Musik in ihren Lebenswelten

Werbung
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2
Sommersemester 2016,
14. April 2016 bis 21. Juli 2016, Zeit: 11-13 Uhr
Ort: Sommertheater der Hochschule für Musik Detmold
Prof. Dr. Sabine Meine
Sprechzeit: Freitag 9.00 bis 10.30 Uhr
Musikwissenschaftliches Seminar
Forum, Hornsche Str. 39, Detmold, 1. Stock, R 8
Detmold/ Paderborn
nach Anmeldung per E-Mail: [email protected]
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2
1. Wer macht Musik?
2. Wo erklingt Musik?
3. Wie wird Musik überliefert?
4. Warum erklingt Musik?
Termine
Thema
14.04.16
1. J. S. Bach, in seiner Zeit und in seiner Wirkung
21.04.16
2. Konzert, Orchester und Virtuosität
28.04.16
3. Oper 1750-1800: Mozart und andere
05.05.16
4. Feiertag, fällt aus
12.05.16
5. Vl fällt aus wegen Exkursion, Nachholtermin: 4.6.! Tutorien
finden aber statt
19.05.16
6. In der Exkursionswoche der Uni Pb fallen Vorlesung und
Tutorium aus. Stattdessen bietet Prof. Meine
Einzelsprechzeiten an, bitte anmelden per E-Mail.
26.05. 2016
7. f.a. wegen Feiertag
02.06. 16
8. Symphonie
09.06.16
9. Lied
16.06.16
10. Antipoden der Oper im 19. Jh.: Verdi und
Wagner
23.06.16
11. Umbrüche: Musik des frühen 20. Jahrhunderts
30.06.16
12. Musik und die Medien – Pop und Klassik
07.07.16
13. Musik nach 1945
14.07.16
14. Die 4 Ws der Vorlesung; nur für Uni Pb
(Prüfungswoche HfM)
21.07.16
15. Klausur Uni Pb für Studiengang Pop und
Medien
Bedingungen für die erfolgreiche
Vorlesungsteilnahme
im laufenden Sommersemester 2016
1.  Verfassen einer schriftlichen Ausarbeitung einer
Vorlesung
2.  Kommentar zum Festival „Entertain Us“, 4.6. 2016,
https://blogs.uni-paderborn.de/entertain-us/ und
https://www.facebook.com/events/
1741225916090889/
Programm
14.00
Uhr
Eröffnung & Ulrike
Heydt
Die Harfe — Ein prestigeträchtiges und symbolisch
aufgeladenes Instrument. Ulrike Heydt geht klanglich neue
Wege und inspiriert mit ungewöhnlichen Spielweisen.
15.00
Uhr
Prof. Dr. Nils Grosch
Durch seinen medienhistorischen Ansatz verschwimmen die
kanonisierten Grenzen der Musikgeschichte. Wie verändert
sich der musikalische Diskurs, wenn man die Musikgeschichte
neu schreibt?
16.00
Uhr
Zhreee
Die Band ZHREEE zeichnet sich besonders durch ihre
Improvisationskunst aus, wodurch jedes Konzert ein Unikat ist,
unabhängig eines charakteristischen Musikstils.
17.00
Uhr
Lecture Performance
Die Kulturindustrie galt als kulturelle Massenproduktionsstätte
der Kapitalistischen Gesellschaft. Im Rahmen einer
interaktiven Installation soll ihre Aktualität befragt werden.
17.30
Uhr
Jun. Prof. Dr. Beate
Flath
18.30
Uhr
N.N.
19.00
Uhr
Podiumsgespräch
Mit Prof. Dr. Rebecca
Grotjahn, Lydia Grün &
Prof. Dr. Christoph Jacke
Moderation: Jun. Prof.
Dr. Stefanie AcquavellaRauch
20.30
Uhr
22.00
Uhr
\\\
SWOD
Das Spannungsfeld zwischen Musik und Musikmarkt lädt sich
zunehmend auf. Wie verhalten sich die beiden Pole in Zeiten
einer kriselnden Kulturbranche und durch institutionelle
Förderung von sog. Hoch- und vermehrt auch von Popkultur?
