Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2 Sommersemester 2016, 14. April 2016 bis 21. Juli 2016, Zeit: 11-13 Uhr Ort: Sommertheater der Hochschule für Musik Detmold Prof. Dr. Sabine Meine Sprechzeit: Freitag 9.00 bis 10.30 Uhr Musikwissenschaftliches Seminar Forum, Hornsche Str. 39, Detmold, 1. Stock, R 8 Detmold/ Paderborn nach Anmeldung per E-Mail: [email protected] Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2 1. Wer macht Musik? 2. Wo erklingt Musik? 3. Wie wird Musik überliefert? 4. Warum erklingt Musik? Termine Thema 14.04.16 1. J. S. Bach, in seiner Zeit und in seiner Wirkung 21.04.16 2. Konzert, Orchester und Virtuosität 28.04.16 3. Oper 1750-1800: Mozart und andere 05.05.16 4. Feiertag, fällt aus 12.05.16 5. Vl fällt aus wegen Exkursion, Nachholtermin: 4.6.! Tutorien finden aber statt 19.05.16 6. In der Exkursionswoche der Uni Pb fallen Vorlesung und Tutorium aus. Stattdessen bietet Prof. Meine Einzelsprechzeiten an, bitte anmelden per E-Mail. 26.05. 2016 7. f.a. wegen Feiertag 02.06. 16 8. Symphonie 09.06.16 9. Lied 16.06.16 10. Antipoden der Oper im 19. Jh.: Verdi und Wagner 23.06.16 11. Umbrüche: Musik des frühen 20. Jahrhunderts 30.06.16 12. Musik und die Medien – Pop und Klassik 07.07.16 13. Musik nach 1945 14.07.16 14. Die 4 Ws der Vorlesung; nur für Uni Pb (Prüfungswoche HfM) 21.07.16 15. Klausur Uni Pb für Studiengang Pop und Medien Bedingungen für die erfolgreiche Vorlesungsteilnahme im laufenden Sommersemester 2016 1. Verfassen einer schriftlichen Ausarbeitung einer Vorlesung 2. Kommentar zum Festival „Entertain Us“, 4.6. 2016, https://blogs.uni-paderborn.de/entertain-us/ und https://www.facebook.com/events/ 1741225916090889/ Programm 14.00 Uhr Eröffnung & Ulrike Heydt Die Harfe — Ein prestigeträchtiges und symbolisch aufgeladenes Instrument. Ulrike Heydt geht klanglich neue Wege und inspiriert mit ungewöhnlichen Spielweisen. 15.00 Uhr Prof. Dr. Nils Grosch Durch seinen medienhistorischen Ansatz verschwimmen die kanonisierten Grenzen der Musikgeschichte. Wie verändert sich der musikalische Diskurs, wenn man die Musikgeschichte neu schreibt? 16.00 Uhr Zhreee Die Band ZHREEE zeichnet sich besonders durch ihre Improvisationskunst aus, wodurch jedes Konzert ein Unikat ist, unabhängig eines charakteristischen Musikstils. 17.00 Uhr Lecture Performance Die Kulturindustrie galt als kulturelle Massenproduktionsstätte der Kapitalistischen Gesellschaft. Im Rahmen einer interaktiven Installation soll ihre Aktualität befragt werden. 17.30 Uhr Jun. Prof. Dr. Beate Flath 18.30 Uhr N.N. 19.00 Uhr Podiumsgespräch Mit Prof. Dr. Rebecca Grotjahn, Lydia Grün & Prof. Dr. Christoph Jacke Moderation: Jun. Prof. Dr. Stefanie AcquavellaRauch 20.30 Uhr 22.00 Uhr \\\ SWOD Das Spannungsfeld zwischen Musik und Musikmarkt lädt sich zunehmend auf. Wie verhalten sich die beiden Pole in Zeiten einer kriselnden Kulturbranche und durch institutionelle Förderung von sog. Hoch- und vermehrt auch von Popkultur? Im Podiums Gespräch kommen Vertreter*Innen des Musikwissenschaftlichen Seminars, der Uni Paderborn und der HfM Detmold zusammen. Inwiefern treffen wir in unserem akademischen Umfeld auf die Kategorisierung von Musik und wie geht man damit um? Können wir über Musik sprechen, wenn wir nicht auf schematische Kategorien zurückgreifen? Das