Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 PRIV.-DOZ. DR. STEPHAN RUHRMANN KLINIK FÜR PSYCHIATRIE & PSYCHOTHERAPIE DES UNIVERSITSKLINIKUMS KÖLN GLIEDERUNG DIAGNOSTISCHE KRITERIEN EPIDEMIOLOGIE BIOLOGISCHE UND UMWELTFAKTOREN DOPAMINERGE DYSREGULATION ALS ENDSTRECKE DER PATHOPHYSIOLOGIE DER SCHIZOPHRENIE BIOLOGISCHE BEFUNDE IN RISIKOSTADIEN UND PRODROM © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 1 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 DIAGNOSTISCHE KRITERIEN KRITERIEN DER SCHIZOPHRENIE GEMÄß DEM DIAGNOSTISCHEN UND STATISTISCHEN MANUAL PSYCHISCHER STÖRUNGEN - DSM-IV A. Charakteristische Symptome B. Soziale/berufliche Leistungseinbußen für eine bedeutende Zeitspanne C. Dauer von mindestens sechs Monaten (davon für mind. 1 Monat A-Kriterium erfüllt, kürzer, falls erfolgreich behandelt) D. Ausschluss von Schizoaffektiver oder Affektiver Störung E. Ausschluss von Substanzeinfluss / medizinischem Krankheitsfaktor © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 2 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 KRITERIUM A DER SCHIZOPHRENIE NACH DSM-IV Mindestens zwei der folgenden charakteristischen Symptome, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer Zeitspanne von 1 Monat (oder weniger, falls erfolgreich behandelt): Wahn Halluzinationen desorganisierte Sprechweise (z.B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit) grob desorganisiertes oder katatones Verhalten negative Symptome, d. h. flacher Affekt, Alogie oder Willensschwäche Nur ein Kriterium A-Symptom ist erforderlich, wenn ein bizarrer Wahn oder eine fortlaufend kommentierende Stimme oder dialogische Stimmen vorliegen. PSYCHOTISCHE STÖRUNGEN IM DSM-IV 3. Schizophrenie Schizophreniforme Störung Schizoaffektive Störung 4. Wahnhafte Störung 5. Kurze Psychotische Störung Gemeinsame Psychotische Störung 1. 2. 6. 7. Psychotische Störungen aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 8. 9. Substanz-induzierte Psychotische Störung Psychotische Störungen, nicht näher bezeichnet 10. Psychotische Merkmale Episode einer Major Depression mit P. M. Episode einer Bipolaren Störung mit P. M. 3 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 BEGRIFFSBESTIMMUNG: PSYCHOSE Psychose versus Neurose – Erste Erwähnung bei Canstatt (1841) als Synonym für "psychische Neurose" – v. Feuchtersleben (1845): "Jede Psychose ist zugleich eine Neurose, weil ohne Vermittlung des Nervenlebens keine Veränderung des psychischen zur Erscheinung kommt;…" – Möbius (1888): Alle diejenigen krankhaften Erscheinungen, die durch Vorstellungen verursacht sind Hysterie – Sommer (1894) "Psychogenie", Kraepelin (1904) "psychogene Neurosen" – Freud (1924) vollzieht die terminologische Trennung: Neurose Versuch, die Realität zu verdrängen, Psychose Versuch, die Realität zu ersetzen – Jaspers (1946) "Neurosen heißen die seelischen Abweichungen, welche den Menschen selbst nicht ergreifen, Psychosen solche, welche den Menschen im Ganzen befallen." PSYCHOTISCHE STÖRUNGEN IM DSM-IV 3. Schizophrenie Schizophreniforme Störung Schizoaffektive Störung 4. Wahnhafte Störung 5. Kurze Psychotische Störung Gemeinsame Psychotische Störung 1. 2. 6. 7. Psychotische Störungen aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 8. 