gade spohr mendelssohn - Frankfurter Orchester Gesellschaft

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 Gade
„Nachklänge von Ossian“ a-moll op. 1
spohr
Quartett-Konzert a-moll op. 131
Mendelssohn
3. Sinfonie „Die Schottische“ a-moll op. 56
Frankfurter Orchester Gesellschaft
Hába-Quartett
Stefan Schmitt, Dirigent
Samstag, 29. November 2014, 18:00 Uhr
Dr. Hoch‘s Konservatorium, Clara Schumann Saal, Frankfurt
Lions Club Frankfurt Hessischer Löwe: Catering in der Pause
zugunsten gemeinnütziger Projekte in Frankfurt
Kontakt:
Herausgeber: Redaktion und Text: Gestaltung und Satz: Druck: 2
Stefan Schmitt
Telefon: 06196 950906
www.frankfurter-orchester-gesellschaft.de
Frankfurter Orchester Gesellschaft
Paul Landsiedel
Ursula Peter
Druckerei Adelmann, Frankfurt
Niels Wilhelm Gade „Efterklang af Ossian“ a-moll op. 1
(1817 – 1890)
„Nachklänge von Ossian“ (UA 1841)
Quartett-Konzert a-moll op. 131 (1845) Louis Spohr (1784 – 1859)
Allegro moderato
Adagio
Rondo: Allegretto
Hába-Quartett:
Sha Katsouris, Violine
Hovhannes Mokatsian, Violine
Peter Zelienka, Viola
Arnold Ilg, Violoncello
PAUSE
Felix Mendelssohn
Bartholdy
(1809 – 1847)
3. Sinfonie „Die Schottische“ a-moll op. 56
(UA 1842) Andante con moto – Allegro un poco agitato
Vivace non troppo
Adagio
Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai
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RAFF
Ouvertüre, Konzert, Sinfonie – in dieser klassischen Reihenfolge
hören Sie heute Abend drei Kompositionen, die durch auffällige
Gemeinsamkeiten – fast zur gleichen Zeit und in der gleichen
Tonart a-moll geschrieben – merkwürdig zusammenrücken. Und doch gibt es wenig Ähnlichkeiten, jedes Stück zeichnet sich
durch eine individuelle Handschrift aus.
Die Konzertouvertüre „Efterklang af Ossian“ von Niels Gade
bringt, wie Robert Schumann begeistert in der Neuen Zeitschrift
für Musik schreibt, „zum ersten Mal einen entschieden ausgeprägten nordischen Charakter” zum Ausdruck, und zwar
„in einer ganz originellen Melodienweise, ... wie sie bisher in den
höheren Gattungen der Instrumentalmusik in so volkstümlicher
Art noch nicht dagewesen.”
Mit dem Quartett-Konzert, also einem Konzert für Streichquartett und Orchester, erfand Louis Spohr, der immer schon
mit neuen Ensemble- und Klangkombinationen überraschte,
„eine Kompositionsgattung, die noch nicht existierte.“
Ist die „Schottische“ ein musikalisches Genrebild mit HighlandNebeln, Whiskydunst und Dudelsack-Folklore? Felix Mendelssohn
hat sie schlicht als „Symphonie für das ganze Orchester“
bezeichnet.
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gade
Niels Wilhelm Gade (1817 – 1890)
„Aus seinem äußeren Leben ist nur wenig zu berichten.
Zu Copenhagen im J. 1817 geboren, Sohn eines dortigen
Instrumentenmachers, mag er seine ersten Jahre mehr unter
Instrumenten, als unter Menschen hingeträumt haben. Seinen
ersten Unterricht in der Musik erhielt er von einem jener
gewöhnlichen Lehrer, die überall nur auf den mechanischen
Fleiß, nicht auf das Talent sehen, und es soll der Mentor mit den
Fortschritten seines Zöglings nicht sonderlich zufrieden gewesen
sein. Guitarre, Violine und Clavier lernte er von jedem etwas,
ohne sich außerordentlich hervorzuthun … Später kam er in die
königliche Kapelle zu Copenhagen als Violinist, und hier hatte er
Gelegenheit, den Instrumenten alle die Geheimnisse abzulauschen,
von denen er sie uns manchmal in seinen Instrumentalstücken
erzählen läßt. Diese practische Schule, manchen versagt, von
Vielen unverstanden benutzt, erzog ihn wohl hauptsächlich zu
jener Meisterschaft in der Instrumentation, die ihm unbestritten
zugestanden werden muß … So erhielt er denn, wie viele andere
Talente unter seinen Landsleuten, ein wahrhaft königliches
Stipendium zu einer Reise in’s Ausland, und er machte sich für’s
erste nach Leipzig auf, das ihn zuerst in das größere musikalische
Publicum eingeführt hatte.” So weit Robert Schumann, der –
ähnlich wie bei Brahms – sehr früh das außerordentliche Talent
des jungen Dänen erkannt hatte und ihn zusammen mit Felix
Mendelssohn Bartholdy als Lehrer in das 1843 neu eröffnete
Leipziger Konservatorium aufnahm.
