhersage der Schalldämmung von Mauerwerk aus
Porenbeton berechtigt und ausreichend ist. Weitere Parameter
müssen bei üblichen Anwendungsfällen nicht berücksichtigt
werden. Damit besteht trotz der theoretisch komplexen Zusammenhänge für die praktische Anwendung eine einfache
Prognosemöglichkeit für die Schalldämmung von Porenbeton.
70
Porenbeton
schwere homogene Massivbauteile
Schaslldämm-Maß RW [dB]
EN 12354-1 B2
60
50
40
30
50
150
250
flächenbezogene Masse m’ [kg/m2]
Abb. 2-2 Bewertetes Schalldämm-Maß Rw in Abhängigkeit von der flächenbezogenen Masse
20
350
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
Die aus den genannten Untersuchungen ermittelte neue
Massekurve ist im nachfolgenden Bild dargestellt. Die Formel
zur Berechnung dieses Zusammenhangs kann für die Berechnung des Schalldämm-Maßes für Porenbetonbauteile wie
folgt angegeben werden:
Rw = 26,1 log (m') – 8,4 [ m' in kg/m2]
Die Berechnung des Schalldämm-Maßes nach dieser Formel
liefert bereits auf den mittleren Verlustfaktor am Bau bezogene
Werte, was zu einer weiteren Verbesserung der Prognosegenauigkeit führt. Damit kann der errechnete Wert direkt ins
vereinfachte Rechenverfahren eingesetzt werden, ohne dass
eine weitere Umrechnung notwendig wird. Zu beachten ist
zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings, dass der in Abb. 2-2
und der oben genannten Formel dargestellte Zusammenhang
zwischen Schalldämm-Maß und flächenbezogener Masse
noch keinen Sicherheitsabschlag („Vorhaltemaß“) enthält, der
gegebenenfalls noch durch pragmatische Festlegungen im
zuständigen Normenausschuss festgelegt werden muss.
Ergänzend zu den verifizierten Angaben für Porenbeton
finden sich in Abb. 2-2 auch die im informativen Anhang B2
der DIN EN 12354-1 angegebenen Werte „für übliche monolithische Bauteile“. Diese führen zu um bis zu 9 dB geringeren
Schalldämm-Maßen gegenüber der hier ermittelten Massekurve. Da die vorgeschlagene Porenbetonkurve auf sorgfältigen Messungen beruht und durch verschiedene zusätzliche
Untersuchungen abgesichert ist, kann festgestellt werden,
dass die Angaben nach Anhang B2 deutlich zu niedrige Werte
der Schalldämmung liefern und damit den tatsächlichen
schalldämmenden Eigenschaften von Porenbeton nicht gerecht werden.
Zusätzlich ist in Abb.2-2 noch die Massekurve für schwere
homogene Massivbauteile angegeben. Diese Werte wurden
ebenfalls in Untersuchungen analog zu denjenigen für Porenbeton ermittelt und können somit unmittelbar mit ihnen verglichen werden. Der Vergleich zeigt, dass die Schalldämmung
von Porenbeton über den Werten von schweren homogenen
Materialien liegt. Dies ist auch theoretisch zu erwarten, wird
hier aber durch die vorliegenden Untersuchungen auch zahlenmäßig belegt und quantifiziert. In der zur Zeit noch gültigen
Norm DIN 4109 Beiblatt 1 ist für Materialien aus Porenbeton
und Leichtbeton mit Blähtonzuschlag mit Steinrohdichten
≤ 800 kg/m3 und einer flächenbezogenen Masse bis 250 kg/m2
ein Zuschlag von 2 dB vorgesehen. Dieser „Bonus“ findet sich
bei dieser Untersuchung im Vergleich zu homogenen Materialien mit höherer Rohdichte wieder und liegt hier zwischen
etwa 5 dB (bei kleinen flächenbezogenen Massen) und etwa
2 dB (bei größeren flächenbezogenen Massen).
Durch die Verwendung der ermittelten Massekurve für Porenbetonbauteile konnte eine deutliche Verbesserung der Übereinstimmung zwischen den Messwerten und den Rechenwerten nach DIN EN 12354-1 für die in Abschnitt 16 beschriebenen Bausituationen erreicht werden.
2.15. Behandlung von Stoßstellen
Das CEN-Berechnungsverfahren macht deutlich, dass die
Schallübertragung über flankierende Bauteile eine ganz
wesentliche Rolle für den resultierenden Schallschutz spielt
und zur maßgeblichen Aufgabe des Planers wird. Für massive
Bauteile kann gezeigt werden, dass die zu bestimmende
Flankendämmung von zwei Einflußgrößen bestimmt wird: die
Direktdämmung des flankierenden Bauteils und die Stoßstellendämmung an der Bauteilverbindung (Stoßstelle). Die Direktdämmung wird für Porenbetonwände mit den zuvor in Abschnitt 14 genannten Ergebnissen abgedeckt. Große Unsicherheiten bestanden jedoch bei der Anwendung geeigneter
Daten für die Stoßstellendämmung. Deshalb wurde diese
Fragestellung mit größter Aufmerksamkeit bearbeitet, da die
Qualität der benötigten Daten unmittelbar in die Berechnungsergebnisse für die flankierende Übertragung eingeht und das
Endergebnis der Berechnung stark beinflusst. Grundsätzliche
Fragestellungen zur Ermittlung und Handhabung von Stoßstellendämm-Maßen für Mauerwerk wurden in einem vom
Bundesbauministerium geförderten Vorhaben an der HfTStuttgart untersucht [18]. Umfangreiche Untersuchungen wurden dabei auch an Stoßstellen mit einer Porenbeton-Außenwand durchgeführt. In großem Umfang fanden innerhalb verschiedener Forschungsvorhaben der HfT-Stuttgart messtechnische Untersuchungen zur Stoßstellendämmung in ausgeführten Gebäuden in Massivbauweise statt, darunter im
Rahmen von [17] auch in zahlreichen Gebäuden mit Porenbeton-Mauerwerk.
Für die Anwendung des Stoßstellendämm-Maßes im Rahmen
eines Bauteilkatalogs kann ausgehend von den genannten
Untersuchungen die folgende Vorgehensweise vorgesehen
werden: eine Unterscheidung verschiedener Materialien im
Massivbau, d.h. bei Verwendung von homogenem Mauerwerk
aus Porenbeton, Kalksandstein und Leichtbeton sowie dem
Einsatz von Stahlbetondecken ist bei der Vorherberechnung
des Stoßstellendämm-Maßes nicht notwendig. Die Streuung
der Ausführung in Baustellen erscheint größer als der Einfluß
durch Materialparameter und Wanddicke. Eine Berechnung
des Stoßstellendämm-Maßes aus dem Verhältnis der flächenbezogenen Massen der beteiligten Bauteile stellt eine einfache
und in ihrer Übereinstimmung mit Messwerten im Mittel recht
gute Näherung der Stoßstellendämmung dar. Die Berechnung
erfolgt im Wesentlichen nach der in Anhang E zur DIN EN
12354-1 [8] dargelegten Methode. Damit lassen sich auch für
das Bauen mit Porenbeton die Stoßstelleneigenschaften auf
einfache Art und Weise in die Berechnung eingliedern.
2.16. Verifizierung des Berechnungsverfahrens für das
Bauen mit Porenbeton
Das in DIN EN 12354-1 vorgesehene Berechnungsverfahren
für die Ermittlung des Schallschutzes zwischen zwei Räumen
ist als allgemeingültiges Verfahren gedacht, das für die unterschiedlichsten Bauweisen Anwendung finden soll. Die Anwendbarkeit auf die bei uns übliche Massivbauweise, auch für
das Bauen mit Porenbeton, wurde allerdings nicht explizit
und detailliert nachgewiesen. Dazu kommt, dass einige wesentliche Schritte im Berechnungsgang (z.B. die so genannte
In-situ-Korrektur zur Berücksichtigung der Einbausituation
eines Bauteils) nicht bzw. nicht verbindlich festgelegt sind, so
dass innerhalb des Verfahrens ein gewisser Spielraum besteht, der sich in erheblichem Maße auf das Endergebnis der
Berechnung auswirken kann. Eine vorrangige Aufgabe in den
durchgeführten Forschungsarbeiten [17] war es deshalb, das
CEN-Berechnungsverfahren für das Bauen mit Porenbeton zu
verifizieren. Hierzu wurden in ausgeführten Gebäuden um-
21
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
fangreiche schalltechnische Analysen durchgeführt, die neben
der resultierenden Schalldämmung und dem Norm-Trittschallpegel mit Hilfe von Körperschallmessungen auch die flankierende Übertragung und die Stoßstellendämmung erfassten.
Für die messtechnisch erfassten Gebäude wurden mittels
zahlreicher verschiedener Berechnungsvarianten und Modifikationen der verwendeten Eingabedaten die schalltechnischen Verhältnisse für die Gesamtübertragung und die jeweiligen Einzelwege berechnet. Durch den direkten Vergleich mit
den gemessenen Werten der realen Gebäude konnten auch
Aussagen zur erreichbaren Genauigkeit der Berechnung gewonnen werden. Im Endergebnis konnte damit das CEN-Berechnungsverfahren für das Bauen mit Porenbeton verifiziert
werden und ist nun für planerische Zwecke mit der notwendigen Genauigkeit und Prognosesicherheit verfügbar [15].
2.17. Musterlösungen für Gebäude mit PorenbetonMauerwerk
In der Baupraxis wird auch in schalltechnischer Hinsicht
immer wieder auf bestimmte konstruktive Lösungen zurückgegriffen. Dies bedeutet, dass eine große Anzahl von ausgeführten Gebäuden bezüglich des Schallschutzes die gleichen
Konstruktionsmerkmale aufweisen. Wird für solche oft ausgeführten und für einen Großteil von Gebäuden repräsentative
Konstruktionen die Berechnung des zu erwartenden Schallschutzes in Form einer Musterlösung durchgeführt, so kann
für alle Gebäude, die entsprechend dieser Musterlösung ausgeführt werden, die Berechnung des Schallschutzes im Einzelfall entfallen. Dies ist die Vorgehensweise, die auch Eingang
in die neue DIN 4109 finden soll. Erreicht wird damit für viele
Anwendungsfälle eine Vereinfachung des Planungsprozesses
und sicherlich auch eine größere Akzeptanz der neuen Vorgaben für Planung und Schallschutznachweis. Gleichzeitig
aber werden solche Musterlösungen auch zur Erhöhung der
Planungssicherheit für den baulichen Schallschutz führen.
Die Möglichkeiten derartiger Musterlösungen sollen zukünftig
auch für das Bauen mit Porenbeton verfügbar sein. Bereits im
Rahmen der in [17] durchgeführten Untersuchungen wurde
deshalb bereits mit den notwendigen Untersuchungen zur
Festlegung solcher Musterlösungen begonnen. In einer aktuellen Forschungsarbeit an der HfT-Stuttgart werden diese
Untersuchungen zur Zeit weitergeführt. Hierbei handelt es sich
im Wesentlichen um sorgfältige messtechnische Analysen des
erreichten Schallschutzes und der einzelnen beteiligten
Schallübertragungswege in Gebäuden, die den festgelegten
Vorgaben für die beabsichtigten Musterlösungen entsprechen. Parallel wird für die beteiligten Gebäude nach den
Vorgaben des CEN-Berechnungsverfahrens und mit den dazu
ermittelten Eingangsdaten für das Bauen mit Porenbeton der
Schallschutz berechnet und mit den gemessenen Resultaten
verglichen werden. Denn eindeutige Prämisse für die Erarbeitung von solchen Musterlösungen ist hier, dass diese ausreichend durch baupraktisch nachgewiesene Ergebnisse
abgesichert werden müssen. Die derart erarbeiteten und validierten Musterlösungen sollen in die weitere Normungsarbeit
eingebracht werden.
2.18. Zweischaliges Mauerwerk für Haustrennwände
Zweischaliges massives Mauerwerk mit durchgehender
Trennfuge stellt heutzutage die übliche und den anerkannten
22
Regeln der Technik entsprechende Bauweise für Haustrennwände zwischen Doppel- und Reihenhäusern dar. Schalltechnisch relevante Ausführungsmerkmale und eine einfache Methode zur Abschätzung der erreichbaren Schalldämmung
werden in Beiblatt 1 zu DIN 4109 (Abschnitt 2.3) [1] geregelt.
Mit derartigen Konstruktionen ist bei richtiger Planung und
Ausführung eine hohe Schalldämmung erreichbar, die bei entsprechender Dimensionierung der Konstruktion auch den Vorschlägen für den erhöhten Schallschutz genügt [16]. Gerade in
der heutigen Bausituation sind diese Konstruktionen verstärkt
in den Vordergrund gerückt, da sich mittlerweile ein großer Teil
des Wohnungsbaus im Bereich der Doppel- und Reihenhäuser abspielt. Auch für das Bauen mit Porenbeton sind sie
deshalb von zunehmender Bedeutung. In zweierlei Hinsicht ist
dabei allerdings erheblicher Handlungsbedarf entstanden:
erstens werden diese Haustrennwände bislang nicht im CENBerechnungsverfahren berücksichtigt, so dass der schalltechnische Nachweis mit diesem Verfahren (noch) nicht geführt
werden kann. Zweitens wird in zunehmendem Maße auf die
Unterkellerung des Gebäudes verzichtet. Schalltechnisch hat
das erhebliche Konsequenzen, da nun die Trennfuge im
Bereich der schutzbedürftigen Räume nicht mehr als durchgehend betrachtet werden kann. Dies aber wird bei den nach
DIN 4109 angegebenen Konstruktionen und den dafür
genannten Schalldämm-Maßen vorausgesetzt. Da vielfach
keine vollständige schalltechnische Trennung mehr vorliegt,
ist erhebliche Planungsunsicherheit entstanden. Aus diesem
Grund werden in einem laufenden Forschungsvorhaben an
der HfT-Stuttgart mit Beteiligung der Forschungsvereinigung
der Porenbetonindustrie e.V. grundlegende Untersuchungen
durchgeführt, die sowohl die Probleme der Berechenbarkeit
als auch die konstruktiven Fragestellungen zum Inhalt haben.
Zum derzeitigen Zeitpunkt, wo noch keine abschließenden
Ergebnisse vorliegen, sollte seitens der Planer nur auf messtechnisch bereits abgesicherte Lösungen zurückgegriffen.
Falls diese nicht vorliegen, sollte im Sinne der Planungssicherheit nicht von den nach DIN 4109 prognostizierten
Werten ausgegangen werden sondern von Werten, die bei
unvollständiger Trennung etwa 5 dB (zum Teil auch mehr)
niedriger liegen.
2.19. Literatur
[1]
DIN 4109 Beiblatt 1 (Nov. 1989): Schallschutz im Hochbau; Ausführungsbeispiele und Rechenverfahren
[2]
DIN 52 210 (Aug. 1984): Bauakustische Prüfungen,
Luft- und Trittschalldämmung
[3]
Beiblatt 4 zu DIN 4109: Nachweis des Schallschutzes;
Güte- und Eignungsprüfung; Entwurf November 2000
[4]
Beiblatt 3 zu DIN 4109 (Juni 1996): Schallschutz im
Hochbau – Berechnung von R’w,R für den Nachweis
der Eignung nach DIN 4109 aus Werten des im Labor
ermittelten Schalldämm-Maßes Rw
[5]
Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedsstaaten über Bauprodukte (Bauproduktenrichtlinie), Dokument 89/106/EWG, Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften Nr. L40/12 vom
11. Februar 1989
2 Schallschutz – neue Erkenntnisse/neue Regelwerke
[6]
[7]
[8]
Draft of Interpretative Document for the Essential
Requierement Nr. 5, Protection against Noise, Council
Directve 89/106/EEC, Construction Products, Document TC 57019-Rev. 2 dated 15. 07. 1993
DIN 52 210-7 (Dez. 1997): Bauakustische Prüfungen –
Luft- und Trittschalldämmung – Teil 7: Bestimmung der
Norm-Flankenpegeldifferenz im Prüfstand
DIN EN 12354-1 (Dez. 2000): Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften; Teil 1: Luftschalldämmung zwischen
Räumen
[9]
DIN EN 12354-2 (Sept. 2000): Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften; Teil 2: Trittschalldämmung zwischen
Räumen
[10]
DIN EN 12354-3 (Sept. 2000): Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften; Teil 3: Luftschalldämmung gegen
Außenlärm
[11]
DIN EN 12354-4 (April. 2001): Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften; Teil 4: Schallübertragung von Räumen
ins Freie
[12]
Gerretsen, E.: European development in prediction
models for building acoustics, Acta Acustica 2 (1994),
S. 205 - 214
[13]
Schneider, M., Fischer, H-M.: Warum Labordaten für
die Berechnung des Schallschutzes nach DIN EN
12354 angepaßt werden müssen; Tagungsband zum
15. Bauphysikertreffen 2001, Veröffentlichungen der
Fachhochschule Stuttgart – Hochschule für Technik,
(2001)
[14]
Späh, M., Fischer, H-M.: Abgesicherte Eingangsdaten
für die Berechnung des Schallschutzes nach EN
12354-1; Tagungsband zum 15. Bauphysikertreffen
2001, Veröffentlichungen der Fachhochschule Stuttgart – Hochschule für Technik, (2001)
[15]
Blessing, S., Fischer, H-M.: Wie genau können Berechnungsverfahren den Schallschutz prognostizieren?
Tagungsband zum 15. Bauphysikertreffen 2001, Veröffentlichungen der Fachhochschule Stuttgart – Hochschule für Technik, (2001)
[16]
DIN 4109-10 (Entwurf Juni 2000): Schallschutz im
Hochbau, Teil 10: Vorschläge für einen erhöhten
Schallschutz von Wohnungen
[17]
Blessing, S., Schneider, M., Späh, M., Fischer, H-M.:
Umsetzung der europäischen Normen des baulichen
Schallschutzes für die Porenbetonindustrie; Forschungsbericht Nr. 1371 der Fachhochschule Stuttgart/Hochschule für Technik zum AIF-Vorhaben
Nr. 11640 N/1, Januar 2002
[18]
Schneider, M., Fischer, H-M.: Messung und Anwendung des Stoßstellendämm-Maßes kij für Mauerwerkswände im Massivbau; Forschungsbericht Nr. 1353-01
der Fachhochschule Stuttgart/Hochschule für Technik,
Juni 2001
[19]
Maysenhölder, W.: Innere Dämpfung von Porenbeton;
Bericht B-BA 4/1998 des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, 1998
[20]
Maysenhölder, W.: Rechnerische Untersuchungen zur
Schalldämmung von gemauerten Wänden aus Porenbetonsteinen; Bericht B-BA 2/2000 des FraunhoferInstituts für Bauphysik, 2000
[21]
Maysenhölder, W., Haberkern, R.:Ermittlung einer
Porenbeton-Formel für Rw; Bericht B-BA 5/2000 des
Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, 2000
23
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
3
Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
o.Univ. Prof. DDr. Ulrich Schneider, Dipl.-Ing. Monika Oswald
3.1
3.1 Einleitung
Jedes Gebäude ist dem Gefahrenfall „Brand“ ausgesetzt. Der
Verlauf von Bränden ist durch eine Vielzahl von Einflussgrößen
vorgegeben, die hemmend oder begünstigend auf den Brandverlauf wirken bzw. die daraus resultierenden Schäden beeinflussen. Aufgabe des Planers ist es die Grundsätze des Brandschutzes zu beachten, d. h. das Ereignis „Brand“ muss bereits
im Entwurfsstadium als Lastfall berücksichtigt werden. Entsprechend ihrer Wirkung in Bezug auf die Brandsicherheit
eines Gebäudes unterscheidet man zwischen potentiellen
Gefahren und Schutzmaßnahmen. Die vorzunehmenden
Schutzmaßnahmen sind wiederum abhängig vom Brandrisiko
und den Vorgaben in Bezug auf die angestrebten Schutzziele.
Um ein bestimmtes Sicherheitsniveau im Brandschutz zu
erreichen, stellt der Gesetzgeber dem Planer in Form von
Richtlinien und Bestimmungen Instrumentarien zur Seite, die
dazu dienen, die grundlegenden Schutzziele im Brandschutz
• den Schutz von Leben und Gesundheit von Personen im
betroffenen Gebäude und dessen Umgebung (Personenschutz) und
• den Schutz von Eigentum und die Begrenzung finanzieller
Schäden im betroffenen Gebäude und dessen Umgebung
(Sachwertschutz)
zu erreichen. In der Bundesrepublik Deutschland sind in jüngster Zeit in der Entwicklung der baurechtlichen Bestimmungen
gravierende Änderungen in den Brandschutznormen und Baugesetzen erkennbar, die z. B. Abminderungen bezüglich der
Brennbarkeit von Baustoffen und des Brandwiderstands bei
den Bauteilen im Geschossbau zur Folge haben. Demgegenüber wurde mit dem Entwurf einer Technischen Richtlinie
über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile von
Gebäuden der Gebäudeklasse 4 in Holzbauweise ein Regelwerk vorgelegt, welches die Einhaltung des bisherigen
Brandsicherheitsniveaus im Geschossbau sicherstellen soll.
Im Folgenden wird diese Entwicklung anhand der von der
Fachkommission Bauaufsicht im Okt. 2002 verabschiedeten
Musterbauordnung 2002 im Detail dargelegt. Des weiteren
vergleichende Risikobetrachtungen an mehrgeschossigen
Wohngebäuden (> 2 Geschosse) in Holzbau- und Massivbauweise durchgeführt. Darüber hinaus wird über die Ergebnisse
statistischer Erhebungen in Wohngebäuden unterschiedlicher
Bauart berichtet.
§ 2 MBO – Begriffe Absatz 3 Satz 1 enthält eine neue, zusätzliche Gliederung der Gebäude in Gebäudeklassen, die als systematische Grundlage für das Brandschutzkonzept erforderlich ist. Die Brandschutzanforderungen lösen sich damit von
der bisherigen Abstufung (im Wesentlichen) allein nach der
Gebäudehöhe und richten sich nach einer Kombination dieses
Kriteriums mit der Zahl und Größe von Nutzungseinheiten.
