4. INFORMATIONSBÖRSE SCHIZOPHRENIE DIAGNOSE SCHIZOPHRENIE: Daten und Fakten Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel URSACHEN & RISIKOFAKTOREN BEHANDLUNG SCHIZOPHRENIE IST EINE FORM DER PSYCHOSE. Psychosen sind psychische Störungen, bei denen es zu einem Verlust des Realitätsbezugs kommt. Dazu zählen schizophrene Psychosen (Schizophrenie und die schizoaffektiven Störungen), organische Psychosen (z.B. Delir) und affektive Psychosen (Depression, Manie, manischdepressive Erkrankung). Die Ursachen sind sehr komplex und bislang noch unzureichend geklärt Die Behandlung schizophrener Störungen besteht in der Regel aus mehreren Bausteinen: - medikamentöse Therapie (Antipsychotika) - Psychotherapie - Soziotherapie Es müssen zusammenkommen: Klingberg et al. 2003 Schizophrene Psychosen sind Erkrankungen des Gehirns, die mit Störungen bei der Übertragung und Verarbeitung von Nervenimpulsen des Gehirns einhergehen. Dies kann u.a. dazu führen, dass es zu • Ich-Störungen kommt, • Sinneseindrücke falsch verarbeitet werden, • emotionale Störungen sowie • Denk- und Konzentrationsstörungen auftreten. biologische Anlage (Disposition, Vulnerabilität) Genetische Veranlagung / familiäre Erkrankungen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sonstige frühkindliche Hirnschädigungen + psychosozialer Stress kritische / traumatische Lebensereignisse emotional überreagierendes Umfeld sonstiger (sozialer) Stress + Fehlen wirksamer Stressbewältigung akute Erkrankung SCHIZOPHRENIE HAT VIELE GESICHTER… VORKOMMEN bezüglich SYMPTOMATIK Chronifizierung Prodromalstadium Erkrankungsschwelle gesunde Funktionsfähigkeit Besserung Inzidenz: jährlich ca. 13.000 Neuerkrankungen in Deutschland Erkrankungsbeginn: meist zwischen den 18. und 35. Lebensjahr; auch nach dem 40. Lebensjahr möglich (v.a. Frauen) Psychosoziale Ebene Stress Biologische Ebene Vulnerabilität Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell der Schizophrenie Erkrankungsrisiko: kein Geschlechterunterschied, aber Männer erkranken in der Regel früher als Frauen URSACHEN: Genetik Die Abhängigkeit des Erkrankungsrisikos vom Verwandtschaftsgrad mit einer bereits erkrankten Person belegt eine genetische Beteiligung an der Krankheitsentwicklung 30 Weiblich Patienten (%) NEGATIVSYMPTOMATIK Störungen der Affektivität z.B. Gefühlsarmut, Parathymie, läppisches Verhalten, aggressive Spannung, Misstrauen, Angst Störung des Antriebs, der Psychomotorik und des Sozialverhaltens z.B. Interesseminderung, sozialer Rückzug, Agitiertheit, gesteigerte Erschöpfbarkeit, Verwahrlosungstendenz Lebenszeitprävalenz: ca. 1% , d.h. ca. 800.000 Menschen in Deutschland erkranken mindestens einmal im Leben an einer schizophrenen Psychose POSITIVSYMPTOMATIK Halluzinationen (=Wahrnehmungen von nicht objektiv nicht vorhandenen Reizen / Objekten) z.B. dialogisierende oder kommentierende Stimmen Wahn (=unkorrigierbar falsche Überzeugung von der Realität) z.B. Verfolgungswahn, Beziehungswahn Denkstörungen (=Störungen des Denkablaufs) z.B. Gedankenabreißen, Vorbeireden, zerfahrenes Denken Ich-Störungen (=Störung d. Ich-Umwelt-Grenzen) z.B. Derealisation / Depersonalisation, Gefühl der Gedankeneingebung / des Gedankenentzugs Genetischkonstitutionelle Prädisposition gestörte Funktionsfähigkeit 1% Männlich 2% 20 4% und VERLAUF Allgemeinbevölkerung Onkel/Tanten Verwandte 2. Grades Neffen/Nichten Geschwister 13% 10 Verwandte 1. Grades Zweieiige Zwillinge 17% 12-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 Altersgruppen (Jahre) 45-49 50-54 55-59 Eineiige Zwillinge 48% Häfner et al. (1993) Altersverteilung bei Ersterkrankung 10 20 30 40 50 Inzwischen wurden einige Dispositionsgene identifiziert, die das Risiko zu erkranken erhöhen, aber: es gibt aber nicht das Schizophrenie-Gen! (Verlaufstypen der Schizophrenie nach Sheperdet al. 1989) SCHIZOPHRENIE UND IHRE FOLGEN Die gravierendsten Folgen der Schizophrenie sind DIAGNOSE • hohe Selbsttötungsrate, Schizophrenie wird klinisch anhand der Symptomatik beim Vorhandensein von „Leitsymptomen“ gestellt (internationale Diagnosesysteme: ICD-10, DSV-IV) • hohe psychische Belastung für Betroffene und Angehörige Leitsymptome: u.a. dialogisierende oder kommentierende Stimmen, Wahnwahrnehmungen Symptomatik muss für eine gewisse Dauer bestehen Symptomatik darf nicht auf eine andere Erkrankung als Ursache zurückzuführen sein (z.B. auf hirnorganische Erkrankung, toxisches Geschehen), zusätzlich Abgrenzung zu affektiven Psychosen gefördert vom • psychologische Funktionseinschränkungen (Störungen der Kommunikations- und Kontaktfähigkeit, Einschränkungen in der Selbstversorgung und Bewältigung alltäglicher Aufgaben) • Störungen der sozialen Rollenerfüllung: Frühberentung in jungen Jahren, hohe Arbeitslosenrate, familiärer Unterstützungsbedarf • gesellschaftliche Stigmatisierung • und zudem hohe Kosten für das Gesundheitssystem Damit sich eine genetische Disposition auswirkt, müssen andere Faktoren (z.B. besondere Stressfaktoren) hinzukommen. URSACHEN: Stressfaktoren Psychosozialer (oder auch biologischer) Stress führt zu einer Überlastung eines schon geschwächten Systems Hierzu zählen z.B. • kritische / traumatische Lebensereignisse • emotional überreagierendes Umfeld • Überforderungen im familiären oder im Berufsleben • Überforderungen in Zusammenhang mit Übergang zu eigenständiger Lebensführung (Berufswahl, Partnerwahl, eigene Wohnung, … ) • Drogenkonsum 4. Informationsbörse Schizophrenie am 10.11.2006 WiSo-Fakultät Lange Gasse 20 90403 Nürnberg Verein zur Förderung der Ziele im Kompetenznetz Schizophrenie