1839 hatte der Musikforeningen (Musikverein) in Kopenhagen
einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem eine Konzertouvertüre
einzureichen war. Unter den zehn bis Ende 1840 präsentierten
Arbeiten gewann Gade mit seinem Opus 1 „Efterklang af Ossian“
sozusagen aus dem Stand den 1. Preis.
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In der Jury – hochkarätig besetzt – saßen auch Spohr und
Mendelssohn, die der „nordische Ton“ und damit nicht nur die
im Titel gezeigte thematische Idee beeindruckte. Als ein Jahr
später in Kopenhagen die Uraufführung stattfand, war das
Publikum begeistert. „Übermäßige Sekunden, lydische Quarten,
Bordunquinten, dorische Sexten, mixolydische Septimen sowie
Pentatonik, Ostinatotechniken und axiale Haltetöne“, dieses
neuartige musikalische Vokabular in einer sehr freien Verarbeitung
einer spätmittelalterlichen dänischen Volksweise wurde – auch
ohne musikwissenschaftliche Analyse – sofort verstanden, und in kurzer Zeit war das Stück in ganz Europa bekannt. Gade gelingt mit diesem Opus 1 eine grandiose Konstruktion,
klangfarbenreich, effektvoll instrumentiert, und er setzt selbstbewusst ein Zitat von Ludwig Uhland als Motto über sein Stück:
„Formel hält uns nicht gebunden, unsere Kunst heißt Poesie.“ Diese Poesie, wenn auch noch kein literarisches Programm wie
später in den Sinfonischen Dichtungen, hat ihre Quelle in der
keltischen Mythologie, im Epos über den altgälischen Barden
Ossian – das zwar schon 1826 als Fälschung entlarvt wurde, aber
noch lange Zeit eine fast psychedelische Faszination ausstrahlen
konnte.
Gade verbringt in Leipzig von seiner Ankunft 1843 an fünf
glückliche Jahre: Mendelssohn leitet die Uraufführung seiner
1. Sinfonie, die genauso wie die „Ossian“-Ouvertüre beim
Publikum sensationellen Erfolg hat. Gade wird Dirigent des
Leipziger Gewandhausorchesters, komponiert und erregt mit
seinen ersten drei Sinfonien die einhellige Bewunderung der
Musikwelt – nun zählt er zur Spitze der musikalischen Avantgarde
in Europa. Beim Ausbruch des deutsch-dänischen Krieges (1848)
muss er von seinem Leipziger Posten zurücktreten. Er kehrt nach Dänemark zurück, wird Direktor des Kopenhagener Musikvereins, später Mitbegründer und Direktor des heutigen
Kongelige Danske Musikkonservatoriums.
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Obwohl Gade später nicht mehr an seine ersten kompositorischen
Erfolge anknüpfen konnte – man wirft ihm vor, seinen „nordischen
Ton“ zu verleugnen und „mendelssohnisiert“ zu sein –, beschreibt
ihn Robert Schumann noch 1853 in seinem Aufsatz „Neue
Bahnen“ als einen Wegbereiter und Vorboten einer musikalischen
Entwicklung, die schließlich in das sinfonische Schaffen von
Johannes Brahms mündete. Gade starb 1890, ein „musikalischer
Organisator“, hoch geachtet und geschätzt. Die meisten seiner
Kompositionen, darunter sieben Opern, acht Sinfonien, ein
Violinkonzert, zahlreiche Chorwerke, Ballette, Ouvertüren sowie
Kammermusik und Klavierwerke, sind heutzutage weitgehend
vergessen.