Duo SWOD entwirft eine spannende Symbiose aus klassischen Elementen und elektronischer Musik und bringt die Erfahrung internationaler Bühnen nach Detmold. Ende & blogs.uni-paderborn.de/entertain-us/ \\\ ab dem 10.04. online Kommentar zum Festival „Entertain Us“ Samstag, 4. Juni 2016 14.00 bis 22.00 Uhr Sommertheater Detmold https://blogs.unipaderborn.de/entertain-us/ Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2 Bedingungen für erfolgreiche Teilnahme: • Mitschrift auf Grundlage der Vorlesungsfolien, herunterzuladen jeweils ab Dienstag unter: http://detmoldmusictools.de: Registrieren/Meine Kurse/ Code einlösen: BHELHS. • Lektüren, Hör-, Denk- und Rechercheaufgaben • Neugier, Reflektieren und Lernen • 1 eigenständig ausgearbeitete Mitschrift/ Semester • Kommentar zum Festival „Entertain us“, 4. Juni 2016 • Tutorium für MusikwissenschaftlerInnen • Klausur, mündliche Prüfung nach 2 Semestern Richtlinien für das Verfassen einer schriftlichen Vorlesungsausarbeitung • Abgabe spätestens am Dienstag nach der Vorlesung per E-Mail an [email protected] • Angabe von: Name, Vorname, Studiengang, Semester, E-Mail-Adresse • Wichtigste Inhalte festhalten und mit Beispielen konkretisieren • Die Basis dafür bieten Stichworte und Inhalte der Folien, die durch eigene Mitschrift ergänzt werden müssen. • Eigene Ausformulierungen in ganzen Sätzen. • Selbstständige Gedankengänge formen. • Orientierungshilfe: bereitgestellte Texte im Vorlesungsordner bei DetmoldMusicTools, s. vorige Folie. • Bitte auf Rechtschreibung und Schreibfehler achten. • Richtwert: 2-3 Seiten bei ca. 1800 Zeichen/Seite. • Bei Bedarf ist EIN Korrekturgang möglich. • Die Bewertung mit + oder - ist prüfungsrelevant. Antipoden der Oper im 19. Jahrhundert: Verdi und Wagner Prolog Hinterzimmer eines Konzertsaales in Paris um 1840 à „Lisztomania“, 1975 Regie: Ken Russell Historischer Hintergrund „Berlin wie es ist und – trinkt“, Leipzig 1842 Musikleben um 1840 in Paris • 4 Operntheater: Opéra, Comédie-Française, Théâtre de l‘Impératrice, Théâtre Italien • 4 weitere Theater: Vaudeville, Variétés, Gaîté, Ambigu-Comique • Ab 1828 Société des concerts du conservatoire (Ltg. Habeneck, Fokus: Symphonien Beethovens) • Salons musikliebender Mäzene • Seit 1830er Jahren Société de la musique de chambre • Promenadenkonzerte: Concerts Musard, Concerts Jules Rivières auf den Champs-Elysées • Freiluftkonzerte in öffentlichen Gärten „Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts“ „Die Vergnügungsindustrie verfeinert und vervielfacht die Spielarten des reaktiven Verhaltens der Massen [...].“ - Walter Benjamin, Das Passagenwerk Richard Wagner • * 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig • 1836 Heirat von Minna Planer, Schauspielerin in Königsberg • 1837 Musikdirektor in Königsberg à Bankrott • 1837-1839 Theaterkapellmeister in Riga 1839: Wagners Flucht vor Gläubigern à Paris à Herbst 1839: Hector Berlioz‘ Symphonie „Roméo et Juliette“ Richard Wagner: Rienzi, der Letzte der Tribunen. Große Oper in fünf Akten - beendet in Paris, 1840 - Historischer Stoff mit zeitgenössischem Bezug - Kampf eines Volkstribun gegen feudale Willkür für Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit aller Bürger „Der Rienzi [...] sollte im vollen Sinne des Wortes Held sein – ein hochbegeisterter Schwärmer, der