Technische Spitzenwerke: die römischen Aquädukte Die römische Republik: Stabianer Thermen in Pompeji Die großen Thermen in Rom Vorläufer in Griechenland Als die Römer die ersten Badeanlagen ins Auge fassten, hatten sie schon lange in der Wasserwirtschaft für Maß­ stäbe gesorgt. Sie hatten viel eher auf frisches Trinkwasser als auf private oder öffentliche Bäder Wert gelegt. Zwar gab es schon einige Privatbäder – wir hören von einem dunklen, wenig luxuriösen Bade eines Adeligen aus dem Scipionengeschlecht aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.– , aber keine dieser Anlagen war städtebaulich oder politisch bemerkenswert. In Griechenland wäre die Entwicklung wohl anders verlaufen, wenn nicht die verfeinerte Kultur der kretisch-mykenischen Bronzezeit im 2. Jahrtausend v. Chr. untergegangen wäre. Es dauerte so bis in das 5. Jahrhundert v. Chr., dass in Griechenland wieder eine größere Badeanlage entstand, bezeichnenderweise im panhellenischen Wettkampfzentrum und Heiligtum Olympia. Die dortige Badeanlage umfasste ein Schwimmbad unter freiem Himmel, eine Sitzbadewannenreihe und ein Schwitzbad. Man modernisierte das Bad mehr­mals, zuletzt um 100 v. Chr., als man eine Bodenheizung einbaute. Dies geschah aber bereits zu einer Zeit, als Griechenland von den Römern beherrscht wurde, und Olympia in der römischen Provinz Achaea lag. Gleichwohl wurden öffentliche Badeanlagen in der griechischen Welt zu oft archäologisch nachgewiesen, um als Ausnahmen zu gelten. Wir dürfen im Gegenteil mit ihnen als einem städtebaulichen Element rechnen. Bäder lagen neben Tempeln in Heiligtümern wie auf der Insel Aigina vor Athen. In Gortys in Arkadien nahm das beim Tempel des Heilgottes Asklepios gebaute Bad aus der Zeit um 300 v. Chr. einen Raum ein, welcher den des Tempels sogar übertraf. Im griechischen Sizilien, wie das griechische Unteritalien als Großgriechenland (Magna Graecia) direkter südlicher Nachbar Roms, konn­ten die Römer in großen Städten wie Syrakus und Gela Badehäuser studieren, in denen Schwitzbäder mit Sitzbadewannenanlagen kombiniert waren. Auf Sizilien (Gela) wie im griechischen Mutterland (Gortys) waren Unterbodenheizungen (Hypokaustheizungen) schon um die Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. bekannt. Die römische Republik: Stabianer Thermen in Pompeji Ohne den Vesuvausbruch vom August 79 n. Chr. besäßen wir wahrscheinlich sehr wenige Beispiele für die spätrepublikanische und frühkaiserzeitliche Architek- Rom, Trajansthermen. Caldarium, Rekonstruktionszeichnung 48 von Peter Connolly (1998). 49 Bäder reichsweit Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan zwar keine Samowarpiscina traditioneller Art mit einem Behälter eingebaut; ein rundes Schwimmbecken in den sog. Heliocaminusthermen hatte jedoch nicht weniger als drei Schildkrötenheizkörper (testudines), was an Wirkung die Samowarpiscina noch übertroffen haben dürfte. In Trier beherrschte die nördliche Schauwand der Thermen den Hof (ob mit oder ohne Natatio) und war die eigentliche Schauseite der Barbarathermen. Zu den dort angebrachten Skulpturen gehörte die ausgezeichnete Kopie der Amazone des Phidias. Der Architekt der Diokletiansthermen in Rom folgte dem gleichen Schema: Trier, Barbarathermen (Mittleres 2. Jahrhundert). Orientierung des Badetraktes nach Süden. Plan: C Caldarium T Tepidarium F Frigidarium. Die beiden Schwimmbecken II und II’ (Piscinae) beiderseits des Caldariums mit ihrem rechteckigen Grundriss und dem bogenförmigen Südabschluss waren beheizt. Trier, Barbarathermen. Prunkfassade der Natatio, nach Norden