Louis Spohr (1784 – 1859)
„Gewiß wäre das gänzliche Verschwinden Spohr´scher Musik
aus den Concerten als ein Verlust und ein Unrecht zu beklagen ...
Spohr ist nicht nur ein tüchtiger Meister, sondern eine wahrhaft
liebenswürdige und eigenthümliche Individualität, freilich auch
eine einseitige, sich gern wiederholende, weßhalb denn auch am
besten genießt, wer sie mäßig genießt. Kaum zwei Decennien
ist´s her, daß man vor einem allzu eifrigen Spohr-Cultus warnen
mußte, und jetzt bedarf es schon einiger Anstrengung, um Werke
des Meisters vor dem Schicksale gänzlichen Verschallens zu
retten.“ Diese treffende Situationsbeschreibung – Louis Spohr ist
heute tatsächlich weitgehend aus den Konzertprogrammen und
CD-Produktionen verschwunden – stammt aus einer Rezension,
die Eduard Hanslick, einer der einflussreichsten Musikkritiker
seiner Zeit, vor 150 Jahren verfasst hat. Also auf der einen Seite:
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spohr
„Wir haben Spohr immer für den größten und originellsten
Komponisten gehalten, der seit Beethoven aufgetreten ist. Weniger wild und exzentrisch als Weber, solider und einfallsreicher als Mendelssohn, ist er in allen Stilen der Musik
bedeutend“, und auf der anderen Seite: „Mangel an Energie und Spontaneität ... monoton und etwas ermüdend in der
Wirkung“ – wer war Louis Spohr?
Spohr zeigte schon früh musikalisches Talent und wurde als 12-Jähriger nach Braunschweig zum Schul- und Musikunterricht
geschickt, auf dem Lehrplan standen Violinunterricht und kurze
Zeit Komposition, dazu gehörten auch Harmonielehre und
Kontrapunkt. Bereits mit 15 Jahren verpflichtete ihn Herzog
Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig als zweiten Geiger
und „Hofmusicus“ in die Hofcapelle und versprach ihm weitere
Ausbildung bei einem großen Meister. Die Wahl fiel auf den Geiger
Franz Eck, der im Begriff war, eine Studien- und Konzertreise
nach Russland anzutreten. Spohr begleitete ihn und kehrte erst
im Juli 1803 nach Braunschweig zurück. Hier entstanden seine
ersten eigenständigen Instrumentalkompositionen. Im Dezember
1804 debütierte er mit zwei spektakulären Konzerten im Leipziger
Gewandhaus, und 1805 erhielt er die Konzertmeisterstelle in
Gotha. 1813 folgte er einem Ruf als Kapellmeister des Theaters
an der Wien. Dort traf er mehrfach mit Beethoven zusammen, in
seiner Autobiographie sind diese denkwürdigen Begegnungen
ausführlich festgehalten. Nach zwei Jahren beendete er das
Engagement und ging auf Reisen in die Schweiz, nach Italien und
Holland und traf zum ersten Mal mit Niccolò Paganini zusammen.
Im Winter 1817 übernahm er die Kapellmeisterstelle am Theater in
Frankfurt am Main und die Leitung des Orchesters der Frankfurter
Museumsgesellschaft. Hier brachte er 1818 seine Oper „Faust“,
die erste romantische Oper in dieser Zeit, und 1819 „Zemire und
Azor“ zur Aufführung, die beide mit enthusiastischem Beifall
aufgenommen wurden.
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spohr
Im folgenden Jahr wurde er – durch Carl Maria von Weber
angeregt – zum Hofkapellmeister nach Kassel berufen, trat im Januar 1822 sein neues Amt an und machte in den folgenden
35 Jahren diese Stadt durch seine ungeheure Aktivität zum
zeitweiligen Zentrum der deutschen Musikkultur: Er war als Violinist, Komponist, Dirigent und Pädagoge eine der einfluss-
reichsten Musikerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Europa.