wie ein blitzender Lichtstrahl unter einem tiefgesunkenem, entarteten Volk erscheint, welches zu erleuchten und emporzuheben er sich berufen hielt“. - Richard Wagner, September 1841 Wo erklungen? à In der Bearbeitung für Klavier von Franz Liszt, Paris 1840/41 Wo erklungen? à Uraufführung in Dresden 1842 Rienzis Fluch und Tod, 5. Akt, Finale Der Rienzi in der Operngeschichte • Arien ohne Koloraturen à italienischer Belcanto, Bellini • historisches, tragisches Sujet, Chöre, fünf Akte, großer Bühnenaufwand à Grand Opéra von Giacomo Meyerbeer, Daniel F.-E. Auber, Gaspare Spontini Wie überliefert? à Lieblingsoper Adolf Hitlers „Als Halbwüchsiger hatte er [Hitler] im Stehparkett der Linzer Oper erstmals einer Aufführung des ‚Rienzi‘ beigewohnt, der Geschichte eines spätmittelalterlichen Empörers und Volkstribunen, der am tragischen Unverständnis der Welt zerbricht und schließlich Tod und Selbstvernichtung wählt. ‚In jener Stunde begann es!‘ hat er noch Jahrzehnte später glücklich bekannt.“ - Der Historiker Joachim Fest, 2002 „Ein Stoff unserer Zeit“ Giuseppe Verdis La Traviata Giuseppe Verdi • *1813 in Busseto/Parma, † 1901 in Mailand • ab 1836 Orchesterleiter und Musikschullehrer in Busseto • 1842 Durchbruch als Komponist der ernsten dramatischen Oper Nabucco • Lebenspartnerin Giuseppina Strepponi, Sopran • Benefiztätigkeit 26 Opern in 3 Phasen 1. Phase 1839 bis 1-2 Opern/Jahr für Mailand, 1854 Venedig, Rom, Neapel, London, Paris u.a. 1853 Il trovatore und La Traviata 2. Phase ab 1855 6 Opern bis zu Aida (1871) 3. Phase auf Anregung des Verlegers Ricordi Otello (1887) und Falstaff (1893) La Traviata Melodramma in tre atti Libretto di Francesco Maria Piave nach Alexandre Dumas: „La dame aux camélias“/ „Die Kameliendame“ (1848) Realismus der Jetztzeit • Kurtisane, zerrissen à soziale Rolle am Rand der Gesellschaft à Sehnsucht nach wahrer Liebe à Krankheit • Thema und Darstellung à Aktualität Scena ed Aria Violetta – Finale Atto I – Verdis Opernkonzeption – 1 • Italienischer Belcanto à Rossini, Bellini • Literaturoper à Dramen Schillers, Shakespeares etc. Verdis Opernkonzeption – 2 • Individuelle Charaktere, Soli: Cantabiles, Cabaletten, Romanzen • Dialoge, Duette: + innerlich bewegt • Masse, Chor à wachsende Finali, Szenen à Orchester begleitet, wird epische Instanz Verdis Opernkonzeption – 3 • + Darstellung menschlicher Charaktere, psychologisch bewegter Situationen • + Dramatik! Wo erklungen? à Teatro La Fenice, Venedig, 6.3.1853 Das Fiasko der Uraufführung: „Ieri sera la Traviata fiasco. Di chi la colpa... Mia e dei cantanti?... Non so nulla. Il tempo deciderà. Parliamo d‘altro.“ Giuseppe Verdi an E. Muzio am 7. März 1853, in „Gazzetta musicale di Milano“, 13. März 1853 Einnahmen aus der Uraufführung im Teatro La Fenice: à Théâtre Lyrique de Paris, 27. Oktober 1864 Wie überliefert? „Alte Schönheit aus Zeiten der guten Seele Rossinis...“ „Pari bellezza, la bellezza antica, quella che si usava ai tempi della buon‘anima di Rossini....“ - Venezianische Kritik, nach Uraufführung Wie später überliefert? „Viva Verdi!“ = „Viva Vittorio Emanuele Re d‘Italia“ à Ein Komponistenname als patriotisches Symbol „Va pensiero...