Position der Industrie in Frankreich stabilisiert sich 22.11.2016 Halbierung am BIP-Anteil seit 1970 / Mitte 2016 mehr neue Fabriken als Schließungen / Von Marcus Knupp Paris (GTAI) - Seit 1970 hat sich der Anteil der produzierenden Industrie an der Bruttowertschöpfung Frankreichs halbiert, wie eine Untersuchung des nationalen Statistikinstituts Insee zeigt. Zwar hat sich die Wertschöpfung auch in der Industrie deutlich erhöht, der Dienstleistungssektor konnte jedoch wesentlich mehr zulegen. Ursa­ chen für den Bedeutungsverlust der Industrie sind die Verlagerungen von Tätigkeiten an externe Dienstleister, die internationale Konkurrenz und ein Wandel der Nachfrage. Zu laufenden Preisen hat sich die Wertschöpfung der produzierenden Industrie in Frankreich von 1970 bis 2014 um das 8,6-fache auf 213,8 Mrd. Euro erhöht. Die gesamte Wirtschaftsleistung stieg indessen um den Faktor 17,2. Der Anteil der Industrie sank in der Folge stetig. Besonders ausgeprägt war der Rückgang in den 2000er Jahren, während er sich seit 2009 bei etwas über 11% stabilisiert hat. Anteil der produzierenden Industrie an der Bruttowertschöpfung Frankreichs Jahr 1970 1979 1989 2000 2007 2014 Anteil (%) 22,3 20,8 17,7 15,7 12,7 11,2 Quelle: Insee Produktivität steigt schneller Da die Produktivitätsfortschritte andererseits größer waren und sind als im Durchschnitt aller Wirtschaftssekto­ ren, nimmt die Zahl der Industriebeschäftigten aber weiter ab. Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung Frank­ reichs sank zwischen 1970 und 2014 von 23% auf nur noch rund 10%. Insbesondere die exportorientierten und damit auf dem Weltmarkt exponierten Unternehmen haben die Zahl ihrer Mitarbeiter in den letzten 15 Jahren verringert, wie eine Untersuchung des Think-Tanks La Fabrique de l'Industrie zeigt. In den binnenmarktorien­ tierten Bereichen der Wirtschaft hat die Beschäftigtenzahl dagegen zugenommen. Die relativ schneller steigen­ de Produktivität in der Industrie ist auch eine Ursache dafür, dass sich die Preise für Industriewaren weniger er­ höht haben als im gesamtwirtschaftlichen Kontext und damit wesentlich zur langsameren Zunahme der sekto­ ralen Wertschöpfung beigetragen haben. 1 www.gtai.de POSITION DER INDUSTRIE IN FRANKREICH STABILISIERT SICH Veränderung der Bruttowertschöpfung in Frankreich (durchschnittliche jährliche Veränderung in %) Periode 1970-1979 1979-1989 1989-2000 2000-2007 2007-2014 1970-2014 Gesamtwirtschaft 13,4 9,5 3,6 3,9 1,3 6,6 .Menge 3,8 2,3 2,2 1,9 0,4 2,2 .Preis 9,6 7,2 1,4 2,0 0,9 4,4 Produzierende Industrie 12,5 7,9 2,6 0,8 -0,5 5,0 .Menge 3,5 1,1 2,6 1,8 -0,5 1,8 .Preis 9,0 6,8 0,0 -1,0 0,0 3,2 Quelle: Insee Verlagerung zu Dienstleistungen Die kommerziellen Dienstleistungen haben ihr Gewicht in der gesamten Wertschöpfung zwischen 1970 und 2014 von 31,7 auf 45,4% ausgeweitet - nicht enthalten sind darin öffentliche Dienstleistungen und der Handel, dessen Anteil in der selben Periode leicht von 12,5 auf 10,3% sank. Hierin spiegelt sich einer der wesentlichen Faktoren für die Verschiebung zwischen den Sektoren. Ein großer Teil von einst unternehmensintern bereitgestellten Dienstleistungen wurde in den vergangenen Jahrzehnten an externe Anbieter ausgelagert und damit nicht der Industrie sondern dem tertiären Sektor zugerechnet. Die Verlagerung lässt sich am Wachstum der gesamten in­ ländischen Nachfrage nach Industriewaren und