Blaurote Hautverfärbung 40

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40 Blaurote Hautverfärbung
Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer
Abb. 66 zeigt das Vollbild der Acrodermatitis chronica atrophicans. Neben dem
blauroten bis livide verfärbten Erythem (entzündliche ödematöse Phase) lässt sich
bereits eine ausgeprägte schlaffe Hautatrophie ausmachen, die zur atrophischen
Endphase überleitet. Diese kann sich über Jahre fortschreitend entwickeln. Die
chronische, zu etwa zwei Dritteln bei Frauen in Erscheinung tretende Erkrankung
befällt bevorzugt die Akren der Extremitäten. Aber auch der Stamm kann betroffen
sein. Zunächst an einer Extremität sich entwickelnd, treten die Erytheme unter
flächenhafter Ausbreitung später auch mit gewisser Symmetrie an der anderen auf
und breiten sich ggf. auf die Gesäßregion und andere Gebiete aus. Die Krankheit
kann im Anfangsstadium erfolgreich mit Penicillin behandelt werden.
Ätiopathogenetisch wird die Acrodermatitis chronica atrophicans als Stadium
III bzw. Spätphase der Lyme-Borreliose aufgefasst (Tab. 5), die sich etwa ein Jahr
nach dem Biss der Schildzecke Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock, Abb. 67)
Stadium
Dauer
Klinische Manifestationen
I
2–8
Wochen
Haut: Zeckenbiss-Stelle mit und ohne Hautreaktion, Erythema
chronicum migrans, Lymphadenosis cutis benigna
Generalisation (hämatogen): Fieber, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, multiple Erytheme
II
< 1 Jahr
Neurologie: Meningitis, Enzephalitis, Meningoenzephalitis,
Radikuloneuropathie
Gelenke: Mono- oder Oligoarthritis
Herz: akute Lyme-Karditis
Augen: bilaterale vordere und hintere Uveitiden,
Optikusneuritiden
III
> 1 Jahr
Haut: Acrodermatitis chronica atrophicans, juxtaartikuläre,
fibromähnliche Knoten
Neurologie: periphere Neuropathie, subakute Enzephalopathie,
progressive Enzephalomyelitis
Gelenke: Arthritis
Herz: dilatative Kardiomyopathie
Augen: Keratitiden (häufig bilateral; interstitiell; nummulär
oder peripher ulzerativ)
Tab. 5 Klinische Stadien der Lyme-Borreliose
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und der Übertragung der Spirochäte Borrelia burgdorferi entwickelt. Das Stadium I
der Lyme-Borreliose ist durch das sich 5–14 Tage nach dem Zeckenbiss (Zeckenbiss-Stelle, Abb. 68) langsam zentrifugal ausbreitende und randbetonte (zentrale
Abblassung) Erythema chronicum migrans gekennzeichnet (Abb. 69).
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100 Hämorrhagische Diathesen
Blutungen bei Vasopathien
Bei den vaskulären Purpuraformen haben wir es fast ausschließlich mit punktförmigen Petechien zu tun. Eine Vasopathie findet sich hereditär bei RenduOsler-Weber-Krankheit, dem von-Hippel-Lindau-Syndrom, dem Ehlers-DanlosSyndrom und der familiären Purpura simplex und erworben auf allergischer,
dysproteinämischer, infektiös-toxischer und autoimmuner Grundlage sowie bei
Vitamin-C-Mangel. Die Purpura kann in einem Teil der Fälle durch den RumpelLeede-Test provoziert werden. Bei der Purpura anularis teleangiectodes Majocchi
(Verlaufsvariante der Purpura pigmentosa progressiva) finden sich rostbraune
Siderinablagerungen als Residuen abgelaufener Punktblutungen, bei der Purpura
senilis bizarr ausgezackte, düster bläulichrote Sugillate auf glatter, atrophischer
und faltiger Haut (Abb. 170). Zur vaskulären Purpura Schoenlein-Henoch vgl.
Abb. 169, S. 99, und Abb. 185 und 186, S. 115.
Lebensbedrohliche Blutungsperioden kommen in Form von schweren Blutungen eigentlich nur aus systemischen Gefäßfehlbildungen bei der Rendu-OslerWeber-Krankheit vor. Diese erbliche Krankheit gehört zu den Phakomatosen, die
auf S. 186 f. abgehandelt werden.