Gebäude mit Nutzungseinheiten, die deutlich kleiner sind als
Brandabschnitte, die gegeneinander mit Brandschutzqualität
abgetrennt sind und die über ein eigenes Rettungswegsystem
verfügen, wie z. B. Wohnungen, kleine Verwaltungseinheiten,
Praxen, kleine Läden, stellen für die Brandausbreitung und die
Brandbekämpfung durch die Feuerwehr ein geringeres Risiko
dar als Gebäude mit ausgedehnten Nutzungseinheiten. Für
Gebäude mit dieser Zellenbauweise (auch Kompartment-Bauweise genannt) sind daher geringere Brandschutzanforderungen vertretbar. Das Kriterium der Gebäudehöhe wird daher mit
der Größe der Nutzungseinheiten kombiniert, was zur Bildung
von fünf Gebäudeklassen führt.
Gebäudeklasse 1 umfasst freistehende Gebäude mit einer
Höhe bis zu 7 m mit nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten
von insgesamt nicht mehr als 400 m2. Das sind vor allem die
freistehenden Ein- und Zweifamilienhäuser, für die bisher
Sonderregelungen in den meisten Landesbauordnungen enthalten sind. Die Nutzung wird jedoch nicht mehr auf Wohnen
§ 2 MBO – Begriffe
(3) 1Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:
1. Gebäudeklasse 1:
a) freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und
nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt
nicht mehr als 400 m2 und
b) freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte
Gebäude,
2. Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr
als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr
als 400 m2,
3.2 Baurechtliche Bestimmungen
Die Musterbauordnung (MBO) wird von den Gremien der Bauministerkonferenz (Konferenz der für Städtebau, Bau- und
Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der
Länder) erarbeitet und von der Bauministerkonferenz beschlossen. Sie bildet die Grundlage für die Landesbauordnungen und für die Erarbeitung von bauaufsichtlichen Muster-Vorschriften (Verordnungen, Richtlinien) und technischen Regeln.
Im Folgenden wird im Wesentlichen auf diejenigen Änderungen in der MBO 2002 eingegangen, welche vor allem die
Brandschutzanforderungen an Wohngebäude betreffen.
24
3. Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,
4. Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2,
5. Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer
Gebäude.
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
beschränkt. Ebenfalls in die Gebäudeklasse 1 sind die freistehenden landwirtschaftlichen Betriebsgebäude eingeordnet.
Die gleichen Gebäude (ohne landwirtschaftliche Betriebsgebäude) sind in die Gebäudeklasse 2 eingestuft, wenn sie nicht
freistehend sind. In Gebäudeklasse 3 werden alle übrigen Gebäude einer Höhe bis zu 7 m eingeordnet. Gebäudeklasse 4
umfasst Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2. Alle sonstigen
Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude fallen in die
Gebäudeklasse 5. Die Einstufung in Gebäudeklassen ist unabhängig von der Einstufung als Sonderbau nach § 2 Absatz 4.
Im vierten Abschnitt der MBO: Wände, Decken, Dächer sind
im § 26 allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von
Baustoffen und Bauteilen festgelegt. § 26 greift dabei die in
der MBO Fassung 1996 im § 17 Abs. 2 und 3 a. F. enthaltenen
allgemeinen Anforderungen an Baustoffe und Bauteile auf und
vervollständigt diese, sodass darin nun das gesamte System
der im Gesetz verwendeten Begriffe und deren Zuordnungen
zueinander enthalten ist.
Die technische Umsetzung der Anforderungen erfordert wie
bisher eine Zuordnung der bauordnungsrechtlichen Begriffe
zu Klassen von Baustoffen und Bauteilen, die sich aufgrund
von Brandversuchen nach technischen Regeln (DIN 4102 bzw.
DIN EN 13501) ergeben. Diese Zuordnung ist in der Bauregelliste A Teil 1 in den Anlagen 01 und 02 veröffentlicht. Absatz 1
Satz 1 nennt die auch bisher schon benutzten Bezeichnungen
für die Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen.
Satz 2 enthält das bisher in § 17 Abs. 2 a. F. enthaltene Verbot
der Verwendung leichtentflammbarer Baustoffe. Absatz 2
Satz 1 Halbsatz 1 nennt neben den bisher benutzten Bezeichnungen für die Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen (feuerhemmend, feuerbeständig) neu eine
dazwischen liegende Stufe und bezeichnet sie als hochfeuerhemmend. Den Begriffen entsprechen folgende Feuerwiderstandsdauern:
• feuerhemmend :
• hochfeuerhemmend:
• feuerbeständig:
30 Minuten,
60 Minuten,
90 Minuten.
§ 27 enthält wie § 25 a. F. die Anforderungen an die tragenden
Wände und Stützen. Absatz 1 Satz 1 enthält neu eine Schutzzielformulierung. Diese Schutzzielformulierung, die jeder Einzelanforderung der §§ 27 bis 32 vorangestellt ist, besteht aus
zwei Elementen:
• die vom Bauteil verlangte Funktion im Brandfall (hier: Standsicherheit) und
• die zeitliche Dauer (ausreichend lang).
Sie werden durch die geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit in
den jeweils nachfolgenden Regelungen konkretisiert, unterschieden nach Gebäudeklassen und bestimmten Fallgestaltungen. Satz 2 enthält wie § 25 Satz 1 a. F. die Feuerwiderstandsfähigkeitsanforderung. Die neue Anforderungsstufe
hochfeuerhemmend wird der Gebäudeklasse 4 (Oberkante
Fußboden der Aufenthaltsräume < 13 m, 400 m2 Nutzungseinheiten, s. Begründung zu § 2 Abs. 3) zugeordnet. Für
Gebäude geringer Höhe der Gebäudeklassen 2 und 3 bleibt
es bei der Anforderungsstufe feuerhemmend. Die in § 25
Abs. 3 a. F. enthaltene Freistellung der freistehenden zweigeschossigen Einfamilienhäuser und anderer freistehender
Gebäude vergleichbarer Größe von Brandschutzanforderungen wird ausgedehnt auf alle Gebäude der Gebäudeklasse 1;
die landwirtschaftlich genutzten Gebäude werden dabei wie
bisher erfasst.
§ 27 MBO – Tragende Wände, Stützen
(1) 1Tragende und aussteifende Wände und Stützen
müssen im Brandfall ausreichend lang standsicher sein.
2Sie müssen folgendermaßen ausgeführt sein:
1. in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 feuerbeständig
2. in Gebäuden der Gebäudeklasse 4 hochfeuerhemmend
[neu]
3. in Gebäuden der Gebäudeklasse 2 und 3
feuerhemmend
§ 26 MBO – Allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen
(1) 1Baustoffe werden nach den Anforderungen an ihr Brandverhalten unterschieden in:
1. Nichtbrennbare,
2. Schwerentflammbare,
3. Normalentflammbare.
2Baustoffe,
die nicht mindestens normalentflammbar sind (leichtentflammbare Baustoffe) dürfen nicht verwendet werden;
dies gilt nicht, wenn sie in Verbindung mit anderen Baustoffen nicht leicht-entflammbar sind.
(2) 1Bauteile werden nach den Anforderungen an ihre Feuerwiderstandfähigkeit unterschieden in:
1. Feuerbeständige,
2. Hochfeuerhemmende [neu]
3. Feuerhemmende.
Die Feuerwiderstandfähigkeit bezieht sich bei den tragenden und aussteifenden Bauteilen auf deren Standsicherheit im
Brandfall, bei raumabschließenden Bauteilen auf deren Widerstand gegen die Brandausbreitung …
25
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
In § 30 werden die Anforderungen an Brandwände im Detail
geregelt. Hierzu wird in Absatz 1 als Schutzziel gefordert, dass
Brandwände als raumabschließende Bauteile ausreichend
lang die Brandausbreitung
• als Gebäudeabschlusswand auf andere Gebäude,
• als innere Brandwand auf andere Brandabschnitte
verhindern müssen.
§ 30 MBO – Brandwände
(1) Brandwände müssen als raumabschließende Bauteile
zum Abschluss von Gebäuden (Gebäudeabschlusswand) oder zur Unterteilung von Gebäuden in Brandabschnitte (innere Brandwand) ausreichend lang die
Brandausbreitung auf andere Gebäude oder Brandabschnitte verhindern.
(2) …
(3) 1Brandwände müssen auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung feuerbeständig sein und aus
nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. 2Anstelle von
Brandwänden nach Satz 1 sind zulässig:
1. für Gebäude der Gebäudeklasse 4 Wände, die auch
unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung hochfeuerhemmend sind [neu],für Gebäude der Gebäudeklasse 1 bis 3 hochfeuerhemmende Wände [neu],
3. …
Die Anforderungen der nachfolgenden Absätze beziehen sich
teilweise nur auf Gebäudeabschlusswände oder auf innere
Brandwände.
§ 30 Absatz 3 Satz 1 entspricht § 28 Abs. 3 a. F. und enthält die
grundsätzlichen Anforderungen an eine Brandwand. Satz 2
regelt neu die umfangreiche Zulässigkeit anderer Wände anstelle von Brandwänden mit zum Teil deutlich geringeren Anforderungen bis hin zur Verwendung brennbarer Baustoffe.
Die reduzierten Anforderungen berücksichtigen die konstruktiv mögliche Aussteifung durch die (jeweils geforderte) Tragkonstruktion der Gebäude. So dürfen z. B. in Gebäuden der
Gebäudeklassen 4 anstatt von Brandwänden hochfeuerhemmend ausgeführte Wände errichtet werden, die jedoch zusätzlichen mechanischen Beanspruchungen standhalten
müssen. Für Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 sind sogar
nur hochfeuerhemmende Wände anstelle von Brandwänden
gefordert; d. h. es wird die Meinung vertreten, dass bei diesen
Gebäudeklassen die Funktion einer nichtbrennbaren, feuerbeständigen Brandwand, die im Brandfall darüber hinaus zusätzlichen mechanischen Anforderungen standhält, ebenso
durch eine brennbare, hochfeuerhemmende Wand gegebenenfalls ohne zusätzliche mechanische Beanspruchbarkeit
erfüllt werden kann.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Abminderungen in den brandschutztechnischen Anforderungen
bzw. an das Gebäudedesign in Bezug auf die Brennbarkeit
von Baustoffen und die Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen,
die u. a. einen Zuwachs von brennbaren Bestandteilen am
Gebäude bewirken, ohne die gleichzeitige Forderung nach zu-
Gesamtbrandlast
Mobile Brandlast
Konstruktive Brandlast
nutzungsspezifische
Ausstattung, Mobilar, etc.
Bauweisenspezifische
Brandlast
Konstruktionsneutrale
Brandlast
Trag- und
Ausbaukonstruktionen
z.B. Fenster, Türen;
Installationen;
Gebäudetechnik
Abb. 3-1 Zusammensetzung der Brandlastanteile in einem Gebäude nach [7]
26
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
sätzlichen brandschutztechnischen Maßnahmen (z. B. anlagentechnische Einbauten in Form von Brandmelde- oder
Sprinkleranlagen) eine deutliche Erhöhung des Brandrisikos
in Bezug auf den Personen- und Sachwertschutz verursachen
können.
Zu beachten ist, dass die im Gebäude vorhandenen Baustoffe
und deren Brandverhalten (brennbar/nichtbrennbar) einen
wesentlichen Einfluss auf die Risikogröße „Brand“ nehmen;
d. h. das im Gebäude vorhandene Gefährdungspotential ist
primär abhängig von den Brandlasten, die den Brandverlauf
und das Brandgeschehen maßgeblich beeinflussen. Dies gilt
vor allem in Bezug auf die
• Brandentstehung bzw. Brandentwicklung (Brandentstehungswahrscheinlichkeit)
• Brandausbreitung (Brandausbreitungswahrscheinlichkeit)
• Entstehung eines Flashovers, d. h. die schlagartige
Entzündung aller brennbaren Materialien im Brandraum
(Vollbrandwahrscheinlichkeit).
Die Fachkommission Bauaufsicht hat die mit den geplanten
Erleichterungen zu Gunsten des Holzbaus verbundenen Risiken frühzeitig erkannt und die Erarbeitung einer Technischen
Richtlinie für den Holzbau in der Gebäudeklasse 4, d.h. viergeschossiger Wohnbau plus Dachgeschoss mit brennbarer
Tragkonstruktion, mitangeregt, weil über diese Bauart keine
Erfahrungen vorliegen und die bisher verwendeten Holzkonstruktionen im Mehrgeschossbau keine hinreichende
Sicherheit bieten.
3.3 Brandlasten
Das Brandgeschehen entwickelt sich in Bezug auf die oben
genannten Faktoren naturgemäß umso kritischer, je größer
der Anteil an brennbarem Inventar sowie an brennbaren und
ungeschützten Bauteilen im und am Gebäude ist. Die Abb. 3-1
stellt die grundsätzliche Gliederung der Gesamtbrandlast in einem Gebäude dar (nach [7] und [13]). Danach setzt sich die
Gesamtbrandlast aus den mobilen und den konstruktiven
Brandlasten zusammen. Der Gebäudeinhalt stellt dabei die
mobile Brandlast mit allen im Gebäude vorhandenen Einrichtungsgegenständen, den nutzungsspezifischen Ausstattungen und dem Mobiliar dar. Die mobile Brandlast beschreibt
dabei im Wohnbau eine nur sehr schwer zu bestimmende
Größe, die nicht allgemein gültig festgelegt werden kann,
weil sie auch abhängig ist von den persönlichen Verhältnissen
und Lebensgewohnheiten, zeitlichen Modeerscheinungen,
dem sozialen Umfeld, sowie weiteren sozioökonomischen
Faktoren.
Die konstruktive, immobile Brandlast hingegen setzt sich aus
der bauweisenspezifischen und den konstruktionsneutralen
Brandlasten zusammen, Größen die für unterschiedliche Bauweisen eindeutig festgelegt und bestimmt werden können.
Die bauweisenspezifische Brandlast ist abhängig von der Tragund Ausbaukonstruktion und den dabei verwendeten Materialen. Die konstruktionsneutralen Brandlasten beziehen sich
hingegen auf Einbauten im Gebäude, die sowohl bei Massivals auch bei Holzbauten Verwendung finden, wie z. B. Fenster,
Türen, Installationen, sonstige Gebäudetechniken etc.
700.000
600.000
Brandlast aus Konstruktion
Brandlast aus Mobiliar und Gebäudetechnik
500.000
400.000
300.000
200.000
100.000
0
Brettstapel
Skelett
Holzrippen
Massivbau
Abb. 3-2 Gegenüberstellung der konstruktiven und mobilen Brandlasten für unterschiedliche Bauweisen in einem
4-geschossigen Wohnbau mit ca. 800 m2 Wohnnutzfläche nach [1]
27
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Die Abb. 3-2 zeigt, dass sich die Brandlasten in einem mehrgeschossigen Wohnbau mit einer durchschnittlichen Wohnnutzfläche von ca. 800 m2 bei den vier angegebenen Konstruktionsarten insgesamt bis zu einem Faktor Vier unterscheiden; d.h. in einem Holzwohnbau sind die zwei- bis vierfachen Mengen an brennbaren Stoffen vorhanden wie in einem Massivwohnbau [1]. Dementsprechend ist naturgemäß
mit einem deutlich höheren Brandrisiko zu rechnen, wie in [7]
eindeutig gezeigt ist und auch aufgrund einer über 10 Jahre
geführten Brandstatistik von Wohngebäuden [28] eindeutig
belegt wurde. Darauf wird später noch eingegangen.
Der Vergleich der bauweisenspezifischen Brandlasten für
unterschiedliche Holzbauweisen mit dem Massivbau in der
Abb. 3-2 zeigt weiterhin, dass der Holzrippenbau im Vergleich
zum Massivbau in etwa die 9,5-fache Menge an konstruktiven
Brandlasten aufweist. Der Skelettbau erreicht bereits die
21-fache Menge an konstruktiven, brennbaren Bestandteilen
und die Brettstapelkonstruktion die 31,5-fache Menge an
konstruktiven Brandlasten. Diese Gegenüberstellung zeigt
deutlich, dass die konstruktiven Brandlasten bei Holzkonstruktionen in einem maßgeblichen Verhältnis zu den Gesamtbrandlasten stehen und deshalb naturgemäß im Brandfall
durch die dem Baustoff Holz immanente Eigenschaft der
Brennbarkeit wesentlichen Einfluss auf die Brandentstehung
und -entwicklung nehmen (vergl. [1]).
Bauteilkonstruktionen, die brennbare Baustoffe z. B. in Form
von Vollholz, Holzwerkstoffen oder organischen Dämmstoffen
enthalten, weisen nach [1] und [7] grundsätzlich folgende zusätzliche oder erschwerende Gefahrenpotentiale gegenüber
nichtbrennbaren Massivbauten auf:
1. Zusätzlicher Eintrag von Brandlasten
2. Erhöhung der Rauchgasentwicklung und Pyrolyseprodukte
3. Zusätzliche Bildung und Ausbreitung von Kohlenmonoxid
4. Brandentstehung innerhalb der Konstruktion
5. Brandeinleitung und Weiterleitung in Konstruktionshohlräumen
6. Gefahr von Nachentzündungen und Bildung von
Glutnestern
7. Erhöhung der Flashovergefahr
Am bedenklichsten für das Brandgeschehen ist in dieser Auflistung der zusätzliche Eintrag von konstruktiven Brandlasten
zu bewerten, da brennbare Baustoffe, wenn sie dem Feuer zugänglich sind, sich im Brandfall vergleichsweise schnell thermisch zersetzen und zusätzliche Energie sowie toxische
Brandgase freisetzen.
Die Abb. 3-3 zeigt qualitativ die zu erwartenden Temperaturentwicklungen bei einem Brand in einem Massivbau und in einem Holzbau. Es zeigt sich, dass bei Wohngebäuden aus
nichtbrennbaren Baustoffen (z. B. Mauerwerks- oder Stahlbetonbau) der Brand nach dem Verzehren der mobilen und konstruktionsneutralen Brandlasten im Brandfall schnell erlischt.
Bei der Holzbauweise hingegen beteiligen sich zusätzlich zu
den mobilen Brandlasten die dem Feuer mittelbar oder unmittelbar zugänglichen Trag- und Bekleidungskonstruktionen
am Brandgeschehen. Es ist damit zu rechnen, dass während
eines Brandes die durch nichtbrennbare Bekleidungen bis zu
einem gewissen Zeitpunkt geschützten immobilen Brandlasten (z. B. Wandständer, Holzbalken in Deckenkonstruktionen
etc.) sich zeitlich verzögert ebenfalls am Brandgeschehen beteiligen; d. h. Holzkonstruktionen weisen prinzipiell im Brandfall einen höheren Energieeintrag, eine größere Temperaturund Brandgasentwicklung und in weiterer Folge eine größeren
Zerstörungsgrad am Gebäude auf als Massivbauten.
Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojektes hat sich
das Institut für Baustofflehre, Bauphysik und Brandschutz der
TU Wien mit Fragen der Sicherheit und des Verhaltens von
mehrgeschossigen Wohngebäuden im Falle von Bränden beschäftigt. Dabei hat sich neben der detaillierten Untersuchung
des Brandlasteinflusses ergeben, dass die derzeit übliche
Brandschutzberechnung einzelner Bauteile im Hinblick auf
das Verhalten der Gesamtkonstruktion je nach Bauart zu Risi-
Brandraumtemperatur T [°C]
ETK nach ÖNORM
B 8300 Teil 2
Massivbauweise
Holzbauweise
Branddauer t [min]
Abb. 3-3 Einfluss der bauweisenspezifischen Brandlasten auf das Brandszenarium
28
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
ken führen kann, welche vor allem im Wohngeschossbau zu
beachten sind, wenn überwiegend brennbare Baustoffe zur
Anwendung kommen [13].
Die konstruktive Untersuchung eines Bauwerks bzw. die
Bewertung der Gesamtkonstruktion unter Brandeinwirkung
erfordert einerseits die Betrachtung einzelner Bauteile im Hinblick auf die verwendeten Baustoffe und ihre Herstellung sowie der Bauteilfunktion und andererseits die Beurteilung des
Zusammenwirkens sämtlicher Konstruktionselemente als
Ganzes. Es ist vollkommen klar, dass der Brandwiderstand
einzelner tragender Bauteile, z. B. von Stützen, den Brandwiderstand der Gesamtkonstruktion ausschlaggebend beeinflussen kann. Für den mehrgeschossigen Wohnbau ist der
Einbau von tragenden Einzelstützen allerdings nicht relevant.
Hier überwiegt das Zusammenwirken der einzelnen Bauteile
unter Berücksichtigung des Verhaltens von Unterstützungen,
Anschlüssen und Verbindungen; wobei im Holzbau zusätzlich
die Wirksamkeit von Aussteifungen zur Vermeidung eines
Stabilitätsversagens zu beachten ist. Die Standsicherheit
Gebäudes unter den üblichen Gebrauchslasten ist im Falle
zusätzlicher Brandeinwirkungen insoweit sehr schwierig zu
beurteilen. Die Frage, ob die normgerechte brandschutztechnische Bemessung von Einzelbauteilen zur Erzielung eines
adäquaten Brandverhaltens der Gesamtkonstruktion führt,
wird im Folgenden für die Massiv- und Holzbauweise anhand
einzelner Bauelemente und deren Zusammenwirken untersucht. Im Detail werden folgende Bauelemente und Konstruktionen des Wohngeschossbaus untersucht und bewertet:
•
•
•
•
•
Ausnutzungsfaktor von α2 = 1,0 eine vollfugig versetzte Porenbetonwand mit einer Mindestdicke von 20 cm erforderlich
(siehe Abb. 3-4).
Tragende Wand aus Porenbeton
Klassifikation F 180 (REI 180)
Voraussetzungen:
Mindestdicke d = 20 cm
Rohdichteklasse ≥ 0,4
Stoßfugen Nut und Feder
unvermörtelt
mind. 20 cm
Abb. 3-4 Ausführungsbeispiel einer tragenden Wand
aus Porenbeton-Plansteinen nach [16]
Das Ausführungsbeispiel einer zweischaligen tragenden
Wand aus Porenbeton erlangt bereits durch die tragende
Innenschale aus Porenbeton-Plansteinen oder Planelementen
mit einer Mindestdicke von 20 cm bei einseitiger Brandbeanspruchung die F180 (REI180) Klassifikation (siehe Abb. 3-5).