“ • aus: Nabucco à Emblem italienischer Unterdrückung unter Fremdherrschaft Hintergrund: • 1848 Revolutionen und Reformen erfolglos... • 1861 Nationales Königreich Italien Staatsbegräbnis für Giuseppe Verdi 1901 „Das Jahr 1789 auf dem Parnaß“ Von der Oper zum „Drama der Zukunft“ Wagners Kritik an Rossini und der Oper „Alle Welt jubelte Rossini für seine Melodien zu... Alles Organisieren der Form ließ er ganz beiseite; die einfachste, trockenste und übersichtlichste [...] erfüllte er dagegen mit dem ganzen folgerichtigen Inhalte [...] narkotisch-berauschende Melodie.“ Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“, in: Oper und Drama, Leipzig 1852. Wagners Gleichung: Oper = Restauration = Tod „Wie Metternich den Staat mit vollem Rechte nicht anders als unter der absoluten Monarchie begreifen konnte, so begriff Rossini mit nicht minderer Konsequenz die Oper nur unter der absoluten Melodie [...].“ Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“, in: Oper und Drama, Leipzig 1852. Wagners Drama der Zukunft „[...] aus der Prosa unserer gewöhnlichen Sprache den erhöhten Ausdruck [...] gewinnen, in welchem die dichterische Absicht allvermögend an das Gefühl sich kundgeben soll.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. „Die Melodie [...] ist für ihren entscheidenden rein musikalischen Ausdruck einzig aus dem von unten her wirkenden Grunde der Harmonie bedingt [...].“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. „Das Orchester ist [...] dieses die Einheit des Ausdruckes jederzeit ergänzende Sprachorgan.“ à „nie aus der Willkür des Musikers“, sondern „nur aus der Absicht des Dichters“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. „Diese melodischen Momente, an sich dazu geeignet, das Gefühl immer auf gleicher Höhe zu erhalten, werden uns durch das Orchester gewissermaßen zu Gefühlswegweisern durch den ganzen, vielgewundenen Bau des Dramas. [...] Zwischen diesen, als Ahnung und Erinnerung, steht die Versmelodie als getragene und tragende Individualität, wie sie sich aus einer Gefühlsumgebung [...] heraus bedingt.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. Einheitliche Form à Inhalt à Wahrheit „melodische Momente Hauptmotive der dramatischen Handlung einheitlichen künstlerischen Form über das ganze Drama als ein bindender Zusammenhang dem Gefühle sich kundgeben.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. Richard Wagner • • • • • • • • * 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig Musikdramatiker und Schriftsteller Thomasschule, Musikstudium in Leipzig 1843 Königlich-sächsischer Kapellmeister Dresdner Hofoper religionskritisch, philosophisch, politisch revolutionärà 1849 – 1858 Exil in Zürich 1870 2. Heirat: Cosima Bülow, geb. Liszt 1876 1. Bayreuther Festspiele mit UA des Ring Das Rheingold, 1851-1854 Richard Wagner Vorspiel und Erste Szene aus: Das Rheingold. Der Ring des Nibelungen. Ein Bühnenfestspiel, Vorabend, WWV 86a • Beginn: 135 Takte Klangaufbau in Es-Dur • außergewöhnliche Instrumentation und auskomponiertes Crescendo eines Akkordes in Es-Dur Leitmotivik à Rheingoldmotiv à Ring- und Fluchmotiv à Entsagungsmotiv Wo erklungen? UA: Festspielhaus Bayreuth Einweihung am 13. August 1876 mit Das Rheingold (WWV 86a), Vorabend von Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner Theater mit bester Akustik: • Zuschauerraum als ansteigendes Amphitheater (verdunkelt) • Versteckter Orchestergraben • Holz • Referenz an antike Theatertraditionen „Es ist bekannt, daß der unglückliche Ludwig XVI. beim Beginn der Unruhen von 1789 auf seine Äußerung, es sei eine Revolte, die Antwort hören mußte: nein, es ist eine Revolution. Den Leuten, die von Wagners Reformen der Musik sprechen, kann man dasselbe zurufen: Es ist das Jahr 1789 auf dem Parnaß!