Im Podiums Gespräch kommen Vertreter*Innen des
Musikwissenschaftlichen Seminars, der Uni Paderborn und
der HfM Detmold zusammen. Inwiefern treffen wir in unserem
akademischen Umfeld auf die Kategorisierung von Musik und
wie geht man damit um? Können wir über Musik sprechen,
wenn wir nicht auf schematische Kategorien zurückgreifen?
Das Duo SWOD entwirft eine spannende Symbiose aus
klassischen Elementen und elektronischer Musik und bringt
die Erfahrung internationaler Bühnen nach Detmold.
Ende
& blogs.uni-paderborn.de/entertain-us/ \\\ ab dem 10.04. online
Kommentar zum
Festival „Entertain Us“
Samstag, 4. Juni 2016
14.00 bis 22.00 Uhr
Sommertheater Detmold
https://blogs.unipaderborn.de/entertain-us/
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2
Bedingungen für erfolgreiche Teilnahme:
• 
Mitschrift auf Grundlage der Vorlesungsfolien,
herunterzuladen jeweils ab Dienstag unter:
http://detmoldmusictools.de: Registrieren/Meine Kurse/
Code einlösen: BHELHS.
• 
Lektüren, Hör-, Denk- und Rechercheaufgaben
• 
Neugier, Reflektieren und Lernen
• 
1 eigenständig ausgearbeitete Mitschrift/ Semester
• 
Kommentar zum Festival „Entertain us“, 4. Juni 2016
• 
Tutorium für MusikwissenschaftlerInnen
• 
Klausur, mündliche Prüfung nach 2 Semestern
Richtlinien für das Verfassen einer schriftlichen
Vorlesungsausarbeitung
•  Abgabe spätestens am Dienstag nach der Vorlesung per E-Mail an
[email protected]
•  Angabe von: Name, Vorname, Studiengang, Semester, E-Mail-Adresse
•  Wichtigste Inhalte festhalten und mit Beispielen konkretisieren
•  Die Basis dafür bieten Stichworte und Inhalte der Folien, die durch
eigene Mitschrift ergänzt werden müssen.
•  Eigene Ausformulierungen in ganzen Sätzen.
•  Selbstständige Gedankengänge formen.
•  Orientierungshilfe: bereitgestellte Texte im Vorlesungsordner bei
DetmoldMusicTools, s. vorige Folie.
•  Bitte auf Rechtschreibung und Schreibfehler achten.
•  Richtwert: 2-3 Seiten bei ca. 1800 Zeichen/Seite.
•  Bei Bedarf ist EIN Korrekturgang möglich.
•  Die Bewertung mit + oder - ist prüfungsrelevant.
Antipoden der Oper im 19. Jahrhundert:
Verdi und Wagner
Prolog
Hinterzimmer eines Konzertsaales
in Paris um 1840
à „Lisztomania“, 1975
Regie: Ken Russell
Historischer Hintergrund
„Berlin wie es ist und – trinkt“, Leipzig 1842
Musikleben um 1840 in Paris
•  4 Operntheater: Opéra, Comédie-Française, Théâtre de
l‘Impératrice, Théâtre Italien
•  4 weitere Theater: Vaudeville, Variétés, Gaîté, Ambigu-Comique
•  Ab 1828 Société des concerts du conservatoire (Ltg.
Habeneck, Fokus: Symphonien Beethovens)
•  Salons musikliebender Mäzene
•  Seit 1830er Jahren Société de la musique de chambre
•  Promenadenkonzerte: Concerts Musard, Concerts Jules
Rivières auf den Champs-Elysées
•  Freiluftkonzerte in öffentlichen Gärten
„Paris, die Hauptstadt des XIX.
Jahrhunderts“
„Die Vergnügungsindustrie verfeinert und
vervielfacht die Spielarten des reaktiven
Verhaltens der Massen [...].“
- Walter Benjamin, Das Passagenwerk
Richard Wagner
•  * 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig
•  1836 Heirat von Minna Planer, Schauspielerin
in Königsberg
•  1837 Musikdirektor in Königsberg à Bankrott
•  1837-1839 Theaterkapellmeister in Riga
1839: Wagners Flucht vor Gläubigern à Paris
à Herbst 1839: Hector Berlioz‘ Symphonie
„Roméo et Juliette“
Richard Wagner: Rienzi, der Letzte der
Tribunen.