Wandbauteile
Deckenbauteile
Verbindungen, Anschlüsse und Fugen
Fassaden
Öffnungen
Tragende 2-schalige
Wand aus Porenbeton
Klassifikation F 180
(REI 180)
3.4
Beurteilung unterschiedlicher Bauarten und
Bauelemente
3.4.1 Wandbauteile in Massivbauweise
Voraussetzungen:
Mindestdicke d = 20 cm
Massive tragende Wände müssen bereits aus statischen
Gründen derart bemessen sein, dass die Konstruktion in jedem Fall mindestens der Klassifikation F 90 (zukünftig REI 90
nach [27]) entspricht. Mauerwerks- oder Stahlbetonkonstruktionen besitzen somit im Gegensatz zu den Konstruktionsweisen aus Holz im Wohnbau üblicherweise „stille“ Reserven
hinsichtlich ihrer Feuerwiderstandsdauer, welche dazu beigetragen haben, dass die Brandsicherheit im Wohngeschossbau bei uns als vergleichsweise hoch eingestuft wurde. Man
könnte auch umgekehrt sagen, die übliche Massivbaukonstruktion im Wohnbau ist hinsichtlich des Brandschutzes
überbemessen.
In den nachstehenden Abb. 3-4 und 3-5 sind Beispiele für
tragende Wände in ein- und zweischaliger Ausführung dargestellt. In Abhängigkeit vom Baumaterial und der Wandstärke
wird bereits bei typischen Wohnbaukonstruktionen eine Einreihung in die Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-4 mit
einer F180 (REI 180) Klassifikation erzielt, obwohl die baurechtlichen Anforderungen typischerweise die Klasse F90
(alte MBO) bzw. F60 (neue MBO) nicht überschreiten. Für ein
tragendes, raumabschließendes Mauerwerk aus Porenbeton
ist hierfür bei einseitiger Brandbeanspruchung und einem
ohne Hohlräume
Rohdichteklasse ≥ 0,4
Stoßfugen Nut und Feder
unvermörtelt
mind. 20 cm
Abb. 3-5 Ausführungsbeispiel einer tragenden
2-schaligen Wand aus Porenbeton-Plansteinen nach [16]
Es zeigt sich somit eindeutig, dass massive Wände bereits
aufgrund ihrer statischen Ausbildung und den daraus resultierenden Querschnitten, eine große Masse, Wärmespeicherfähigkeit und Feuerwiderstandsdauer besitzen. Im mehr-
29
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
geschossigen Wohnbau in Massivbauweise ist davon auszugehen, dass die massiven Wände während eines Raumbrandes nur einseitig beflammt werden, da es sich in der Regel um
die Außenwände des Gebäudes oder Querschnitte zwischen
den Wohneinheiten handelt.
3.4.2 Wandbauteile in Holzbauweise
Ein Wandbauteil in Holzbauweise muss zahlreiche Anforderungen erfüllen, um die Entzündung der brennbaren Tragkonstruktion zu verhindern. Eines der wesentlichen Kriterien
im mehrgeschossigen Wohnbau in Holzbauweise ist eine
„brandschutztechnisch wirksame“ raumseitige Beplankung
des Wandbauteils. Sie muss derart ausgeführt werden, dass
die Entzündung der brennbaren Tragkonstruktion sowohl
während der Brandbelastung als auch in der Abkühlphase wirkungsvoll verhindert wird. Gravierende Beschädigungen, z.B.
in Form von klaffenden, durchgehenden Rissen bzw. ein Abfallen oder Ablösen der Beplankung, sind unter Brandbeanspruchung praktisch nicht zu vermeiden.
Eine wirksame Brandschutzbekleidung muss, wenn sie in baurechtlichen Vorschriften einen festen Platz erhalten soll,
brandschutztechnisch genau beurteilt werden. Die Festlegung
des Zeitraumes bis zum Versagen der Beplankungen unter
Brandbeanspruchung erfolgte deshalb erstmalig im deutschen Entwurf einer Muster-Holzbaurichtlinie [19] für eine
Prüfung nach DIN 14135 (K 60) mit mindestens 60 Minuten.
Die determinierten Leistungskriterien sind dabei die Verhinderung der Entzündung bzw. Verkohlung des Holztragsystems
unterhalb der Brandschutzbekleidung bei 300 °C. Das Versagenskriterium ist in der Regel der Verlust des Raumabschlusses („E“-Kriterium) durch Versagen der Kapselung.
In den nachfolgenden Abb. 3-6 und 3-7 sind unterschiedliche
Lösungsvarianten eines Wandanschlusses gegenübergestellt.
Die Abb. 3-6 zeigt ein Anschlussbeispiel für eine Trennwand
an eine Außenwand gemäß den Standardlösungen der PROHOLZ-Österreich [24]. Die innenseitige Brandschutzbekleidung der Außenwand wird darin mit einer Lage Gipsfaserplatte in 10 mm Dicke als ausreichend angegeben. Eine einlagige Gipskartonbeplankung hat sich jedoch aus der Sicht
des Brandschutzes generell als ungenügend herausgestellt,
d.h. eine derartige Verkleidung kann die Holzkonstruktion
nicht über einen längeren Zeitraum vor der Brandeinwirkung
schützen. Des weiteren wird im vorliegenden Ausführungsbeispiel durch den fehlenden Versatz der Brandschutzbekleidungen im Eckebereich eine vorzeitige Entzündung der
Tragkonstruktion im Brandfall begünstigt.
Demgegenüber stellt die Abb. 3-7 eine Lösungsvariante
gemäß den Anforderungen der in Deutschland entwickelten
Muster-Holzbaurichtlinie [19] dar. Für die Brandschutzbekleidung dürfen hierbei nur nichtbrennbare Verkleidungsmaterialen verwendet werden. Die Herstellung der Verkleidung der
tragenden Konstruktion muss mindestens aus zwei Plattenlagen mit annähernd gleichem Temperatur- und Verformungsverhalten erfolgen, wobei die Fugen bei allen Wand- und
Deckenanschlüssen versetzt angeordnet sein müssen. Des
weiteren werden die Holzsteher der beiden Wandelemente im
Stoßbereich miteinander verschraubt. Die Konstruktion hat
zwar den Nachteil, dass bei Wohngebäuden in Holzkonstruktion das Holz optisch verschwindet, sie hat jedoch den Vorteil
einer vergleichsweise brandsicheren Bauweise. In Österreich
ist man derzeit noch weit entfernt von der Realisierung derartiger Konstruktionen, d. h. es gibt keine Holzbaurichtlinie für
den Brandschutz.
Abb. 3-6 Lösungsvariante eines Anschlusses Außenwand-Trennwand nach PROHOLZ-Österreich [25]
30
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
kann. Bei Geschossdecken in Massivbauweisen erfolgen die
Lastabtragungen darüber hinaus meist linienförmig und zweibzw. vierseitig, d. h. ein Einsturz der Gesamtkonstruktion kann
aufgrund der mehrseitigen Auflagerung ausgeschlossen werden.
Die Durchwärmungsgeschwindigkeit bei den heute im Wohnbau üblicherweise verwendeten Stahlbetondecken oder
Porenbetondecken ist unter Brandeinwirkung relativ gering,
d.h. Zerstörungen treten erst nach einer längeren Zeitspanne
und zuerst in den äußeren Schichten auf. Dabei wirkt sich der
Innenwandverputz des Deckenbauteils positiv auf die Durchwärmungsgeschwindigkeit des Stahlbetons aus. Versuchserfahrungen haben gezeigt, dass ausreichend haftende
Putzverkleidungen in Verbindung mit Stahlbetonbauteilen die
Feuerwiderstandsdauer einer Stahlbetonplatte je nach Putzzusammensetzung bis zu 600 % vergrößern können [21].
Abb. 3-7 Lösungsvariante eines Anschlusses tragender,
raumabschließender Wände nach Muster-Holzbaurichtlinie [19]
Nur zweilagige Beplankungen tragender Holzkonstruktionen,
praxisgerechte Ausführung und eine brandschutztechnisch
wirksame Kombination der Werkstoffe vorausgesetzt, sind geeignet, um die Anforderungen an den Brandschutz zu erfüllen.
Eine solche Kombination von Werkstoffen stellt z.B. die bei
Brandversuchen in Deutschland [18] getestete Bekleidung aus
einer brandseitig liegenden, 20 mm starken, speziellen Gipskarton-Feuerschutzplatte in Kombination mit einer 15 mm
starken, speziellen Gipsfaserplatte dar. Das in der Feuerschutzplatte enthaltene Glasvlies verhindert eine frühzeitige
Rissbildung und somit kann während der gesamten Brandbeanspruchungsdauer keine Entzündung der brennbaren
Tragkonstruktion stattfinden. Diese beiden genannten Plattentypen weisen zudem ein ähnliches Dehnungsverhalten auf, um
die Rissbildung nicht zusätzlich zu verstärken. Nach dem Entwurf der deutschen „Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen von Gebäuden der Gebäudeklasse 4 in
Holzbauweise“ [25] müssen die Konstruktionshohlräume des
weiteren mit nichtbrennbarem Dämmmaterial (Schmelzpunkt
> 1000 °C) vollständig ausgefüllt werden.
Die Ergebnisse der Naturbrandversuche in Lehrte [15] haben
in Bezug auf das Zusammenwirken der Decken- und Wandbauteile gezeigt, dass sich aufgrund der Dehnungen von
Stahlbetondecken geringfügige Verschiebungen im darüber
und darunter stehenden Mauerwerk ergeben können. Es wurde jedoch weder bei einer Brandbelastung der Stahlbetondecken nach der Einheitstemperaturkurve (ETK) von über 120
Minuten Dauer noch durch einen Realbrand mit der sehr hoch
angesetzten mobilen Brandlast von 90 kg Holz/m2 (die mittleren mobilen Brandlasten im Wohnbau liegen zwischen 240
und 260 kWh/m2, d. h. im Mittel bei etwa 52 kg Holz/m2) ein
Tragfähigkeitsverlust der Decke festgestellt. Des weiteren
blieb die raumabschließende Funktion in allen Fällen gänzlich
erhalten, d. h. im derzeitig üblichen massiven Geschosswohnbau ist aufgrund der ausreichenden Sicherheit der Gesamtkonstruktion kein Versagen im Brandfall zu erwarten.
Anhand des folgenden Fallbeispiels kann der Unterschied
zwischen Massiv- und Holzbauweise besonders anschaulich
dargestellt werden. Bei dem untersuchten Objekt handelt
es sich um ein Einfamilienhaus in Massivbauweise, wobei
die massiv ausgebildeten Deckenbauteile im Wohnbereich
nachträglich mit einer Holzverkleidung versehen wurden. Die
nachfolgenden Abb. 3-8 und 3-9 zeigen die Auswirkungen
eines Zimmerbrandes auf das Tragverhalten der Wände und
Decken.
3.4.3 Deckenbauteile in Massivbauweise
Aus statischen Gründen sind grundsätzlich bei fast allen
Gebäuden in Massivbauweise zusätzliche Tragreserven der
Geschossdecken vorhanden. Dies ist unter anderem dadurch
zu erklären, dass im Gegensatz zu den statischen Annahmen
die Querbewehrung im Brandfall mitträgt und außerdem die
brandschutztechnisch maßgeblichen Stützweiten infolge der
Randeinspannung kleiner sind als die statischen (rechnerischen) Stützweiten. In der Praxis kommt es im Brandfall daher
auch Umlagerungen in der Lastverteilung, so dass sich die
Feuerwiderstandsdauer der Bauteile mehr als verdoppeln
Abb. 3-8 Schadenbild eines Zimmerbrandes in einem
Massivbau mit nachträglich angebrachter
dekorativer Holzverkleidung [14]
31
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Tatsächlich blieb das Dachgeschoss vom Brand vollkommen
unberührt. Die Abb. 3-10 zeigt Außenansichten des Einfamilienhauses nach dem Zimmerbrand. Trotz des relativ heftigen
Brandereignisses im Inneren des Gebäudes sind die wahrnehmbaren Zerstörungen im Außenbereich mäßig. Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Gesamtkonstruktion sind nicht
zu verzeichnen.
3.4.4 Deckenbauteile in Holzbauweise
Abb. 3-9 Detailaufnahme der massiv ausgeführten Decke
nach dem Verbrennen und Abfallen der Holzverkleidung [14]
Anhand des Schadenbild lässt sich erkennen, dass sich die
Holzverkleidung im Brandverlauf entzündete und mit zunehmender Brandintensität und -dauer größtenteils abfiel. Die
darunter liegende massive Ziegeldecke blieb hingegen so gut
wie unversehrt und verlor ihre Tragfähigkeit nicht. Wenn unter
der dekorativen Verkleidung eine brennbare Tragkonstruktion
angebracht gewesen wäre, hätte ein derartiger Zimmerbrand
vermutlich den Einsturz der Deckenkonstruktion herbeigeführt, sodass das darüber liegende Geschoss vom Brand
erfasst worden wäre.
Im Holzwohnbau werden heutzutage meist massive Holzbauweisen in Form von Brettstapeldecken eingesetzt. Aus brandschutztechnischer Sicht ist dieses System eher von Nachteil,
weil die verleimten Holzbauteile im Feuer auseinanderreißen
und eine Feuerausbreitung in der Konstruktion ermöglichen,
d. h. Brettstapeldecken führen prinzipiell zu einer Erhöhung
der Brandlast aus der Konstruktion selbst und Verhalten sich
im Brandfall wie Vollholz. Dieser Umstand erschwert auch das
Ablöschen des Brandes (Glutnester).
Während Geschossdecken in Massivbauweise aus statischen
Gründen bei fast allen Gebäuden zusätzliche Tragreserven
beinhalten, d.h. dass ein Brand in der Regel kein Versagen der
Konstruktion zur Folge hat, kann eine Decke in Holzbauweise
nur unter Einhaltung einer Reihe spezieller Anforderungen, wie
z. B. durch eine 2-lagige Brandschutzbekleidung und die
brandgeschützte Verschraubung der Deckenbalken mit den
Holzstehern, die geforderte Brandwiderstandsdauer erreichen. Ein Deckenbauteil in Holzbauweise beinhaltet üblicherweise keinerlei Tragreserven, d.h. es ist davon auszugehen,
dass sie im Höchstfall maximal die vorgegebene Klassifikation
erfüllt. Da bei Wohnungsbränden bei Vernachlässigung von
Löschmaßnahmen durchweg Brandwirkungen von über 30
Minuten Branddauer auftreten, hat eine auf brandhemmend
(F30) bemessene Decke praktisch keine Chance die Brandweiterleitung zu verhindern. Bei Holzbauweisen kann im Falle
eines nicht rechtzeitig gelöschten Brandes somit nicht davon
ausgegangen werden, dass der Raumabschluss über einen
längeren Zeitraum (z. B. > 30 Minuten) erhalten bleibt sowie
wesentliche Teile des Tragwerks bzw. das gesamte Tragwerk
tragfähig und standsicher bleiben, weil die Elemente selbst
bzw. deren Verbindungen und eventuell auch Anschlüsse
zwischen den Elementen und den Wandbauteilen versagen.
Im Vergleich dazu ist festzustellen, dass Einzelbauteile und
deren Verbindungen und Anschlüsse in der praktisch monolithischen Massivbauweise, bezogen auf den Wohnbau, ohne
zusätzliche Maßnahmen praktisch immer ausreichend feuerwiderstandsfähig ausgebildet werden, um auch die an ein
Gesamtsystem zu stellenden Brandschutzanforderungen zu
erfüllen (siehe [12] und [13]).
Die nachfolgenden Abb. 3-11 und 3-12 zeigen Anschlussvarianten von Decken an Wände in Holzbauweise, wie sie in
Deutschland gemäß Muster-Holzbaurichtlinie und in Österreich nach PROHOLZ vorgeschlagen und auch ausgeführt
werden.
Abb. 3-10 Außenansichten des Brandobjektes nach dem
Zimmerbrand
32
Im deutschen Entwurf „Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile von Gebäuden der Gebäudeklasse 4 in Holzbauweise“ [25] wird gefordert, dass die
Brandschutzbekleidungen im Anschlussbereich von Deckenan Wandbauteilen so auszuführen sind, dass keine durchgehenden Fugen entstehen. Außerdem ist auf eine Ausbildung
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
der Anschlüsse zu achten, die geeignet ist, das Aufreißen
der Brandschutzbekleidung aufgrund von Verformungen im
Brandfall zu verhindern. Dazu sind die tragenden Holzelemente
im Anschlussbereich mit Schrauben im Bereich der Balken
sowie in der Mitte durch Verblockung zu verbinden. Der Abstand der Verbindungsmittel darf maximal 500 mm betragen,
wobei die Einschraubtiefe zur Herstellung einer zugfesten
Verbindung ≥ 12 dn sein muss [19].
Die Abb. 3-11 zeigt eine aus brandschutztechnischer Sicht
korrekte Ausbildung eines Anschlusses der Decke an eine
durchlaufende Wand gemäß der Holzbaurichtlinie, nach der
eine Entzündung von tragenden und aussteifenden Teilen des
Deckenbauteils, unentdeckte Brandherde, ein Nachbrennen
der Konstruktion mit der Gefahr des verzögerten Tragfähigkeitsverlustes oder die Brandweiterleitung in benachbarte
Nutzungseinheiten verhindert werden. Auf zerstörende Glimmphänomene durch exotherme Holzzersetzungen, welche
bereits bei T < 300 °C nachweisbar sind, wurde bereits in
Abschnitt 3.4.2 hingewiesen.
Die Abb. 3-12 zeigt die derzeitigen Defizite dieser Konstruktion auf. Die Brandschutzbekleidung weist durchgehende
Fugen auf, d.h. es ist im Brandfall im Anschlussbereich des
Deckenbauteils an das Wandbauteil mit einer Brandeinleitung
in die Konstruktion zu rechnen. Des weiteren ist keine Verschraubung bzw. Verblockung der tragenden Holzelemente
vorgeschrieben. Solange ähnliche Forderungen wie sie in
Deutschland erhoben werden in Österreich nicht verpflichtend
sind, wird die Verschraubung der Elemente alleine aus Kostengründen vermutlich nicht durchgeführt werden. Somit kann im
Brandfall nicht verhindert werden, dass das Feuer infolge von
Verformungen und Verschiebungen der Holztragelemente
durch aufreißende Fugen in die Konstruktion eindringt, diese
entzündet und somit in weiterer Folge einen Einsturz wesentlicher Teile der Gesamtkonstruktion verursacht.
Der mögliche Einsturz der Gesamtkonstruktion wird in der
Holzbauweise durch die punktförmige Einleitung der Lasten
aus der Geschossdecke über die tragenden, vertikalen Holzsteher in die Wandkonstruktion noch begünstigt, da bereits
das Versagen eines einzelnen Holzstehers bzw. eines einzigen
Verbindungselements zwischen dem tragenden Deckensystem und dem Holzsteher das Versagen wesentlicher Teile
der Gesamtkonstruktion zur Folge haben kann. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn es sich bei diesem Knotenpunkt um
einen wesentlichen und kritischen Bestandteil der Holzkonstruktion in Bezug auf die Tragfähigkeit des Gesamtverbandes
handelt.
Die enormen Tragreserven des Massivbaues, die weit über die
bauaufsichtlichen Anforderungen hinausgehen und welche
in der Vergangenheit zu dem hohen Sicherheitsniveau im
Wohnungsbau geführt haben, sind bei den mehrgeschossigen
Holzbauten (stillschweigend) verschwunden. Der Architekt
und auch der Nutzer merken dies naturgemäß nicht, weil es
„selten“ brennt.
Der mit 60 % extrem große Anteil an Planungsfehlern liegt in
der Regel im Verantwortungsbereich des Architekten, d.h. es
fehlt in der Architekturszene nach wie vor eine Bewusstseins-
Abb. 3-11 Anschluss eines Deckenbauteils an eine durchlaufende, raumabschließende Wand nach [25]
Abb. 3-12 Anschluss eines Deckenbauteils an eine raumabschließende Wand nach [24]
33
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
bildung bezüglich der bauweisenspezifischen Risiken und
Gefahrenpotentiale in der Holzbauweise. Angesichts der fehlenden Brandschutzausbildung an fast allen Architekturfakultäten in Deutschland und Österreich ist dieses nicht weiter
verwunderlich. Des weiteren zeigen diese Untersuchungen
deutlich, dass die fachgerechte Ausführung nicht vorausgesetzt werden kann, denn die durch Ausführungsfehler verursachten Mängel liegen in einer Größenordnung von 30 %.
Verhältnismäßig gering liegen im Vergleich zu den beiden
genannten Fehlerquellen die Produktfehler mit einem Anteil
von 10%.
3.4.5 Verbindungen, Anschlüsse und Fugen in der
Massivbauweise
Grundsätzlich gilt für alle Gebäude, dass die tragenden und
nichttragenden Bauteile, einschließlich Anschlüssen, Auflagern, Aussteifungen, Fugen, etc., die gleiche Feuerwiderstandsdauer aufweisen müssen. Diese ganz allgemeine Anforderung ergibt sich nicht nur aus der Logik der MBO, sondern
auch aus den Prüfbedingungen nach DIN 4102-2 und -3.
Somit sind auch bei Gebäuden in Massivbauweise hinsichtlich
der Anschluss- und Fugenproblematik diesbezüglich gewisse
Regeln und Vorschriften zu beachten. Die Detailausführungen
bei monolithischen Bauweisen sind in Bezug auf das Brandverhalten allerdings weit weniger kritisch zu beurteilen als bei
der Holzbauweise und darüber hinaus relativ problemlos herstellbar. So werden z. B. im Wohnbau die Deckenbauteile oft
als Stahlbetonfertigteile oder vor Ort betoniert ausgeführt, bei
denen aufgrund des hohen Eigengewichtes der Stahlbetonplatten grundsätzlich nur mit minimalen und aus der Sicht des
Brandschutzes risikolosen Fugen zu rechnen ist.
