Vegane Ernährung – einseitiger Verzicht oder gesunde

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Verband der Köche Deutschlands e.V. (VKD)
Fachausschuss Ernährung und Gesundheit
Ausarbeitung Siegfried Wintgen
Vegane Ernährung –
einseitiger Verzicht oder gesunde Alternative
Historischer Kontext
Kaum ein Thema steht derzeit bei Verbrauchern und Fachexperten so im Fokus wie
Vegane Ernährung. Die breite mediale Präsenz trägt ein Übriges dazu bei, dass die
Diskussionen zu dieser stark fokussierten Ernährungsweise sehr intensiv geführt
werden und enorm polarisieren.
Grundsätzlich sind Hominiden Allesfresser, die sich im Laufe ihrer Evolution bestens
an das jeweilige Nahrungsangebot anpassen konnten. Je nach Epoche und damit
Fauna und Flora standen pflanzliche und tierische Nahrungsmittel in
unterschiedlicher Ausprägung auf dem Speiseplan.
Etwa vor 2500 Jahren haben sich, als Aspekt des philosophischen Aufbruches in
unterschiedlichen Kulturen und wahrscheinlich unabhängig voneinander,
vegetarische Ernährungsformen entwickelt. Erste Aufzeichnungen über eine
vegetarische Ernährungsweise („Enthaltung vom Beseelten“) gibt es von der
Religionsgemeinschaft der Orphiker im 6. Jhr. v. Ch. Der wohl bekannteste Vertreter
der „leichenfreien“ Ernährung war Pythagoras, in dessen Philosophie die nahe
Verwandtschaft von Mensch und Tier nicht vereinbar war mit dem Verzehr tierischer
Lebensmittel. Wie in anderen Hochkulturen dieser Zeit auch war eine ethische
Lebensweise mit dem Verzehr von Tieren nicht vereinbar und man nahm religiös
begründet an, dass das was man den Tieren antat auf die Menschheit zurückfällt.
Auch andere große griechische Denker wie Platon folgten diesem Beispiel.
1847 wurde in England die erste vegetarische Gesellschaft gegründet, wobei sich
das Wort „vegetarian“ - aus dem lateinischen „vegetus“ (lebendig, frisch) abgeleitet in den Sprachgebrauch eingegliedert hat. Bis dato wurden Vertreter der
vegetarischen Ernährungsweise als „Pythagoräer“ bezeichnet. Erst 1944 entstand
dann die „Vegan Society“ (vegan als Wortschöpfung aus dem Begriffe total
vegetarian) als erste echte Gesellschaft für eine komplett tierfreie Lebens- und
Ernährungsweise. Bis in die Neuzeit sind auf der Basis verschiedenster
Beweggründe unterschiedlichste Ausrichtungen vegetarischer Ernährung zu finden,
wobei bis ins 20.Jahrhundert eine komplett tierfreie Ernährung fast nie praktiziert
wurde.
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In den 80er Jahren erfuhr die vegetarische Bewegung eine intensive Belebung, die
dann in den 90er Jahren insbesondere durch die vielen Tierrechtsbewegungen ihren
Höhepunkt fand. Den medialen Aufwind im Rücken, wurde eine 2500 Jahre alte
Diskussion in Bezug auf die Ernährungsweise wieder voll entfacht.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die hier Vor- und Nachteile aufzeigen. Es ist
aber zu hinterfragen, ob die alleinige Betrachtung einer Ernährungsweise ohne
Berücksichtigung der individuellen Ausrichtung und der Lebensweise eines
Menschen im Hinblick auf Erkrankungsbilder überhaupt aussagekräftig ist.
Hominiden sind extrem anpassungsfähig, was Lebensraum und Ernährung
anbelangt - allerdings bedarf es adäquater Zeiträume, um sich an spezielle
Bedingungen anzupassen. Und eine wirklich vegane Ernährungsweise - das heißt
der komplette Ausschluss tierischer Nahrungsbestandteile - lässt sich in der
Entwicklung der Menschen nicht nachweisen.
Eher scheint es aber gesichert, dass gerade die enorme Entwicklung des
menschlichen Gehirnes auf den Konsum tierischer Fette und Proteine
zurückzuführen ist. Mit dem Auftauchen von Homo rudolfensis von ca. 2 Millionen
Jahren lässt sich eine deutlich höhere Gehirnleistung nachweisen. Entscheidend bei
dieser Betrachtung ist das Verhältnis Gehirngröße zu Körpergröße. Mit einem
Volumen von ca. 800 cm3 war es im Vergleich zum Schimpansen ungefähr doppelt
so groß bei gleicher Körpergröße. Homo erectus hatte ca. 200.000 Jahre später eine
nochmals größere Gehirnleistung zu bieten. Innerhalb von einer Millionen Jahre
wuchs das Gehirnvolumen beim Menschen auf etwa 1.000 cm3, die Zunahme auf
das heutige durchschnittliche Volumen von 1.360 cm3 wurde dann in den letzten
100.000 Jahren erreicht. Dabei muss aber auch beachtet werden, dass die reine
Intelligenz nicht zwangsläufig von der Größe des Gehirnes abhängt. Entscheidend
sind die Hirnregionen, die sich deutlich vergrößert haben und hier lassen sich klar
Nachweise finden, die zeigen, dass besonders die Bereiche für Wahrnehmung und
Denken gewachsen sind.