9. Substanz-induzierte Psychotische Störung Psychotische Störungen, nicht näher bezeichnet 10. Psychotische Merkmale Episode einer Major Depression mit P. M. Episode einer Bipolaren Störung mit P. M. 4 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 KRITERIUM A DER SCHIZOPHRENIE NACH DSM-IV Mindestens zwei der folgenden charakteristischen Symptome, jedes bestehend für einen erheblichen Teil einer Zeitspanne von 1 Monat (oder weniger, falls erfolgreich behandelt): Wahn Halluzinationen desorganisierte Sprechweise (z.B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit) grob desorganisiertes oder katatones Verhalten negative Symptome, d. h. flacher Affekt, Alogie oder Willensschwäche Nur ein Kriterium A-Symptom ist erforderlich, wenn ein bizarrer Wahn oder eine fortlaufend kommentierende Stimme oder dialogische Stimmen vorliegen. WAHN Kriterien – Absolute subjektive Gewissheit bezüglich eines bestimmten Gedankeninhalts – Unbeeinflussbarkeit durch mit dem Gedanken nicht vereinbare Erfahrungen oder durch logisch zwingende Schlüsse – Zu beachten: Soziokulturelles Umfeld – Wahnwahrnehmung: • An sich harmlose Wahrnehmungen, denen eine abnorme Bedeutung zugemessen wird, zumeist im Sinne einer abnormen Eigenbeziehung – Wahneinfall • Unmittelbarer, ohne Bezug zu Wahrnehmungen entstehender Wahngedanke © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 5 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 HALLUZINATION Kriterien – Sinnestäuschung, bei welcher die Wahrnehmung keinen realen Gegenstand hat, d.h. eine Reizung des Sinnesorgans (sensorischer Input) findet objektiv nicht statt – An die Realität der Wahrnehmung wird fest geglaubt EINTEILUNG PSYCHISCHER STÖRUNGEN IN KATEGORIEN AM BEISPIEL DER ICD-10 F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F30-F39 Affektive Störungen F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F70-F79 Intelligenzminderung F80-F89 Entwicklungsstörungen F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 6 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 KATEGORIE VERSUS DIMENSION A B C A A B C C FÜNF HAUPTDIMENSIONEN PSYCHOTISCHER STÖRUNGEN (VAN OS & KAPUR, LANCET 2009) Positivsymptome (Wahn und Halluzinationen), 'Psychose' Negativsymptome (Mangel an Motivation, Sprachverarmung, Sozialer Rückzug) Kognitive Symptome (Schwierigkeiten im Bereich von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Planung etc.) P Depressive Symptome Manische Symptome M N D © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln K 7 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 EPIDEMIOLOGIE LEBENSZEITPRÄVALENZ VON PSYCHOTISCHEN STÖRUNGEN Bezogen auf die BRD: ca. 2 Millionen Menschen Anteil an der Bevölkerung in % 4 Perälä et al., Arch Gen Psychiatry 2007 3.1 3 2.4 1.9 2 0.9 1 0.6 0.4 0.2 0 Alle psychot. Störungen © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln Nicht-affektive Psychosen Schizophrenie Affektive Psychosen Substanzinduz. Psychosen Körperl. begründ. Psychosen 8 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 EPIDEMIOLOGIE DER SCHIZOPHRENIE Prävalenz: Lebenszeitprävalenz: – Deutschland Inzidenz: 0,03 – 2,2% 0,12 – 0,9% 0,7% (Wittchen et al. 1992, Schizophr. & Schizophr.f. Stg.) 10,2 – 22,0 / 100.000 Personen Schwankungen in Abhängigkeit von – diagnostischen Kriterien (historischer Wandel) – Kriterium für Erkrankungsbeginn ( Abhängigkeit von Versorgungssystem) – Region – Ethnischer Zugehörigkeit – Sozialen Umweltbedingungen REGIONALE INZIDENZRATEN IN DER AESOP-STUDIE ADJUSTIERT FÜR ALTER UND GESCHLECHT (KIRKBRIDE AT AL., ARCH GEN PSYCHIATRY 2006) © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 