Die Ableitung der Lasten der Geschossdecken in das tragende Mauerwerk erfolgt grundsätzlich linienförmig sowie zweioder vierseitig. Die Abb. 3-13 zeigt eine praxisübliche Ausbildung eines Deckenanschlusses an eine einschalige massive
Außenwand. Dabei werden die Lasten aus der plattenförmigen
Stahlbetongeschossdecke linienförmig in die tragende Schale
des Mauerwerkes aus Porenbeton-Plansteinen abgetragen.
Die Anschlusspunkte werden aufgrund dieser durchgehenden
Ausführung der Auflagerung im Brandfall nicht versagen. Eine
partielle Zerstörung des Fugenmörtels kann infolge von Spannungsverlagerungen zwar im schlimmsten Fall zu einer langsamen Verformung einer Wand führen, aber ein Einsturz der
Deckenkonstruktion kann aufgrund der mehrseitigen Auflagerung ausgeschlossen werden.
3.4.6 Verbindungen, Anschlüsse und Fugen in der Holzbauweise
Bei der Holzbauweise verhalten sich Verbindungen und Anschlüsse bezüglich ihrer Feuerwiderstandsdauer im Vergleich
zu den Bauteilkonstruktionen, d.h. zu Innen- und Außenwänden, Stützen, Balken und Decken, am kritischsten.
Die Abb. 3-14 untermauert die allgemeine Erkenntnis, dass
metallische Verbindungsmittel unter Brandbeanspruchung
„weich“ werden und so ein Versagen der Gesamtkonstruktion
zur Folge haben können. Die Fotos zeigen jeweils einen
Balkenschuh zur Verbindung des Trägers mit der Stütze. Das
linke Foto wurde dabei kurz vor dem Versagen aufgenommen
und das rechte Foto zeigt den infolge der Temperaturbeanspruchung aufgerissenen Balkenschuh. Durch die Verformung
Lagerfuge ( Dünnbettmörtel)
Leichtputz
Gewebeeinlage
Ausgleichsfuge (Normalmörtel)
Deckenrandstein
Wärmedämmung
Stahlbeton-Geschossdecke
Plansteine
Abb. 3-13 Möglichkeit eines Anschlusses der Stahlbetondecke an eine tragende, raumabschließende Außenwand aus
Porenbeton-Plansteinen nach [16]
34
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
des Stahlteils rutscht der Träger aus dem Balkenschuh und
das gesamte Tragsystem versagt, obwohl die Holzquerschnitte erst vergleichsweise geringe Verkohlungstiefen zeigen, d. h.
die in Diskussionen über die Brandsicherheit von Holzbauten
häufig hervorgehobene und zweifellos auch vorhandene
„Schutzwirkung“ der Holzkohle (im Sinne eines Isolationsschutzes an der Holzoberfläche) trägt nicht wesentlich dazu
bei, die gut wärmeleitenden Stahlverbindungen vor dem „Erweichen“ zu schützen.
sind daher grundsätzlich unbedenklich. Dabei ist es nicht
relevant, ob es sich um eine ein- oder zweischalige Wandkonstruktion handelt. Sowohl die Porenbetonwände als auch der
Außenputz/die Beschichtung liefern keinen Beitrag zur Brandlast und tragen nicht zur Brandweiterleitung über die Fassade
bei. Ein besonderes Gefahrenpotential bildet eine brennbare
Fassadenverkleidung, sobald sie im Brandfall an der Fassade
verbleibt und nicht abfällt. Hierbei ist neben der Befestigung
der Verkleidung vor allem auch die Geometrie des Gebäudes
relevant.
Die Brandvorgänge an der Fassade hängen in der Regel unmittelbar von der Entwicklung des Brandes im Gebäudeinneren ab. Die höchsten Wärmestromdichten vor der Fassade
treten im Fall von aus den Fensteröffnungen herausschlagenden Flammen etwas oberhalb des Fenstersturzes auf und sind
somit für die Tragfähigkeit des Sturzes und die Brandweiterleitung zum nächsten Geschoss von großer Bedeutung. Die
Abb. 3-15 zeigt die im Heißgasstrom auftretenden Temperaturen vor der Fassade anhand von drei unterschiedlichen
Versuchsanordnungen bei Realbrandversuchen in Lehrte [15].
Abb. 3-14 Ingenieurmäßiges Verbindungsmittel in Form
eines Balkenschuhs vor und nach dem
Versagen [20]
Stahlverbindungsmittel können nur dann einen hohen Feuerwiderstand erreichen, wenn sie zusätzlich vor dem Feuer
geschützt werden. Wenn dies nicht gewährleistet ist, wird die
Wärme über die Verbindungsmittel rasch in das Bauteilinnere
geleitet. Dies führt dazu, dass Nägel „weich“ werden und die
Festigkeit verlieren oder kraftübertragende Bolzen oder Dübel
rasch hohe Temperaturen erreichen und versagen. Beispiele
dazu sind in [20] zu finden.
3.4.7 Fassaden in Massivbauweise
Aus der Sicht des Brandschutzes stellt die Fassade eines
Gebäudes immer dann ein Problem dar, wenn diese einen
nennenswerten Beitrag zur Brandlast liefert bzw. wenn diese
zur Brandweiterleitung beiträgt. Fassaden in Massivbauweise
Die in der Abb. 3-15 dargestellten drei Isothermenbilder zeigen, dass das Temperaturfeld eine Achse hat, welche ab einer
gewissen Entfernung zum Sturz etwa parallel zur Außenwand
verläuft. Maßgebend für die Ausdehnung des Heißgasstromes
vor der Fassade ist die Horizontalgeschwindigkeit, mit der die
Rauchgase die Brandraumöffnung verlassen. Diese bestimmt
die Länge der horizontalen Strecke, nach deren Durchlaufen
die Rauchgase infolge des Auftriebs in eine vertikale Bahn umgelenkt werden. Die Höhe des Feuerplumes vor der Fassade
wird durch die Brandleistung im Brandraum und die Brandleistung der Verbrennung vor der Fassade bestimmt.
Massivwohnbauten werden heute aus Gründen des Wärmeschutzes u. a. als einschaliges Mauerwerk mit Wärmedämmverbundsystemen ausgeführt. Dabei kommen in der Regel
Wärmedämmplatten aus schwerentflammbarem PolystyrolHartschaum (Baustoffklasse B1) zum Einsatz, die fassadenseitig auf die massive Wandkonstruktion aufgebracht werden.
Diese Wärmedämmplatten erweichen bei einer Temperatur
von etwa 110 °C, schrumpfen und schmelzen in weiterer Folge bei einer Temperatur von ca. 200 °C. Anhand der gezeigten
Darstellung der Isothermenbilder des Temperaturfeldes an der
Fassade (siehe Abb. 3-15) ist erkennbar, wie weit sich das
Temperaturfeld von 200 °C entlang der Fassade in vertikaler
Richtung ausbreitet. Die Gefährlichkeit dieser Reaktion ist in
Summe stark von den jeweiligen Randbedingungen wie z.B.
der Gebäudegeometrie, den Brandlasten, der Brandschutzausrüstung des Polystyrols etc. abhängig. Wärmedämmverbundsysteme sind unter anderem aus diesem Grunde
zulassungspflichtige Bauprodukte.
Die Brandbelastung eines 10 cm dicken PS-Wärmedämmverbundsystems ergibt sich zu:
q = dPS · ρPS · HuPS = 0,1 · 30,0 · 11,1 = 33,3 [kWh/m2]
Abb. 3-15 Isothermenbild des Temperaturfeldes vor der
Fassade nach [15]
Darin sind:
q
dPS
ρPS
HuPS
Brandbelastung in [kWh/m2]
Dicke des PS-Wärmedämmverbundsystems in [m]
Dichte für Polystyrol in [kg/m3]
Heizwert für Polystyrol in [kWh/kg]
35
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Dieser Wert von 33,3 kWh/m2 entspricht gemäß nachfolgender Berechnung einer 12 mm dicken Holzbekleidung aus
Lärchenholz ohne Einrechnung des zur Befestigung erforderlichen Lattengerüsts.
dH = q/(ρH · HuH) = 33,3/(590 · 4,8) = 0,012 [m]
Für Holzfassaden werden üblicherweise Bekleidungsdicken
von 18 bis 28 mm eingesetzt, d. h. derartige Fassaden
(normalentflammbar, Baustoffklasse B2) haben ein deutlich
höheres Brandpotential als WDVS und nehmen aufgrund
ihrer guten Brennbarkeit einen weitaus größeren Einfluss auf
den Brandverlauf als schwerentflammbare WDVS (Baustoffklasse B1).
3.4.8 Fassaden in Holzbauweise
Die Fassade eines Gebäudes in Holzbauweise stellt im mehrgeschossigen Holzwohnbau, aufgrund der Erhöhung der
konstruktiven Brandlast, des direkten Feuerangriffs auf die
darüber angeordnete Tragkonstruktion und der Brandweiterleitung über die Fassade, ein großes Gefahrenpotential dar.
Eine besondere Problematik bildet die Flammenausbreitung
über den Luftraum von hinterlüfteten Fassaden, die sehr rasch
erfolgen und die Entzündung der innenliegenden, tragenden
Holzkonstruktion beschleunigen kann. In diesem Zusammenhang ist weiters zu beachten, dass die tragbaren und fahrbaren Feuerwehrleitern im Geschossbau bis zur Hochhaus-
grenze üblicherweise den zweiten Rettungsweg sicherstellen
sollen. Wenn also ein mehrgeschossiges Gebäude mit einer
normalentflammbaren Fassade errichtet wird, welche in ihrer
Höhe über die nach Baurecht bisher üblichen 2 Geschosse
hinausgeht, dann entfällt eventuell dieser zweite Rettungsweg, d. h. es müsste über Ersatzmaßnahmen nachgedacht
werden. In der Wiener Bauordnung ist diesbezüglich eine generelle Forderung enthalten, dass ein 2. baulichen Rettungsweg verlangt werden kann, wenn dieser aufgrund der vorliegenden Bauweise bzw. Bauausführung nicht anderweitig sichergestellt werden kann.
Abschließend soll der Einfluss von brennbaren bzw. nichtbrennbaren Materialien auf die Brandentwicklung und -fortleitung im
Fassadenbereich anhand eines Fallbeispiels qualitativ aufgezeigt werden. Die Abb. 3-16 zeigt den Brand eines Zweifamilienhauses in Vorarlberg. Bei dem Gebäude handelt es
sich um einen Massivbau mit einem Anbau in Holzbauweise.
Der Massivbau ist im angrenzenden Teil zum Holzbau mit
einer Holzlattung verkleidet.
Die Abb. 3-16 zeigt deutlich das Verhalten der Konstruktionen im fortgeschrittenen Brandstadium. Während die
gesamte Holzkonstruktion schon vom Feuer erfasst ist,
brennt am Massivbau lediglich die holzverkleidete Fassade
sowie das an den Holzbau angrenzende Dachgeschoss. Am
übrigen Gebäudeteil brennen zu diesem Zeitpunkt nur die
dekorativen Elemente aus Holz, d.h. die Fensterläden und
die hölzernen Gesimse oberhalb der Fenster brannten, während der in Holz ausgeführte Gebäudeteil vom Feuer bereits
völlig zerstört war.
Bedingt durch den starken Föhn wurde der Löschangriff der
Feuerwehr deutlich erschwert und so konnte schlussendlich
nicht verhindert werden, dass das Feuer auch auf den Dachstuhl des Massivbauteiles übergriff und sich auf diesen ausbreitete. Das Dachgeschoss des massiven Gebäudeteils
brannte in weiterer Folge zwar aus, der Massivbau blieb aber
im Gegensatz zum Holzbau erhalten.
3.4.9 Öffnungen bei der Massivbauweise
Abb. 3-16 Brand eines Zweifamilienhauses in Massivbauweise mit einem Anbau in Holzbauweise [17]
Bei Massivbauten ist grundsätzlich die Anwesenheit zusätzlicher mobiler Brandlasten erforderlich, um eine Brandweiterleitung über Öffnungen zu ermöglichen. Weiterhin sind für die
Abb. 3-17 Brandentwicklung an den Öffnungen bei einem Zimmerbrand in einem Massivhaus
36
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Ausbildung der Öffnungen keine komplizierten Detaillösungen
erforderlich, um eine Brandeinleitung in die Konstruktion zu
verhindern. In der Massivbauweise wird im Wesentlichen der
Wandverputz bis zum Türstock geführt. Diese Anschlussausbildung ist aus brandschutztechnischer Sicht ausreichend, da
eine Entzündung der Tragkonstruktion keine bauweisenimmanente Problematik darstellt.
Ein Schwachpunkt im Geschossbau ist lediglich die Wohnungseingangstür, welche im Falle eines Brandes gegebenenfalls von den flüchtenden Bewohnern nicht verschlossen wird,
sodass der angrenzende Treppenraum eventuell verraucht.
Andere Bewohner müssen dann über die Feuerwehrleiter
gerettet werden.
Dasselbe Prinzip gilt auch für die Ausbildung der Fensteröffnungen in der Massivbauweise. Der Putz endet beim Fensterstock und die Fuge hinter dem Rahmen stellt somit keinen zusätzlichen Schwachpunkt dar. Problematisch wird in Bezug
auf die Fensteröffnungen das Erreichen sehr hoher Temperaturen, bei denen mit einem Zerspringen der Scheiben zu rechnen ist. Dieses ist beim Massivbau etwas weniger kritisch als
beim Holzbau, weil die Brandintensität beim Ersteren etwas
geringer ist. Allerdings hat das Herausschlagen der Flammen
aus der Fensteröffnung im Allgemeinen keine Auswirkungen
im Hinblick auf die Brandweiterleitung über die nichtbrennbare
Fassade.
Die Abb. 3-17 zeigt die Entwicklung des Brandgeschehens
außerhalb des Brandraumes nachdem infolge der hohen Temperatureinwirkungen die Fensterscheiben im Brandraum bereits geborsten sind. Auf der linken Darstellung ist eindeutig zu
erkennen, dass die Holzfensterrahmen bereits brennen und
somit einen Beitrag zum Brandgeschehen und der Brandintensität leisten. Gleichzeitig sind an den die Öffnungen
umschließenden Wände, abgesehen von der Verrußung im
Bereich des Flammenkranzes, keinerlei Auswirkungen auf das
Wandbauteil v. a. in Bezug auf die Tragfähigkeit der Gesamtkonstruktion auszumachen. Ebenso ist eindeutig erkennbar,
dass trotz den mehrere Meter hohen Flammen keine Brandweiterleitung über die Fassade erfolgt.
3.4.10 Öffnungen bei der Holzbauweise
Öffnungen für Fenster, Türen und sonstige Einbauten stellen
aus der Sicht des Brandschutzes besondere Schwachpunkte
in der Gesamtkonstruktion eines Holzbaus dar. Bei einem
Holzbau können die aus den Fenster- und Türöffnungen tretenden Flammen rasch über die Fassade weitergeleitet werden, während bei Bränden nahe der Öffnungen, wie im vorangegangen Abschnitt gezeigt wurde, bei einem normalen Massivbau mit Außenputz zusätzliche mobile Brandlasten erforderlich sind, um eine Brandweiterleitung über die Fassade zu
ermöglichen. Es ist jedoch zu beachten, dass auch dort ein
Brandübertritt durch Fensteröffnungen theoretisch möglich
ist, d.h. es sind entsprechende Feuerüberschlagswege durch
nichtbrennbare Bauteile sicherzustellen. Aus diesem Grund
sollten brennbare Fassaden-baustoffe der Klasse B2 nur bei
maximal zweigeschossigen Bauwerken zugelassen werden.
Das folgende Fallbeispiel in Abb. 3-18 zeigt den Brand eines
Bauernhauses in St.Veit, Salzburg. Es handelt sich dabei um
ein Gebäude in Blockbauweise.
Abb. 3-18 Brandweiterleitung über die Fassade bei einem
Bauernhaus in Holzbauweise
Wie auf dem Foto ersichtlich, wurden die aus den Fenster- und
Türöffnungen tretenden Flammen aufgrund ihrer Höhe sehr
rasch über die Fassade weitergeleitet, griffen schließlich auf
den Dachstuhl über und entzündeten diesen. Die Feuerwehr
hatte einen sehr langen Anfahrtsweg zu dem in 1.100 m Seehöhe gelegene Bauernhaus zurückzulegen. Somit war das
Haus bereits vor Eintreffen der Löschmannschaften vollständig ausgebrannt, die in Massivholzbauweise errichtete tragenden Außenwandkonstruktion blieb jedoch bis zu diesem Zeitpunkt erhalten.
3.5 Brandrisiko unterschiedlicher Bauarten
3.5.1 Grundlagen
Unter einer allgemeinen Risikobewertung bzw. einer mathematisch-wahrscheinlichkeitstheoretischen Risikoanalyse versteht man die Bewertung des Gefährdungspotentials, das
von einem Objekt für den Personen- und Sachschutz unter
definierten und bewerteten Randbedingungen ausgeht; d. h.
über die Bestimmung des Brandrisikos kann die für eine
bestimmte Gebäudeart zu erwartende Schadenshöhe und häufigkeit und der daraus resultierende Schaden und seine
volkswirtschaftliche Relevanz durch das Ereignis „Brand“
ermittelt werden. Das Gesamtrisiko wird dabei vereinfacht
durch drei voneinander unabhängige Faktoren bestimmt.
Zu untersuchen sind dazu die folgenden Fragestellungen in
Abhängigkeit von der Bauweise und Gebäudenutzung:
1. Wie hoch ist die Entrittswahrscheinlichkeit der Entstehung
und der Ausbreitung eines Brandes im Wohnbau?
2. Wie groß ist der materielle (wirtschaftliche) Schaden, und
wie hoch sind die Instandsetzungs- und Folgekosten im
Wohnbau?
3. Wie hoch ist der immaterielle Schaden, d. h. welche
Schäden ergeben sich infolge eines Brandfalles für Leben,
Gesundheit und Umwelt?
In Bezug auf die in Deutschland momentan vorliegende Bauweisenverteilung im Wohnbau von ca. 87 % Massivbauten zu 13 %
Holzbauten [2] wird darüber hinaus die Frage aufgeworfen:
4. Wie sieht die Entwicklung des derzeit in Deutschland verzeichneten Brandrisikos bei einer Verlagerung weg vom
Massivbau und hin zum Holzbau für den zivilen Bereich
(Wohnbau) aus?
37
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
3.5.2 Brandrisikoberechnung
Das bauartspezifische Brandrisiko für eine bestimmte Gebäudeart in Abhängigkeit von der Brandlast (Q) wird mit der nachstehenden Formel Gl. (1) beschrieben:
Gl. (1)
R(Q) = E(Q) · S(Q)
Darin sind:
R
Brandrisiko
E
Eintrittshäufigkeit des Brandes in Abhängigkeit
von der Brandlast (Q)
S
Schadensausmaß des Brandes in Abhängigkeit
von der Brandlast (Q)
Für den Wohnbau sind die in Gl. (1) enthaltenen Abhängigkeiten der Brandhäufigkeiten und Brandschäden von der Brandlast Q eindeutig belegt [28]. Die nachstehende Tab. 3-1 zeigt
die Ergebnisse einer 10-Jahres Statistik aus der Schweiz über
die Brandhäufigkeit, Brandtoten und Gebäudeschäden in Abhängigkeit von der Bauart. In dieser Statistik sind alle den Versicherungen gemeldeten Brände im Wohnbau enthalten. Stellt
man die Versicherungsdaten dieser Statistik für den Massivbau und den Holzbau gegenüber (siehe Tab. 3-1), so zeigt
sich, dass in Abhängigkeit von der Bauart ein Zuwachsfaktor
von
• 1,6 für die Eintrittshäufigkeit
• 2,47 für das Schadensausmaß
• 2,82 für die Anzahl der Brandopfer
im Wohnbau gegeben ist. Die hier interessierenden Zahlen für
den Wohnbau belegen somit, dass die Bauart einen signifikanten Einfluss auf das Brandrisiko hat. Da nun die Brandlast
und die Konstruktionsart die einzigen brandschutztechnisch
wesentlichen Merkmalsunterschiede zwischen einem Massivbau und einem Holzbau sind, können diese Parameter in
Gl. (1) zur Anwendung kommen.
Tab. 3-1 Statistische Daten über Brandhäufigkeiten, Brandtote und Gebäudeschäden im Wohnbau in der Schweiz
nach [28]
Risikodaten
Schweiz
Prozentueller
Vergleich
Bauart
Eintrittshäufigkeit**)
[Brände/m2 a 105]
2,780
4,465
100 %
160 %
Massivbau
Holzbau
Schadensausmaß*)
[?/m2a]
0,114
0,281
100 %
247 %
Massivbau
Holzbau
Brandopfer
[1/106 m2a]
0,028
0,079
100 %
282 %
Massivbau
Holzbau
*) Schäden, die infolge Brand am Gebäude auftreten
**) einschließlich Kleinbrände
3.5.3 Berechnung der Brandeintrittswahrscheinlichkeit
Für die Berechung der Eintrittshäufigkeit von Bränden im zivilen Bereich in Deutschland in Abhängigkeit von der Bauweise
gibt es folgende Daten als Ausgangsgrößen:
• In Deutschland werden jährlich durchschnittlich 751.300
Brandfälle durch die Versicherungen in den Versicherungszweigen „Verbundene Hausrat“ und „Verbundene Wohngebäude“ verzeichnet [3, 4]. Diese Daten beziehen sich auf Angaben aus dem Jahr 1999 und beinhalten alle Brandvorfälle,
die den Versicherungen in diesem Kalenderjahr gemeldet
wurden.
• Von diesen 751.300 Brandfällen treten nach eigenen Ermittlungen bzw. Berechnungen im Durchschnitt ca. 33.808
Brände im zivilen Bereich und in privaten Haushalten auf, die
Versicherungsansprüche über 1.534,– e geltend machen,
d. h. man kann in diesem Bereich zumindest teilweise auch
schon geringe Gebäudeschäden für die Brandfälle unterstellen.