Spannend ist bei der ganzen Betrachtung auch die Tatsache, dass sich das Gehirn
wohl auch deswegen im Verhältnis zur Körpergröße mehr entwickeln konnte, da sich
das Darmsystem verkleinert hat. Der Grund dürfte in der Fähigkeit gelegen sein,
Nahrung über geeignete Verarbeitungs- und Zubereitungsprozesse besser
aufzubereiten - sozusagen vorzuverdauen - so dass eine Verkleinerung des Darmes
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möglich wurde. Auf diese Weise konnte das Gehirn seinen enormen Energiebedarf
abzweigen ohne die restlichen Prozesse im Organismus zu benachteiligen.
Die raschen Klimawechsel seit dem Beginn des Eiszeitalters vor 2,5 Millionen Jahren
machten es notwendig, sich schnell und effizient auf die wechselnden
Gegebenheiten einstellen zu können. Die dabei zunehmende Bedeutung tierischer
Nahrung machte es notwendig, sich vom Aasfresser zum Jäger zu entwickeln - was
wiederrum gleichzeitig die Entwicklung des Gehirnes möglich machte.
Im Prozess der Anpassungen griffen also viele Rädchen ineinander, die
schlussendlich einen enorm variablen, allesfressenden Menschen mit einer stetig
wachsenden Gehirntätigkeit hervorgebracht haben.
Vegane Ernährung für Kinder
Menschen kommen ziemlich unfertig auf die Welt, viele Fähigkeiten müssen erst
entwickelt werden. Die Entwicklung des Gehirnes und die Größenentwicklung des
Kopfes können im Mutterleib nicht vollständig abgeschlossen werden, da der
Geburtskanal dies größenmäßig nicht zulässt. Folgerichtig müssen Menschenkinder
im Vergleich zu anderen Primaten relativ lange im Schutz der Eltern heranwachsen
und die Fähigkeiten zum Überleben entwickeln. Dabei spielt natürlich auch die
Ernährung eine enorme Rolle.
Schon im Mutterleib entscheidet der Speiseplan der Mutter über die Entwicklung des
Gehirnes. Die wichtige Präsenz von langkettigen Omega 3 Fettsäuren aus fetten
Fischen, wie Lachs oder Hering beispielsweise, fördert nachweislich die mentalen
Fähigkeiten des Kindes.
Mit der Niederkunft sind Menschenkinder darauf eingestellt die tierische Muttermilch
zu erhalten. Hier - und nur hier - kann der Bedarf an Fetten und Proteinen optimal
abgedeckt werden, vorausgesetzt, die Mutter ernährt sich auch vielseitig und
ausgewogen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung folgen dann die ersten gekochten
Breie mit einem Mix aus Gemüse und Fleisch. Alle Organe und vor Allem auch die
Mikroflora im Organismus müssen behutsam aufgebaut werden um den Organismus
einschließlich des Gehirns leistungsfähig zu halten. Um dies zu gewährleisten, ist es
unabdingbar, eine vernünftige Mischkost zu bieten. Kinder, die einseitig ernährt
werden, können rasch gravierende Mängel aufweisen. Dabei treten unter Anderem
Beeinträchtigungen des Gehirnes nicht selten auf, die im Zusammenhang mit
veganer Ernährung zu beobachten sind. Um eine sinnvolle Ernährung zu bieten, die
alle Entwicklungsprozesse ermöglicht muss an den Speiseplan eine ganze Reihe von
Anforderungen gestellt werden.
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Dabei sind einige Parameter besonders wichtig:
• Ernährung nach der Saison um die jahreszeitlichen Bedürfnisse des
Organismus sinnvoll abdecken zu können
• Ernährung mit vorrangig regionalen Lebensmitteln als Grundlage qualitativ
hochwertiger Lebensmittel, zudem gibt es in der Regel eine bessere
Anpassung an regionale Lebensmittel
• Bestmögliche Qualität in ökologischer, ökonomischer, gesundheitlicher und
ethischer Sicht
• Eine konstitutionell ausgerichtete Ernährungsweise, bei der die individuellen
Bedürfnisse erkannt und abgedeckt werden. Dabei ist insbesondere auch die
Verdauungs- und Stoffwechsellage des Einzelnen zu berücksichtigen, damit
hier eine optimale Versorgung sowie eine entsprechende Berücksichtigung
der
physiologischen
Leistungsfähigkeit
der
Verdauungsund
Stoffwechselorgane gewährleistet ist
• Die Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen, die nur bei einer
entsprechenden Mischkost möglich ist. Eine komplett tierfreie Ernährung birgt
die Gefahr der Unterversorgung
mit Proteinen (essentiellen Aminosäuren)
langkettigen Omega 3 Fettsäuren (hier ist insbesondere die
Präsenz von EPA und DHA wichtig und die Tatsache, dass viele
Menschen den Umbau von kurzkettigen Omega 3 Fettsäuren in
EPA und DHA nicht leisten können und daher auf eine externe
Zufuhr angewiesen sind)
Vitamin B12
Vitamin D
Calcium
Eisen
Jod
Zink
Dabei ist zu beachten, dass eine effiziente Gesamtversorgung am ehesten aus einer
ausgewogenen Kost resultiert und nicht aus einer reglementierten Ernährung mit
Supplementen. Zudem ist gerade die Versorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln
kritisch zu sehen, denn zum Einen ist die tatsächliche Versorgung nicht unbedingt
gesichert (ein Zuviel und auch ein Zuwenig sind möglich) und zum Anderen belegen
viele Studien, dass Supplementierungen auch mir erheblichen Gesundheitsrisiken
verbunden sein können. Dabei sind insbesondere die Langzeitauswirkungen zu
berücksichtigen, und hier ist es sehr gut möglich, dass die individuellen Reaktionen in
einem Organismus überhaupt nicht vorhersehbar sind.