gerichtet. Zeichnung von F. Boutron (Mittleres 2. Jahrhundert). Einige bemerkenswerte Glanzpunkte sind heraus­ ragend: Neben dem Caldarium lag auf beiden Seiten je ein beheizbares Wasserbecken; der Raum zwischen diesen Warmwasserbecken und dem zentralen Caldari­um war auch beheizt, so dass der Besucher im Grunde ein riesiges, dreigeteiltes Caldarium betrat. Im Calda­ rium waren an drei Seiten fünf Wannen eingebaut. Die Warmwasserbecken der beiden Seitenräume erreichten eine Länge von über 23 m. Die Wasserbecken des großen Frigidariums waren vor die beiden Längswände gesetzt und dort eingebaut. Nach außen zur Palästra und zum Eingang hin erhob sich eine gegliederte Prunkwand mit Nischen und Statuenschmuck. Ein großes Schwimmbecken dürfte vor dieser Wand gelegen haben. Es ist aber auch möglich, dass man im nördlichen Klima Triers auf ein Kaltwasserbecken verzichtete und die beiden seitlichen Warmwasserpiscinen des Calda­ riums als Natatio benutzte. In den modernen Rekon­ struktionen und auf modernen Plänen wechseln die Vorschläge mit oder ohne Natatio einander ab. 72 Die Warmwasserschwimmbecken der Barbarathermen sind wegen der zusätzlichen Betriebskosten an Wasser und Heizung eine teure Variante der normalen Natatio. Entsprechend selten hat man ein solches Warmwasserschwimmbecken (piscina calida) gefunden; neben Trier sind Anlagen in Kaiservillen wie die kleinen Thermen der Hadriansvilla bei Tivoli oder das Bad einer Kaiservilla in Sabaudia südlich von Rom zu nennen. Und es gab eine noch teurere Version des Warmwasserbeckens, die sog. Samowarpiscina, bei der in der Mitte des Beckens ein an das Heizsystem angeschlossener Metallbehälter – von den Archäologen Samowar genannt – in­ stalliert war. Diese aufwendige Konstruktion kennt man seit der frühen Kaiserzeit der Jahre vor dem Vesuv­aus­ bruch 79 aus den Vorortthermen von Herculaneum und Pompeji sowie aus der Villa von San Marco bei Stabiae am Golf von Neapel; spätere Beispiele sind Thermen in Ostia, in Massaciuccoli (Toscana) sowie in Italica (Se­ villa) in Südspanien. In der großen Villenanlage des Kaisers Hadrian bei Tivoli, in der es vier Bäder gab, war Die Schauwand des Frigidariums über der Natatio war sehr prunkvoll und sorgfältig als dreistöckige Schmuckfassade gearbeitet. Die Wirkung war den Schmuckfassaden der großen Prunknymphäen vergleichbar, wie man sie in Rom oder Milet bewundern konnte. Das nach Süden schauende Caldarium erhielt in den Vormittagsstunden zusätzliche Sonnenwärme, während die Prunkfassade des Frigidariums in ihrer Orientierung nach Norden im wechselnden Sonnenstand des Nachmittags besonders attraktiv aussah. Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan Die Trierer Kaiserthermen waren ein Parallelbau zu den 298 begonnenen Diokletiansthermen in Rom. Seit 293 war Trier im Rahmen der tetrarchischen Reichsver­fas­ sung Kaiserresidenz geworden. Nicht jede Residenz der Tetrarchen wie Mailand, Thessaloniki oder Nikomedeia wagte es, die stadtrömischen Kaiserthermen als Maßstab zu nehmen. In Trier tat man es: Constantius Chlorus residierte in Trier, der Vater des später epochemachenden Kaisers Konstantin des Großen, und es ist deshalb vielleicht bezeichnend, dass ausgerechnet er mit dem Bau von Kaiserthermen im Stile Roms begann. Der Trierer Bau wurde in der geplanten Form nie voll­endet. Den Grund kennt man nicht, doch war es vermutlich der frühe Tod des Augustus Constantius. Der Bau blieb vorerst unvollendet liegen, bis lange nach der konstantinischen Dynastie unter Kaiser Valentinian (364–375) die Anlage unter neuem Vorzeichen vollendet