Große Oper in fünf Akten
-  beendet in Paris, 1840
-  Historischer Stoff mit zeitgenössischem
Bezug
-  Kampf eines Volkstribun gegen feudale
Willkür für Gleichheit vor dem Gesetz und
Freiheit aller Bürger
„Der Rienzi [...] sollte im vollen Sinne des Wortes Held
sein – ein hochbegeisterter Schwärmer, der wie ein
blitzender Lichtstrahl unter einem tiefgesunkenem,
entarteten Volk erscheint, welches zu erleuchten und
emporzuheben er sich berufen hielt“.
- Richard Wagner, September 1841
Wo erklungen?
à In der Bearbeitung für Klavier von Franz Liszt, Paris 1840/41
Wo erklungen?
à Uraufführung
in Dresden 1842
Rienzis Fluch und
Tod, 5. Akt, Finale
Der Rienzi in der Operngeschichte
•  Arien ohne Koloraturen
à  italienischer Belcanto, Bellini
•  historisches, tragisches Sujet, Chöre, fünf
Akte, großer Bühnenaufwand
à  Grand Opéra von Giacomo Meyerbeer,
Daniel F.-E. Auber, Gaspare Spontini
Wie überliefert?
à Lieblingsoper Adolf Hitlers
„Als Halbwüchsiger hatte er [Hitler] im Stehparkett der
Linzer Oper erstmals einer Aufführung des ‚Rienzi‘
beigewohnt, der Geschichte eines spätmittelalterlichen
Empörers und Volkstribunen, der am tragischen
Unverständnis der Welt zerbricht und schließlich Tod
und Selbstvernichtung wählt. ‚In jener Stunde begann
es!‘ hat er noch Jahrzehnte später glücklich bekannt.“
- Der Historiker Joachim Fest, 2002
„Ein Stoff unserer Zeit“
Giuseppe Verdis La Traviata
Giuseppe Verdi
•  *1813 in Busseto/Parma, † 1901 in Mailand
•  ab 1836 Orchesterleiter und Musikschullehrer
in Busseto
•  1842 Durchbruch als Komponist der ernsten
dramatischen Oper Nabucco
•  Lebenspartnerin Giuseppina Strepponi,
Sopran
•  Benefiztätigkeit
26 Opern in 3 Phasen
1.  Phase
1839 bis 1-2 Opern/Jahr für Mailand,
1854
Venedig, Rom, Neapel, London, Paris u.a.
1853
Il trovatore und La Traviata
2.  Phase
ab 1855
6 Opern bis zu Aida (1871)
3.  Phase
auf Anregung des Verlegers Ricordi Otello (1887)
und Falstaff (1893)
La Traviata
Melodramma in tre atti
Libretto di Francesco Maria Piave
nach Alexandre Dumas:
„La dame aux camélias“/
„Die Kameliendame“ (1848)
Realismus der Jetztzeit
•  Kurtisane, zerrissen
à  soziale Rolle am Rand der Gesellschaft
à  Sehnsucht nach wahrer Liebe
à  Krankheit
•  Thema und Darstellung à Aktualität
Scena ed Aria
Violetta
– Finale Atto I –
Verdis Opernkonzeption – 1
•  Italienischer Belcanto
à  Rossini, Bellini
•  Literaturoper
à  Dramen Schillers, Shakespeares etc.
Verdis Opernkonzeption – 2
•  Individuelle Charaktere, Soli:
Cantabiles, Cabaletten, Romanzen
•  Dialoge, Duette: + innerlich bewegt
•  Masse, Chor
à  wachsende Finali, Szenen
à  Orchester begleitet, wird epische
Instanz
Verdis Opernkonzeption – 3
•  + Darstellung menschlicher
Charaktere, psychologisch
bewegter Situationen
•  + Dramatik!
Wo erklungen?