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Obgleich all diese Ansprüche absolut sinnvoll und nachvollziehbar sind, werden sie
dennoch häufig nicht erfüllt. Es ist sicherlich teilweise mit einem gewissen Aufwand
verbunden, hier die entsprechenden Produkte zu finden, ist aber im Sinne einer
vernünftigen und artgerechten Ernährung unumgänglich.
Gerade der Konsum von Fleisch und Fleischprodukten darf hier kritisch beleuchtet
werden. Wir essen oft zu viel Fleischwaren - insbesondere rotes Fleisch - mit
minderwertiger Qualität und auch die Aufzucht der Tiere ist meist untragbar.
Dennoch bilden tierische Produkte einen wesentlichen Bestandteil in der Ernährung
des Menschen, wir sind auf eine sinnvolle Mischkost konditioniert. Zudem können ca.
60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit nur für die Tierzucht gebraucht
werden. Der Anspruch muss also in eine optimale Qualität gehen und nicht in den
fragwürdigen Verzicht. Gerade Kinder brauchen nachweislich tierische Fette und
Proteine aus biologischer Nutztierhaltung oder in vertretbaren Mengen aus dem
Wildbestand.
Das gilt natürlich auch für die pflanzlichen Anteile in der Ernährung, die in unserer
Kultur oft sehr einseitig sind. Gemessen am möglichen Angebot saisonaler Pflanzen
verzehren wir nur einen Bruchteil dessen, was die Natur uns bietet.
Zu guter Letzt ist aber insbesondere die Lebensordnung entscheidend dafür, wie
gesund wir sein können. Bewegung wird entweder zu wenig betrieben oder aber
einseitig und gesundheitsschädigend. Auch die Berücksichtigung der natürlichen
Rhythmen ist wichtig für unseren Organismus, ebenso wie die Gewichtung von
Belastung und Entspannung.
Alles zusammengenommen brauchen Kinder mehr Möglichkeiten um „artgerecht“
aufwachsen zu können, und dazu gehört eben auch eine entsprechende Mischkost
mit sinnvollen Anteilen hochwertiger tierischer Nahrung.
Ausgewogene Ernährungsweisen
In wie weit eine vegane Ernährungsweise bei Erwachsenen machbar und sinnvoll ist
müssten Langzeitstudien untersuchen. Wenn man als Erwachsener nach einer bis
dahin guten Mischkost in eine vegane Ernährungsweise wechselt, können
Mangelerscheinungen mitunter erst Jahre später auftreten. Je nach Konstitution
vermag mancher gut damit zu fahren, viele werden jedoch rasch an Vitalität,
Immunkraft und damit Leistungsfähigkeit und Gesundheitsfähigkeit verlieren.
Prominentes Beispiel dafür ist der griechische Philosoph Heraklit, der 460 v. Ch. an
Wassersucht starb - wahrscheinlich als Folge seiner veganen Ernährungsweise.
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Andererseits lassen sich viele Zivilisationserkrankungen auch leicht mit einem
Übermaß an Fleischkonsum (besonders rotes Fleisch) in Verbindung bringen und die
gesundheitlichen Belastungen durch Hormone und Antibiotika sind auf jeden Fall ein
Thema, dem man sich stellen muss. Ob es aber sinnvoll ist, diesen Problemen mit
einer Flucht vor tierischer Ernährung zu begegnen darf angezweifelt werden. Der
sorgsame Umgang mit unseren Ressourcen, die optimierte Qualität der Lebensmittel
und eine vernünftig angepasste Kost sollten da eher in den Fokus genommen
werden. Und dabei müssen natürlich auch die Ansprüche an Lifestyle und Ernährung
überdacht werden. Ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln, pausenlose,
unreflektierte Konsumation oder auch die fehlende Bereitschaft, einen reellen Preis
für eine sinnvolle Ernährung zu investieren, sind sicher Punkte die allgemein
sensibilisiert werden müssen.
Ich möchte das Statement mit einem Zitat von Paracelsius enden lassen:
„Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht’s, dass ein Ding
kein Gift sei.“
In diesem Sinne wünsche ich gute Gesundheit und eine Ernährung, die Freude
macht und Wohlbefinden nach sich zieht.
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