Dienstleistungen ablesen: erstere stieg im betrachteten Zeit­ raum pro Jahr zu laufenden Preisen um 5,8, letztere um 7,6%. Veränderung der inländischen Nachfrage nach Industrieprodukten und kommerziellen Dienstleistungen in Frankreich (durchschnittliche jährliche Veränderung in %) Periode 1970-1979 1979-1989 1989-2000 2000-2007 2007-2014 1970-2014 Kommerzielle Dienstleistungen 14,3 11,4 4,4 4,8 1,5 7,6 .Menge 4,3 3,2 2,8 2,6 1,0 2,9 .Preis 10,0 8,2 1,6 2,2 0,5 4,7 Industrieprodukte 12,5 8,8 2,9 2,9 0,5 5,8 .Menge 3,7 2,4 2,1 2,2 -0,1 2,2 .Preis 8,8 6,4 0,8 0,7 0,6 3,6 Quelle: Insee Effekte der Globalisierung Ein weiterer wichtiger Faktor ist der verstärkte Bezug von industriell hergestellten Waren aus dem Ausland und damit eine weniger schnell wachsende Nachfrage nach Industrieprodukten aus französischer Produktion. Ur­ sächlich hierfür ist die Zunahme des internationalen Warenaustausches durch den Aufstieg neuer Produktions­ standorte. Hinzu kommt die Verlagerung der Produktion französischer Unternehmen an ausländische Standorte und die Belieferung des Inlandsmarktes von dort aus sowie der vermehrte Bezug von Vorprodukten im Zuge der 2 www.gtai.de POSITION DER INDUSTRIE IN FRANKREICH STABILISIERT SICH globalen Arbeitsteilung. Der Import von Industriewaren hat sich daher in der gesamten Periode 1970 bis 2014 schneller erhöht als die inländische Industrieproduktion. Der gleichzeitig steigende Export konnte den gesamt­ wirtschaftlichen Effekt etwas kompensieren. Veränderung der inländischen Industrieproduktion und des Außenhandels Frankreichs mit Industrieprodukten (durchschnittliche jährliche Veränderung in %) Periode 1970-1079 1979-1989 1989-2000 2000-2007 2007-2014 1970-2014 Industrielle Produktion 12,6 7,3 3,1 1,7 -0,5 5,1 .Menge 3,4 1,5 2,8 0,6 -1,5 1,6 .Preis 9,2 5,8 0,3 1,1 1,0 3,5 Importe 16,2 12,1 5,8 4,1 1,4 8,2 .Menge 9,3 6,6 6,5 4,7 1,3 5,9 .Preis 6,9 5,5 -0,8 -0,6 0,1 2,3 Exporte 16,9 9,7 6,7 3,0 1,3 7,9 .Menge 8,6 4,0 7,3 3,1 0,8 5,1 .Preis 8,3 5,7 -0,6 -0,1 0,5 2,8 Quelle: Insee Trendwende bei Betriebsschließungen Zwar hat sich der Anteil der produzierenden Industrie an der gesamten Wertschöpfung Frankreichs in den letz­ ten fünf bis sechs Jahren stabilisiert, die Zahl der geschlossenen Fabriken lag jedoch mit einer Ausnahme in je­ dem Quartal seit 2009 über jener der neu eröffneten Betriebe. Nach im Oktober 2016 veröffentlichten Zahlen des Institutes Trendeo hat sich das Bild im zweiten und dritten Quartal des laufenden Jahres umgedreht. Aller­ dings sind die Gewinne unter dem Strich absolut noch sehr klein: Im Zeitraum April bis Juni 2016 übertraf die Zahl der Neugründungen jene der Schließungen um fünf, im dritten Quartal um 2. Ebenfalls im Oktober 2016 ga­ ben die Unternehmensleiter der produzierenden Industrie in der Quartalsbefragung von Insee zu den Investitio­ nen an, diese 2017 auf dem gleichen Niveau wie 2016 halten zu wollen. Öffnung und Schließung von Fabriken in Frankreich Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 *) Öffnung 160 226 156 177 126 172 158 115 Schließung 380 261 189 266 266 219 193 121 *) Januar bis September Quelle: Trendeo (S.K.) 3 www.gtai.de POSITION DER INDUSTRIE IN FRANKREICH STABILISIERT SICH Karl-Heinz Dahm | © GTAI KONTAKT Karl-Heinz Dahm +49 (0)228 24 993-274 Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. 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