• Die Gesamtwohnfläche in Deutschland liegt momentan bei
3.236.000.000 m2 Wohnnutzfläche (Stand 2000 nach [5]).
Gemäß den oben genannten Angaben lässt sich die derzeitige
Eintrittshäufigkeit von Bränden für den zivilen Bereich in
Deutschland aus der jährlichen Anzahl an signifikanten Brand-
38
fällen bezogen auf die Gesamtwohnfläche bestimmen. Die
Eintrittshäufigkeit insgesamt setzt sich naturgemäß aus einem
Anteil an Brandereignissen infolge der mobilen Brandlasten
(Nutzung) und aus einem Anteil an Brandereignissen infolge
der konstruktiven Brandlasten (Bauweise) zusammen; wobei
der Anteil infolge der mobilen Brandlasten auf das Nutzerverhalten zurückgeht und die Bauweise daran im Wesentlichen
nicht von Einfluss ist. Der Anteil infolge der konstruktiven
Brandlasten ist jedoch stark veränderlich und in Abhängigkeit
von der Bauart bzw. Höhe der brennbaren Bestandteile zu berechnen. Als Ausgangsgröße dient hierbei die momentane
Bauweisenverteilung von rund 87% Massivbauten zu 13 %
Holzbauten im Wohnbaubereich gemäß [2].
Für die weiteren Berechnungen wird die Eintrittshäufigkeit eines Brandes durch die mobile Brandlast als konstant (statistischer Festwert für Wohnbaunutzung) angesehen. Für die Eintrittshäufigkeit infolge der konstruktiven Brandlast gilt hingegen, dass sie direkt proportional dem Anteil der konstruktiven
Brandlast ist. Für die in der Abb. 3-2 gezeigten unterschiedlichen Bauweisen im Wohnbau mit den Anteilsgrößen der konstruktiven und mobilen Brandlasten ergeben sich demnach
die in der nachfolgenden Abb. 3-19 dargestellten Eintrittswahrscheinlichkeiten für Brände. Auf der Abszisse ist der
Anteil der jeweiligen Holzbauweise im Wohnbau in Prozent
dargestellt. Auf der linken Seite der Abb. 3-21 sind demge-
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
mäss die Werte der Massivbauweise dargestellt und ganz
rechts liegt der Holzbau. Für die Holzbauweise werden die
Holzrippen-, die Skelett- und Brettstapelkonstruktionen betrachtet. Die Ordinate zeigt die Eintrittshäufigkeit eines Brandes bezogen auf 1 m2 Wohnnutzfläche im zivilen Bereich für
ein Jahr.
Die grüne Markierung im linken unteren Bereich des Diagramms stellt die derzeitige Eintrittshäufigkeit eines Brandes
mit einer Größe von 1,05 · 10-5 Bränden/m2 Jahr, wobei
von einer momentanen Bauweisenverteilung von 13 % Holzrippen- und 87 % Massivbau ausgegangen wird. Die in diesem Wert für die Eintrittshäufigkeit berücksichtigte Anzahl von
Bränden bezieht sich dabei auf jene Brandereignisse, die ein
Schadenausmaß von mindesten 1.500,- e verursachen. Ge-
mäß den statistischen Daten der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen [11] liegt die Eintrittshäufigkeit von Bränden,
die dem Wohnbau zuzuordnen sind und einen Sachschaden
von mindesten 2.000,- CHF (entspricht ca. 1.325,- e) verursachen, bei 0,922 Bränden/m2 Jahr. Der Vergleich dieser beiden
Größen zeigt, dass eine gute Übereinstimmung zwischen den
in der Untersuchung [7, 29] ermittelten Größen und den statistischen Zahlen der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen [11] erzielt wird.
Die Vergleichswerte der Eintrittshäufigkeit von Bränden für
den reinen Massivbau (100 % Massivbau) liegt bei 0,99 · 10-5
Bränden/m2 Jahr und für den Holzbau zwischen 1,39 · 10-5
Bränden/m2 Jahr (100 % Holzrippenbauweise) und 1,68 · 10-5
Bränden/m2 Jahr (100 % Brettstapelbauweise).
Eintrittshäufigkeit in Abhängigkeit der Verteilung der Bauweisen
1,80E-05
Eintrittshäufigkeit [Brände/m2a]
Brettstapelbauweise
1,60E-05
Skelettbauweise
1,40E-05
Holzrippenbauweise
1,20E-05
1,00E-05
derzeitige Eintrittshäufigkeit
8,00E-06
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Anteil Holzbau an der Bauweise [%]
Abb. 3-19 Eintritthäufigkeit E von Bränden pro m2 Wohnfläche und Jahr in Abhängigkeit von der Bauweise im Wohnbau
in Deutschland
180
161,29 %
160
160,61 %
140
Prozent [%]
120
100
100 %
100 %
Massivbau
80
Holzbau
60
40
20
0
Deutschland (Daten WWFS, TU Wien 2000) Schweiz (Daten VKF, Kanton Bern 1986-1995)
Abb. 3-20 Gegenüberstellung der Eintritthäufigkeit von Bränden im Wohnbau in Abhängigkeit von der Bauweise [25],
[29] und [7]
39
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Vergleicht man die Eintrittshäufigkeit eines Brandes für einen
reinen Massivbau (100 % Massivbau) mit der Eintrittshäufigkeit für einen Holzbau in Skelettbauweise (100 % Skelettbau)
so ergibt sich gemäß den Berechnungen am Institut für Baustofflehre ein prozentueller Zuwachs für die Eintrittshäufigkeit
eines Brandes von 100 % auf 161 % für Deutschland. Zur
Überprüfung der in der Berechnung ermittelten Zahlen wurden
im Zuge der Untersuchung u. a. statistische Daten der 1. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (CH) ausgewertet,
mit denen erstaunliche Übereinstimmungen zu dem ursprünglich prognostizierten Zuwachs der Eintrittshäufigkeit von Bränden in Abhängigkeit von der Bauweise erzielt werden konnten
(siehe Abschnitt 3.5.2). Diese Daten belegen anhand von tatsächlich eingetretenen Brandereignissen an Wohnbauten in
Massiv- und Holzbauweise im Kanton Bern für den Zeitraum
1986 bis 1995 [28], dass bei Holzbauten die Gefahr eines
Brandes um 60,6 % höher liegt als bei Massivbauten (siehe
Abb. 3-20), wobei sich die ermittelte Eintrittshäufigkeit nach
VKF auf alle den Versicherungen gemeldeten Brandschäden
im Wohnbau bezieht.
3.5.4 Berechnung des Schadensausmaßes
Das Schadensausmaß wird im Wesentlichen von der Anzahl
der Brandtoten und -verletzten und der Höhe der im (mobile
Brandlasten) und am (konstruktive Brandlasten) Gebäude
verursachten Zerstörungen und Schäden durch den Brand bestimmt.
Zur Ermittlung der Bezugsgrößen, d. h. des momentan in
Deutschland vorliegenden Schadensausmaßes durch Brandereignisse in Wohnbauten, dient Datenmaterial des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft [2] als
Grundlage. Die Berechnung der Personenschäden stützt sich
u. a. auf Angaben des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit.
• Basierend auf dem Datenmaterial des GDV ergibt sich für
1998 im Wohnbau eine Sachschadensumme durch Brandereignisse in der Höhe von 1,22 Mrd. e (2,39 Mrd. DM).
• Der Anteil der Versicherungsansprüche über 1.534,- e (ca.
3.000,- DM) liegt nach eigenen Bewertungen der Daten aus
Österreich bei ca. 61 % und ergibt somit eine Sachschadensumme 750 Mrd. e (1.467 Mrd.DM).
• Als Berechnungsgrundlagen für die Personenschäden dienen Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in
Österreich, die besagen, dass die Schadenssummen pro
Todesfall mit 1,18 Mio. e (2,3 Mio. DM) und pro Verletzten
mit 50.000,- e (97.800,- DM) anzusetzen sind.
• Im Jahr 1999 wurden 506 Todesopfer durch Exposition
gegenüber Feuer, Rauch und Flammen in Deutschland verzeichnet [8]. Davon gab es 429 Brandopfer in privaten Haushalten. (Anmerkung: Diese Daten sind dem Feuerwehr-Jahrbuch des Deutschen Feuerwehrverbandes entnommen
[26]).
• Ausgehend von Statistiken der US-Fire Administration ist
bei Bränden pro einem Todesfall durchschnittlich mit 6 Verletzten zu rechnen. Auf dieser Basis ergibt sich durchschnittlich eine jährliche Anzahl von 2.574 Verletzten.
Demgemäß setzt sich der jährliche volkswirtschaftliche Gesamtschaden, der durch Brände im zivilen Bereich (Wohnbau)
bei einer momentanen Bauweisenverteilung von 87 % Massivbau zu 13 % Holzbau verursacht wird, aus Sachschäden in
der Höhe von 1,46 Mrd. DM und Personenschäden in der
Größenordnungen von 0,75 Mrd. e (1,24 Mrd. DM) zusammen
und beträgt in Summe 1,38 Mrd. e (2,70 Mrd. DM). Ausgehend von diesen Bezugsgrößen wird im Folgenden die Entwicklung der Schadenssumme bei einer angedachten Anteilsverlagerung vom Massivbau hin zum Holzbau berechnet. Die
Sach- und Personenschäden, verursacht durch die konstruktiven Brandlasten, werden dabei direkt proportional der
Brandlast angenommen, und die Sach- und Personenschä-
300
247,09 %
250
218,74 %
Prozent [%]
200
Massivbau
150
100
100 %
100 %
Holzbau
50
0
Deutschland (Daten GDV,
TU Wien 2000
Schweiz (Daten VKF,
Kanton Bern 1986-1995)
Abb. 3-21 Gegenüberstellung des Schadensausmaßes von Bränden im Wohnbau in Abhängigkeit von der Bauweise
nach [28], [29] und [7]
40
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
den durch die mobilen Brandlasten als konstant angesehen
(siehe Gl. (2)) Eine detaillierte Aufstellung der Grundannahmen
und der Berechnungsvorgänge ist den Angaben in [7] zu
finden.
wert von 1.534,- e liegt, wohingegen in der Untersuchung
nach [28] alle den Versicherungen gemeldeten Brandschäden
im Wohnbau enthalten sind.
3.6
Gl. (2)
Bewertung des Brandrisikos
S(Q) = SPers(Q) + SSach(Q)
Darin sind:
S
Schadensausmaß des Brandes in Abhängigkeit
von der Brandlast (Q)
SPers
Schadensausmaß der Personenschäden infolge
Brand in Abhängigkeit von der Brandlast (Q)
SSach
Schadensausmaß der Sachschäden infolge
Brand in Abhängigkeit von der Brandlast (Q)
In der Abb. 3-21 ist eine Gegenüberstellung der Untersuchungsergebnisse des Instituts für Baustofflehre, Bauphysik und Brandschutz zu statistischen Zahlen von tatsächlichen
Brandereignissen im Wohnbau, die von den Schweizer Versicherungen [28] über einen Zeitraum von 10 Jahren erfasst
wurden, dargestellt. Die Daten der 1. Vereinigung Kantonaler
Feuerversicherungen (CH) für den Kanton Bern belegen, dass
die Bauweise sogar noch einen größeren Einfluss auf die
Schadenshöhe nimmt als die an unserem Institut durchgeführte Untersuchung prognostiziert. Demgemäss ist mit einem
Anstieg des Schadensausmaßes von 100 % auf 247 % zu
rechnen, wenn es sich bei dem Brandobjekt um einen brennbaren Holzbau im Vergleich zu einem nicht brennbaren
Massivbau handelt (siehe Abb. 3-21).
Die geringere Bewertung des Schadensausmaßes in den
Untersuchungsergebnisse des Instituts für Baustofflehre,
Bauphysik und Brandschutz ist möglicherweise z. T. darauf
zurückzuführen, dass in der Berechnung nur jener Anteil der
Versicherungsansprüche berücksichtigt wird, bei dem der infolge Brand verursachte Schaden über einem Versicherungs-
In der Abb. 3-22 sind diese Ergebnisse in einem prozentuellen
Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz gegenübergestellt. Das Diagramm beinhaltet darüber hinaus statistische
Daten der 1. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen
(CH), anhand derer das tatsächliche Brandrisiko basierend auf
Brandereignissen an Wohnbauten im Kanton Bern über den
Zeitraum 1986 bis 1995 für Massiv- und Holzbauten [28]
ermittelt wurde. Es zeigt sich, dass gegenüber den Untersuchungsergebnissen der TU Wien, die einen Anstieg von 100 %
auf 352 % prognostizieren, in der Realität mit einem weit
höheren Einfluss der Bauweise zu rechnen ist, der bis zu einem
Zuwachs des Brandrisikos von 100 % (100 % Massivbau) auf
396 % (100% Holzbau) führen kann (siehe Abb. 3-22). Mit den
Daten der 1. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen
(CH) kann somit grundsätzlich bestätigt werden, dass die Bauweise einen signifikanten Einfluss auf das Brandrisiko nimmt.
Des weiteren wird durch den Vergleich in 3-22 Abb. 3-24
belegt, dass die Verwendung brennbarer Baustoffe für Tragsysteme im Wohnbau zu einer Erhöhung des Brandrisikos um
den Faktor 3,5 bis 4,0 führen kann.
Die hier dargestellten Ergebnisse und Prognosen beziehen
sich naturgemäß auf die bestehende Bausubstanz. Wenn es
also gelänge, die Brandsicherheit von Holzkonstruktionen hinsichtlich des Personenschutzes (z. B. durch automatische
Brandmelder) und des Sachschutzes (z. B. durch automatische Löschanlagen oder durch andere bauliche Brandschutzmaßnahmen) signifikant zu verbessern, dann würden sich
deutlich günstigere Verhältnisse ergeben. Die neue Holzbaurichtlinie ist sicherlich ein deutlicher Schritt in diese Richtung.
450
396,86 %
400
352,80 %
350
Prozent [%]
300
250
Massivbau
200
Holzbau
150
100
100 %
100 %
50
0
Deutschland (Daten WWFS u. GDV;
TU Wien 2000
Schweiz (Daten VKF,
Kanton Bern 1986-1995)
Abb. 3-21 Gegenüberstellung der berechneten und statistischen Risikogrößen für unterschiedliche Bauweisen im
Wohnbau nach [28], [29] und [7]
41
3 Brandrisikoeinfluss der Baustoffe und Bauarten
Vergleichbare Vorhaben sind in Österreich (leider) noch nicht
in Arbeit, d. h. im mehrgeschossigen Wohnbau sind die aufgezeigten Risiken nicht wegzudiskutieren, wenn nicht im Einzelfall zusätzliche Brandschutzmaßnahmen vom Bauherrn
verlangt oder behördlicherseits vorgeschrieben werden.
3.7
Zusammenfassung
Die aktuelle Musterbauordnung, Fassung Okt. 2002, sieht die
Gleichstellung tragender Baukonstruktionen in der neuen
Gebäudeklasse 4 vor, d. h. bis zu einer Gebäudehöhe von
13 m dürfen diese Konstruktionen in Massivbauweise oder
Holzbauweise errichtet werden. Aufgrund des damit verbundenen erhöhten Brandrisikos im Geschosswohnbau wurde die
Erarbeitung einer Muster-Holzbaurichtlinie angeregt und auch
erarbeitet, worin neue Konstruktionsvorschriften für den mehrgeschossigen Holzwohnbau angegeben sind. Damit sollen die
bestehenden Schwachstellen im Geschosswohnbau beseitigt
werden. Dass diese Vorgehensweise dringend erforderlich
ist, haben die vorliegenden Untersuchungen an bestehenden
Gebäuden bestätigt.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen eindeutig, dass das
Risikopotential durch das Ereignis „Brand“ im Wohnbau in
starker Wechselbeziehung und Abhängigkeit von der Art der
Bauweise steht. In diesem Zusammenhang ist daher der verantwortungsvolle Umgang der Planer mit dem Gebäudedesign gefordert. Die Möglichkeit der gestalterischen Freiheit
und Freizügigkeit im Gebäudedesign, die den Planern und
Bauherrn durch die neueren Entwicklungen in den Rechtsgrundlagen geboten werden, sollten nicht zu einem Absinken
des Sicherheitsniveaus führen. Zu diesem Zweck müssen die
Risiken, die durch die Verwendung von brennbaren Stoffen
in einer mehrgeschossigen tragenden Gebäudekonstruktion
entstehen, sowohl dem Planer, Bauherren und Gebäudenutzer rechtzeitig vor Augen geführt werden. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass in der Regel die Brandwiderstandsdauer jedes einzelnen Bauteils für den Brandwiderstand der Gesamtkonstruktion nicht ausschlaggebend ist,
sondern die Tragfähigkeit des Gesamtsystems beurteilungsrelevant ist. Dies betrifft vor allem den Mehrgeschossbau, d.h.
das Versagen einzelner Bauelemente und deren Verbindungen
hat unter Umständen katastrophale Folgen für das gesamte
Gebäude.
Die gültigen Normen DIN 4102 und ÖNORM B 3800 sowie die
betreffenden Eurocodes berücksichtigen bereits weitgehend,
dass Bauteile nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Sie gehen aber nicht expressis verbis auf die Wirkung von Bauteilinteraktionen bei einer Brandbeanspruchung ein, d. h. welche
konstruktiven Maßnahmen zu treffen sind, um solche Systeme
den vorliegenden Brandeinwirkungen anzupassen, bleibt im
Allgemeinen dem Planer vorbehalten. Dazu sind grundlegende
Kenntnisse über den Brandschutz erforderlich, insbesondere
sind die konstruktiven Schwachpunkte wie Anschlüsse und
Verbindungen zu beachten und zu bewerten.
Der Massivbau kann konstruktive Reserven nutzen, die das
Bauwerk bietet, und damit das Verhalten günstig beeinflussen, d.h. Schwachstellen können leicht vermieden bzw. ausgeglichen werden. In der Holzbauweise gibt es grundsätzlich
eine Vielzahl brandschutztechnischer Schwachstellen und es
existieren im Vergleich zur Massivbauweise praktisch keinerlei
42
Reserven, d.h. das Gesamtsystem verzeiht aus brandschutztechnischer Sicht keine konstruktiven Fehler. Aus diesem
Grund wurde in Deutschland auch eine neue brandschutztechnische Richtlinie für den Holzbau erarbeitet, sodass im
Geschossbau zukünftig gravierende Konstruktionsmängel
vermieden werden können.
Der Vergleich von massiven, nichtbrennbaren mehrgeschossigen Wohngebäuden mit entsprechenden brennbaren Holzkonstruktionen hat ergeben, dass Massivbauweisen durch ihr
aus brandschutztechnischer Sicht günstigeres Verhalten der
Gesamtkonstruktion ein erheblich höheres Sicherheitsniveau
besitzen als brennbare Holzkonstruktionen. Die Sicherheit von
Holzkonstruktionen kann prinzipiell nur durch automatische
Brandlöschung oder brandsichere Verkleidung sämtlicher
brennbarer Oberflächen mit nichtbrennbaren Baustoffen erfolgen, wie dieses gemäß der neuen Muster-Holzbaurichtlinie
vorgesehen ist.
3.8
Literaturzusammenstellung
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[34]
Weber, H.; Hullmann, H.: Das Porenbeton-Handbuch –
Planen und Bauen mit System, 5. Auflage, Bauverlag,
Wiesbaden 2002
43
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
4
Mauerwerk-Bemessung nach dem
neuen Sicherheitskonzept
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger
4.1
Einführung zur Bemessung nach dem Teilsicherheitskonzept im Mauerwerksbau
4.1.1 Grundlagen
Die bisherige Nachweismethodik nach zulässigen Spannungen bzw. dem Traglastverfahren berücksichtigte keinerlei
Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Einwirkungen und
keine Streuung der Lastgrößen oder der Bauteilwiderstände.
Mit der semiprobabilistischen Bemessungsmethodik werden
diese Dinge stärker in die Bemessung einbezogen, als bisher.
Einwirkungen sind mit spezifischen Teilsicherheitsfaktoren zu
belegen und die Bauteilwiderstände mit charakteristischen
Festigkeiten, die die Streuung der Baustoffeigenschaften berücksichtigen, zu bestimmen. Nichtlineare Effekte werden dabei mit erfasst und ausgenutzt, zumindest bei der Bemessung.
geht man nun auf die Kraftebene über, um ggf. vorhandene
Tragreserven infolge nichtlinearem Werkstoffverhaltens mit
berücksichtigen zu können. Die Kraft, die der Querschnitt kurz
vor dem Bruch bzw. im Gebrauchszustand aufnehmen kann,
wird als Querschnittswiderstand bezeichnet.
4.1.1.3 Nachweisführung
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit darf am betrachteten
Querschnitt der Bemessungswert der Einwirkungen den Bemessungswert des nicht überschreiten.
(1)
wobei
Es werden zwei wesentliche Zustände, die für die Nachweisführung von Interesse sind, definiert:
Ed
• der Grenzzustand der Tragfähigkeit und
• der Grenzzustand der Nutzungsfähigkeit.
Rd
4.1.1.1 Einwirkungen
Ed ≤ Rd
der Bemessungswert der Beanspruchung, wie
z.B. eine Schnittgröße, Spannung oder ein diesbezüglicher Vektor und
der Bemessungswert des Tragwiderstandes,
dem alle Tragwerkseigenschaften mit ihren
jeweiligen Bemessungswerten zugeordnet sind,
ist.
Während alle Bemessungsansätze im Mauerwerksbau in der
Vergangenheit von einem globalen Sicherheitsfaktor ausgingen, wird dieser bei dem neuen Sicherheitskonzept aufgesplittet. Es wird zwischen
Gl. (1) stellt das prinzipielle Nachweisformat dar. Der Bemessungswert der Einwirkungen ist mit Hilfe der unterschiedlichen
Teilsicherheitsbeiwerte unter Herausfindung der ungünstigsten Kombination zu ermitteln.