à Teatro La Fenice, Venedig, 6.3.1853
Das Fiasko der Uraufführung:
„Ieri sera la Traviata fiasco. Di chi la colpa... Mia e dei
cantanti?... Non so nulla. Il tempo deciderà. Parliamo
d‘altro.“
Giuseppe Verdi an E. Muzio am 7. März 1853, in „Gazzetta
musicale di Milano“, 13. März 1853
Einnahmen aus der Uraufführung
im Teatro La Fenice:
à Théâtre Lyrique de Paris,
27. Oktober 1864
Wie überliefert?
„Alte Schönheit aus Zeiten der guten Seele
Rossinis...“
„Pari bellezza, la bellezza antica, quella che si
usava ai tempi della buon‘anima di Rossini....“
- Venezianische Kritik, nach Uraufführung
Wie später überliefert?
„Viva Verdi!“ = „Viva Vittorio Emanuele Re
d‘Italia“
à Ein Komponistenname als patriotisches
Symbol
„Va pensiero...“
•  aus: Nabucco
à  Emblem italienischer Unterdrückung unter
Fremdherrschaft
Hintergrund:
•  1848 Revolutionen und Reformen erfolglos...
•  1861 Nationales Königreich Italien
Staatsbegräbnis für Giuseppe Verdi 1901
„Das Jahr 1789 auf dem Parnaß“
Von der Oper zum „Drama der Zukunft“
Wagners Kritik
an Rossini und der Oper
„Alle Welt jubelte Rossini für seine Melodien zu... Alles
Organisieren der Form ließ er ganz beiseite; die
einfachste, trockenste und übersichtlichste [...] erfüllte
er dagegen mit dem ganzen folgerichtigen Inhalte [...]
narkotisch-berauschende Melodie.“
Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“,
in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
Wagners Gleichung:
Oper = Restauration = Tod
„Wie Metternich den Staat mit vollem Rechte nicht
anders als unter der absoluten Monarchie begreifen
konnte, so begriff Rossini mit nicht minderer
Konsequenz die Oper nur unter der absoluten
Melodie [...].“
Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der
Musik“, in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
Wagners Drama der Zukunft
„[...] aus der Prosa unserer gewöhnlichen Sprache den
erhöhten Ausdruck [...] gewinnen, in welchem die
dichterische Absicht allvermögend an das Gefühl sich
kundgeben soll.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der
Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Die Melodie [...] ist für ihren entscheidenden rein
musikalischen Ausdruck einzig aus dem von unten her
wirkenden Grunde der Harmonie bedingt [...].“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama
der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Das Orchester ist [...] dieses die Einheit des Ausdruckes
jederzeit ergänzende Sprachorgan.“
à „nie aus der Willkür des Musikers“, sondern „nur aus
der Absicht des Dichters“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der
Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Diese melodischen Momente, an sich dazu geeignet, das
Gefühl immer auf gleicher Höhe zu erhalten, werden uns
durch das Orchester gewissermaßen zu
Gefühlswegweisern durch den ganzen, vielgewundenen
Bau des Dramas. [...] Zwischen diesen, als Ahnung und
Erinnerung, steht die Versmelodie als getragene und
tragende Individualität, wie sie sich aus einer
Gefühlsumgebung [...] heraus bedingt.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der
Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
Einheitliche Form à Inhalt à Wahrheit
„melodische Momente
Hauptmotive der dramatischen Handlung
einheitlichen künstlerischen Form über das ganze
Drama als ein bindender Zusammenhang dem Gefühle
sich kundgeben.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft,
Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
Richard Wagner
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
* 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig
Musikdramatiker und Schriftsteller
Thomasschule, Musikstudium in Leipzig
1843 Königlich-sächsischer Kapellmeister Dresdner
Hofoper
religionskritisch, philosophisch, politisch revolutionärà
1849 – 1858 Exil in Zürich
1870 2. Heirat: Cosima Bülow, geb. Liszt
1876 1. Bayreuther Festspiele mit UA des Ring
Das Rheingold, 1851-1854
Richard Wagner
Vorspiel und Erste Szene aus: Das
Rheingold. Der Ring des Nibelungen. Ein
Bühnenfestspiel, Vorabend, WWV 86a
•  Beginn: 135 Takte Klangaufbau in
Es-Dur
•  außergewöhnliche Instrumentation
und auskomponiertes Crescendo
eines Akkordes in Es-Dur
Leitmotivik
à  Rheingoldmotiv
à  Ring- und
Fluchmotiv
à  Entsagungsmotiv
Wo erklungen?
