Dr. Uwe Matthes Sehr geehrter Herr .................. sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, gern bin ich der Bitte der einheimischen Freimaurer gefolgt, heute vor Ihnen zu sprechen. Es ist offensichtlich zur guten Tradition geworden, dass zum Neujahresempfang der Loge „Zu den drei Kleeblättern“ eine Ansprache gehalten wird. Für mich, einen Freimaurer aus Thüringen, ist es eine Ehre, dem Ansinnen der Ascherslebener Brüder folgen zu dürfen, ist doch diese Loge eine sehr alte Loge, die bis heute vorbildlich mit Ihrer Stadt verbunden ist. Die Johannisloge „Zu den drei Kleeblättern“ wurde am 1.Dezember 1777 gegründet. Wir haben in Mitteldeutschland, vor 1935 eine Hochburg der Freimaurerei mit wohl um die zwanzigtausend Brüdern, heute nur wenige wieder aktive Logen, die älter sind, als die Ascherslebener. Die älteste von ihnen ist eine Leipziger Loge, welche 1741 entstand, gefolgt von der ein Jahr später gegründeten Altenburger Johannisloge. Aber nicht über die verdienstvolle Geschichte der mitteldeutschen Logen, auch nicht über ihre auch international bekannten Logenbrüder, denken wir an Goethe, Herder, Krause, Semper, Lortzing, Reclam u.v.a. möchte ich sprechen. Ich habe mir vielmehr zur Aufgabe gestellt, über das Thema Freimaurerei - eine aktuelle Herausforderung zu reden. Dies setzt zunächst voraus, zu erklären, was Freimaurerei ist. In den Zeiten der Gründung der Ascherslebener Loge waren diese Frage und die darauf möglichen Antworten, vielleicht gar nicht so Geheimnis umwoben, wie manch einer heute annimmt. Konnte doch der um Aufklärung bemühte Bürger beim Freimaurer Lessing nachlesen, was dieser dazu geschriebene hatte. Zum Bespiel in den drei, ein Jahr nach Gründung der Ascherslebener Loge und den zwei weiteren 1780 erschienen Texten „Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer“. 1 Dr. Uwe Matthes Lessing beschreibt die Freimaurerei seiner Zeit dabei sehr umfänglich und differenziert, wenn er ausführt, dass Freimaurerei immer war, etwas Notwendiges und keinesfalls Willkürliches oder Entbehrliches sei. Das Freimaurerei sowohl dem Wesen des Menschen, wie der bürgerliche Gesellschaft entspricht. Man zur Freimaurerei durch eigenes Nachdenken, aber auch durch Anleitung gelangen kann. Das man sie an den Taten ihrer Brüder erkennt und weniger an ihren Umschreibungen. Er sieht Freimaurerei als freundschaftlich und guttätig. Lessing begreift sie aber gleichzeitig nicht nur als, wir würden heute sagen, Wohltätigkeitsveranstaltung, sondern als allgemeines bürgerschaftliches Engagement und treibende Kraft für gesellschaftliche Entwicklung. Den Weg der Freimaurer zu gesellschaftlicher Gestaltung und Umgestaltung versteht Lessing dabei nicht primär durch die Veränderung der Gesellschaft durch Einzelnen, Gruppen, Schichten, Klassen oder Parteien, sondern durch die Veränderung des Einzelnen, welche dann zur Veränderung der Gesellschaft führt. Das Ganze unabhängig von Nationalität, Rasse, Religion und mittels und durch die Beschäftigung mit alten Symbolen. 1 Ein anderer Freimaurer und Zeitgenosse Lessings, Fichte, hat dies 1794 in der Rudolstädter Loge so beschrieben: „Das letzte aber unerreichbare Ziel des Menschen ist Vollkommenheit.“ Und in zwei anderen Vorträgen, die er 1800 vor Berliner Freimaurern hielt, wies er den Weg zur unerreichbaren Vollkommenheit. Dabei verglich Fichte die Aufgaben des Staates mit denen der Loge. Der Staat habe die Aufgabe, dafür zu Sorgen, dass alle Menschen gedeihlich zusammenleben können. Die Loge hingegen soll die „Einseitigkeit des Menschen, der durch die Bildung seines Standes, durch den Staat und durch seine übrigen gesellschaftlichen Verhältnisse … geprägt wurde, mit den Mitteln der Kultur auf der Grundlage des freimaurerischen Wertegefüges“ aufheben. 