wurde. Bei gleicher Ausdehnung auf der gesamten Insula hat man die Palästra stark vergrößert und zu einem langen, rechteckigen, von Säulenhallen umstell­ten Platz gemacht, der wie ein riesiges Forum aussieht. Der Bau im Norden beschränkt sich auf das ehemalige Caldarium und auf das Tepidarium, das nun zu einem Vestibül zum Platz hin wurde. Aus dem Badecaldarium wurde ein thronsaalähnlicher Dreikonchenraum. Nördlich davon baute man ein diesmal recht kleines Bad ein. 73 Bäder reichsweit Der große freie Platz und die vielen kleinen seitlichen Räume führten zum Vorschlag, hier die Kaserne der kaiserlichen Leibgarde anzunehmen. In der Planung der ersten Phase umfasste die Grund­f­läche das Areal einer ganzen Doppelinsula mit ca. 140 x 260 m, also etwas mehr als 36 000 m2. Bei allem Re­spekt vor der Dominanz dieses Planes im Trierer Stadtbild muss man doch gegenüber Rom feststellen, dass die Zahlen viel bescheidener ausfallen: Die Trajans­ thermen mit 84 000 m2 und die Caracallathermen wie Diokletiansthermen mit 125 000 m2 Grundfläche stellen ganz andere Dimensionen dar. Man hatte in Trier die lokalen Häuserblocks (insulae) als gegebene Größe, und man verzichtete klugerweise darauf, für die geplanten Thermen gleich zwei weitere Häuserblocks zu räumen, musste man doch schon an der gewählten Stelle ältere Häuser niederreißen. Die Trierer Kaiserthermen hatten in der Planung ins­ gesamt mehr Ähnlichkeit mit den Trierer Barbarather- Trier als Residenz: der Kaiserthermenplan men als mit den zeitgleich erbauten Diokletiansthermen in Rom. Der Badetrakt stand nicht frei, sondern war von zwei Höfen umgeben, dem für das Publikum gesperrten Wirtschaftshof im Osten und dem Eingangsplatz im Westen, den Palästra zu nennen schwerfällt, weil er wohl kaum allein für den Sport gedacht war. Die gesamte Anlage war strikt zweigeteilt. Den Eingangsplatz, der als Forum diente, umgaben Portiken und Nebenräume auf allen drei Seiten. Diese waren als Gesellschaftsräume für die gesellschaftlichen, intellektuellen oder körperbezogenen Aktivitäten gedacht, welche sich in den Thermennebenräumen abspielten konnten. Sollte man eine Bibliothek geplant haben, so war diese ebenso hier zu suchen wie Vortragssäle oder auch Räume für ambulant praktizierende Ärzte. Der Besucher betrat in der Planung den Badetrakt auf beiden Seiten neben dem Frigidarium und ging dann von den Garderobenräumen beiderseits des Fri­­gi­dariums am Tepidarium vorbei zum ausgedehnten Cal­da­rium. Dieses bestand aus der großen Dreikonchen­ Trier, Kaiserthermen. Erste Phase (unvollendet, Anfang 4. Jahrhundert). Rekonstruktionsskizze von L. Dahm nach den Angaben von Trier, Kaiserthermen. Die Ruinen des Caldariums, Außenansicht von Südosten. Heutiger Zustand nach Restaurierung. D. Krencker. anlage mit drei seitlichen Wannen sowie im Durchgang zum Tepidarium zusätzlich aus einem kleineren Raum mit zwei seitlichen Heißwasserwannen. Ähnlich wie in den Barbarathermen nahm man auch hier auf das nördliche Klima Rücksicht: Die beiden Wasserwannen an den Schmalseiten des Frigidariums konnten beheizt werden. Ganz kalt war das halbrunde Wasserbecken im Westen des Frigidariums zum Hof hin, welches die Rolle der Natatio der römischen Thermen spielt. Vom Hof aus boten sich in der Planung die Thermen ähnlich wie die Barbarathermen mit einem großen Fassadenprospekt dar, nur war dieser hier ganz anders geartet; er blickte gleichsam nach innen, wies mit dem halbrund hervorspringenden Bauteil der Natatio am Fri­gidarium vom Hof weg zu den Innenräumen. Dies war an dieser Stelle eine ganz andere Konzeption als