Vom Zerteilen des weißen Elefanten

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DMV Kolumne
Vom Zerteilen des
weißen Elefanten
Die aktuelle DMV Studie „Real-Time Marketing“ berichtet über neue Herausforderungen für das Marketing.
Die Fähigkeit, extrem schnell individualisiert auf
Veränderungen zu reagieren, betrifft längst nicht nur
die Kommunikation, sondern nahezu alle Bereiche des
Marketings und der Ökonomie.
Es gibt viel zu tun
Autorin: Vera Hermes
Wer die mit Unterstützung von SAP und der Boston Real-Time-Advertising, dem automatisierten, dynamischen
Consulting Group entstandene Studie des Deutschen Aussteuern von Onlinewerbung, sichtbar.
Marketing Verbands (DMV) „Real-Time Marketing“
RTM ist datengetrieben. Schoder proklamiert eine neue Qualiest, dem kann schon blümerant werden. Prof. Dr. Detlef lität des Wettbewerbs: „Competing on Analytics“ versus „CompeSchoder, Direktor des Seminars für Wirtschaftsinforma- ting over Products“. Der Wettbewerb für Unternehmen verlagere
tik und Informationsmanagement sowie des Instituts sich von Produkteigenschaften hin zu der Fähigkeit, schneller
für Rundfunkökonomie an der Kölner Universität, hat als Wettbewerber Kundendaten auszuwerten, Dienste schnell zu
auf gut 140 Seiten zusammengetragen, was Marketer in konfigurieren und im entscheidenden Moment die Aufmerksampuncto Real-Time-Marketing (RTM) erwartet.
keit des Kunden zu gewinnen. Zum Beispiel im Auto. Das könnte
Dafür spannt der Wissenschaftler den Bogen vom Real-Time- künftig als eine Art weiterer Bildschirm und damit für MarkeAdvertising über das Internet der Dinge und Big Data bis hin tingausspielungen relevant werden. Generell ist das Internet der
zu den Aktivitäten von Google, FaceDinge ein Eldorado für neue Services.
book, Amazon, Twitter und Co. sowie
„Die Informatisierung der Alltagswelt
zu rechtlichen Bedingungen. Marketer,
illustriert den Schlüsseltrend des Markedie die digitale Transformation noch
ting weg von Produkten hin zu Services“,
nicht so richtig ernst nehmen, belehrt
heißt es in der Studie.
diese Studie mit Fakten, PraxisbeispieZweifel daran, dass das RTM eilen, Zukunftsszenarios und knapp zwei
ne entscheidende Rolle im Marketing
Dutzend Interviews mit Marketingexspielen wird, gibt es nicht: In einigen
perten eines Besseren.
Ländern hat der Medienkonsum via
Real-Time-Marketing umfasst laut
Smartphone den via TV schon überholt;
Die von SAP und der Boston
Studie „alle absatzorientierten Aktivida Werbebudgets naturgemäß der AufConsulting Group gesponserte,
täten, die mit Hilfe von Echtzeitinformerksamkeit der Konsumenten folgen,
rund 140 Seiten starke Studie
mationen über die Zielgruppe beeinerwartet Schoder Verschiebungen in
„Real-Time Marketing. Fragen und
flusst und gesteuert werden können,
Milliardenhöhe, insbesondere zulasten
Antworten für Entscheider“ von
mit dem Ziel, zweckmäßige Aktivitäten
des klassischen Fernsehens. Mit dem
Prof. Dr. Detlef Schoder, Unimit möglichst geringer zeitlicher VerRTM wird das Marketing technischer
versität zu Köln, erscheint Mitte
zögerung zwischen dem Erfahren der
werden: „Die Bereiche, die besonderer
Juli und wird für 40 Euro bei der
Information, ihrer Verarbeitung und
Innovation unterliegen, sind die im BeGeschäftsstelle des Deutschen
schließlich der daraus abgeleiteten
reich der Automatisation des MarkeMarketing Verbandes (DMV) zu
(Re-) Aktion zu vollziehen“. Es geht altings“, erklärt Schoder, „Branding und
beziehen sein. Mehr dazu unter
so um massenhafte, individualisierte
Imagebildung werden in Zukunft nicht
marketingverband.de/der-dmv/
Kundenansprache in extrem hoher
obsolet sein, aber wir werden Verschiestudien/
Geschwindigkeit. In der Marketingbungen erleben. Marketing wird mehr
kommunikation ist das schon heute im
und mehr zur ‚service-driven discipline‘.