Spohr gehört mit John Field, Bernhard Romberg, George Onslow,
Ferdinand Ries und Niccolò Paganini, der ihn respektvoll den
„vorzüglichsten Sänger” auf seinem Instrument nannte, zur
Virtuosengeneration seiner Zeit. Zwischen 1810 und 1840 schreibt
er mit erstaunlicher Vielseitigkeit Opern, Oratorien, Sinfonien,
Konzerte und Kammermusiken und ist damit einer der richtungweisenden Komponisten, die, von ihrem ästhetischen Ideal Mozart ausgehend, zu einem neuen Stil gelangten: eine Synthese
von später Wiener Klassik und Romantik. Mit seiner kühnen, weit
in die Zukunft weisenden Harmonik wird er zu einem wichtigen
Initiator romantischer Musikentwicklung. „The Musical World“,
ein Journal, das jede Woche aus London aktuelle musikalische
Ereignisse kommentierte, schreibt 1854: „Man war kurz davor,
Mozart und Beethoven abzusetzen und Spohr an ihrer Stelle
herrschen zu lassen. Kein Komponist wurde mehr vergöttert.“
Als Dirigent trug Spohr wesentlich zur Entwicklung moderner
Orchesterkultur bei. So erregte bereits 1810 seine neue Dirigiertechnik „mit einer Papierrolle, ohne alles Geräusch“ Aufsehen, und bei einem denkwürdigen Konzert in London 1820 benutzte
er als einer der ersten Dirigenten überhaupt einen hölzernen
Taktstock – zunächst zum Missfallen der Musiker: „Der Stock
unterstreicht ja noch einmal die Rolle eines Dompteurs. Welcher
Musiker hat schon gern einen Dompteur vor sich? Aber Spohr war ein sehr kollegialer Orchesterleiter.“ 9
spohr
Spohr hat wesentlich zur Institutionalisierung der Musikausbildung und zur Professionalisierung des Berufsstands des
Orchestermusikers sowie des gesamten Orchesterbetriebs
beigetragen. Mit pädagogischem Geschick und Sensibilität –
aus allen Teilen Europas strömten ihm Schüler zu – hat er eine Vielzahl von bedeutenden Violinisten ausgebildet und mit
seiner 1831 erschienenen „Violin-Schule“ ein Grundlagenwerk
geschaffen, das bis heute im Unterricht benutzt wird.
Im Jahr 1845, also in einer Zeit, in der Spohr seinen schöpferischen
Zenit bereits überschritten hatte, schreibt er das Quartett-Konzert
op. 131, eine Kuriosität im gängigen Konzertbetrieb. Ähnlich wie
bei Beethovens Tripelkonzert stellt sich auch hier die Frage: Ist dies wirklich ein klassisches Konzert für vier gleichberechtigte
Solisten oder eine mit Hilfe des Orchesters sinfonisch vergrößerte
Kammermusik?
Der Kopfsatz, Allegro moderato, beginnt mit dreimaligem Anschlagen des Grundtones, ehe das Violoncello des Solo-Quartetts
das elegische Hauptthema einführt. Im weiteren Verlauf wird
dieses Thema vor allem durch die Solisten gestaltet, ohne
Dominanz der 1. Violine, denn die hohen spieltechnischen Anforderungen sind gleichwertig verteilt. Das Orchester beschränkt
sich meist auf begleitende Funktion, selten kommt es zu einem
wirklichen Dialog zwischen beiden Gruppen. Der Satz schließt mit einer an Schubert erinnernden Modulation in Dur. Im Adagio werden drei Klanggruppen miteinander verzahnt:
Streichquartett – Holzbläser – Orchesterstreicher. Die meditative
Grundstimmung wird durch eine reizvolle, kontrastierende
Mehrchörigkeit belebt, eine Technik, die Spohr schon in den früher
geschriebenen Doppelstreichquartetten und a-capella-Vokalwerken
verwendet hat. Das nur 63 Takte lange Adagio geht ohne Pause
in den dritten Satz, Rondo Allegretto, über. Der tänzerisch
temperamentvolle Schlusssatz verrät im Seitenthema einen 10
Mendelssohn Bartholdy
Hauch nostalgischer Wehmut und rückt damit das Werk
atmosphärisch in die Nähe des späten Schubert. Am Ende des
Konzerts überrascht Spohr mit einer originellen Schlusspointe.
Freuen Sie sich auf ein Stück, in dem ein großer Reichtum an
Melodien in klassischer Formgebung und romantischer Tonsprache
gekonnt verarbeitet ist.