“ August Wilhelm Ambros: Culturhistorische Bilder aus dem Musikleben der Gegenwart. Leipzig 1860 Literarische Utopie Duell am Canal Grande. Verdi gegen Wagner „Von Takt zu Takt stieß der Mann sein Holz in das Element. [ Lange Note, kurze Note, Lang, kurz! [...] Heute tat ihm die Rhythmus nicht wohl. […] Die Unruhe in seinem Gemüt, die n schon seit Jahren ihn peinigte, steigerte sich in diesem Augenbl zur Beklemmung. […] Ich werde nicht mehr schreiben. […] Ich ein mäßiger Wagnerepigone. Ich nasche an seiner Harmonik. versuche seine erhabene Polyphonie in mein tölpelhaf Bussetanisch zu übersetzen!... Ah! Ah! Weg damit…“ Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a., 1924 „Wie scheußlich, wie verrucht ist diese Freude! Aber sie hat mehr Macht als alle Besinnung: ‘Wagner ist tot. Ich lebe! Der Kampf hat mich umgebracht. Aber auch er ist gefallen. Er ist mehr besiegt als ich, denn ich lebe und er ist tot!’“ Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a., 1924 Verdi oder Wagner? Nike Wagner „[...] Verdi ist Traditionalist, Wagner schafft einen neuen Operntyp. Belcanto-Linien hier, LeitmotivTeppich dort. Sanftmut, Toleranz und Popularität beim Italiener, Gewalttätigkeit, Brüche und Gemeindebildung beim Deutschen. Bei Wagners Tod hat Verdi sein berühmtes ‚Triste, triste, triste!‘ ausgerufen. Was hätte Wagner im umgekehrten Fall gesagt? [...]“ Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2.6 Quellen (Auswahl): 1. Noten-, Audio, Bild- und Videoquellen (Auswahl) • Ken Russel‘s Lisztomania (mit Roger Daltrey u.a.), Warner Bros/UK, 1975. • Theodor Hosemann: Titelkupfer, in: Ad. Brennglas: Berlin wie es ist und – trinkt, 14. Heft, Franz Liszt in Berlin, Leipzig 1842, wikimedia commons. • Richard Wagner: Rienzi. Große Tragische Oper in fünf Akten. René Kollo, Chor der Bayrischen Staatsoper, Bayrisches Staatsorchester, Leitung: Wolfgang Sawallisch, Live Aufnahme des Bayrischen Rundfunks, Münchner Opernfestspiele 6.7. 1983, Orfeo 1995. • Giuseppe Verdi: La Traviata. Ileana Cotrubas, Bayrisches Staatsorchester, Leitung: Carlos Kleiber, Deutsche Grammophon 1977. • Friedrich August Kannegießer: Dresden, Theaterplatz, Morettisches Theater: Inneres, Blick von der Bühne in den Zuschauerraum, 1841, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstichkabinett, http://www.bildindex.de/obj32020921.html. Teatro La Fenice. Innenraum, 1837, Lithographie von Giovanni Pividor, Venedig, Museo Correr. Giuseppe Verdi. Lithographie von Roberto Fucosi, vor 1850.wikimedia commons. Richard Wagner. Fotografie um 1850. www. Gettyimages. Com Christine Nilsson in der Rolle der Violetta, Lithographie von J.-B.