UA: Festspielhaus Bayreuth Einweihung am 13. August
1876 mit Das Rheingold (WWV 86a), Vorabend von
Der Ring des Nibelungen
von Richard Wagner
Theater mit bester Akustik:
•  Zuschauerraum als ansteigendes Amphitheater
(verdunkelt)
•  Versteckter Orchestergraben
•  Holz
•  Referenz an antike Theatertraditionen
„Es ist bekannt, daß der unglückliche Ludwig XVI. beim
Beginn der Unruhen von 1789 auf seine Äußerung, es
sei eine Revolte, die Antwort hören mußte: nein, es ist
eine Revolution. Den Leuten, die von Wagners
Reformen der Musik sprechen, kann man dasselbe
zurufen: Es ist das Jahr 1789 auf dem Parnaß!“
August Wilhelm Ambros: Culturhistorische Bilder aus
dem Musikleben der Gegenwart. Leipzig 1860
Literarische Utopie
Duell am Canal Grande. Verdi gegen Wagner
„Von Takt zu Takt stieß der Mann sein Holz in das Element. [
Lange Note, kurze Note, Lang, kurz! [...] Heute tat ihm die
Rhythmus nicht wohl. […] Die Unruhe in seinem Gemüt, die n
schon seit Jahren ihn peinigte, steigerte sich in diesem Augenbl
zur Beklemmung. […] Ich werde nicht mehr schreiben. […] Ich
ein mäßiger Wagnerepigone. Ich nasche an seiner Harmonik.
versuche seine erhabene Polyphonie in mein tölpelhaf
Bussetanisch zu übersetzen!... Ah! Ah! Weg damit…“
Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a., 1924
„Wie scheußlich, wie verrucht ist diese Freude! Aber sie
hat mehr Macht als alle Besinnung: ‘Wagner ist tot. Ich
lebe! Der Kampf hat mich umgebracht. Aber auch er ist
gefallen. Er ist mehr besiegt als ich, denn ich lebe und er
ist tot!’“
Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a.,
1924
Verdi oder Wagner?
Nike Wagner
„[...] Verdi ist Traditionalist, Wagner
schafft einen neuen Operntyp.
Belcanto-Linien hier, LeitmotivTeppich dort. Sanftmut, Toleranz
und Popularität beim Italiener,
Gewalttätigkeit, Brüche und
Gemeindebildung beim Deutschen.
Bei Wagners Tod hat Verdi sein
berühmtes ‚Triste, triste, triste!‘
ausgerufen. Was hätte Wagner im
umgekehrten Fall gesagt? [...]“
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2.6
Quellen (Auswahl):
1. Noten-, Audio, Bild- und Videoquellen (Auswahl)
• 
Ken Russel‘s Lisztomania (mit Roger Daltrey u.a.), Warner Bros/UK, 1975.
• 
Theodor Hosemann: Titelkupfer, in: Ad. Brennglas: Berlin wie es ist und – trinkt, 14. Heft, Franz Liszt
in Berlin, Leipzig 1842, wikimedia commons.
• 
Richard Wagner: Rienzi. Große Tragische Oper in fünf Akten. René Kollo, Chor der Bayrischen
Staatsoper, Bayrisches Staatsorchester, Leitung: Wolfgang Sawallisch, Live Aufnahme des
Bayrischen Rundfunks, Münchner Opernfestspiele 6.7. 1983, Orfeo 1995.
• 
Giuseppe Verdi: La Traviata. Ileana Cotrubas, Bayrisches Staatsorchester, Leitung: Carlos Kleiber,
Deutsche Grammophon 1977.
• 
Friedrich August Kannegießer: Dresden, Theaterplatz, Morettisches Theater: Inneres, Blick von der
Bühne in den Zuschauerraum, 1841, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Kupferstichkabinett, http://www.bildindex.de/obj32020921.html.
Teatro La Fenice. Innenraum, 1837, Lithographie von Giovanni Pividor, Venedig, Museo Correr.