Felix Mendelssohn Bartholdy
(1809 – 1847)
„Nach Beethoven´s Tode fand sich Keiner, der seine Hinter-
lassenschaft hätte antreten und seine Rolle fortsetzen können (denn das größte damalige Talent, Franz Schubert, folgte ihm bald). Aber sein Beispiel wirkte mächtig erregend, namentlich auf die jungen Componisten, deren Idol er wurde ... Der damalige
berühmteste Componist, Spohr, war in seiner abgeschlossenen
Eigenthümlichkeit von allen diesen Erscheinungen unberührt
geblieben; aber Mendelssohn Bartholdy bemächtigte sich der
Bewegung und Richtung der Gemüther, und stellte sich mit seinem
scharfsinnigen Talente an die Spitze der neuern Bestrebungen“
(aus: Neue Zeitschrift für Musik 1842).
Felix Mendelssohn Bartholdy hat mit der Uraufführung der
„Schottischen“ am 3. März 1842 den Höhepunkt seines sinfonischen Schaffens erreicht und – erstaunlich genug – als letzter der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts erst 2009 zu seinem
200sten Geburtstag das erste vollständige Werkverzeichnis
bekommen: Aus mehr als 2500 handschriftlichen Quellen sind etwa 750 Kompositionen zusammengetragen.
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Mendelssohn Bartholdy
Felix, der nach erstem Klavierunterricht bei der Mutter gemeinsam
mit seiner drei Jahre älteren Schwester Fanny durch Carl Friedrich
Zelter in den Bach´schen Kontrapunkt eingeführt wird und an
ersten Kompositionen lernt, überrascht – gerade 17 Jahre alt – mit einem Geniestreich, der Ouvertüre zum „Sommernachtstraum“.
Martin Geck schreibt in seiner Biographie Felix Mendelssohn
Bartholdy (2009): „Man kann nur fassungslos bestaunen, mit
welcher Souveränität der Jüngling innerhalb weniger Jahre
Instrumentalkompositionen produziert, die man als Bildungsmusik
im besten Sinne des Wortes bezeichnen kann.“ Vorangegangen
waren nämlich seine bereits zwischen 1821 und 1823 entstandenen
zwölf Streichersinfonien, die zwar deutlich von Haydn und Mozart beeinflusst sind, aber doch schon einen unverwechselbaren,
eigenen Ton haben. Wenn die Chronologie dieser Sinfonien noch leicht überschaubar ist, so ergeben sich bei der Einordnung
der folgenden doch echte Probleme. Die „Schottische“ wird zwar als Dritte gezählt, ist jedoch tatsächlich, denn die Partitur
wurde erst im Januar 1842 abgeschlossen, die letzte Sinfonie. Die „Italienische“ – bereits 1833 fertiggestellt – rangiert auf Platz 4,
und die von ihm selbst als unglücklich empfundene „ReformationsSinfonie“ (seine eigentlich dritte von 1829/30) wurde, erst postum
veröffentlicht, als fünfte gezählt. Die zweite, eigentlich eine
Sinfonie-Kantate mit dem Titel „Lobgesang“, entstand 1840, und
die 1. Sinfonie von 1824 zählt für Mendelssohn überhaupt nicht,
weil ihm „das Stück wirklich kindisch vorkommt“. Aus heutiger
Sicht ist also die „Schottische“ die 17. Sinfonie.
Seine erste Bildungsreise startete Mendelssohn im April 1829
nach London, von wo aus es Ende Juli nach Schottland weiterging.
Wir können heute sehr genau die Route nachvollziehen, denn
Mendelssohn dokumentierte alles, was er erlebte, detailliert in
Aufzeichnungen und Briefen. Mehr als 6000 hat er in seinem Leben
geschrieben, dazu eine Vielzahl an Zeichnungen und Aquarellen
in geradezu fotorealistischer Qualität verfertigt.
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Mendelssohn Bartholdy
In Edinburgh notierte Mendelssohn erste Inspirationen zur
„Schottischen“ Sinfonie: „In der tiefen Dämmerung gingen wir
heut‘ nach dem Palaste (Holyrood), wo Königin Maria gelebt
und geliebt hat; es ist da ein kleines Zimmer zu sehen, mit einer
Wendeltreppe an der Thür; da stiegen sie hinauf und fanden den
Rizzio (vermeintlicher Liebhaber Marias) im kleinen Zimmer,
zogen ihn heraus, und drei Stuben davon ist eine finstere Ecke, wo sie ihn ermordet haben. Der Kapelle daneben fehlt das Dach,
Gras und Epheu wachsen viel darin, und am zerbrochenen Altar
wurde Maria zur Königin von Schottland gekrönt. Es ist da alles zerbrochen, morsch und der heitere Himmel scheint hinein.