-A. Lafosse, Bibliothèque Nationale de France, wikimedia commons. • • • • Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2.6 Quellen (Auswahl): 1. Noten-, Audio, Bild- und Videoquellen (Auswahl) • Walter Benjamin: „Paris, Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts“ und „Aufzeichnungen und Materialien“, in ders.: Das Passagen-Werk, Erster Teil. Gesammelte Schriften V, 1, hg.v. Rolf Tiedemann, Frankfurt 1991. • Giuseppe Verdi: La Traviata. Melodramma in tre atti. Libretto di Francesco Maria Piave, eduted by Fabrizio della Seta, Milano: Ricordi/ Chicago and London: The University of Chicago Press, 1997 ( The Works of Giuseppe Verdi, Series I: Operas, Vol. 19). • Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend. Vorabend: Das Rheingold WWV 86 A. Erste und zweite Szene, hg. v. Egon Voss, Mainz: Schott‘s Söhne, 1988 (Richard Wagner: Sämtliche Werke Band 10,1). • The Theatre Italien/Paris around 1840. Drawing by Egène Lami, engraving by C. Mottram. Kopie von aus: Archiv "Deutschland und die Welt“, Autor McLeod, ###. Xavier Girard: „Plan de la ville de Paris divisé en 12 arrondissements, en 48 quartiers indiquant tous les changemens faits et projetés“, handbemalte Gravur, John Hay Library Maps Collection. Publication: Paris: J. Goujoun et J. Andriveau, 1843, Wikimedia Commons. • • Statuen von Giuseppe Verdi und Richard Wagner, Biennale-Gärten in Venedig, Aufnahme von Sabine Meine • Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien 1924. • „Opernjahr 2013: Wagner oder Verdi? Zehn Intendanten beantworten die klassische Gewissensfrage der Oper: Wer ist größer – der Italiener oder der Deutsche?“. http://www.zeit.de/2012/40/Oper-Wagner-Verdi Richard Wagner: Das Rheingold. Wiener Philharmoniker, Ltg. Sir Georg Solti, London: Decca, 1984. • Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2.6 Quellen (Auswahl): 2. Literatur: • Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite bearbeitete Ausgabe, hg. v. Ludwig Finscher, Kassel/Stuttgart 1994-2008 (MGG 2). • • • • • • • • • • • Dtv-Atlas zur Musik. Tafeln und Texte. 2 Bände, München/Kassel, 10. Aufl. 1986. A History of Western Music, hg.v. P. Burkholder, D. J. Grout u. C. Palisca, New York 2010. Martin Gregor-Dellin und Michael von Soden: Hermes Handlexikon Richard Wagner. Leben, Werk, Wirkung, Düsseldorf 1983. Joachim Fest: Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches. Fest, Berlin 2002. Richard Wagner: Oper und Drama, hg. und kommentiert von Klaus Kropfinger. Stuttgart 1984. Funkkolleg Musikgeschichte. Europäische Musik vom 12. – 20. Jahrhundert. Studienbegleitbrief 8, Mainz 1988. Carl Dahlhaus: Vom Musikdrama zur Literaturoper. Aufsätze zur neueren Operngeschichte. Überarbeitete Neuausgabe. München/Mainz 1983. Carl Dahlhaus: Wagners Konzeption des musikalischen Dramas. München/Kassel 1990. Bernhard Shaw: Wagner-Brevier. Kommentar zum Ring des Nibelungen. Aus dem Englischen von Bruno Vondenhoff. Achte Auflage, Frankfurt/M. 1996. Robert Maschka: Wagners Ring – kurz und bündig, Dritte Auflage, Kassel, 2004. Kurt Pahlen: Richard Wagner – Das Rheingold. Der Ring des Nibelungen, München, 1982. Musik in ihren Lebenswelten Vorlesung Musikgeschichte 2 Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Sabine Meine, [email protected] Redaktion: Prof. Dr. Sabine Meine unter Mitarbeit von Raphael Köhler und Veronika Knodel „Die Vergnügungsindustrie verfeinert und vervielfacht die Spielarten des reaktiven Verhaltens der Massen. Sie rüstet sie damit für die Bearbeitung durch die Reklame zu. Die Verbindung dieser Industrie mit den Weltausstellungen ist also wohlbegründet.