Vorlesung 6

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Psychiatrie
Vor 6
Sonstige wahnhafte/psychotische Störungen nicht
organischer Genese
Definition: Unter diesem Oberbegriff wird eine Reihe von
nicht organischen Störungen verstanden, die nach
heutiger Vorstellung nicht eindeutig den schizophrenen
oder affektiven Erkrankungen zugeordnet werden können.
Historisches: Die Arbeiten von Kasanin (1933) sowie
Leonhards Konzept (1957) der zykloiden Psychosen waren
für die Abgrenzung schizoaffektiver Psychosen
wegweisend. Für die chronischen Wahnsyndrome ist u.a.
das von Kraepelin geprägte Konzept der Paranoia von
Bedeutung sowie Kretschmers Lehre (1918) vom
sensitiven Beziehungswahn
Die definitorischen und diagnostischen Abgrenzungen bzgl. dieser
Störungen sind noch sehr im Fluss.
Schizoaffektive Psychosen
Definition: Die schizoaffektiven Psychosen zeigen im Querschnitt
ein Mischbild zwischen schizophrenen und affektiven
Erkrankungen. Es ist noch nicht geklärt, ob sie eine getrennte
nosologische Einheit, eine Subgruppe der affektiven oder der
schizophrenen Psychosen oder Bestandteil eines
„psychotischen Kontinuums" von affektiven über
schizoaffektive zu schizophrenen Psychosen sind.
Etwa 10-25% der nach traditioneller Kriterien als Schizophrenie
oder affektive Erkrankung diagnostizierten Psychosen sind den
schizoaffektiven Psychosen zuzurechnen. Frauen erkranken
häufiger als Männer, vor allem an der monopolaren Form.
Man kann eine schizomanische, schizodepressive und gemischte
(bipolare) schizoaffektive Störung unterscheiden.
Differenzialdiagnostisch sind organische, andere endogene und
sonstige Psychosen auszuschließen
Die Therapie des schizomanischen Syndroms erfolgt mit
Neuroleptika, das schizodepressive Syndrom wird mit
Neuroleptika in Kombination mit Antidepressiva behandelt.
Zur Rezidivprophylaxe wird bei eindeutigen schizoaffektiven
Psychosen die Dauermedikation mit Lithium oder anderen
Rezidivprophylaktika durchgeführt, bei stark schizophren
geprägten schizoaffektiven Psychosen ist eine
Langzeitprophylaxe mit Neuroleptika indiziert.
Schizoaffektive Psychosen haben einen rezidivierenden, meist
polyphasischen Verlauf. Die Ausbildung von
Residualsymptomen ist selten, die Prognose deutlich
günstiger als bei den Schizophrenien.
Akute schizophreniforme Störung
Definition: Sehr akut beginnende Erkrankung mit schizophrener Symptomatik,
bei der sich auffallende psychotische Symptome innerhalb von Tagen oder
wenigen Wochen nach der ersten bemerkbaren Verhaltensänderung
entwickeln.
Das klinische Bild entspricht weitgehend dem der Schizophrenie, die
Symptomatik dauert aber weniger als einen Monat.
Die Differenzierung zwischen Schizophrenie und schizophreniformer Störung
erfolgt nach bestimmten Zeitkriterien
Der Verlauf der akuten schizophreniformen Störung ist kürzer, die Prognose
wesentlich besser. Abgegrenzt werden müssen zudem andere akute
vorübergehende psychotische Störungen.
Die Therapie entspricht weitgehend der bei der Schizophrenie. Eine
Rezidivprophylaxe ist allenfalls für ein Jahr indiziert.
Akute polymorphe psychotische Störung
Definition: Akute psychotische Störung mit vielgestaltiger, wechselnder
Symptomatik. Halluzinationen, Wahnphänomene und
Wahrnehmungsstörungen sind vorhanden, aber sehr unterschiedlich
ausgeprägt und können von Tag zu Tag oder sogar von Stunde zu
Stunde wechseln.
Ein vielgestaltiges, wechselndes klinisches Bild ist charakteristisch.
Typisch sind ein abrupter Beginn innerhalb von 48 Stunden und eine
rasche Rückbildung der Symptome.
Auch wenn affektive oder psychotische Symptome zeitweise im
Vordergrund stehen, werden die Kriterien einer manischen Episode
oder einer Schizophrenie nicht erfüllt.
Die Therapie entspricht den bei der Schizophrenie dargestellten
Möglichkeiten. Eine Rezidivprophylaxe ist allenfalls für ein Jahr
indiziert.
Insgesamt wird von einem günstigen Verlauf ausgegangen.