Ich glaube, ich habe da heut‘ den Anfang meiner Schottischen
Symphonie gefunden.“ Eine Überfahrt zur Insel Staffa mit der
schon damals als Touristenattraktion berühmten Fingalshöhle
gehörte auch ins Programm und wurde spontan in Noten
festgehalten: der Anfang der „Hebriden“-Ouvertüre. Im nächsten
Jahr standen die kulturellen Zentren Österreichs und Italiens
auf dem Reise-Programm. In Rom beendete Mendelssohn die
Partitur der „Hebriden“-Ouvertüre, stellte aber zugunsten der
„Italienischen“ Sinfonie die Arbeit an der „Schottischen“ zurück.
Nach längeren Aufenthalten in der Schweiz, in Frankreich und in London trat er dann im Oktober 1833 seine erste feste Anstellung als Musikdirektor in Düsseldorf an. In zwei Jahren
harter Arbeit mit dem Städtischen Instrumentalverein, einem
Ensemble aus Berufsmusikern und Dilettanten, entwickelt er die Idee des Sinfoniekonzerts: ein Abonnementkonzert mit
gehobenem Anspruch.
1835 kommen interessante Angebote aus Leipzig: eine Professur
an der Universität, Mitarbeit an der „Allgemeinen Musikalischen
Zeitung“ oder die Leitung des Gewandhaus-Orchesters. Diese Entscheidung ist leicht, und nach dem gelungenen Einstandskonzert –
„es flogen ihm hundert Herzen zu im ersten Augenblick“ – 13
Mendelssohn Bartholdy
notiert er glücklich: „Das Orchester ist sehr gut, tüchtig
musikalisch, und ich denke, in einem halben Jahre soll es noch
besser werden; denn mit welcher Liebe und Aufmerksamkeit
diese Leute meine Bemerkungen aufnehmen und augenblicklich
befolgen, das war mir ordentlich rührend.“ Der junge Komponist
wurde rasch zum Mittelpunkt des Leipziger Musiklebens. Alle waren fasziniert von seiner Suggestivkraft, seiner Präsenz,
seiner weltmännischen Eleganz. 1836, er war noch kein Jahr in der Stadt, erhielt er die Ehrendoktorwürde der Alma Mater
Lipsiensis.
Mendelssohn fühlte sich in Leipzig wohl. „Daß ich eine große
Vorliebe für Leipzig mehr als je empfinde, kommt daher, weil da wirkliche Musik gemacht wird, Musik, die klingt.“ Er hatte im Gewandhaus die Arbeitsteilung zwischen Musikdirektor und Konzertmeister aufgehoben; bisher hatte nämlich der Kapellmeister nur Vokalwerke dirigiert, und Instrumentalwerke wurden vom Konzertmeister von seinem Pult aus geleitet.
Nun stand vor dem Orchester ein interpretierender Künstler,
übrigens auch mit Taktstock.
Er förderte Zeitgenossen wie Liszt und Berlioz, hob Schumanns
Sinfonien aus der Taufe, dirigierte Werke von Louis Spohr und
Heinrich Marschner, des Dänen Niels Wilhelm Gade und des
Engländers William Sterndale Bennett. Gleichzeitig veranstaltete
er „Historische Konzerte“ mit Werken von Händel, Gluck und
Haydn, von Mozart und Salieri – und Johann Sebastian Bach. Am 9. November 1835 erklang zum ersten Mal nach langer Zeit ein Werk Bachs im Konzertsaal: Die 16-jährige Clara Wieck
spielte gemeinsam mit Mendelssohn und Louis Rakemann im
Gewandhaus das Konzert für drei Klaviere und Orchester d-moll.
Der Höhepunkt aber war die Aufführung der Matthäus-Passion,
die am 4. April 1841 erstmals nach Bachs Tod wieder in der
Leipziger Thomaskirche erklang.
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Mendelssohn Bartholdy
Obwohl als Komponist, Virtuose, Dirigent, Lehrer, Organisator
und Reformer hoch geachtet, beurteilte Mendelssohn seine eigenen
Werke immer äußerst kritisch. Er überwachte akribisch alle Details
bis zum Druck der Noten, und erst wenn er mit dem Ergebnis
einverstanden war, durfte es veröffentlicht werden.