Giuseppe Verdi. Lithographie von Roberto Fucosi, vor 1850.wikimedia commons.
Richard Wagner. Fotografie um 1850. www. Gettyimages. Com
Christine Nilsson in der Rolle der Violetta, Lithographie von J.-B.-A. Lafosse, Bibliothèque Nationale
de France, wikimedia commons.
• 
• 
• 
• 
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2.6
Quellen (Auswahl):
1.  Noten-, Audio, Bild- und Videoquellen (Auswahl)
• 
Walter Benjamin: „Paris, Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts“ und „Aufzeichnungen und Materialien“, in ders.:
Das Passagen-Werk, Erster Teil. Gesammelte Schriften V, 1, hg.v. Rolf Tiedemann, Frankfurt 1991.
• 
Giuseppe Verdi: La Traviata. Melodramma in tre atti. Libretto di Francesco Maria Piave, eduted by Fabrizio
della Seta, Milano: Ricordi/ Chicago and London: The University of Chicago Press, 1997 ( The Works of
Giuseppe Verdi, Series I: Operas, Vol. 19).
• 
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend.
Vorabend: Das Rheingold WWV 86 A. Erste und zweite Szene, hg. v. Egon Voss, Mainz: Schott‘s Söhne,
1988 (Richard Wagner: Sämtliche Werke Band 10,1).
• 
The Theatre Italien/Paris around 1840. Drawing by Egène Lami, engraving by C. Mottram. Kopie von aus:
Archiv "Deutschland und die Welt“, Autor McLeod, ###.
Xavier Girard: „Plan de la ville de Paris divisé en 12 arrondissements, en 48 quartiers indiquant tous les
changemens faits et projetés“, handbemalte Gravur, John Hay Library Maps Collection. Publication: Paris:
J. Goujoun et J. Andriveau, 1843, Wikimedia Commons.
• 
• 
Statuen von Giuseppe Verdi und Richard Wagner, Biennale-Gärten in Venedig, Aufnahme von Sabine
Meine
• 
Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien 1924.
• 
„Opernjahr 2013: Wagner oder Verdi? Zehn Intendanten beantworten die klassische Gewissensfrage der
Oper: Wer ist größer – der Italiener oder der Deutsche?“. http://www.zeit.de/2012/40/Oper-Wagner-Verdi
Richard Wagner: Das Rheingold. Wiener Philharmoniker, Ltg. Sir Georg Solti, London: Decca, 1984.
• 
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2.6
Quellen (Auswahl):
2. Literatur:
•  Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite bearbeitete Ausgabe, hg. v. Ludwig
Finscher, Kassel/Stuttgart 1994-2008 (MGG 2).
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Dtv-Atlas zur Musik. Tafeln und Texte. 2 Bände, München/Kassel, 10. Aufl. 1986.
A History of Western Music, hg.v. P. Burkholder, D. J. Grout u. C. Palisca, New York 2010.
Martin Gregor-Dellin und Michael von Soden: Hermes Handlexikon Richard Wagner. Leben, Werk,
Wirkung, Düsseldorf 1983.
Joachim Fest: Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches. Fest, Berlin 2002.
Richard Wagner: Oper und Drama, hg. und kommentiert von Klaus Kropfinger. Stuttgart 1984.
Funkkolleg Musikgeschichte. Europäische Musik vom 12. – 20. Jahrhundert. Studienbegleitbrief 8,
Mainz 1988.
Carl Dahlhaus: Vom Musikdrama zur Literaturoper. Aufsätze zur neueren Operngeschichte.
Überarbeitete Neuausgabe. München/Mainz 1983.
Carl Dahlhaus: Wagners Konzeption des musikalischen Dramas. München/Kassel 1990.
Bernhard Shaw: Wagner-Brevier. Kommentar zum Ring des Nibelungen. Aus dem Englischen von
Bruno Vondenhoff. Achte Auflage, Frankfurt/M. 1996.
Robert Maschka: Wagners Ring – kurz und bündig, Dritte Auflage, Kassel, 2004.
Kurt Pahlen: Richard Wagner – Das Rheingold. Der Ring des Nibelungen, München, 1982.