2 Hat sich der Inhalt, der spezifische Weg der Freimaurerei seit dieser Zeit, dem Ende des 18. Jahrhundert, gewandelt? Was kann man heute und wo kann man etwas nachlesen, über das was Freimaurerei ausmacht? Natürlich auf den web Seiten der Logen und Großlogen, in den Büchern, die die Freimaurer schreiben. Aber auch in Büchern von Nichtfreimaurern. Einer dieser Autoren, dessen Bestseller in jeder Buchhandlung vertrieben werden, hat die heutige Freimaurerei sehr treffend beschrieben, indem er zunächst mit drei Vorurteilen auf1 2 Ebenda: In Lessing. Gesammlete Werke Bd. 3 Leipzig. Müller, F.-G.: Johann Gottlieb Fichte „Philosophie eines Freimaurers“. In: Eleusis. 3/2009 S. 32. 2 Dr. Uwe Matthes räumt, erstes Vorurteil: Freimaurerei sei ein Geheimbund, zweites Vorurteil: Freimaurerei sei eine Ersatzreligion, drittes Vorurteil: Freimaurerei sei atheistisch. Ich zitiere den Autor: „Die Freimaurer sind keine Geheimgesellschaft, sondern eine Gesellschaft mit Geheimnissen.“ „Das ist dasselbe“, meinte jemand. „Wirklich, würden sie die Coca-Cola-Compagny als Geheimgesellschaft bezeichnen?“ „Natürlich nicht“ erwiderte der Student. „Nun, was würde wohl passieren, wenn Sie zum Hauptsitz des Unternehmens gehen, an die Tür klopfen und nach dem Rezept für Coca-Cola fragen?“ „Das würde man mir nie verraten!“ „Ja eben. Um das große Geheimnis von Coca-Cola zu erfahren, müssten Sie in das Unternehmen eintreten, lange Jahre dort arbeiten, beweisen, dass Sie vertrauenswürdig sind und in der Hierarchie der Firma aufsteigen, bis man schließlich das große Geheimnis mit Ihnen teilt.“ Ein paar Sätze weitere heißt es: „Religionen versprechen Erlösung, glauben an eine ausgefeilte Lehre und bekehren Ungläubige.“ „Nichts davon trifft auf die Freimaurerei zu. Freimaurer versprechen keine Erlösung, sie besitzen keine bestimmte Glaubenslehren und versuchen auch nicht, Menschen zu bekehren. Um genau zu sein: Diskussionen über Religion sind innerhalb der Logen verboten.“ Auf der gleichen Seite schreibt der Autor: „Die Freimaurerei wendet sich gegen die Religion?“ „Im Gegenteil. Eine Voraussetzung, Freimaurer zu werden, ist der Glaube an eine höhere Macht. Diese höhere Macht wird nicht näher definiert Statt ihr einen definitive theologische Identität wie Gott, Allah, Buddha oder Jesus zu verleihen, benutzen die Freimaurer eher allgemeine Begriffe …“. Abschließend hierzu sei zitiert: „In einem Zeitalter, indem sich die unterschiedlichsten Völker gegenseitig umbringen, weil sie darüber streiten, wessen Definition von Gott die bessere ist, könnte man sagen, dass die Tradition der Toleranz und Aufgeschlossenheit, wie von den Freimaurern propagiert wird, ehre empfehlenswert ist.“ 3 Soweit einige aus meiner Sicht treffende Beschreibungen des Sinnes, der Methoden und dem Zweck der Freimaurerei. Beschreibungen von 1778 bis 2009, Beschreibungen der beiden 3 Brown, D.: Das verlorene Symbol. Bergisch-Gladnbach 2009. S. 53 ff. 3 Dr. Uwe Matthes Freimaurer Gotthold Ephraim Lessing (geb. 1729; gest. 1781) und Johann Gottlieb Fichte (geb. 1762; gest. 1814) und des Nichtfreimaurers Dan Brown (geb. 1964). Ist nun, so lassen sie mich fragen, die Freimaurerei schon deshalb noch aktuell, weil sie immer noch und mit Erfolg als literarische Anregung dient? Ich denke, nein. Die Arbeit der Freimaurer an sich selbst mit