„Wie schön ist das Hauptthema des ersten Satzes! Eine Klarinette
begleitet in der tieferen Oktave die in sanfter Erregung auf
und ab wogende Figur der Violinen. Eine schottische Sage
erzählt von einem durchsichtigen, blassen Schatten, der genau
so aussieht wie die Person, die er begleitet, und der, wenn er
sichtbar wird, den Tod dieser Person bedeutet. Sollte diese Sage
Mendelssohn vorgeschwebt haben, als er der Geigenmelodie die
tiefe, schattenhafte Klarinette zur Begleitung gab?“ Mit dieser
vorsichtig gestellten Frage gibt uns Felix Weingartner, der die
„Schottische“ oft dirigierte, einen Schlüssel zum Hören dieses
Stücks. Mendelssohn selbst hatte einfach vorgeschlagen: „Für die
Hörer kann der Inhalt der einzelnen Sätze auf dem Programm des
Concertes angegeben werden wie folgt: Introduction und Allegro
agitato. – Scherzo assai vivace. – Adagio cantabile. – Allegro
guerriero und Finale maestoso.“ Diese Satzbezeichnungen sind
eigentlich nur Tempoangaben, über den „Inhalt der einzelnen
Sätze“ verraten sie noch nichts. Da war Beethoven in seiner
Pastorale schon wesentlich konkreter: Szene am Bach, Gewitter,
Sturm, das sind eindeutige Bildbeschreibungen, obwohl er in
seinen Skizzen auch festgehalten hat: „Auch ohne Beschreibung
wird man das Ganze, welches mehr Empfindung als Tongemälde,
erkennen.“
Die schwermütige, lediglich von Bläsern und tiefen Streichern
getragene langsame Einleitung lässt Mendelssohns Erinnerung
an Edinburgh lebendig werden. Nach einem vierfachen Ruf der
Flöten – Pause – beginnt geheimnisvoll der Hauptsatz, der mit
breit angelegten dynamischen Steigerungen zu dramatischen
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Mendelssohn Bartholdy
Szenen führt und mit einer Wiederholung der Anfangstakte
endet. Das quicklebendige Thema der Klarinette, später im Tutti
groß ausgespielt, leitet uns im zweiten Satz wie zu einem fröhlich
ausgelassenen Fest. In hohem Tempo huschen die SechzehntelFiguren vorbei, und das Ganze endet, als sei nichts gewesen, mit drei Pizzicato-Tupfern. Im Adagio, dem dritten Satz, markieren
die Bläser scharf akzentuiert einen bedrohlich wirkenden Marschrhythmus, der im weiteren Verlauf in einen großen Melodiebogen,
von Celli und Horn vorgetragen, übergeht.
Nach Mendelsohns Vorschrift „Die einzelnen Sätze dieser
Symphonie müssen gleich aufeinander folgen, und nicht durch
die sonst gewöhnlichen längeren Unterbrechungen von einander
getrennt werden“ beginnt mit kraftvollem Schwung und wieder in hohem Tempo das Finale, ursprünglich als „Allegro guerriero – kriegerisches Allegro“ bezeichnet. Eine Fülle gegensätzlicher
Themen – einmal temperamentvoll, dann wieder lyrisch – lässt den Hörer kaum zu Atem kommen, und am Ende steht die überraschende Coda, ein Schluss in A-Dur, den sich Otto Klemperer, der sich bei Vorbereitungen zu einem Konzert intensiv mit dem Stück beschäftigt hatte, nicht erklären konnte: „Dieser Schluß ist auch absonderlich genug. Mendelssohn verwendet den 6/8-Takt zu einem in keiner Weise schottischen Thema und bringt
es so zu einem lauten Schluß. Hat nicht vielleicht der geschickte
Gewandhauskapellmeister Mendelssohn hier den großen
Komponisten überrumpelt?“ Er schrieb einen neuen Schluss und ließ die Coda einfach weg.
Heute Abend spielen wir aber das Original – lassen Sie sich von der Atmosphäre der „Schottischen“ einfangen.