die der Diokletiansthermen. In Trier konnte man in der späten Kaiserzeit vielleicht auch deshalb auf die Nutzung der Kaiserthermen 74 verzichten und die Anlage umbauen, weil mit den Thermen am Viehmarkt neben den Barbarathermen eine zweite größere Badeanlage zur Verfügung stand. Die Ausgrabung der Viehmarktthermen 1987 bis 1994 ist eines der bemerkenswerten archäologischen Ereignisse in Trier nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Seit 1998 ist das Grabungsareal in einem glasverklei­­de­ ten Museumskubus der Öffentlichkeit zugänglich. In der ersten Bauphase vom Jahre 80 an war das Ge­bäude eine repräsentative Schöpfung, ohne dass man den genauen Zweck benennen kann; eine Badeanstalt scheint es nicht gewesen zu sein. Zu Thermen wurde das Gelände erst in der zweiten Bauphase Anfang des 4. Jahrhunderts umgebaut, und es liegt nahe anzunehmen, dass dies mit der veränderten Planung der Kaiserthermen zusammenhing: Bei den Kaiserthermen verzich­ tete man auf den Badecharakter, während man um­ gekehrt den Bau am Viehmarkt zu einem Thermenbau umänderte. 75 Der Badebetrieb den Porträts befanden sich auch solche der jeweiligen Stifter. Im Laufe des 3. Jahrhunderts nahm seit der Zeit der Severerdynastie der Brauch immer mehr zu, in den Thermen kaiserliche Porträtgalerien in Form von Familiengruppen aufzustellen. Unter den Gottheiten aus römischen Thermen sind die Götter des Wassers wie Flussgötter und Wassernymphen nur sporadisch vertreten. Rein numerisch führen Bacchus und sein Kreis (Satyrn, Silene) die Themenreihe an, gefolgt von Venus zusammen mit Amor und den Heilgöttern Aesculapius und Hygieia. Sowohl Hercules auf der einen Seite wie die Götter des Geistes (Apollo, Musen, Minerva) sind merklich weniger vertreten. Etwas vereinfacht könnte man das Hauptinteresse der Stifter, welche ja die Bildauswahl trafen, auf den Bereich Wein, Liebe und Gesundheit gerichtet sehen – angesichts der menschlichen Natur eine recht verständ­ liche Auswahl. Chirurgen und anderes Badepersonal: Operations­säle in Thermen Bibliotheken in Bädern sind ein ganz anderes Thema. Sie scheinen ein Widerspruch in sich zu sein – beschrie­ benes Papier neben immenser Feuchtigkeit; aber man konnte sie nach einer Notiz Senecas (Dialoge 9, 9, 7) bereits im 1. Jahrhundert erwarten, was man nur damit erklären kann, dass die Thermen mehr und mehr zum Virtuelle Rekonstruktion der römischen Thermen in der Colonia Ulpia Traiana (Xanten am Niederrhein) 2. Jahrhundert. Die Markierung sozialen Zentrum wurden, zum Versammlungsplatz der Mengen. Zu den wichtigsten Nebenräumen der Diokletiansthermen zählten zwei Bibliotheksräume, die man in den zwei Sälen beiderseits der großen Exedra vermutet. Auf dem Forum des Kaisers Trajan hatte es neben der Basilica Ulpia eine Bibliothek gegeben, die Bibliotheca Ulpia, in der auch staatliches Archivmaterial untergebracht war. Die Bücher und Akten aus der Basilica Ulpia wurden angeblich von Diokletian in seine Thermen verlagert, aus Gründen, die wir nicht wissen. Die­se Nachricht aus der Historia Augusta muss aber nicht glaubwürdig sein. Ungeachtet dieses Problems sind Bibliotheksräume nach dem Vorbild der Trajanssäule auch in den Diokletiansthermen zu suchen, und man wird die beiden vorgeschlagenen Säle dafür nehmen dürfen. 