Musik in ihren Lebenswelten
Vorlesung Musikgeschichte 2
Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Sabine Meine,
[email protected]
Redaktion: Prof. Dr. Sabine Meine unter Mitarbeit
von Raphael Köhler und Veronika Knodel
„Die Vergnügungsindustrie verfeinert und vervielfacht die
Spielarten des reaktiven Verhaltens der Massen. Sie rüstet
sie damit für die Bearbeitung durch die Reklame zu. Die
Verbindung dieser Industrie mit den Weltausstellungen ist
also wohlbegründet.“
Walter Benjamin, Das Passagenwerk. Aufzeichnungen und
Materialien [G 16, 7]
Wie überliefert?
à  Lieblingsoper Adolf Hitlers
„Der Ruhm jedenfalls, den er [Hitler] sein Leben lang gesucht
hatte, war niemals nur der eines Staatsmanns gewesen, des
Herrschers über einen autoritären Wohlfahrtsstaat oder der des
großen Feldherrn. Für jede dieser Rollen war, neben vielem
anderen, zuviel Wagner und zuviel Untergangsverlangen in ihm.
Als Halbwüchsiger hatte er im Stehparkett der Linzer Oper
erstmals einer Aufführung des ‚Rienzi‘ beigewohnt, der Geschichte
eines spätmittelalterlichen Empörers und Volkstribunen, der am
tragischen Unverständnis der Welt zerbricht und schließlich Tod
und Selbstvernichtung wählt. ‚In jener Stunde begann es!‘ hat er
noch Jahrzehnte später glücklich bekannt.“
-  Der Historiker Joachim Fest, 2002
„Alle Welt jubelte Rossini für seine Melodien zu, ihm, der
es ganz vortrefflich verstand, aus der Verwendung dieser
Melodien eine besondere Kunst zu machen. Alles
Organisieren der Form ließ er ganz beiseite; die
einfachste, trockenste und übersichtlichste, die er nun
vorfand, erfüllte er dagegen mit dem ganzen
folgerichtigen Inhalte, dessen sie einzig von je bedurft
hatte –: narkotisch-berauschende Melodie.“
Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“,
Teil 1, Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Wie Metternich den Staat mit vollem Rechte nicht
anders als unter der absoluten Monarchie begreifen
konnte, so begriff Rossini mit nicht minderer
Konsequenz die Oper nur unter der absoluten Melodie.
Beide sagten: ‚Wollt ihr Staat und Oper, hier habt ihr
Staat und Oper – andere gibt es nicht! Mit Rossini ist
die eigentliche Geschichte der Oper zu Ende.“
Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“,
Teil 1, Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Wir haben, wenn wir in einer verständlichen Beziehung
zum Leben bleiben wollen, aus der Prosa unserer
gewöhnlichen Sprache den erhöhten Ausdruck zu
gewinnen, in welchem die dichterische Absicht
allvermögend an das Gefühl sich kundgeben soll.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der
Zukunft, Teil 3, Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Die Melodie [...] ist für ihren entscheidenden rein
musikalischen Ausdruck einzig aus dem von unten her
wirkenden Grunde der Harmonie bedingt: wie sie sich
selbst als horizontale Reihe kundgibt, hängt sie durch
eine senkrechte Kette mit diesem Grunde zusammen.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama
der Zukunft“, Teil 3, Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Diese melodischen Momente, an sich dazu geeignet, das
Gefühl immer auf gleicher Höhe zu erhalten, werden uns
durch das Orchester gewissermaßen zu
Gefühlswegweisern durch den ganzen, vielgewundenen
Bau des Dramas. An ihnen werden wir zu steten
Mitwissern des tiefsten Geheimnisses der dichterischen
Absicht, zu unmittelbaren Teilnehmern an dessen
Verwirklichung. Zwischen diesen, als Ahnung und
Erinnerung, steht die Versmelodie als getragene und
tragende Individualität, wie sie sich aus einer
Gefühlsumgebung [...] heraus bedingt.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der
Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Die wirklich unterscheidbaren, und ihren Inhalt vollkommen
verwirklichenden, melodischen Momenten gewordenen Hauptmotive der
dramatischen Handlung bilden sich in ihrer beziehungsvollen, stets
wohlbedingten – dem Reime ähnlichen – Wiederkehr zu einer einheitlichen
künstlerischen Form, die sich nicht nur über engere Teile des Dramas,
sondern über das ganze Drama selbst als ein bindender Zusammenhang
erstreckt, in welchem nicht nur diese melodischen Momente als gegenseitig
sich verständlichend und somit einheitlich erscheinen, sondern auch die in
ihnen verkörperten Gefühls- oder Erscheinungsmotive, als stärkste der
Handlung und die schwächeren derselben in sich schließend, als sich
gegenseitig bedingende, dem Wesen der Gattung nach einheitliche – dem
Gefühle sich kundgeben. In diesem Zusammenhange ist die Verwirklichung
der vollendeten einheitlichen Form erreicht und durch diese Kundgebung
eines einheitlichen Inhaltes, somit dieser Inhalt selbst in Wahrheit erst
ermöglicht.“
Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in:
Oper und Drama, Leipzig 1852.