Zur Studie
60
absatz
wirtschaft 7/8 2015
DMV Kolumne
Deutscher Marketing Tag 2015
FOTO: GETTY IMAGES; LISA BELLER
Die Studienergebnisse zum Real-Time-Marketing werden
auf dem Deutschen Marketing Tag ausführlich vorgestellt.
Der Deutsche Marketing Tag 2015 findet am 3. Dezember
in Stuttgart statt. Über 40 Experten werden referieren,
acht Fachforen stehen zur Wahl. Das Motto des wie
gewohnt hochkarätig besetzten Marketing Tags lautet
„Individualisierung 4.0“. Auf der Agenda stehen unter
anderem Themen wie Herausforderungen für das
Marketing der Zukunft, Mobile Marketing Next Generation,
Programmatic Advertising, Marketingplanung 2.0,
Individualisierung im B-to-B-Marketing oder Marketingautomatisierung und Total-Customer-ExperienceManagement. Am Kongressabend wird der Deutsche
Marketing Preis 2015 verliehen. marketing-tag.de
Branding wird eine Rolle spielen, um Service verkaufen zu können; Unternehmen müssen mit ihrem Markenversprechen an den PoS kommen und dann zusehen, dass
sie mit drei Klicks oder einem einfachen, per Gestik oder
verbal artikulierten ‚O. K.‘ Geschäft machen.“ Damit ändert
sich auch die Rolle der Agenturen, die ohnehin aufpassen
müssen, dass standardisierbare Teile ihrer Dienstleistung
künftig nicht schlichtweg automatisiert ablaufen. Noch
verhalten sich viele Unternehmen angesichts der neuen
Herausforderungen wie das Kaninchen vor der Schlange.
Schoder macht dafür unter anderem das „Nichtverstehen
der Fundamentalität der digitalen Transformation“, ein unzureichend organisiertes Innovationsmanagement, unklare
organisatorische Verantwortlichkeiten und eine gewisse Veränderungsträgheit verantwortlich.
Zur Verteidigung der Unternehmen und ihrer Marketer
sei gesagt: Es ist angesichts des hohen Veränderungsdrucks
gar nicht so einfach, die Sache richtig anzufangen. „Im Moment sind noch sehr viele ‚Jugend-forscht-Truppen‘ in den
Unternehmen unterwegs“, moniert DMV Präsident Prof. Dr.
Ralf E. Strauß. „Wir brauchen weniger Powerpoint und mehr
Senior-Experten und -Projektmanager, die nicht hyperventilieren, sondern die Herausforderungen der digitalen
Transformation konzeptionell gut überlegt und schrittweise
angehen und die Brücke zwischen Prozessen und IT-Anwendungen schlagen helfen.“ Veränderung müsse für Unternehmen verdaubar und umsetzbar sein. „Man muss den großen
weißen Elefanten in Scheiben schneiden“, rät Strauß.
Eine notwendige Voraussetzung fürs gute Gelingen sei
das Überwinden des Silodenkens. Experten von der IT bis hin
zum Marketing müssten gemeinsam und crossfunktional zusammenarbeiten und sich zunächst mal Gedanken darüber
machen, wie sich das eigene Geschäftsmodell in den kommenden Jahren verändern wird. Wer die Rettung darin suche, dass er sich einfach mal eine teure IT-Lösung anschafft,
schlage den falschen Weg ein, warnt Strauß.
Wer hofft, dass – wie ein Titanic-Redakteur mal unkte –
das Internet nur eine vorübergehende Zeiterscheinung sei,
ist schief gewickelt. „Der Zug in Richtung datenbasierter,
massenhafter, individualisierter Interaktion in Echtzeit ist
nicht mehr aufzuhalten“, konstatiert Strauß und sieht auch in
den EU-Plänen für restriktiveren Datenschutz letztlich keine
Hürde, die man nicht über entsprechende Log-ins zumindest
versuchen werde zu überwinden. Die unmissverständliche
Botschaft des DMV Präsidenten lautet: „Das Marketing ist im
Wandel, und der wird auch nicht wieder aufhören.“
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7/8 2015 wirtschaft
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