98 Chirurgen und anderes Badepersonal: Operationssäle in Thermen In den Haushalten der Städte gab es kaum fließendes Wasser, die Häuser der Reichen und die Paläste der senatorischen Oberschicht ausgenommen. Auf dem Lande bezog man das Wasser aus Quellen und Brunnen, und auch der Bewohner der Großstadt, der in Mietshäusern wohnte, musste sich sein Wasser am nächsten Brunnen holen. Also boten sich die Thermen auch für jene Spezialisten an, die fließendes sauberes Wasser und manchmal auch heißes Wasser benötigten: Chirurgen bei der Operation. Dass Kaiser Hadrian die Thermen vormittags für Kranke öffnen ließ, kam dem gewiss entgegen (Historia Augusta Hadr. 22,7). Den Hinweis auf chirurgische, ambulante Tätigkeiten in Nebenräumen römischer Thermen lieferten archäologische Funde. Einer von ihnen stammt aus der römischen Stadt Colonia Ulpia Traiana (Xanten am Niederrhein), eine um oder bald nach 100 unter Kaiser Trajan gegründete zivile Stadt an der Stelle früherer Militärstationen. Die großen Thermen dieser Stadt sind ein beeindruckender Bau mit einem Badetrakt im Nordosten und Anbauten an zwei weiteren Seiten; sie nehmen einen ganzen Häuserblock (Insula) ein. In einem kleinen Raum an der Südwestecke entdeckte man fünf chirurgische Instrumente: Zwei ganz erhaltene Knochenmeißel mit Bronzegriffen und Eisenklingen sowie drei Skalpellgriffe, deren Klingen fehlen. Zwei der Skalpelle waren mit Goldbändern wie mit Einlegearbeiten dekoriert. Die fünf Instrumente sind ein einem kleinen Raum ganz am Ende des Nebentraktes freigelegt worden. Solche Thermennebenräume konnten von Ärzten kennzeichnet den Fundort der chirurgischen Instrumente. LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum. Rom, Trajansthermen. Bibliothek in Form einer Exedra. Rekon­struktion von Peter Connolly (1998). Die Bibliotheksexedren der Trajansthermen waren glänzende Architekturen, mit der dekorierten Halbkuppel und den gegenüberliegenden Riesenfenstern aber für eine Biblikothek unpraktisch. Vor allem dürfte man Mühe gehabt haben, die vorauszusetzenden Regale im Obergeschoß gefahrlos zu erreichen. Die rechteckigen Räume der Caracallathermen und der Diokletiansthermen waren für den Einbau einer Galerie praktischer; in den Diokletiansthermen ist mit einer inneren Säulenreihe diese Oberstockgalerie raumgreifender möglich gewesen. Auch war die Verschließbarkeit der Räume, die man auch voraussetzen muss, an den Exedren der Trajansthermen nicht leicht; sie wurde vielleicht mit mobilen Holzläden erreicht, wie man es von den Funden aus Pompeji kennt. 99 Heilgötter und ihre Weihegaben Von den Römern unbeachtet Deutschlands Römerquellen Von den Römern unbeachtet Grundsätzlich ist es richtig, dass die Römer so gut wie alle wichtigen Mineral- und Thermalquellen auf ihrem Gebiete kannten. Daran waren sie auch aus medizinischen Gründen interessiert. Man darf aber diesen Gedanken auch nicht überstrapazieren. Die Quellen von Bad Schwalbach (Langenschwalbach) im Taunus scheinen von den Römern übersehen worden zu sein; der im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnte Ort machte als Kurort erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Karriere. Die Römer haben die Mineralquellen dieses Platzes mit hohem Anteil an Eisen und Kohlensäure anschei­nend nicht ins Auge gefasst, vermutlich weil der Platz zwar zur Militärlimeszone gehörte, das Militär jedoch durch die Thermalquellen des nahen Wiesbaden schon sehr gut versorgt war. breitet gewesen und konnten sich an einigen klimatisch günstigen Stellen halten, neben dem Taunus auch am unteren Neckar und im Donautal zwischen Passau und Linz. Als Beweis für römische Heilthermen in Schlangenbad können sie nicht gelten. In Bad Homburg hat man im Quellgebiet die Reste eines römischen Gebäudes gefunden, ohne dass man einen Bezug zum Bad Homburger Mineralwasser finden könnte. Eine salzhaltige Quelle in