„Da drin? Sie feiern den Deutschen! […] Er will im
Theater die Pausen abschaffen. Bedenkt nur,
Signor Maestro! Man soll hintereinander drei oder
vier oder fünf Akte hören, stillesitzen, nicht
aufstehen, nicht reden, nicht einmal schneuzen
darf man sich eine ganze opera ballo lang. Was ist
das für Tollheit, frage ich?“
-  Franz Werfel, Verdi. Roman der Oper
„Von Takt zu Takt stieß der Mann sein Holz in das Element. […]
Lange Note, kurze Note, Lang, kurz! Diese Bewegung war die
Mutter aller Barkarolen. ›Venezianischer Sechsachteltakt‹, so hatt
sie Verdi einmal in jener Zeit getauft, da er hier den Rigoletto
einstudierte. Heute tat ihm dieser Rhythmus nicht wohl. […] Die
Unruhe in seinem Gemüt, die nun schon seit Jahren ihn peinigte,
steigerte sich in diesem Augenblick zur Beklemmung. […] Der Tak
der Fahrt mit seiner leisen, erregenden Ungleichmäßigkeit trug die
Gedanken: […] Ich werde nicht mehr schreiben. […] Die sublimen
Herren von Europa würden dasselbe über mich schreiben, was sie
seit dem ›Don Carlos‹ immer über mich schreiben: ich bin ein
mäßiger Wagnerepigone. Ich nasche an seiner Harmonik. Ich
versuche seine erhabene Polyphonie in mein tölpelhaftes
Bussetanisch zu übersetzen!... Ah! Ah! Weg damit…“
Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a., 1924
Verdi oder Wagner?
Nike Wagner
„Wie bitte? Tannhäuser oder Troubadour? Meistersinger oder Falstaff? Tristan oder
Otello? Rienzi oder Aida? ‚Umtata‘ oder die unendliche Melodie? Verdi hatte Erfolg
in Paris, Wagner schlich dort als armer Hund herum. Verdi griff zu historischen
Stoffen, Wagner zu Epen und Mythen. Verdi beschäftigte Librettisten, Wagner
schrieb alles selbst. Hier der Katholik und Humanist und die Liebesleidenschaft,
dort Meistersinger-Protestantismus und Parsifal-Religion, Machtgier und
Geschlechterprobleme. Toscanini hat es auf den Punkt gebracht: ‚Wären Tristan
und Isolde italienischer Herkunft, hätten sie am Ende des zweiten Aktes sieben
Kinder. Aber sie sind Deutsche, also diskutieren sie noch.‘
Verdi ist Traditionalist, Wagner schafft einen neuen Operntyp. Belcanto-Linien hier,
Leitmotiv-Teppich dort. Sanftmut, Toleranz und Popularität beim Italiener,
Gewalttätigkeit, Brüche und Gemeindebildung beim Deutschen. Bei Wagners Tod
hat Verdi sein berühmtes ‚Triste, triste, triste!‘ ausgerufen. Was hätte Wagner im
umgekehrten Fall gesagt? Dennoch: In der Trieb- und Seelenlandschaft, die er
aufreißt, ist Wagner mir näher – in all seiner Ferne.“
http://www.zeit.de/2012/40/Oper-Wagner-Verdi
Herunterladen