“ Walter Benjamin, Das Passagenwerk. Aufzeichnungen und Materialien [G 16, 7] Wie überliefert? à Lieblingsoper Adolf Hitlers „Der Ruhm jedenfalls, den er [Hitler] sein Leben lang gesucht hatte, war niemals nur der eines Staatsmanns gewesen, des Herrschers über einen autoritären Wohlfahrtsstaat oder der des großen Feldherrn. Für jede dieser Rollen war, neben vielem anderen, zuviel Wagner und zuviel Untergangsverlangen in ihm. Als Halbwüchsiger hatte er im Stehparkett der Linzer Oper erstmals einer Aufführung des ‚Rienzi‘ beigewohnt, der Geschichte eines spätmittelalterlichen Empörers und Volkstribunen, der am tragischen Unverständnis der Welt zerbricht und schließlich Tod und Selbstvernichtung wählt. ‚In jener Stunde begann es!‘ hat er noch Jahrzehnte später glücklich bekannt.“ - Der Historiker Joachim Fest, 2002 „Alle Welt jubelte Rossini für seine Melodien zu, ihm, der es ganz vortrefflich verstand, aus der Verwendung dieser Melodien eine besondere Kunst zu machen. Alles Organisieren der Form ließ er ganz beiseite; die einfachste, trockenste und übersichtlichste, die er nun vorfand, erfüllte er dagegen mit dem ganzen folgerichtigen Inhalte, dessen sie einzig von je bedurft hatte –: narkotisch-berauschende Melodie.“ Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“, Teil 1, Oper und Drama, Leipzig 1852. „Wie Metternich den Staat mit vollem Rechte nicht anders als unter der absoluten Monarchie begreifen konnte, so begriff Rossini mit nicht minderer Konsequenz die Oper nur unter der absoluten Melodie. Beide sagten: ‚Wollt ihr Staat und Oper, hier habt ihr Staat und Oper – andere gibt es nicht! Mit Rossini ist die eigentliche Geschichte der Oper zu Ende.“ Richard Wagner: „Die Oper und das Wesen der Musik“, Teil 1, Oper und Drama, Leipzig 1852. „Wir haben, wenn wir in einer verständlichen Beziehung zum Leben bleiben wollen, aus der Prosa unserer gewöhnlichen Sprache den erhöhten Ausdruck zu gewinnen, in welchem die dichterische Absicht allvermögend an das Gefühl sich kundgeben soll.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3, Oper und Drama, Leipzig 1852. „Die Melodie [...] ist für ihren entscheidenden rein musikalischen Ausdruck einzig aus dem von unten her wirkenden Grunde der Harmonie bedingt: wie sie sich selbst als horizontale Reihe kundgibt, hängt sie durch eine senkrechte Kette mit diesem Grunde zusammen.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft“, Teil 3, Oper und Drama, Leipzig 1852. „Diese melodischen Momente, an sich dazu geeignet, das Gefühl immer auf gleicher Höhe zu erhalten, werden uns durch das Orchester gewissermaßen zu Gefühlswegweisern durch den ganzen, vielgewundenen Bau des Dramas. An ihnen werden wir zu steten Mitwissern des tiefsten Geheimnisses der dichterischen Absicht, zu unmittelbaren Teilnehmern an dessen Verwirklichung. Zwischen diesen, als Ahnung und Erinnerung, steht die Versmelodie als getragene und tragende Individualität, wie sie sich aus einer Gefühlsumgebung [...] heraus bedingt.