Bad Homburg v. d. H., der Kaiserbrunnen, enthielt eine römische Weihegabe: Es handelt sich um eine Keramik, eine Terra-SigillataÄskulapnatter im Garten eines Privathauses. SchlangenbadGeorgenborn im Taunus. Ab dem späten 17. Jahrhundert wird Schlangenbad im Taunus als Thermalquellenkurort aktenkundig. Das Vorkommen der sehr wahrscheinlich von den Römern nach Norden mitgebrachten Äskulapnatter an einigen Orten in Deutschland, und eben auch in Schlangenbad, darf nicht zum Analogieschluss verleiten, dass die Römer damals schon die Schlangenbader Quellen erschlossen hatten. Die Schlangen waren in Mitteleuropa weiter ver­ Aachen, Am Hof. Hohe Bogenarkaden von einem Kultplatz zwischen zwei Thermenanlagen. Höhe 7,10 m (2. Jahrhundert). 136 Kopie; Originalarchitektur im Rheinischen Landesmuseum Bonn. 137 Deutschlands Römerquellen Schüssel des 2. Jahrhunderts, welche tief im Brunnen gefunden wurde. Die Art der Deponierung spricht gegen einen Verlust und für eine bewusste Weihung. Dieser Fund ist aber allein zu gering, als dass man nur deswegen eine systematische römische Nutzung der Homburger Quellen voraussetzen dürfte. Dasselbe gilt für die Bad Nauheimer Quellen. Angesichts der viel geringeren Bevölkerungsdichte in der Römerzeit scheinen den Römern im Rhein-Main-Gebiet die Quellen von Wiesbaden, Nierstein und Bad Vilbel genügt zu haben. Im Gebiet des römischen Bad Dürkheim sticht der Steinbruch des Kriemhildenstuhls mit seinem roten Sandstein hervor, ferner hat man in Bad Dürkheim und Bad-Dürkheim-Ungstein römische Landgüter gefunden, wobei das in Ungstein durch sein Kelterhaus namhaft geworden ist. Die Gegend war also in der Römerzeit wirtschaftlich erschlossen und bedeutsam. Für Bad Dürkheims Mineralquelle, ein Chloridwasser mit Natriumanteilen, lässt sich dennoch bisher eine römische Nutzung nicht nachweisen. Im Folgenden werden nur Orte aufgeführt, die bereits von den Römern genutzt wurden und auch heute noch als Kurorte oder Quellorte aktiv sind. Reine archäologische Ausgrabungsplätze wie Hochscheid im Hunsrück (siehe S. 127) oder Heckenmünster in der Südeifel bleiben hier außer Betracht. Aachen (Aquae Granni) Der Name Aachen (Nordrhein-Westfalen) bewahrt das römische Aquae. Die Stadtgründung des römischen Aachen geht auf die früheste Kaiserzeit unter Augus­tus zurück. Schon unter Tiberius (14–37) entstand in Aachen die älteste Thermenanlage. Man darf davon ausgehen, dass die heißen Quellen Aachens für die Erholung der Armee der Provinz Niedergermanien bestimmt waren: Römische Legionen lagen in Bonna (Bonn), Novaesium (Neuss), Vetera (bei Xanten) und Noviomagus (Nimwegen). Die Thermalsolquelle Aachens ist in der 138 Bad Cannstatt (Stuttgart-Bad Cannstatt) Gegenwart mit bis zu 74 °C die heißeste Deutschlands. Im Laufe der Zeit entstanden im römischen Aachen drei Thermenkomplexe. Im Bereich des späteren Domes lagen die Münsterthermen und nur 200 m we­i­ter nordöstlich die Büchelthermen an der Kaiserquelle. Dazwischen erstreckte sich ein Tempelbezirk mit einer weiteren Quelle, einem Tempel und einem Arkadenum­ gang. Der Gott dieser Anlage ist unbekannt, man nimmt jedoch an, dass es sich um Apollo Grannus handelte. Die Form der Aachener Thermen orientierte sich wie bei allen Heilthermen der Römerzeit an den gegebenen topographischen Bedingungen. Die Badeanlagen gruppierten sich in variabler Art um die Räume mit dem heißen Wasser. Apollo als Aachener Hauptgott erscheint auf einem Votivaltar vom Schwertbad in Aachen-Burtscheid; die Wasseramphoren auf den Altarseiten weisen auf den Heilgott und die Quellen hin. Der