9 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 BIOLOGISCHE UND UMWELTFAKTOREN UMWELTFAKTOREN Schwangerschaftskomplikationen /Geburtskomplikationen (Odds ratio etwa 2,0) Grad der Urbanisation (OR etwa 2,0) Migration (OR 2-5) Cannabis (OR 1,5 -2,0) (Frühe Traumatisierung) © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 10 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 GESCHLECHTSEFFEKTE AUF DIE INZIDENZ-RATE AESOP-STUDIE (KIRKBRIDE AT AL., ARCH GEN PSYCHIATRY 2006) Männliches Geschlecht geht mit einem 2,4fach höheren Schizophrenierisiko einher (affektive Psychosen: kein Geschlechtseffekt) Das höchste Risiko für Männer besteht im Altersbereich von 20 – 24 Jahren, bei Frauen im Altersbereich von 25 – 29 Jahren. Erst ab dem Altersbereich von 40 – 44 Jahren gleicht sich das Risiko der Geschlechter an. GENETISCHE FAKTOREN Lebenszeitrisiko bei erstgradigen Verwandten 4,8% (Risikosteigerung gegenüber Kontrollgruppe: Faktor 9,6) Kendler & Diehl, Schiz Bull 1993 Genetischer Beitrag zur Vulnerabilität in Zwillingsstudien 77-81% – Umweltfaktoren 11-17% Sullivan et al., Arch Gen Psychiatry 2003 Anteil der an Schizophrenie erkrankten Patienten mit einer Schizophrenie in der Familienanamnese 10-20%, unter Einbezug von Schizophrenie-Spektrumstörungen bis 25% Kendler et al., Arch Gen Psychiatry 1993, Sham et al., Brit J Psychiatry 1994, Nicolson et al., Am J Psychiatry 2003 © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 11 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 MOLEKULARGENETISCHE BEFUNDE SCHIZOPHRENIAFORUM.ORG 14 VON 43 GELISTETEN GENEN ERREICHEN EINE "OVERALL EPIDEMIOLOGICAL CREDIBILITY" DER STUFE A ⇒ kein "Schizophrenie-Gen", sondern kleine Effekte vieler Gene, die sich summieren! DOPAMINERGE DYSREGULATION ALS ENDSTRECKE DER PATHOPHYSIOLOGIE DER PSYCHOSEN © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 12 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 DOPAMINERGE NEUROTRANSMISSION Synthese Speicherung Freisetzung Rezeptoren VON DER BIOLOGIE ZUM ERLEBEN: WIE KANN AUS EINER DOPAMINERGEN DYSREGULATION WAHNHAFTES ERLEBEN ENTSTEHEN? UND WIE KÖNNEN NEUROLEPTIKA DAGEGEN WIRKEN? ? © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 13 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 DOPAMIN UND VERHALTEN Beteiligt am "Belohnungssystem" Entscheidend für die Verarbeitung des Belohnungscharakters eines Reizes – Lernen – Aufrechterhalten von Annäherungsverhalten – Verhalten zur Bedürfnisbefriedigung Kurzfristig erhöhte Dopamin-Freisetzung (phasische Aktivierung) bei neuen Belohnungsreizen Aber: Ein Teil der dopaminergen Neurone reagiert auch auf aversive Reize ⇒ Vermeidungsverhalten SALIENZ Vom englischen salience "das Hervorspringen" Psychologie: ein Reiz (z. B. ein Objekt oder eine Person) ist aus seinem Kontext hervorgehoben und dadurch dem Bewusstsein leichter zugänglich ist als ein nicht-salienter Reiz Die Salienz eines Reizes bzw. eines Objektes oder einer Person bestimmt mit, worauf sich die menschliche Aufmerksamkeit richtet. Zwei Mechanismen: – Reizgesteuerte Ausrichtung der Aufmerksamkeit – Zielgerichtete, motivationale Ausrichtung der Aufmerksamkeit © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 14 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 VON DER GESTÖRTEN DOPAMINERGEN NEUROTRANSMISSION ZUR PSYCHOSE – KAPUR'S MODELL DER ABWEICHENDEN SALIENZ Prädisponierende Faktoren (Umwelt x