• Ständigen Einwirkungen
• Veränderlichen Einwirkungen
– zeitlich veränderlich
– räumlich veränderlich
• Außergewöhnlichen Einwirkungen und
• Erdbeben
Der Bemessungswert des Widerstandes ergibt sich aus dem
bzw. den charakteristischen Werten der Eingangsgrößen für
das Bauteil bzw. den Querschnitt, der dann durch den Teilsicherheitsbeiwert für das Material zu dividieren ist.
Eine ausführliche Darstellung einschließlich der Definition der
Grenzzustände ist beispielsweise in [4] enthalten.
unterschieden.
Die Einwirkungen können sich günstig oder ungünstig auf das
Gesamttragverhalten auswirken, was ebenfalls über den entsprechenden Teilsicherheitsbeiwert zu berücksichtigen ist.
Der Grenzzustand der Nutzungsfähigkeit (z.B. Verformungsbeschränkungen) gilt im Mauerwerksbau als erfüllt, sofern der
Grenzzustand der Tragfähigkeit nachgewiesen ist.
4.1.2 Stand der Normung
Treten verschiedene Einwirkungen zur gleichen Zeit auf, geht
die Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses in die Berechnung
mit ein, u. zw. über die so genannten Kombinationsbewerte ψ.
4.1.1.2 Festigkeiten und Widerstände
Für die Berechnung der Widerstände werden die entsprechenden Festigkeiten in Abhängigkeit von der Beanspruchungsart
benötigt. Dem Grundgedanken der Wahrscheinlichkeitstheorie folgend, sind das Werte, die nur zu einem geringen
Prozentsatz unterschritten werden und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit garantiert sind. Im Mauerwerksbau haben sich
hier 5 bzw. 95 % durchgesetzt. Der Wert wird als 5 %-Fraktilwert bezeichnet.
Während bei den bisherigen Bemessungsverfahren in
Deutschland stets auf der Spannungsebene gearbeitet wurde,
44
Die Methode der Grenzzustände ist schon länger bekannt. Ihr
Vorteil gegenüber der Methode der zulässigen Spannungen
bzw. dem Traglast- oder Grenzspannungsverfahren besteht in
der konkreteren Erfassung der einzelnen Einflüsse und der
Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Sie
wurde zu Beginn der Erarbeitung der europäischen Vornormen ENV für die Bemessung von Bauwerken und Bauteilen
zur verbindlichen Nachweismethode erklärt. Sie trägt dem
gestiegenen Erkenntnisstand Rechnung, bringt allerdings
mehr Aufwand mit sich und führt nicht unbedingt zu einer wirtschaftlicheren Dimensionierung.
Im Stahlbau liegt die auf dieser Methode beruhende Vorschrift
seit Beginn der neunziger Jahre vor und kann angewendet
werden. Da der europäische Normungsprozess länger als
erwartet dauert, hatte sich Deutschland entschlossen, auch
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
die anderen deutschen Normen auf das Teilsicherheitskonzept umzustellen.
4.1.2.1 Europa
Die erste Phase des europäischen Normungsprozesses konnte in der ersten Hälfte der neunziger Jahre mit der Vorlage der
europäischen Vornormen für die Bemessung von Mauerwerk
abgeschlossen werden [5]. Es folgte eine dreijährige Erprobungszeit, die jedoch national so gut wie nicht genutzt wurde.
An Hand von Vergleichsrechnungen sind lediglich die
Anwendbarkeit getestet und vorhandene Sicherheitslücken
aufgedeckt worden.
Die Mehrheit der europäischen Länder stimmte einer Überführung der ENV 1996-1-1 in eine europäische Norm zu, wobei
Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Erprobungsphase eingearbeitet werden sollten.
Die abschließende Behandlung des Schlussentwurfes der
überarbeiteten europäischen Mauerwerksnorm (prEN 1996-11) durch CEN/TC 250/SC 6 fand im Dezember 2002 statt. Die
formale Abstimmung dazu wird 2003 erfolgen. Nach der Verfügbarkeit in den drei offiziellen Sprachen Englisch, Deutsch
und Französisch kann bei positivem Ergebnis bei der Abstimmung dann mit der Bearbeitung der Nationalen Anhänge begonnen werden. Danach ist bei Einführung durch die Bundesländer die Anwendung parallel zur gültigen DIN 1053-1 (bzw.
100) möglich. Drei Jahre nach dem Erscheinen der letzten
Norm aus dem EC 6-Paket sind dann die widersprechenden
nationalen Normen zurückzuziehen. Das wird bei Beachtung
aller offiziellen Fristen voraussichtlich 2009 der Fall sein
(vgl. hierzu [7]).
4.2 DIN 1053-100:05/03
Die Norm geht davon aus, dass Mauerwerk in der Regel nur im
Grenzzustand der Tragfähigkeit nachzuweisen ist. Der Nachweis im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit wird im
Mauerwerksbau nicht geführt, da dieser im eigentlichen Sinne
von den üblichen Einwirkungen her als erfüllt angesehen werden kann. Das schließt jedoch nicht spezielle Betrachtungen
bei der Konstruktionswahl aus, insbesondere wenn anerkannte Erfahrungsregeln verlassen werden sollen.
4.2.1 Teilsicherheitsbeiwerte
Der Anhang A der DIN 1053-100 [2] enthält die wesentlichen
Dinge zum Sicherheitskonzept, sodass ein Nachschlagen in
der Lastnorm DIN 1055-100 [4] entfällt.
4.2.1.1 Einwirkungen
Die Teilsicherheitsbeiwerte für ständige und veränderliche
Einwirkungen sind in Tab. 4-1 angegeben.
Auswirkung
Ständige
Einwirkung (γG)
Veränderliche
Einwirkung (γQ)
günstige
1,0
0
ungünstige
1,35
1,5
Tab. 4-1 Teilsicherheitsbeiwerte γf für Einwirkungen in
Tragwerken für ständige und vorübergehende
Bemessungssituationen
4.2.1.2 Tragwiderstand
4.1.2.2 Deutschland
Die letzte Aktualisierung der deutschen Mauerwerksnorm
erfolgte 1996 [1]. Das vereinfachte Verfahren beruht auf der
Bemessung nach zulässigen Spannungen, das genaue Verfahren auf dem Traglast- bzw. Grenzspannungsnachweis. Es
werden dabei globale Sicherheitsfaktoren verwendet.
Grundlage für den Tragwiderstand sind die charakteristischen
Festigkeiten des Mauerwerks, die als 5%-Fraktilwerte definiert sind. Die Teilsicherheitsbeiwerte γM zur Bestimmung des
Bemessungswertes des Tragwiderstandes sind Tab. 4-2 zu
entnehmen.
γM
Die lange Dauer des europäischen Normungsprozesses
machte eine zwischenzeitliche Überarbeitung der Bemessungsnormen erforderlich, die auf der Basis des Teilsicherheitskonzeptes erfolgen sollte. Auf dem Gebiet des Mauerwerksbaus wurde damit 1997 begonnen, um eine entsprechende Lösung gleichzeitig mit den anderen Bauarten zur
Verfügung zu haben. Die verantwortlichen Gremien waren sich
einig, dass die Einführung dieses, 1998 vorgelegten Entwurfes
nur bei entsprechender Notwendigkeit erfolgen sollte. Da
diese nicht vorlag, war ausreichend Zeit zu einer gründlichen
Überarbeitung des Bemessungsteils auf der Basis der Teilsicherheitsmethode. Das Ergebnis dieser Phase konnte Ende
2002 beim DIN eingereicht werden und ist im Mai d.J. zur Veröffentlichung vorgesehen. Nach entsprechender Einführung in
den Bundesländern kann dann die Bemessung nach dem
semiprobabilistischen Sicherheitskonzept auf der Basis der
deutschen Norm im Mauerwerksbau erfolgen. Gleichzeitig ist
mit einer Rückziehung der europäischen Vornorm ENV 19961-1 [5] einschließlich des Nationalen Anwendungsdokumentes
[6] zu rechnen.
Material
Normale
Einwirkungen
Außergewöhnliche
Einwirkungen
Mauerwerk
1,5 · k0
1,2 · k0
Verbund-, Zug- und
Druckwiderstand
von Wandankern
und Bändern
2,5
2,5
Tab. 4-2 Teilsicherheitsbeiwerte γM für Baustoffeigenschaften
Dabei ist in Tab 4-2:
k0
ein Faktor zur Berücksichtigung unterschiedlicher Teilsicherheitsbeiwerte γM bei Wänden
und „kurzen Wänden“ nach DIN 1053-1:11/96,
Abschnitt 2.3 [1]. Es gilt:
45
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
k0 = 1,0 für Wände (allgemein);
k0 = 1,0 für „kurze Wände“, die aus einem oder
mehreren ungetrennten Steinen oder aus getrennten Steinen mit einem Lochanteil von
weniger 35 % bestehen und nicht durch Schlitze
oder Aussparungen geschwächt sind.
k0 = 1,25 für alle anderen ”kurzen Wände“.
Mit der Beziehung (4) sind unter Beachtung der Abminderungen für hochfestes Mauerwerk sowohl die Festigkeitstabellen
als auch die Tabelle mit den Verformungswerten aus der bisherigen Vorschrift [1] umgerechnet worden.
Bei Rezeptmauerwerk können die fk-Werte aus der Tab 4-3
in Abhängigkeit von den Steinfestigkeitsklassen und Mörtelgruppen entnommen werden. Die Tabellen beruhen auf den
bisher anerkannten Versuchswerten.
4.2.2 Festigkeiten
4.2.2.1 Druckfestigkeit
4.2.2.2 Zug- und Biegezugfestigkeiten
Die charakteristische Druckfestigkeit von Mauerwerk fk ist die
im Kurzzeitversuch an Prüfkörpern nach DIN 18554-1 gewonnene, als 5 %-Fraktile ausgewertete und auf die theoretische
Schlankheit 0 bezogene Druckfestigkeit.
Für den Tragfähigkeitsnachweis werden die abgeminderte
Haftzugfestigkeit fvko und die Höchstwerte der Zugfestigkeit
max fx2 parallel zur Lagerfuge benötigt. Sie sind ebenfalls aus
den bisher bekannten Werten umgerechnet worden. Die Tab
4-4 und Tab 4-5 geben die entsprechenden Werte an.
Vergleicht man die Definition mit den bisher gebräuchlichen
Werten der Mauerwerksfestigkeit βM, der Rechenfestigkeit βR
und dem Grundwert der zulässigen Spannung σo nach [1], so
besteht der nachfolgende Zusammenhang:
(2)
fk = 1,1 · βM
(3)
βR
fk = –––––
0,85
(4)
fk = 3,14 · σo
Steinfestigkeitsklasse
1)
4.2.3
Schubfestigkeiten
Für die Bestimmung der Schubfestigkeit werden die Angaben
zu fvko aus Tab 4-4 benötigt.
beim vereinfachten Nachweisverfahren dürfen bestimmte
Höchstwerte für die Schubfestigkeit nicht überschritten werden, die in Tab 4-6 angegeben sind.
Mauerwerk mit Normalmörtel
Plansteinmauerwerk
mit Dünnbettmörtel
Mörtelgruppe
Mauerwerk mit
Leichtmörtel
I
MN/m2
II
MN/m2
IIa
MN/m2
II
MN/m2
MN/m2
LM21
MN/m2
LM36
MN/m2
2
0,9
1,5
1,51)
-
1,8
1,5
1,51)
4
1,2
2,2
2,5
2,8
3,4
2,2
2,5
6
1,5
2,8
3,1
3,7
4,7
2,2
2,8
8
1,8
3,1
3,7
4,4
6,2
2,5
3,1
fk =1,8 MN/m2 bei Außenwänden mit Dicken ≥ 300 mm.
Diese Erhöhung gilt jedoch nicht für den Nachweis der Auflagerpressung (Einzellasten und Teilflächenpressung).
Tab. 4-3 Charakteristische Werte fk der Druckfestigkeit von Mauerwerk aus Porenbeton üblicher Steinfestigkeitsklassen nach [2]
1)
Mörtelart;
Mörtelgruppe
NM I
NM II
NM IIa
LM 21
LM 36
NM III
DM
fvko1)
0,02
0,08
0,18
0,22
Für Mauerwerk mit unvermörtelten Stoßfugen sind die Werte fvko zu halbieren.
Als vermörtelt in diesem Sinne gilt die Stoßfuge, bei der etwa die halbe Wanddicke oder mehr vermörtelt ist.
Tab. 4-4 Abgeminderte Haftscherfestigkeit fvko in MN/m2
46
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
Steinfestigkeitsklasse
2
4
6
8
Max fxk2
0,02
0,04
0,08
0,10
Tab. 4-5 Höchstwerte der Zugfestigkeit max fxk2 parallel zur Lagerfuge in MN/m2
1)
Steinart
max fvk1)
Hohlblocksteine
0,012 · fbk
Hochlochsteine und Steine mit Grifflöchern oder Grifföffnungen
0,016 · fbk
Vollsteine ohne Grifflöcher und Grifföffnungen
0,020 · fbk
fbk ist der charakteristische Wert der Steindruckfestigkeit (Steinfestigkeitsklasse).
Tab. 4-6 Höchstwerte der Schubfestigkeit max fvk im vereinfachten Nachweisverfahren
4.2.4 Zentrische und exzentrische Vertikalbelastung
4.2.4.1 Spannungsverteilung
Für Mauerwerk im Gebrauchszustand ist der Ansatz einer
linearen Spannungsverteilung unter Ausschluss von Zugspannungen hinreichend genau. Wenn man jedoch im Bruchzustand den Nachweis führt, können die infolge der nichtlinearen
Spannungsverteilung mehr oder weniger stark vorhandenen
Tragreserven im Sinne einer wirtschaftlichen Materialauslastung mit in Ansatz gebracht werden. Dies war bisher in
Deutschland nicht üblich. Die Größe der Reserven hängt von
der Stein-Mörtel-Kombination und ihrem typischen Spannungs-Dehnungs-Diagramm ab.
Der EC 6 geht bei der Bemessung von einem Spannungsrechteck aus. Diese Annahme ist nur für die Nachweisführung
sinnvoll und zulässig, weil dann die Unterscheidung zwischen
gerissenem und ungerissenem Querschnitt unterbleiben kann.
Auf der Basis dieser Bemessungsvereinfachung und exzentrischer Versuche war Jahre 1996 in der DIN 1053-1 im Abschnitt 7.9.1 [1] eine um den Wert 1,33 · βR erhöhte Kantenpressung bei exzentrischer Belastung zugelassen worden.
Diese erhöhte Kantenpressung konnte nunmehr beim allgemeinen Übergang auf das Spannungsrechteck bei DIN 1053100 entfallen, da sie nur ein Hilfsmittel zur Ausnutzung vorhandener Reserven im Vergleich zum Spannungsrechteck
darstellte.
Das Rechteckdiagramm stellt eine starke Vereinfachung des
tatsächlichen Parabel-Rechteck-Diagramms für die Bemessung dar, obwohl es sich bei den meisten Mauerwerksarten so
nicht einstellt (vgl. [9], Abschnitt 9.4). Die Nachweisführung
gestaltet sich damit wesentlich einfacher. Die Traglast einer
exzentrisch beanspruchten Wand Ne lässt sich in Bezug auf
die Tragfähigkeit bei zentrischer Belastung N0 darstellen zu
(5)
4.2.4.2 Nachweis der Knicksicherheit
Beim genaueren Verfahren wurde bisher der Knickeinfluss über
eine zusätzliche Lastexzentrizität berücksichtigt, die von der
Schlankheit, der Außermittigkeit und der Knicklänge abhing.
Jetzt wird – dem Vorgehen des EC 6 folgend – der Knickeinfluß
über einen Abminderungsfaktor explizit angegeben, sodass
die Berücksichtigung einer zusätzlichen Durchbiegung aus
Theorie II. Ordnung entfällt (vgl. hierzu ausführlich [10], dort in
Gl. (11q) implizit enthalten). Der Abminderungsfaktor Φm in der
Mitte der Wand ergibt sich in der DIN 1053-100 [2] zu
(6)
)
______
für hk/d > 10:
emc = 0,002 · ϕ∞ · hk · em0 d
√ /
)
Die Überprüfung, ob der Querschnitt gerissen oder ungerissen
ist, entfällt.
(
Darin bedeuten
hk /d
Schlankheit der Wand unter Beachtung der
Knicklänge und der Wanddicke
em
Exzentrizität der einwirkenden Last Nm,d in halber
Geschosshöhe
Es gilt: em = em0 + emk = Mmd/Nmd + ea + emk
emo
Exzentrizität infolge der planmäßigen Biegemomente Mmd in halber Geschosshöhe,
insbesondere aus Deckeneinspannung und Wind
sowie ungewollter Ausmitte ea
ea
ungewollte Ausmitte. Sie kann mit hk/450
angenommen und parabolisch über die Höhe
angesetzt werden.
emc
Exzentrizität in halber Geschosshöhe infolge
Kriechen. Falls kein genauerer Nachweis erfolgt,
ist folgende Abschätzung zulässig:
hk
em
em
Φm = 1,14 · 1-2 · ––– - 0,024 –––– ≤ 1-2 · –––
d
d
d
(
e
Ne = N0 · 1-2 · ––
d
für hk/d ≤ 10:
emc = 0.
ϕ∞
Endkriechzahl nach Tabelle 3 von DIN 1053-100
[2] (Die Werte sind identisch mit denen aus
Tabelle 2 der DIN 1053-1: 11/96 [1]).
47
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
Beim vereinfachten Verfahren wird der Knickeinfluss über
den Korrekturfaktor Φ2 erfasst, der etwa dem bisherigen k2
entspricht.
4.2.4.3 Begrenzung der Lastexzentrizität
Die DIN 1053-1 fordert, dass die klaffende Fuge bei exzentrischer Beanspruchung höchstens bis zum Schwerpunkt sich
öffnen darf. Diese Bedingung repräsentiert bei starrem Materialverhalten die als minimal zulässig anzusehende Kippsicherheit um die Vorderkante von 1,5. Bei einem Rechteckquerschnitt und Ansatz linearer Spannungsverteilung bedeutet diese Forderung, dass die maximale Lastexzentrizität d/3
sein darf.
In der DIN 1053-100 konnte nun diese einschränkende Bedingung entfallen, da nach dem Teilsicherheitskonzept die für
die jeweilige Versagensart maßgebende Lastkombination zu
untersuchen ist und die Tragfähigkeit des überdrückten Restquerschnittes sich aus der Festigkeit des Materials ergibt.
4.2.5
Schubbeanspruchung
In Abhängigkeit von der Kraftrichtung wird zwischen Scheibenschub infolge von Kräften parallel zur Wandebene
und Plattenschub infolge von Kräften senkrecht dazu unterschieden.
fbk
δDd
4.2.5.2 Schubnachweis
Querschnittsbereiche, in denen die Fugen rechnerisch klaffen,
dürfen nicht beim Schubnachweis in Rechnung gestellt
werden. Die Länge lc der überdrückten Fläche A darf unter
der Annahme, dass es sich um einen linear-elastischen Werkstoff mit Ausschluss von Zugspannungen handelt, bestimmt
werden.
Im Grenzzustand der Tragfähigkeit ist nachzuweisen:
(10)
Aus der abgeminderten Haftscherfestigkeit ist unter Beachtung der Auflast zuerst die Schubfestigkeit zu bestimmen.
Dabei kommt wie bisher das gewohnte Schubmodell nach
Mann/Müller zur Anwendung, das auch schon der DIN 10531: 11/96 zu Grunde liegt. Anschließend wird unter Ansatz der
überdrückten Fläche die aufnehmbare Schubkraft ermittelt.
(11)
mit
Für die charakteristische Schubfestigkeit fvk gilt:
VEd
VRd
(7)
fvk = fvko + −
µ · σDd
(8)
fvk = 0,45 · fbz ·
________
σDd
1 + –––
fbz
√
• Plattenschub:
(9)
fvk = fvko + µ · σDd
Dabei bedeuten:
fvko
µ
−
µ
fbz
48
die abgeminderte Haftscherfestigkeit
nach Tab. 4-4
der Reibungsbeiwert.
Für alle Mörtelarten gilt µ = 0,6.
der abgeminderte Reibungsbeiwert. Mit der Abminderung wird die Spannungsverteilung in der
Lagerfuge längs eines Steines berücksichtigt.
Für alle Mörtelarten darf angenommen werden.
die Steinzugfestigkeit. Liegen keine Versuchswerte vor, darf angenommen werden
VEd ≤ VRd
Dabei gilt für Rechteckquerschnitte:
4.2.5.1 Schubfestigkeit
• Scheibenschub: Der kleinere Wert aus den Gln. und ist maßgebend.
fbz = 0,025 · fbk für Hohlblocksteine
fbz = 0,033 · fbk für Hochlochsteine und Steine
mit Grifflöchern oder Grifföffnungen
fbz = 0,040 · fbk für Vollsteine ohne Grifflöcher
oder Grifföffnungen
der charakteristische Wert der Steindruckfestigkeit (Steindruckfestigkeitsklasse).
der Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung im untersuchten Lastfall an der Stelle
der maximalen Schubspannung.
Für Rechteckquerschnitte gilt δDd = NEd/A;
dabei ist A der überdrückte Querschnitt.
Im Regelfall ist die minimale Einwirkung
NEd = 1,0 · NG maßgebend.
fvd = fvk/γM
γM
A
D
l
c
A
VRd = fvd · –––
c
der Bemessungswert der Querkraft
der Bemessungswert des Bauteilwiderstandes
bei Querkraftbeanspruchung
der Bemessungswert der Schubfestigkeit (s.o.)
Teilsicherheitsbeiwert für Material nach Tab 4-2
überdrückter Wandquerschnitt
d · lc = 1,5 · d · (l - 2 · e) ≤ d · l
Dicke der Wand
Länge der Wand
Faktor zur Berücksichtigung der Verteilung
der Schubspannungen über den Querschnitt.
Für hohe Wände hW/l ≥ 2 gilt c = 1,5;
für Wände mit hW/l ≤ 1 gilt c =1,0;
Dazwischen darf linear interpoliert werden.