dem Ziel sich selbst und dadurch seinen Umgebung zu verbessern, wird solange aktuell bleiben, wie Toleranz, Brüderlichkeit, Nächstenliebe nicht die herrschenden gesellschaftlichen Normen sind. Dies scheint mir der soziale Ursprung der Notwendigkeit von Freimaurerei. Gesellschaftssysteme, Staaten, politische Parteien aber auch religiöse Gruppierungen und Kirchen, welche mit freimaurerischer Toleranz auf Grund ihrer, für sie existenziell fundamentalen politischen, ideologischen oder religiösen Werte nichts anfangen können, lassen der Freimaurerei keinen Raum. Der Nationalsozialismus in Deutschland genauso wie der real existierende Sozialismus in der DDR sind nur zwei Bespiele hierfür. Im Übrigen meinte Lessing zu diesem Thema, es sei das „… ohnfehlbare Merkmal eines schwachen, furchtsamen Staates…“, wenn er die Freimaurerei „… nicht öffentlich dulden will“. 4 Aber die Aktualität der Freimaurerei ergibt sich nicht nur aus sozialen, politischen und religiösen Strukturen und historischen Umständen. Sie folgt m.E. auch aus dem Wesen des Menschen. Seine Unvollkommenheit, wie sein Streben nach Vervollkommnung bilden den Ausgangspunkt und Hintergrund für die Beschäftigung mit der freimaurerischen Symbolik und den Gedankengebäuden der Freimaurerei. Die Unvollkommenheit des Menschen und sein Streben nach Vervollkommnung sind auch der Hintergrund für die Suche nach freimaurerischer Gemeinschaft und möglichst brüderlichen Auseinandersetzungen in ihr. Es ist das Ringen um die Verbesserung der eigenen Persönlichkeit, die Freimaurer nennen es die Arbeit am rauen Stein des eigenen Ichs, die auch heute noch viele Männer in die Logen eintreten lässt. Ergänzend sei erwähnt, dass es auch Frauenlogen gibt. 4 ebenda S. 430. 4 Dr. Uwe Matthes Ein Freimauerbruder wird dabei stets versuchen, seine Gedanken klar zu strukturieren, seine Worte an der Wahrheit auszurichten und in seinen Taten tolerant und mitmenschlich zu sein. Er wird versuchen sich frei zu machen vor allem von inneren Zwängen und sich möglichst nicht unbedacht in äußere Zwänge zu begeben. Ihm ist dabei klar, dass Freimaurerei nicht der allein seeligmachende Weg sein darf und er auf seinem Weg eingebunden bleibt in die Allmacht eines weitaus größeren Baumeisters. Ein Freimaurerbruder versteht sich deshalb unabhängig von den in der Organisation der Loge oder gar Großloge erreichten Position immer als ein Lernender, als ein Lehrling. Auf die Frage: „Bist Du Freimäurer?“, wie sie Lessing stellte, wird er nie antworten: „Ja, ich bin!“. Sondern stets nur mit Lessing: „Ich glaube es zu sein.“ 5 Diese gewisse Ungewissheit, ist das Zeichen, für die Suche, auf die sich der Freimaurer begeben hat. Eine Suche, die ihn jeden Tag vor neue Aufgaben stellt. Auch das ist ein Stück der individuellen Aktualität der Freimaurerei. Insofern lassen sie mich abschließend formulieren: Freimaurerei ist aktuell, weil sie ein altes und doch modernes Programm der Suche nach der Vervollkommnung der Gesellschaft durch die Vervollkommnung des Einzelnen verfolgt. Sie alt und aktuell, weil sie dies insbesondere über die Welt der Symbolsprache praktiziert. Sie ist alt und aktuell, weil sie auf der ganzen Welt von nach ihrer Herkunft, sozialen Stellung und Religion ganz unterschiedlichen Brüdern relativ einheitlich betrieben wird. Insofern ist sie sowohl exklusiv und elitär, wie auch für jedermann zugänglich. Freimaurerei ist eine spannende Sache, über die ich hoffentlich nicht zu langweilig gesprochen habe. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 5 Ebenda S. 395. 5