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. „Die wirklich unterscheidbaren, und ihren Inhalt vollkommen verwirklichenden, melodischen Momenten gewordenen Hauptmotive der dramatischen Handlung bilden sich in ihrer beziehungsvollen, stets wohlbedingten – dem Reime ähnlichen – Wiederkehr zu einer einheitlichen künstlerischen Form, die sich nicht nur über engere Teile des Dramas, sondern über das ganze Drama selbst als ein bindender Zusammenhang erstreckt, in welchem nicht nur diese melodischen Momente als gegenseitig sich verständlichend und somit einheitlich erscheinen, sondern auch die in ihnen verkörperten Gefühls- oder Erscheinungsmotive, als stärkste der Handlung und die schwächeren derselben in sich schließend, als sich gegenseitig bedingende, dem Wesen der Gattung nach einheitliche – dem Gefühle sich kundgeben. In diesem Zusammenhange ist die Verwirklichung der vollendeten einheitlichen Form erreicht und durch diese Kundgebung eines einheitlichen Inhaltes, somit dieser Inhalt selbst in Wahrheit erst ermöglicht.“ Richard Wagner: „Dichtkunst und Tonkunst im Drama der Zukunft, Teil 3“ in: Oper und Drama, Leipzig 1852. „Da drin? Sie feiern den Deutschen! […] Er will im Theater die Pausen abschaffen. Bedenkt nur, Signor Maestro! Man soll hintereinander drei oder vier oder fünf Akte hören, stillesitzen, nicht aufstehen, nicht reden, nicht einmal schneuzen darf man sich eine ganze opera ballo lang. Was ist das für Tollheit, frage ich?“ - Franz Werfel, Verdi. Roman der Oper „Von Takt zu Takt stieß der Mann sein Holz in das Element. […] Lange Note, kurze Note, Lang, kurz! Diese Bewegung war die Mutter aller Barkarolen. ›Venezianischer Sechsachteltakt‹, so hatt sie Verdi einmal in jener Zeit getauft, da er hier den Rigoletto einstudierte. Heute tat ihm dieser Rhythmus nicht wohl. […] Die Unruhe in seinem Gemüt, die nun schon seit Jahren ihn peinigte, steigerte sich in diesem Augenblick zur Beklemmung. […] Der Tak der Fahrt mit seiner leisen, erregenden Ungleichmäßigkeit trug die Gedanken: […] Ich werde nicht mehr schreiben. […] Die sublimen Herren von Europa würden dasselbe über mich schreiben, was sie seit dem ›Don Carlos‹ immer über mich schreiben: ich bin ein mäßiger Wagnerepigone. Ich nasche an seiner Harmonik. Ich versuche seine erhabene Polyphonie in mein tölpelhaftes Bussetanisch zu übersetzen!... Ah! Ah! Weg damit…“ Franz Werfel: Verdi. Roman der Oper, Berlin/Wien u.a., 1924 Verdi oder Wagner? Nike Wagner „Wie bitte? Tannhäuser oder Troubadour? Meistersinger oder Falstaff? Tristan oder Otello? Rienzi oder Aida? ‚Umtata‘ oder die unendliche Melodie? Verdi hatte Erfolg in Paris, Wagner schlich dort als armer Hund herum. Verdi griff zu historischen Stoffen, Wagner zu Epen und Mythen. Verdi beschäftigte Librettisten, Wagner schrieb alles selbst. Hier der Katholik und Humanist und die Liebesleidenschaft, dort Meistersinger-Protestantismus und Parsifal-Religion, Machtgier und Geschlechterprobleme. Toscanini hat es auf den Punkt gebracht: ‚Wären Tristan und Isolde italienischer Herkunft, hätten sie am Ende des zweiten Aktes sieben Kinder. Aber sie sind Deutsche, also diskutieren sie noch.‘ Verdi ist Traditionalist, Wagner schafft einen neuen Operntyp. Belcanto-Linien hier, Leitmotiv-Teppich dort. Sanftmut, Toleranz und Popularität beim Italiener, Gewalttätigkeit, Brüche und Gemeindebildung beim Deutschen. Bei Wagners Tod hat Verdi sein berühmtes ‚Triste, triste, triste!‘ ausgerufen. Was hätte Wagner im umgekehrten Fall gesagt? Dennoch: In der Trieb- und Seelenlandschaft, die er aufreißt, ist Wagner mir näher – in all seiner Ferne.“ http://www.zeit.de/2012/40/Oper-Wagner-Verdi