Kurze reaktive Psychose
Definition: Psychosen, die durch ein stark belastendes
Ereignis (z.B. schwere Verlusterlebnisse, Katastrophen,
Haft) ausgelöst werden. Sie haben einen akuten Verlauf
und klingen mit dem zeitlichen Abstand zum auslösenden
Ereignis in kurzer Zeit wieder folgenlos ab.
Die Zeit zwischen dem traumatisierenden Ereignis und dem
Auftreten psychotischer Symptome beträgt meist wenige
Tage. Der Wahninhalt bezieht sich oft auf dieses Ereignis.
Differenzialdiagnostisch sind organisch bedingte psychische
Störungen sowie schizophrene, schizophreniforme und
sonstige wahnhafte Störungen abzugrenzen.
Die Therapie entspricht weitgehend der bei der
Schizophrenie. Das traumatisierende Erlebnis muss
psychotherapeutisch bearbeitet werden. Eine
Rezidivprophylaxe ist nicht erforderlich.
Wochenbettpsychosen
Definition: Psychotische Störungen, die in einem zeitlichen
Zusammenhang mit dem Wochenbett auftreten (Puerperal-,
Post-partum-Psychosen).
Die Ätiopathogenese ist unklar (evtl. hormonelle
Umstellungen?).
Die Wochenbettpsychosen können schizophrene, depressive
oder andere Bilder zeigen und haben in der Regel eine
günstige Prognose.
Ein Teil der Frauen erkrankt jedoch erneut und dann oft
wieder im Wochenbett. Die Inzidenz schwerer
Wochenbettpsychosen ist mit 1-2 auf 1000 Entbindungen
relativ niedrig.
Depressive Störungen nach der Entbindung sind wesentlich
häufiger (10-15%).
Die Therapie entspricht, je nach klinischem Bild, der Therapie
bei Schizophrenie bzw. affektiven Erkrankungen
Wahnhafte Störung
Definition: Wahnerkrankung, bei der der Wahn (meist im Sinne einer
Wahnentwicklung) das wesentliche psychopathologische Symptom
darstellt, während die sonstigen Symptome einer Schizophrenie und einer
affektiven Psychose fehlen.
Vorwiegend handelt es sich um Erscheinungsbilder mit einem
systematisierten Wahn. Wahnsyndrome dieser Art sind relativ selten.
Die Ätiopathogenese ist nicht ausreichend geklärt. Die Störungen entstehen
wohl auf dem Boden einer auffälligen Persönlichkeitsstruktur im
Zusammenhang mit Belastungsfaktoren wie sozialer Isolation,
Milieuwechsel oder schweren Konflikte im interaktionalen Bereich. Die
Ursache des Wahns ist oft eine überwertige Idee (z.B. Gefühl mangelnder
Anerkennung), die sich zum Wahn weiterentwickelt. Insbesondere
expansive (sthenische Kampfnaturen) und sensitive Persönlichkeiten
neigen zur Ausbildung solcher Wahnsyndrome
Therapeutisch kann versucht werden, die Wahndynamik durch Neuroleptika
zu beeinflussen.
Der Verlauf bei Wahnsyndromen ist recht unterschiedlich. Anhaltende
Wahnsyndrome neigen zur Chronifizierung
Symbiontischer Wahn=Induzierte wahnhafte Störung
Definition: Übernahme der Wahnvorstellungen im Rahmen einer
Lebensgemeinschaft mit einem Wahnkranken, zu dem meist eine enge
emotionale Beziehung besteht.
Die Wahnvorstellungen des Primärkranken werden kritiklos akzeptiert.
Beide Partner bestärken sich wechselseitig in ihrem Wahn („Folie ä
deux"). Meist handelt es sich um Verfolgungs- und Größenwahn.
Die Wahnphänomene sind sowohl beim dominierenden Partner als auch
bei der induzierten Person in der Regel chronisch. Gelegentlich kann
sich dieses Krankheitsbild auf mehr als zwei Personen beziehen.
Schizophrenien und andere wahnhafte Störungen müssen
ausgeschlossen werden.
Therapeutisch ist insbesondere die Trennung von dem den Wahn
induzierenden kranken Partner erforderlich.
Dermatozoenwahn
Definition: Der Dermatozoenwahn ist ein chronisch
verlaufendes Wahnsyndrom, das vor allem präsenil
auftritt. Der Kranke ist überzeugt, von Parasiten
befallen zu sein, die in oder unter der Haut kriechen.
Das Syndrom ist nosologisch unspezifisch und kann
verschiedene Ursachen haben (z. B. Schizophrenie),
der Verlauf ist je nach Ursache eher chronisch oder
eher episodisch.
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