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Die interpreten
Die Interpreten
Das HÁba-Quartett
Im Jahre 1946 gründete der Geiger Dušan Pandula in Prag das
Hába-Quartett, dessen Schwerpunkt die Zusammenarbeit mit bedeutenden zeitgenössischen Komponisten war (Alois Hába,
Bohuslav Martinů, Günther Bialas, Luciano Berio, Luigi Nono,
Isang Yun, Jan Kapr u.a.), deren Werke das Ensemble zum Teil
uraufgeführt hat. Als im Zuge der kommunistischen Kulturpolitik
der 1950er Jahre Alois Hába in Ungnade fiel, musste sich das
Quartett unter politischem Druck in Novák-Quartett umbenennen.
Dies hinderte das Ensemble jedoch nicht, weiterhin so oft wie
möglich Werke von Alois Hába aufzuführen. 1968, nach der
Übersiedlung Dušan Pandulas in die Bundesrepublik Deutschland,
löste sich das Quartett auf. Sechzehn Jahre später wurde es von
Pandula zusammen mit seinem Schüler Peter Zelienka in Frankfurt
neu gegründet.
Das heutige Hába-Quartett, das seit mehr als einem Jahrzehnt
in unveränderter Besetzung spielt, versteht sich als direkter
Nachfolger und Träger der langjährigen Hába-Quartett-Tradition
und sieht seine besondere Aufgabe darin, die Werke seines
Namensgebers dem Publikum mit größter Authentizität
zugänglich zu machen. Daneben hat sich das Ensemble ein alle
Epochen umfassendes Repertoire erarbeitet, das auch selten
gespielte Kompositionen beinhaltet. Die CD-Einspielungen der
Werke von Nikolaj Roslawez, Leoš Janáček und Bedřich Smetana
fanden bei der Presse eine große Resonanz. Die Vielseitigkeit
und interpretatorische Stilsicherheit des Hába-Quartetts wurde
durch intensive Konzerttätigkeit im In-und Ausland, durch
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Die Interpreten
Rundfunkaufnahmen und Auftritte bei bedeutenden Festivals,
u.a. in Salzburg, Graz, München, Hannover, Berlin, Darmstadt,
Den Haag und Prag, immer wieder unter Beweis gestellt.
www.haba-quartett.de
Stefan Schmitt, Dirigent
Stefan Schmitt studierte an der Hochschule für Musik und
Darstellende Kunst in Frankfurt am Main Schulmusik, Hauptfach
Gitarre bei Michael Teuchert und Dirigieren bei Professor Jirí Starek.
Frankfurter Orchester Gesellschaft
1963 entstand auf Initiative von Horst Langkamm das Orchester
der Volkshochschule Frankfurt. 1989 übernahm Stefan Schmitt die
Leitung. Fünf Jahre später war die Suche nach einem geeigneten
Probenort der Anlass, als Träger des Orchesters den Verein
„Frankfurter Orchester Gesellschaft“ zu gründen. In jeweils
zwei Konzertprojekten stellt das Sinfonieorchester jedes Jahr
Werke aus Klassik, Romantik und Spätromantik vor, daneben
bilden Uraufführungen und die Darbietung wenig bekannter
Kompositionen besondere Höhepunkte.
25 Jahre
In 25 Jahren hat Stefan Schmitt uns alle immer wieder mit
außergewöhnlichen Programmideen zu neuen Leistungen
herausgefordert und in Konzerten zu großem Erfolg geführt. Die Frankfurter Orchester Gesellschaft sagt an dieser Stelle ihrem Dirigenten Stefan Schmitt für seine unermüdliche,
begeisternde und erfolgreiche Arbeit: DANKE!
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in eigener sache
In eigener Sache
Wenn Sie mehr über das Orchester erfahren oder selbst mitspielen möchten – zurzeit sind noch einige
Streicherstellen frei –, wenden Sie sich bitte an unseren Dirigenten Stefan Schmitt (Telefon 06196 950906).
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage:
www.frankfurter-orchester-gesellschaft.de
Das Sinfonieorchester der Frankfurter Orchester Gesellschaft
ist als selbstständiger Verein auf die Unterstützung durch seine Mitglieder und auf Sponsoren angewiesen.
Wenn Ihnen das Konzert gefallen hat und Sie unsere Arbeit fördern wollen, freuen wir uns über eine finanzielle
Zuwendung, für die wir Ihnen gerne eine Spendenquittung ausstellen (IBAN: DE24 5005 0201 0000 3559 90).
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