Genetik) Abweichende Zuschreibung von Neuheit und abnorme Zuschreibung von Salienz zu äußeren Reizen und internen Repräsentationen von Wahrnehmungen, Sprache und Erinnerungen Dysregulierte Feuerung und/oder Freisetzung von Dopamin Kumulation abweichender, unerklärlicher Erfahrungen (Prodromalphase), einhergehend mit Verwirrung , Ratlosigkeit, Veränderungen der Stimmung und des Verhaltens Wahn als Ausdruck der Entwicklung eines kognitiven Erklärungsmodells der abweichenden Salienz-Erfahrungen (abhängig vom individuellen biographischen und kulturellen Kontext) Dämpfung der Salienz ermöglicht Auflösung der Symptome durch Extinktion Antipsychotika blockieren Dopamin und dämpfen /schwächen die abweichende Salienz Wahn / Halluzinationen werden verhaltensrelevant / belastend MODELL DER ENTSTEHUNG DER SCHIZOPHRENIE UND VERWANDTER PSYCHOSEN V O &K ,L 2009 AN S APUR ANCET Wahn Halluzinationen Abweichende Salienz Abweichende neuronale Entwicklung und kognitive Defizite Affektive Dysregulation DopaminDysregulation Urbanisation Fetale Risiken © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln GxU Migration Cannabis 15 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 'SALIENZ-SYNDROM' STATT 'SCHIZOPHRENIE'? Die Salienz-Hypothese bietet einen Ansatz zum Verständnis psychotischen Erlebens. Als 'Psychose' wird dabei ein primär durch Wahn und Halluzinationen gekennzeichnetes Störungsbild aufgefasst, dass i. R. einer Schizophrenie auftreten kann, nicht aber der Schizophrenie gleichzusetzten ist. BIOLOGISCHE BEFUNDE IN RISIKOSTADIEN UND PRODROM © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 16 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 PRODROMALPHASE & DUP BEI NICHT-AFFEKTIVEN PSYCHOSEN N = 126 Prodromalphase MW ± SA: 5.9 ± 7.1 J. Median (R): 4 (0 – 38) J. Erste uncharakteristische Zeichen/Symptome Alter (MW± SA) 22.4 ± 9.8 J. DUP 2.3 ± 3.9 J. 1 (0 – 20) J. Erstes Positivsymptom Erste stat. Aufnahme 27.9 ± 10.4 J. 30.1 ± 8.6 J. DUP: Duration of Untreated Psychosis PRÄVENTION AUS SICHT DER WELTGESUNDHEITSORGANISATION (WHO) "Angesichts der hohen Prävalenz psychischer Probleme bei jungen Menschen, der Tatsache, dass der Altersbereich von 12 – 26 Jahren die Periode mit dem bezogen auf die Lebensspanne höchsten Anteil an Erstmanifestationen psychischer Störungen darstellt... und der Evidenz dafür, dass frühe Erkennung und Behandlung von Depression und Psychose die Prognose verbessern…, scheinen bevölkerungsbasierte, indizierte Präventions- und Frühbehandlungsstrategien wertvolle Optionen für eine Verminderung der erheblichen Belastung durch diese Erkrankungen darzustellen." WHO, 2004 © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 17 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 AUS EINER ANAMNESE EINES FETZ-PATIENTEN A.Z., 19 Jahre, Schüler Seit dem 13. Lebensjahr leide er unter niedergedrückter Stimmung, verminderten Affekten (v.a. Freudeverlust und Rückgang empathischer Gefühle), Energielosigkeit, Motivationsverlust und körperlicher Schwäche. Außerdem falle es ihm häufig schwer, einmal begonnene Dinge zu Ende zu bringen. Diese Symptome hätten sich bis zum aktuellen Zeitpunkt langsam aber stetig gesteigert, wobei seit ca. 2 Jahren auch Gefühle der Wertlosigkeit und Minderwertigkeit hinzugekommen seien. Die Beschwerden seien an den meisten Tagen vorhanden und störten seine sozialen Kontakte. Vor ca. 4 Jahren habe er den Eindruck gehabt sich in einem Film zu