Weihende, Lucius Latinius Macer, war Erster Centurio und danach La­ger­ präfekt der 9. Legion gewesen, welche im frühen 2. Jahr­ hundert einige Jahre lang in Noviomagus (Nimwegen) stationiert war. Der Altar bestätigt, dass Aachen den Sol­ daten der Armee Niedergermaniens als Kurort diente. Den Hinweis auf Apollo Grannus als dem Aachener Hauptgott findet man im Stadtnamen. Die lateinische Formulierung „Aquis Granni“ stammt zwar erst aus der karolingischen Zeit im 8. Jahrhundert, aber warum hätte man in christlicher Zeit einen heidnischen Göt­ter­namen willkürlich anfügen sollen? Man kann deshalb von „Aquae Granni“ als dem Namen des römischen Aachen ausgehen. Inschriftlich kennt man Apollo Grannus aus zahlreichen Inschriften, z. B. aus Hochscheid im Hunsrück oder aus Faimingen nahe der Donau in Bayern. Apollo Grannus war die romanisierte keltische Version des Heilgottes Apollo Medicus, er war einer der großen gallorömischen Götter und sein Kult war in den Nordwestprovinzen des Reiches weit verbreitet. Kaiser Caracalla suchte 212/213 Linderung für ein Leiden bei Apollo Grannus (Cassius Dio 77, 15, 6), und zwar vermutlich im Heiligtum des Grannus in Faimingen (Phoebiana). Bad Bertrich Die Thermalquelle von Bad Bertrich (Rheinland-Pfalz) liegt in einem Seitental der Mosel nördlich von Bullay, etwa in der Mitte zwischen Koblenz und Trier. Die Glaubersalzquelle mit bis zu 32 °C warmem Wasser ist die einzige Glaubersalzquelle auf dem Gebiet des heu­ tigen Deutschlands. Der Ort wurde bereits im 18. Jahrhundert von den Trierer Kurfürsten neu gestaltet. Am Ende des 19. Jahrhunderts stieß man im Bereich des Badehauses an der Ostseite des Kurplatzes auf die römische Quellfassung und Reste römischer Thermen. Neuerdings fand man bei der Anlage der neuen Vulkan­ eifeltherme Bad Bertrich auch Spuren der römischen Siedlung, deren römischer Name noch unbekannt ist. Münzschatzfunde der Jahre bis 273 und bis 346 bezeugen die Besiedlung des Ortes und sicher auch die Nutzung der Quellen bis in die Spätantike. Ein römischer Kurgast stiftete in Bad Bertrich der Göttin Diana eine Skulptur aus Alabaster. Diana erscheint hier als Göttin der Jagd und der Natur; sie war aber auch jedem Römer als Schwester des Heilgottes Apollo vertraut. Deshalb konnte sie auch Züge der gallorömischen Quell- und Heilgöttin Sirona annehmen, wie es eine Wiesbadener Inschrift verrät. Ansonsten sind aus Bad Bertrich die Quellnymphen Meduna und Vercana inschriftlich bekannt. Diana aus Bad Bertrich. Diana als Jagdgöttin, ihr Hund jagt ein Reh. Alabasterskulptur des 2. Jahrhunderts. Höhe: 41 cm. Bad Cannstatt (Stuttgart-Bad Cannstatt) Stuttgart-Bad Cannstatt (Baden-Württemberg) war ein wichtiger Kastellort am Neckar mit einem Stützpunkt für eine Kavallerieeinheit von 500 Mann (Ala) und einem Lagerdorf. Das römische Militär war in Bad Cannstatt bis in das 3. Jahrhundert hinein stationiert; um 100 hatte man das vor 90 n. Chr. errichtete Erdkastell durch ein festes Steinkastell ersetzt. Zuletzt war hier eine orientalische Kavallerieeinheit von Kataphrakten- Sigmaringen, Fürstl. Hohenzollernsche Sammlung. reitern stationiert, bei denen Mann und Ross komplett gepanzert waren. Der römische Name des Ortes ist nicht bekannt. Die römische Zivilsiedlung entwickelte sich beiderseits des Neckars. Bad Cannstatts reiche Mineralquellen sprudeln ebenfalls sowohl links des Neckars in Stuttgart-Berg (Mineralbäder Berg und Leuze) wie auch rechts des Neckars im Mineralbad Bad Cannstatt. Allerdings sind Topographie und Architekturen der römischen Zivilsiedlung Bad Cannstatt nur lückenhaft be- 139