HW bedeutet die Gesamthöhe,
l die Länge der Wand.
Bei Plattenschub gilt stets c =1,5.
Der Unterschied zwischen dem vereinfachten und dem genaueren Verfahren besteht in der Berechnung der Schubfestigkeit.
Bei Rechteckquerschnitten genügt es, den Schubnachweis
für die Stelle der maximalen Schubspannung zu führen. Bei
zusammengesetzten Querschnitten ist außerdem der Nachweis am Anschnitt der Teilquerschnitte zu erbringen.
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
4.2.6
Weitere Nachweise
fk
charakteristische Druckfestigkeit des
Mauerwerks nach Tab 4-3
Teilsicherheitsbeiwert nach Tab 4-2
Abminderungsfaktor zur Berücksichtigung
der Schlankheit der Wand und von Lastexzentrizitäten.
Die Nachweise für Einzellasten und Teilflächenpressungen
sind entsprechend umgestellt worden. Für Kellerwände kann
weiterhin der bekannte Grenzlastnachweis, der an das Teilsicherheitskonzept angepasst wurde, geführt werden.
γM
Φ
4.2.7
Abminderungsfaktor Φ1 bei vorwiegend
biegebeanspruchten Querschnitten
Vereinfachtes Verfahren
Die Mehrheit der im Hochbau anliegenden Bemessungsfälle
kann mit dem vereinfachten Verfahren bearbeitet werden. Dieses ist an bestimmte Grenzen gebunden, die vorher zu überprüfen sind. Die Anwendungsgrenzen wurden gegenüber der
bisherigen Fassung der DIN 1053-1: 11/96 nicht verändert.
Bei vorwiegend biegebeanspruchten Querschnitten, insbesondere bei Windscheiben, gilt
(17)
4.2.7.1 Zentrische und exzentrische Druckbeanspruchung
Einwirkungen und prinzipielles Nachweisformat
Das Nachweisformat ist:
(12)
NEd ≤ NRd
Hierin bedeuten:
NEd
Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft.
Hierfür gelten die Gleichungen nach Anhang B,
Abschnitt 3.2. Im Allgemeinen genügt der Ansatz
(13)
NEd = 1,35 · NGk + 1,5 · NQk
In Hochbauten mit Decken aus Stahlbeton, die
mit charakteristischen Verkehrslasten von maximal 2,5 kN/m2 belastet sind, darf vereinfachend
angesetzt werden:
(14)
NEd = 1,4 · (NGk + NQk)
Im Fall größere Biegemomente M ist auch der
Lastfall max M + max N zu berücksichtigen.
Dabei gilt:
(15)
minNEd = 1,0 · NGk
e
Φ = Φ1 = 1-2 · ––
b
mit
b
Länge der Windscheiben bei Scheibenbeanspruchung bzw. b = d = Wanddicke bei Plattenbeanspruchung.
e = MEd/NEd Exzentrizitäten der Lasten;
zum Lastfall max M + min N siehe Gl. (15).
MEd = γf·MSk Bemessungswert des Biegemomentes.
Bei Windscheiben gilt MEd = 1,5 · HWk · hW.
HWk
charakteristischer Wert der resultierenden
Windlast, bezogen auf den nachzuweisenden
Querschnitt.
hW
Hebelarm von HWk bezogen auf den nachzuweisenden Querschnitt.
NEd
Bemessungswert der Normalkraft im nachzuweisenden Querschnitt nach den Gln. (13) bis (15).
Bei Exzentrizitäten e > b/6 bzw. e > d/6 sind rechnerisch
klaffende Fugen vorausgesetzt. Bei Windscheiben mit e > b/6
ist zusätzlich nachzuweisen, dass die rechnerische Randdehnung aus der Scheibenbeanspruchung auf der Seite der
Klaffung εR = εD · a/c unter charakteristischen Lasten den Wert
εRk = 10-4 nicht überschreitet (siehe Abb. 4-1). Der Elastizitätsmodul für Mauerwerks darf hierfür zu E = 1000 · fk angenommen werden. Der Nachweis macht sich erforderlich, weil sonst
bei wechselnder Windebeanspruchung der Ansatz der abgeminderten Haftzugfestigkeit in Gl. (24) beim Schubnachweis
nicht mehr gerechtfertigt wäre.
und
NRd
Bemessungswert der aufnehmbaren Normalkraft.
Grundlage ist ein rechteckiger Spannungsblock,
dessen Schwerpunkt mit dem Angriffspunkt der
Lastresultierenden übereinstimmt. Für Rechteckquerschnitte gilt:
(16)
NRd = Φ · A · fd
mit
A
fd = fk/γM
als Gesamtfläche des Querschnitts. Gemauerte
Querschnitte, deren Flächen kleiner als 400 cm2
sind, sind als tragende Teile unzulässig.
Beim Nachweis, dass dieser Mindestquerschnitts
eingehalten ist, sind alle Schlitze und Aussparungen zu berücksichtigen.
Bemessungswert der Druckfestigkeit des
Mauerwerks
Abb. 4-1 Zulässige rechnerische Randdehnung bei
Windscheiben (Bild 3 nach [2])
b
σDk
εDk
εRk
Länge der Windscheibe
Kantenpressungen auf Basis eines
linear-elastischen Stoffgesetzes
rechnerische Randstauchung
rechnerische Randdehnung
49
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
Abminderungsfaktor Φ2 und Φ3 bei geschosshohen
Wänden
Zur Berücksichtigung der Traglastminderung bei Knickgefahr
unter Ansatz der vorhandenen Knicklänge gilt
(18)
hk
Φ = Φ2 = 0,85 - 0,0011 · –––
d
2
( )
Knicklänge nach Abschnitt 8.7.2 von [2] und
Dicke des Querschnitts.
Schlankheiten hk/d > 25 sind unzulässig.
Zur Berücksichtigung der Traglastminderung durch den Deckendrehwinkel bei Endauflagern für Außen- oder Innenwände gilt:
Für Deckenstützweiten l ≤ 4,20 m:
(19)
Φ = Φ3 = 1,0
Für 4,20 < l ≤ 6,0 m:
(20)
Φ = Φ3 = 1,7 - I/6
mit l als Deckenstützweite.
Bei Decken über dem obersten Geschoss, insbesondere bei
Dachdecken, gilt
(21)
Φ = Φ3 = 0,5
für alle Werte von l.
Hierbei werden rechnerisch klaffende Fugen vorausgesetzt.
Wird die Traglastminderung infolge Deckendrehwinkel durch
konstruktive Maßnahmen, zum Beispiel Zentrierleisten,
vermieden, so gilt unabhängig von der Deckenstützweite
Φ3 = 1,0.
Für die Bemessung maßgebend ist der kleinere der Werte Φ2
und Φ3.
Außergewöhnliche Einwirkungen
Bei zweiseitig gehaltenen Wänden mit Wanddicken < 175 mm
und mit Schlankheiten > 12 und mit Wandbreiten < 2,0 m ist
der Einfluss einer ungewollten horizontalen Einzellasten H =
0,5 kN, die als außergewöhnliche Einwirkung Ad in halber Geschosshöhe angreift, nachzuweisen. Sie darf als Linienlast
über die Wandbreite gleichmäßig verteilt werden. Der Nachweis ist mit der Lastkombinationsregel für außergewöhnliche
Einwirkungen (s. Anhang A der DIN 1053-100: 05/03 [2], Gl.
(A.3)), zu führen. Er darf entfallen, wenn die Grenzschlankheit
(22)
Schlankheit der Wand
H = 0,5 kN horizontale Enzellast
A
Wandquerschnitt b · d für Wände mit Wandbreiten b < 2,0 m.
4.2.7.2 Einzellasten und Teilflächenpressung
Werden Wände von Einzellasten belastet, so ist die Aufnahme
der Spaltzugkräfte konstruktiv sicherzustellen. Dies kann bei
sorgfältig ausgeführtem Mauerwerksverband als gegeben angenommen werden. Die Spaltzugkräfte können auch durch
Bewehrung oder durch Stahlbetonkonstruktionen aufgenommen werden.
Ist die Aufnahme der Spaltzugkräfte konstruktiv gesichert,
so wird die Druckverteilung unter konzentrierten Lasten innerhalb des Mauerwerkes unter 60° angesetzt. Der höher beanspruchte Wandbereich darf in höherer Mauerwerksfestigkeit
ausgeführt werden. Die allgemeinen Aussagen der Norm zu
Zwängungen sind dabei zu beachten.
Wird nur die Teilfläche A1 (Übertragungsfläche) eines Mauerwerksquerschnitts durch eine Einzellast, z. B. unter Balken,
Unterzügen, Stützen usw., mittig oder ausmittig belastet,
dann darf A1 mit folgender Teilflächenpressung σ1d belastet
werden:
(23)
α · fk
FSd
σ1d = –––– ≤ ––––––
A1
γM
Im Allgemeinen gilt α = 1,0.
fk folgt aus Tab 4-3, γM aus Tab 4-2.
Dieser Nachweis ersetzt nicht den Nachweis der gesamten
Wand und ihrer Knicksicherheit.
Vergrößerter Wert der Teilflächenpressung
Der Wert α in Gl. (23) darf auf α = 1,3 vergrößert werden, wenn
folgende Voraussetzungen eingehalten sind (siehe Abb 4-2):
• Teilfläche A1 ≤ 2 · d2 mit d als Wanddicke.
• Exzentrizitäten des Schwerpunktes der Teilfläche: e ≤ d/6
• Abstand a1 der Teilfläche vom Rand der Wand größer als die
dreifache Länge l1 der Übertragungsfläche in Wandlängsrichtung: a1 > 3 · l1.
Der Nachweis kann auch noch den genauen Verfahren geführt
werden.
–
H
λ ≤ 20 - 1000 · –––––
A · fk
eingehalten ist.
50
– hk
λ = –––
d
Einzellasten auf Mauerwerk
mit
hk
d
Dabei bedeuten
Abb. 4-2 Teilflächenpressungen (Bild 5 nach [2]).
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
Teilflächenpressung rechtwinklig
zur Wandebene
4.3.1.1 Eingangsgrößen
Außenwand aus PPW2-0,40 mit Dünnbettmörtel mit fk = 1,8
MN/m2
Für Teilflächenpressung rechtwinklig zur Wandebene gilt Gl.
(23) mit α = 1,3. Bei horizontalen Lasten FSd ist zusätzlich die
Schubspannung in der Lagefugen der belasteten Steine nach
Gln. (24) und (25) nachzuweisen. Bei Loch- und Kammersteinen ist zum Beispiel durch Unterlagsplatten sicherzustellen,
dass die Druckkraft auf mindestens zwei Stege übertragen
wird.
Wanddicke
Lichte Höhe
Stützweite der Decke
4.2.7.3 Schubbeanspruchung
4.3.1.2 Lotrechte Lasten
Für die charakteristische Schubfestigkeit gilt beim vereinfachten Verfahren:
• Scheibenschub: Der kleinere Wert aus den Gln. (24) und (25)
ist maßgebend.
Deckenbelastung:
(24)
(25)
fvk = fvko + 0,4 · σDd
Fvk = max fvk
Abmessungen:
Eigengewicht
Verkehrslast
Decke
Trennwandzuschlag
Gesamt
• Plattenschub:
(26)
fvk = fvko + 0,6 · σDd
Dachlasten
Auflast aus Dach
Dabei bedeuten:
fvko
γDd
max fvk
fbk
die abgeminderte Haftscherfestigkeit
nach Tab 4-4
der Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung im untersuchten Lastfall an der Stelle
der maximalen Schubspannung. Für Rechteckquerschnitte gilt γDd = NEd/A, dabei ist A der
überdrückte Querschnitt. Im Regelfall ist die
minimale Einwirkung NEd = 1,0 · NG maßgebend.
Höchstwert der Schubfestigkeit nach Tab 4-6,
abhängig vom Rissverhalten.
der charakteristische Wert der Steindruckfestigkeit (Steindruckfestig-keitsklasse).
Der Tragfähigkeitsnachweis ist nach den Gln. (10) und (11) zu
führen.
4.3
Gesamt
Drempel
gD = 0,18 · 25 + 1,33 = 5,83 kN/m2
AgD = 5,83 · 5,22/2 = 15,22 kN/m
NogD = 5 · AgD= 5 · 15,22 = 76,1 kN/m
pD = 1,50 kN/m2
pT = 1,25 kN/m2
p = 2,75 kN/m2
ApD = 2,75 · 5,22/2 = 7,18 kN/m
NopD = 5 · ApD = 5 · 7,18 = 35,9 kN/m
Nog = 4,76 kN/m
Nop = 2,24 kN/m
gW = 0,18 + 5 · 0,30+0,15 = 1,83kN/m2
GW1= 1,83 · 2,60 = 4,76kN/m
GW = 4,76 · 5 = 23,8 kN/m
GD = 2,8 kN/m2
4.3.1.3 Überprüfung der Voraussetzungen für die
Anwendung des vereinfachten Verfahrens
Die Voraussetzungen
• Gebäudehöhe ≤ 20 m
• Stützweite der aufliegenden Decken < 6,00 m
• Wanddicke ≥ 24 cm
• Geschoßhöhe hS ≤ 2,75 m
• Nutzlast ≤ 5 kN/m2
sind im vorliegenden Fall eingehalten.
Beispiel nach dem vereinfachten Verfahren
Es wird hier nur der Nachweis für die exzentrische Druckbelastung dargestellt. Zur Demonstration der Nachweisführung
wird das Beispiel aus [11] (S. 126 f) verwendet, wodurch ein
direkter Vergleich mit dem bisher angewendeten Algorithmus
möglich ist.
Der Einfachheit halber wird auf Öffnungen und daraus
resultierende Auflagerkräfte verzichtet. Bei Berücksichtigung
können sich u.U. andere Festigkeitsklassen ergeben, als hier
verwendet.
4.3.1
Wandlasten
pro Geschoss
d= 30,0 cm
hS=2,60 m
l1= 5,00 + 0,3/3 + 0,24/2 = 5,22 m
Bauteil und Belastungen
Es handelt sich um eine einschalige Außenwand eines fünfgeschossigen Gebäudes. Sie ist zweiseitig gehalten.
4.3.1.4 Maßgebende Lastkombination und einwirkende
Normalkraft
Da die Verkehrslast p > 2,50 kN/m2 ist, kann von der vereinfachten Lastkombinationsregel nach Gl. (14) kein Gebrauch
gemacht werden.
Maßgebend ist Gl. (13).
NEd = 1,35 · NGk + 1,5 · NQk
= 1,35 · (35,9 +2,24) + 1,5 · (76,1 + 4,76 +
23,8 + 2,8) = 212,68 kN/m
4.3.2 Art der Wandhalterung und Knicklänge
Der Wandabschnitt ist zweiseitig gehalten b = 1,0.
Knicklänge hk = 1,0 · 2,60 = 2,60 m
Schlankheit hk/d = 2,60/0,30 = 8,67 < 10
51
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
4.3.3 Abminderungsfaktoren Φ
4.3.3.1 Zur Berücksichtigung des Schlankheitseinflusses
Mit Gl. (18) folgt
hk 2
Φ2 = 0,85 - 0,0011 · ––– = 0,85 - 0,0011 · 8,672 = 0,767
d
( )
Die DIN 1053-100 wird im Mai d.J. erscheinen. Nach Einführung durch die obersten Bauaufsichtsbehörden der einzelnen
Bundesländer kann sie dann alternativ angewendet werden.
Das Mischungsverbot ist dabei zu beachten. Es ist beabsichtigt, zur gleichen Zeit die ENV 1996-1-1 als eingeführte Technische Baubestimmung zurückzuziehen.
Φ3 = 1,7-I/6 = 1,7-5,22/6 = 0,83
Die DIN 1053-100 hat nur die Bemessung zum Inhalt. Hinsichtlich Baustoffen, Konstruktion und Ausführung gilt weiterhin DIN 1053-1. Da diese Norm bereits seit 1996 Gültigkeit besitzt, ist in den nächsten Jahren eine generelle Überarbeitung
vorgesehen.
4.3.3.3 Maßgebender Wert
4.5
Quellen/Literatur
Maßgebend ist der kleinere der beiden Werte, also Φ2.
[1]
DIN 1053-1: 11/96: Mauerwerk. Teil 1: Berechnung und
Ausführung. NABau im DIN/Beuth Verlag: Berlin Nov.
1996
[2]
DIN 1053-100: 05/03: Mauerwerk. Teil 100: Berechnung auf der Grundlage des semiprobabilistischen
Sicherheitskonzeptes. NABau im DIN/Beuth Verlag:
Berlin erscheint im Mai 2003
[3]
Mann, W. & Jäger, W.: Vereinfachte Bemessung
von Mauerwerk nach dem Teilsicherheitskonzept. In:
Mauerwerk-Kalender 2003. Hrsg. H.-J. Irmschler, P.
Schubert und W. Jäger. Ernst & Sohn: Berlin 2003, S.
349 - 365
[4]
DIN 1055-100: 03/01: Einwirkungen auf Tragwerke. Teil
100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln. NABau im DIN/Beuth
Verlag: Berlin März 2001
[5]
ENV 1996-1-1: 12/96: Eurocode 6: Bemessung und
Konstruktion von Mauerwerksbauten. Teil 1-1: Allgemeine Regeln. Regeln für bewehrtes und unbewehrtes
Mauerwerk. Deutsche Fassung ENV 1996-1-1: 1995.
NABau im DIN/Beuth Verlag: Berlin Dez. 1996
[6]
Nationales Anwendungsdokument (NAD): Richtlinie zur
Anwendung von DIN V ENV 1996-1-1, Eurocode 6: Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten.
Teil 1-1: Allgemeine Regeln- Regeln für bewehrtes und
unbewehrtes Mauerwerk. DIN-Fachbericht 60. Hrsg.
DIN Deutsches Institut für Normung e.V.. Beuth Verlag:
Berlin, Wien, Zürich 1997
[7]
Jäger, W.: Zum Stand der europäischen Bemessungsregeln im Mauerwerksbau Eurocode 6. In: MauerwerkKalender 2003. Hrsg. H.-J. Irmschler, P. Schubert und
W. Jäger. Ernst & Sohn: Berlin 2003, S. 637 – 658
[8]
Reeh. H. & Jäger W.: Bemessung von Mauerwerk.
Beispiele nach DIN 1053-1 und Eurocode 6. In: Mauerwerk-Kalender 2003. Hrsg. H.-J. Irmschler, P. Schubert und W. Jäger. Ernst & Sohn: Berlin 2003, S. 367 –
457
[9]
Jäger, W.; Pflücke, T. & Morlack, F.: Kicksicherheit von
Mauerwerk nach EC 6. Untersuchungen zur Knicksicherheit von Mauerwerksbauteilen mit Berücksichti-
4.3.3.2 Zur Berücksichtigung der Deckenverdrehung
Aus Gl. (19) ergibt sich
4.3.4 Ermittlung des Tragwiderstandes und Nachweis
4.3.4.1 Teilsicherheitsbeiwert für Material
Im vorliegenden Fall handelt es sich um normale Einwirkungen
sowie eine allgemeine Wand (vgl. Abschnitt 4.2.1.2).
ko = 1,0
γM = 1,5 · 1,0 = 1,5
4.3.4.2 Tragwiderstand
Der Tragwiderstand ergibt sich mit Gl. (16)
NRd = Φ · A · fd
= 0,767 · 0,30 · 1,00 · (1,8/1,5) · 1000 = 276,1 kN
4.3.4.3 Nachweis
NEd = 212,68 kN/m < NRd = 276,1 kN
Der Nachweis ist erfüllt.
4.3.5
Einschätzung
Wie an dem Beispiel gezeigt werden konnte, ist der Aufwand
nach dem Teilsicherheitskonzept nur unwesentlich höher als
nach der bisherigen Nachweismethodik. Der Mehraufwand
liegt im Wesentlichen in der Lastermittlung. Die dabei im Rahmen der DIN 1053-100 für den Mauerwerksbau eingeführten
Vereinfachungen sind sehr hilfreich.
In dem dargestellten Beispiel wird eine geringere Ausnutzung
der Wand gegenüber dem Ergebnis nach [11] ausgewiesen,
d.h. sie besitzt eine höhere Tragfähigkeit.
4.4
Ausblick
Mit der DIN 1053-100 liegt ein Nachweiskonzept für den
Mauerwerksbau vor, das die durchgängige Bemessung von
Bauwerken nach dem neuen Sicherheitskonzept gestattet.
Ziel der Umstellung war es, die Einfachheit der Anwendung
und der Nachweisführung möglichst bei zu behalten und ein
auf die Bauweise abgestimmtes Bemessungskonzept vorzulegen.
52
4 Mauerwerk-Bemessung nach dem neuen Sicherheitskonzept
gung großer Exzentrizitäten und nichtlinearer Spannungs-Dehnungs-Beziehungen nach ENV 1996-1-1.
Forschungsbericht, erarbeitet i. A. des DIBt. Technische Universität Dresden, Fakultät Architektur, Lehrstuhl Tragwerksplanung: Dresden, Juni 2002
[10]
Graubner, C.-A.; Glock, Chr.; Jäger, W. & Pflücke, T.:
Knicksicherheit von Mauerwerk. In: Mauerwerk-Kalender 2002. Hrsg. H.-J. Irmschler und P. Schubert. Ernst
& Sohn: Berlin 2002, S. 381 - 441
[11]
N.N.: XELLA Baustoffhandbuch Porenbeton. Hrsg.
XELLA Baustoffe GmbH Duisburg. Eigenverlag. Duisburg 2003
53
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
5
Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Dr.-Ing. Ronald Rast
Der relativ junge Baustoff Porenbeton ist in der Summe der
Eigenschaften das Material der Zukunft für Neubauten, Umbauten, Modernisierungen und Sanierungen. Abb. 5-1 ver-
deutlicht bildhaft, dass die Tragfähigkeit von Porenbeton im
Verhältnis zur Rohdichte enorm ist.