befinden, in dem die Personen in seiner Umgebung Rollen anhand eines Skriptes spielen und er der einzige sei, der darüber nicht informiert sei. Damals habe er zudem die Befürchtung gehabt, dass dieser „Film“ tatsächlich durch versteckte Kameras aufgenommen werde. Diese Episode habe ca. 1 Monat angehalten, er habe jedoch täglich Zweifel gehabt, ob „ich mir die ganze Sache nicht einfach nur einbilde“. Aktuell leide er v.a. unter Konzentrations- und Gedächtnisproblemen. Diese Symptome erlebe er v.a. in der Schule als hinderlich. Auch vergesse er häufig, was er eigentlich sagen wolle und müsse eine Pause machen, um sich zu erinnern. Nahezu täglich habe er Schwierigkeiten, sich angemessen auszudrücken, da ihm selbst einfache Wörter nicht einfielen. Er müsse dann auf ein anderes Wort ausweichen und lege sich zur Sicherheit die Sätze immer schon vorher zurecht. Zusätzlich habe er im immer wieder Schwierigkeiten, Phantasie und Realität auseinander zu halten (z.B. ob ihn ein Freund tatsächlich besucht habe). Es komme auch vor, dass er banale Ereignisse aus dem Alltag immer wieder durchgehen müsse, was ihn sehr störe. Ebenfalls höre er mitunter Geräusche nachhallen, was seine Konzentration beeinträchtige. Teilweise sei er so reizempfindlich, dass er in der Innenstadt beim Autofahren selbst ruhige und entspannende Musikstücke nicht gleichzeitig anhören könne, da ihn dies zu sehr ablenke. seien nicht möglich. Insgesamt habe er den Eindruck, dass das Denken für ihn so schwierig und langsam geworden sei, dass er dadurch in sozialen Kontakten und v.a. in der Schule Probleme habe. NEUROKOGNITIVE PROFILANALYSEN: VERLAUF 0,5 0 * * * * Z- Score -0,5 -1 -1,5 -2 Prodromalpatienten N=79 First-episode Patienten N=85 Chronisch Erkrankte N=91 -2,5 -3 Pukrop et al. 2006 36 © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 18 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 PRÄVENTIONS-EFFEKT LANGKETTIGER OMEGA-3FETTSÄUREN (FISCHÖL) A ., A G 2010 MMINGER ET AL RCH EN PSYCHIATRY 3 Monate Behandlung mit Omega-3 vs. Placebo + 9 Monate Beobachtung (=12 Monate) Übergang in eine Psychose: OM3: 2/41 (2,9%) Placebo: 11/40 (27,5%) Number Needed To Treat (NNT): 4 Signifikante Verbesserung von • Psychopathologie • Globalem Funktionsniveau ZUSAMMENFASSUNG Die Manifestation einer Schizophrenie ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von sozialen und biologischen Umweltfaktoren mit der individuellen genetischen Disposition. Der Anteile einzelner Gene ist klein, sodass von der Beteiligung einer Vielzahl von Genen ausgegangen wird, deren Effekte sich addieren. Für die Pathophysiologie der Schizophrenie ist die Dysregulation der dopaminergen Neurotransmission von zentraler Bedeutung, wobei zur Entstehung von Wahn und Halluzinationen eine übermäßige Synthese wesentlich beizutragen scheint. Eine Verbindung zwischen der neurobiologischen Ebene und der SymptomEbene könnte die dopaminerge Fehlsteuerung von Lernprozessen (abweichende Salienz) darstellen; diese Hypothese würde auch die symptomatische Wirkung von Neuroleptika erklären. Bereits im Prodrom bzw. im Rahmen von Risikosyndromen können neurochemische, neurofunktionelle und strukturelle Veränderungen beobachtet werden: diese belegen nachhaltig die Notwendigkeit einer Frühintervention und Prävention. © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 19 Handout Vortrag "GRENZen erLEBEN", Köln 29.03.20 www.fetz.org © PD Dr. S. Ruhrmann, Köln 20