Abb. 5-1
Die Grundwerte σ0 [MN/m2] der zulässigen Druckspannungen
für Mauerwerk nach DIN 1053-1 sind im Verhältnis zur SteinSteinfestigkeitsklasse
festigkeitsklasse gegenüber anderem Mauerwerk deutlich
höher.
2
4
6
8
Mauerwerk aus Porenbeton-Plansteinen
mit Dünnbettmörtel
0,6
1,1
1,5
2,0
Mauerwerk mit Mörtelgruppe II
0,5
0,7
0,9
0,9
0,8
Mauerwerk mit Mörtelgruppe III
Mauerwerk mit Leichtmörtel LM36
0,5
12
20
1,0
1,2
1,6
1,2
1,4
1,8
2,4
0,9
1,0
1,1
1,1
Tab. 5-1 Grundwerte der zulässigen Druckspannungen σ0 [MN/m2]
In alle Belastungsrichtungen sind die Trageigenschaften nahezu gleich und dennoch ist die Verarbeitung des Materials
kinderleicht. Die Steingewichte und die Verklebung mit Dünnbettmörtel machen das Material auch besonders interessant
54
für den Selberbauer. In Sachen Brandschutz ist Porenbeton
als nichtbrennbarer Baustoff in der Klasse A1 gemäß DIN 4102
eingestuft. Seine rein mineralischen Bestandteile und die Porenstruktur geben ihm diese perfekten Eigenschaften in Sa-
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
chen Brandschutz, so dass der Planer bei Anwendung im
Wohn- und Wirtschaftsbau die Einhaltung von Brandschutzanforderungen gewährleisten kann. Selbst sehr schlanke
Wand und Dachkonstruktionen halten einer Brandbelastung
von 180 Minuten und mehr stand.
In Sachen Schallschutz hat sich aus aktuellen Messungen
gezeigt, dass Porenbeton wesentlich bessere Werte als in
der Norm 4109 vorgegeben aufweist. Eigentlich ist die Luftschalldämmung von einschaligen massiven Bauteilen von
ihrer flächenbezogenen Masse abhängig. Diese Gesetzmäßigkeit ist dementsprechend in der heute gültigen Norm DIN 4109
als Grundlage vorhanden. Dabei hat Porenbeton im Beiblatt 1
der DIN 4109 einen Bonus von 2 dB erhalten, doch ist mit
Messungen gezeigt worden, dass Porenbeton gegenüber der
Norm 4 bis 7 dB bessere Werte aufweist.
Am Ende seiner Nutzungsdauer kann Porenbeton als sortenreines Material bedenkenlos auf Deponien entsorgt oder als
Recyclingmaterial für neue Anwendungen genutzt werden. Mit
der Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft umweltverträgliches Bauprodukt e.V. wurden die guten Umweltkenndaten
von Porenbeton ausdrücklich bestätigt.
Der heute, als eine der wichtigsten Eigenschaften angesehene
Wärmeschutz, wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert. Wie in Abb. 5-2 ersichtlich, wurde 1997 zum
erstenmal ein monolithischer Werkstoff aus Porenbeton
geschaffen, der die magische Grenze eines Wärmeleitrechenwertes von λ = 0,10 W/(mK) unterschritten hat und im
Bundesanzeiger damals mit λ = 0,09 W/(mK) veröffentlicht
wurde.
Abb. 5-2
Andere Baustoffe, wie z.B. der Ziegel, zogen inzwischen nach.
Ein gleicher Wert von λ = 0,09 W/(mK) konnte aber nur in einer
spezifischen Form als Hochlochziegel mit einer Dämmstofffüllung erreicht werden. Relativ neu als mineralischer Wärmedämmstoff wurde ebenfalls 1997 von dem damaligen Porenbetonhersteller Hebel AG ein Porenbeton mit einem Raumgewicht von nur noch 125 kg/m3 als sogenannte Hebel-MDPlatte auf den Markt gebracht. Seit Anfang dieses Jahres wird
ein vergleichbares Produkt nun unter dem Namen Multipor
vertrieben. Dieser mineralische Dämmstoff kann für die Herstellung neuer Wand- und Deckenkonstruktionen mit WDVS
im Wohn- und Wirtschaftsbau, aber auch für die nachträgliche
Dämmung bestehender Bauten genutzt werden.
Doch kommen wir zurück zum Thema Vollstein. Porenbeton
ist mit seiner Struktur ein homogener Stein, der in alle
Richtungen die gleichen Wärmedämmeigenschaften hat.
Diese Eigenschaft wird auch als isotrop bezeichnet und
sorgt dafür, dass gerade in kritischen Bereichen des Wärmeschutzes Konstruktionen einfach Wärmebrückenfrei ausgebildet werden können. Am Beispiel, siehe auch Abb. 5-3, eines
Dachanschlusses im Detailbereich des Ortgangs lässt sich der
Unterschied zwischen einem Vollstein und Lochstein einfach
darstellen.Beim Vollstein wird der Wärmestrom in alle Richtungen gleichmäßig unterbunden und es entstehen nur minimale Wärmeverluste an der Innenecke zwischen Wand und
Dachkonstruktion.
55
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Abb. 5-3
Abb. 5-4
56
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Doch nicht nur der Planstein aus Porenbeton, der bei einfachster Verarbeitung an sich schon mehr als doppelt so groß wie
andere Mauersteine ist, wird von den im Bundesverband
Porenbeton zusammengeschlossenen Porenbetonherstellern
angeboten. Abb. 5-4 zeigt einen Überblick über das Gesamtangebot der Hersteller.
Neben dem Planstein als eigentlich kleinstes Bauteil des Porenbetonbausystems wird inzwischen eine ganze Palette an
sogenannten Großformaten und Elementen hergestellt. Im tragenden und nichttragenden Wandbereich werden z.B. Planelemente im Doppelpack, aus denen mit einem Minikran bereits bis zu 1,25 m lange und 0,625 m hohe Wandstücke versetzt werden können, angeboten. Weiterhin gibt es transportbewehrte Wandbauteile, wie das liegend angewendete Planelement mit bis zu 3,00 m Länge und das Systemwandelement, welches geschosshoch stehend eingesetzt wird. Beide
Produkte erlauben eine größtmögliche Effizienz beim Bauen
und werden von den Herstellern einschließlich Montageplänen
bereitgestellt. Bei den Großformaten ist daher bereits in der
frühen Entwurfsphase eine Abstimmung zwischen Architekten
und Porenbetonherstellern sinnvoll, um alle Vorteile des zeitgemäßen und effizienten Bauens vollkommen auszuschöpfen.
Im nichttragenden Wandbereich für Industriebauten wird das
Porenbetonbausystem durch bewehrte Montagebauteile für
den liegenden als auch stehenden Einbau ergänzt. Diese Bauteile sind in der Lage, das Eigengewicht, die Windlasten auf
die Fassade und die eingeleiteten Windkräfte aus Fenstern auf
eine Unterkonstruktion abzuleiten. Die maximale Abmessung
von Montagebauteilen beträgt 7,50 m in der Länge und 0,75 m
in der Höhe. Die Dimensionierung der Dicke erfolgt über die
Statik durch die Beanspruchungen und über die Anforderungen des Wärmeschutzes gemäß EnEV.
Sowohl für den Wohnungsbau als auch für den Industriebau
stellen die Hersteller von Porenbeton auch Decken- und
Dachplatten mit Bewehrung als großformatige Bauteile her.
Die Vorteile des Porenbetons kommen natürlich auch für diese Bauteile zum tragen. Ein massives Dach hat gleiche
Wärmedämmeigenschaften wie die Porenbetonwand mit der
gleichen Dicke und Wärmeleitfähigkeit. Dem Planer sind innerhalb der lieferbaren Maßen alle Freiheiten bei der Gestaltung
von Fassaden, Innenwänden, Decken und Dächern gegeben.
Effizienz beim Bauen bedeutet nicht nur eine kürzere Bauzeit,
sondern auch geringere Baukosten. Die Lohnkosten auf der
Baustelle werden infolge kürzerer Bauzeit reduziert und für
den Investor ist es möglich, Gebäude schneller der geplanten
Nutzung zuzuführen. Abb. 5-5 zeigt anschaulich die Zahl der
Steine bzw. Elemente beim Bauen mit unterschiedlichen Formaten.
Angefangen beim klassischen 2DF/3DF-Mauerwerk, wo für
einen Quadratmeter Mauerwerk 32 Steine erforderlich sind,
bis hin zur Systemwandbauweise, wo nur noch ein halbes
Element pro m2 Mauerwerksfläche benötigt wird.
Die Produktivitätssteigerung am Bau wird neben der Anzahl
der Steine bzw. Elemente pro Quadratmeter Mauerwerksfläche auch durch die Abnahme der Arbeitszeitrichtwerte der
einzelnen Mauerwerksbildner erreicht. In Abb. 6 kann man
Abb. 5-5
57
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
diesen Trend der Abnahme der Arbeitszeitrichtwerte anhand
einer 30 cm dicken Mauerwerkswand deutlich erkennen.
Bereits mit dem Einsatz von Porenbeton-Plansteinen kann
nahezu eine Halbierung der Aufwandswerte gegenüber 5DFMauerwerk erreicht werden. Mit den ganz großen Formaten
wie dem Porenbeton-Planelement und dem PorenbetonSystemwandelement kann dieser Wert sogar auf ca. ein Fünftel des Wertes von klassischem 5 DF-Mauerwerk gebracht
werden. Ist das Steingewicht beim 5DF-Mauerwerk noch bei
durchschnittlich 10 kg pro Stein und damit von Hand zu verlegen, muss schon beim Porenbeton-Planelement im Doppelpack mit einem Durchschnittsgewicht von etwa 140 kg ein
Minikran zur Hilfe genommen werden. Für die ganz großen
Formate wird ein Minikran benötigt, aber es ist auch möglich,
diese Elemente direkt vom Lastkraftwagen mittels eines Autokrans zu verlegen. Nachteile entstehen dabei jedoch nicht. So
ist, bei einem angenommenen Stundensatz von 35,00 e/h der
Kalkulationsansatz für das 5 DF-Mauerwerk mit durchschnittlich 103,25 e/m2 Mauerwerk zu kalkulieren, während sich dieser Wert bei Porenbeton-Systemwandelementen auf unter
30,00 e/m2 inklusive Kosten für den Kraneinsatz reduziert.
Der Effekt der Einsparung der Lohnkosten rechtfertigt den Einsatz eines höherwertigen Baumaterials. Unter der Annahme
eines gleichen Marktpreises für das fertige Mauerwerk ist in
Abb. 5-7 dargestellt, dass sich trotzt höherer Materialkosten
der Einsatz eines großformatigen Bausystems für den Bauunternehmer lohnt.
Hinzugerechnet werden kann bei diesem Beispiel auch noch
der Gesamtzeitgewinn für das Bauvorhaben, welcher durch
Abb. 5-6
58
geringere Zwischenfinanzierungskosten und schnellerer Vermarktung bzw. Vermietung weitere Effekte beim Bauträger
bzw. Auftraggeber auslöst. Gerade in der heutigen Zeit kommt
es darauf an, die Baustoffe so einzusetzen, dass in der
Summe ein optimales Bauergebnis erzielt wird. Dabei leistet
der Baustoff Porenbeton mit der Summe der Eigenschaften
und den großen Bauteilabmessungen einen wichtigen Beitrag.
Wenn man sich, wie in Abb. 5-8 dargestellt, heute eine Baufamilie ansieht, so gibt es in deren Köpfen eine Vielzahl an
Dingen, die beachtet werden müssen. Angefangen bei den
Vorstellungen des eigenen Traumhauses über die Risiken bei
den Kosten, den Terminen und der Bauqualität bis hin zu der
Flexibilität des Hauses im fortgeschrittenen Alter gibt es eine
Unzahl an Fragen und Problemen, mit denen oft nicht gerechnet wird. Vielfach ist sarkastisch „von dem letzten Abenteuer
der Menschheit ...“ die Rede, wenn es um den Hausbau geht.
Hierbei werden langfristige Entscheidungen getroffen und
finanzielle Verpflichtungen eingegangen, bei denen der Bauherr auf der sicheren Seite stehen möchte. Abschreckende
Beispiele in den Medien und im eigenen Bekanntenkreis
schüren weitere Ängste. Wir, als im Bundesverband
der Porenbetonindustrie zusammengeschlossene Hersteller
wollen zeigen, dass es auch anders geht.
In den letzen Jahren wurde eine Vielzahl an neuen Dienstleistungen und Produktinnovationen rund um den Baustoff
Porenbeton entwickelt und auf dem Markt eingeführt. Auf den
folgenden Seite sollen diese kurz vorgestellt werden. Für vertiefende Informationen stehen die Porenbetonhersteller gerne
zur Verfügung.
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Abb. 5-7
Abb. 5-8
59
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Angefangen bei den produktbezogenen Dienstleistungen in
Abb. 5-9 mit den Verlegeplänen für Porenbetonprodukte und
den Berechnungen für Kalkulation und Konstruktion wird auf
der einen Seite die planerische Sicherheit für das Bauobjekt
erreicht und auf der anderen Seite der Bauablauf nachhaltig
optimiert. Für den Planer ist der Bauteilkatalog von typischen
Details von besonderem Interesse, da dort einfach auszuführende Details dargestellt sind, die eine sichere Erfüllung der
einschlägigen Gesetze und Vorschriften sowie insbesondere
der neuen Energieeinsparverordnung ermöglichen. Der gesamte Wärmebrückenkatalog mit allen Details ist als Berichtsheft Nummer 20 des Bundesverbandes der Porenbetonindustrie erhältlich und kann auch im Internet ständig aktualisiert
abgerufen werden. Daneben unterstützten Sie die Porenbetonhersteller in allen Fragen rund im Details zur Vermeidung
von Wärmebrücken. Neben diesen wärmetechnischen Beratungen stehen Ihnen die Porenbetonhersteller auch für Fragen
rund um den Schallschutz zur Verfügung.
Für Leistungen, die im eigentlichen Sinn nichts mit Porenbeton
zu tun haben, können wir Ihnen Bauunternehmen vermitteln,
die in der Vergangenheit bereits erfolgreich mit uns zusammengearbeitet haben. Ergänzt wird diese Dienstleistung
mit Generalunternehmen, die Ihnen eine Vielzahl an Aufgaben
rund um den Bau abnehmen.
Für den Selberbauer und Baufirmen beim erstmaligen Einsatz
von Porenbeton stellen die Porenbetonhersteller nach Absprache Vorführmeister, die vor Ort eine Einweisung in die Arbeitstechniken mit Porenbeton geben. Darüber hinaus gibt es
auch noch Schulungsangebote der Porenbetonhersteller, die
es nach Absolvierung erlauben, den Rohbau für sein eigenes
Haus selbst zu bauen. Im Industriebau stehen, wie in Abb. 10
ersichtlich, eigene Montagekolonnen und langjährig auf die
Porenbetonmontage spezialisierte Montageunternehmer den
Bauherren zur Verfügung, so dass die Porenbetonhersteller in
diesem Bereich einen Rundum-Service für die Fassade und
das Dach anbieten können.
Bei der Baulandoptimierung können wir Ihnen fachlich hochqualifizierte Baulandentwickler vermitteln, die sie auf dem
Weg vom „Ackerland“ hin zum baureifen Land in allen Fragen
rund um die Umwandlung und optimaler Nutzung begleiten.
Abb. 5-9
60
Abb. 5-11 zeigt zwei Beispiele für objektbezogene Dienstleistungen aus dem Bereich Planungsservice und Baulandoptimierung. Auf der einen Seite können wir unseren Kunden
Architekten empfehlen, die Porenbeton als einen modernen
Baustoff bereits mehrfach ausgeschrieben haben. Auf der anderen Seite vergeben wir auch Planungsleistungen, wenn es
vom Kunden so gewünscht wird. Als intensivster Schritt einer
Zusammenarbeit zwischen Porenbetonherstellern und Architekten ist die gemeinsame Entwicklung von Hauskonzepten,
die den optimalen Einsatz von Porenbeton berücksichtigen
und dann bundesweit eingesetzt werden, zu nennen.
Zur Vermeidung von Baustellenabfällen und für einen noch
schnelleren Bauablauf bietet Ihnen die Porenbetonindustrie
auch bereits vorkonfektioniertes Mauerwerk an. Zusammen
mit den bereitgestellten, in Abb. 5-12 dargestellten, Verlegeplänen wird das Mauern nochmals beschleunigt, da zeitraubende Arbeiten, wie zum Beispiel der Steinezuschnitt, entfallen.
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Abb. 5-10
Abb. 5-11
61
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Auch hier spielt die Großformatigkeit eine wichtige Rolle, denn
mit der Kombination von Großformaten, Konfektionierung und
Positionierung können Spitzenzeiten in der Verarbeitungsgeschwindigkeit auf der Baustelle erreicht werden. Konfektioniertes Mauerwerk ist für den Profianwender gedacht. In
Format und Verarbeitungsgeschwindigkeit übertroffen wird
das konfektionierte Mauerwerk zur Zeit nur noch durch eine
vorelementierte Bauweise mit geschosshohen Systemwandelementen. Durch die Elementierung und die Konfektionierung
im Werk wird auf der Baustelle der Abfall nahezu komplett
vermieden und bei den Systemwandelementen besteht die
Möglichkeit, dass diese direkt vom Lastkraftwagen montiert
werden. Auch hierbei ist der Einsatz für den Profibereich
definiert und ein effizientes Bauen mit diesen Elementen ergibt
sich insbesondere, wenn es mehrere Wiederholungen, wie
z.B. Reihenhäuser oder größere Mehrgeschossbauten, gibt.
Versuchsweise sind auch schon mehrere einzelne Systemwandelemente miteinander verbunden worden, was dann
eine Wandtafel, wie sie auf der rechten Seite der Abb. 12
dargestellt ist, ergibt.
Dieses Verfahren eignet sich jedoch zur Zeit nur für geschlossenen Wandfelder und ist auf Nachfrage erhältlich. Fensterzwischenräume und kurze Wandstücke werden dabei weiterhin mit Systemwandelementen ausgeführt. Mit diesem
Zwischenschritt der verbundenen Einzelelemente kommt man
damit zum aktuellsten Großformat des Porenbeton-Bausystems.
Die in Abb. 5-13 dargestellten Mauerwerkstafeln ermöglichen
es, ein Wohngebäude in kürzester Zeit, bei kleineren
Abb. 5-12
62
Gebäuden sogar an einem Tag, rohbaufertig zu errichten.
Mauerwerkstafeln bestehen aus werkseitig aufgemauerten
Wandelementen, die alle Öffnungen berücksichtigen und die,
entsprechend den Architektenplänen, individuell gefertigt werden. Mauerwerkstafeln werden stehend ausgeliefert und
mittels eines Autokrans auf die vorbereiteten Boden bzw.
Deckensysteme verlegt. Bis zum Auflegen der Folgedecke
werden die einzelnen Wandelemente temporär mittels Sprießen abgestützt. Eine Kombination mit allen Deckensystemen
aus Porenbeton, Beton oder Holz ist entsprechend dem
statischen Nachweis problemlos möglich. Mauerwerkstafeln
werden von dem Hersteller entsprechend positioniert und
nach den statischen und wärmetechnischen Anforderungen
bemessen.
Zukünftig ist eine weitere Vervollständigung der industriellen
Vorfertigung des Porenbeton-Bausystems denkbar. In ersten
Versuchen wurden, wie rechts in Abb. 5-13 dargestellt, mittels
Robotertechnik Porenbetonelemente entsprechend geschnitten und gefräst. Denkbar ist dabei die Vorfertigung von Aussparungen für Steckdosensysteme und Wasserleitungen, was
auf der Baustelle zu einer weiteren Zeitersparnis führt und was
werkseitig wesentlich genauer und sauberer herstellbar ist.
Was bisher vorgestellt wurde, ist nicht nur graue Theorie.
Erste Musterhäuser sind mit industriell vorgefertigten Wandelementen errichtet worden und haben bewiesen, dass
es möglich ist, mit der Losgröße Eins, Porenbetonhäuser in
massiver Fertigbauweise zu errichten. Hinzu kam bei diesen
Musterprojekten auch noch, dass bereits untersucht wurde,
ob es möglich ist, werksseitig eine Dämmung aus Porenbeton
5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Abb. 5-13
Abb. 5-14
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5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
Abb. 5-15
Abb. 5-16
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5 Das Porenbeton Bausystem – Neue Produkte und Konzepte
aufzubringen. Gemeinsam konnte somit ein Passivhaustandard für ein Wohngebäude rein aus Porenbeton erreicht
werden. In Abb. 5-14 und 5-15 sehen Sie eine kurze Bilddokumentation des Musterhauses bei dem neben den Wandelementen auch industriell vorgefertigte Decken- und Dachsysteme aus Porenbeton verwendet wurden. Als Fazit dieses
Musterhauses kann gesagt werden, dass es ohne weiteres
möglich ist, bei optimaler Vorplanung und Verfertigung, ein
Einfamilienhaus an einem Tag zu errichten und am folgenden
Tag Leitungen für Strom und Wasser in vorbereitete Kabelkanäle zu verlegen.
Zum Abschluss eine kurze Zusammenfassung. Das Porenbeton-Bausystem ist ein perfekt aufeinander abgestimmtes
Bausystem zur problemlosen Verwirklichung Ihrer architektonischen Vorstellungen.
Alle im Bundesverband Porenbeton zusammengeschlossenen
Hersteller, die Sie in Abb. 5-16 auf der rechten Seite dargestellt
sehen, bieten Ihnen bundesweit hochqualitativen Porenbeton
für ein optimales Bauergebnis an. Wir geben Ihnen in allen
Bereichen die Sicherheit, die Sie von einem modernen Baustoff in einem modernen Bausystem erwarten können. Mit aufeinander abgestimmten Produkten können Sie aus einem
Baukasten die für Sie beste Lösung auswählen. Gemeinsam
sollte es unser Ziel sein, dass Baufamilien in Zukunft nicht mit
den heutigen Sorgen des Hausbaus leben müssen, sondern
sich ihr Traumhaus für mehrere Generationen mit einer Festpreis- und Termingarantie unter Ausnutzung optimaler Technologien leisten können.
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