Infektiös-toxische Purpuraformen zeichnen sich durch intrafokale, petechiale Punktblutungen aus (Abb. 171). Das Auftreten einer hämorrhagischen
Diathese ist bei schweren Infektionskrankheiten nicht selten. Neben Gefäßschädigungen sind eine Thrombozytopenie sowie eine Verbrauchskoagulopathie
verantwortlich zu machen. Bekannt sind die foudroyant verlaufende Purpura
fulminans nach Scharlach oder Windpocken bei Kindern, die mit Hämaturie und
Melaena einhergeht, und das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bei Meningound Pneumokokkensepsis. Bei Kindern und Jugendlichen, seltener bei Erwachsenen, tritt bei der Meningokokkensepsis in etwa drei Vierteln der Fälle eine
Kombination von Purpura und makulopapulösem Exanthem auf (Abb. 172).
Bei ihrem fulminanten Verlauf – dem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom – kommt
es zu konfluierenden Hautblutungen. Bei der subakuten bakteriellen Endokarditis finden sich petechiale Blutungen (infizierte Mikroembolien) hauptsächlich an
den Fingerkuppen, subungual oder am Zungenuntergrund in Form kreisrunder,
blaubeerschwarzer und leicht schmerzhafter Herde von Stecknadel- bis Linsengröße (Osler-Knötchen bzw. Janeway-Flecke, Abb. 173).
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110 Arterielle Durchblutungsstörungen
Primäre Vaskulitiden
Durchblutungsstörungen sind auch Folge von entzündlichen Veränderungen der
Wände großer, mittelgroßer und kleiner Blutgefäße. Die Veränderungen zeichnen
eine Reihe von Krankheiten aus, bei denen eine Grundkrankheit fehlt und die
entsprechend der 1992 abgehaltenen Konsensus-Konferenz von Chapel Hill als
primäre Vaskulitiden bezeichnet werden. Demgegenüber sind sekundäre
Vaskulitiden definitionsgemäß entweder Folge, Begleitphänomen oder Komplikation anderer Grundkrankheiten. Sie werden vor allem bei Infektionen und malignen Tumoren manifest und treten gehäuft bei Kollagenosen und auch im Rahmen
entzündlicher rheumatischer Erkrankungen und der Behçet-Krankheit auf. Die
Trennung der einzelnen Formen – primär, sekundär – ist nicht immer scharf,
werden doch einige primäre Vaskulitiden wie die Panarteriitis nodosa und die
essenzielle kryoglobulinämische Vaskulitis mit dem Hepatitis-B-Virus bzw. dem
Hepatitis-C-Virus in Verbindung gebracht. Tab. 13 gibt eine Übersicht über
primäre Vaskulitiden mittelgroßer und kleiner Gefäße. Angaben über 2 Repräsentanten von Entzündungen großer Arterien, Temporalarteriitis Horton und
Takayasu-Arteriitis, gehen aus Tab. 11, S. 103, hervor.
Die Haut ist ein häufiges Substrat bei primären Vaskulitiden. Das Auge kann
betroffen und sogar Erstmanifestation und sozusagen ein »Fenster« des an den
Gefäßen ablaufenden systemischen Prozesses sein. Bei Mitbetroffensein kleiner
Gefäße kann es, z. B. im Rahmen der Temporalarteriitis Horton, durch Befall der
hinteren kurzen Ziliararterien, die den Sehnerv versorgen, oder eines Zentralarterienverschlusses zu einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie
(AION) kommen. Diese führt ohne rechtzeitige Cortisonmedikation zur Erblindung
des zuerst betroffenen und, da der vaskulitische Prozess innerhalb kürzester Zeit
auch das andere Auge erfassen kann, auch des anderen Auges.
Kapillaritis in großen Organen und Nerven führt bei primären Vaskulitiden ggf.
zu nekrotisierender Glomerulonephritis, alveolärem Hämorrhagiesyndrom, Polyneuropathie oder Mononeuritis multiplex. Der Befall mittelgroßer und großer
Gefäße verursacht die Infarzierung nachgeordneter Gewebe (vgl. Thrombangiitis
obliterans von-Winiwarter-Buerger). Einige der Krankheiten sind mit antineutrophilen Zytoplasmaantikörpern (ANCA) assoziiert.
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Krankheitsbild
Thrombangiitis
obliterans
von-WiniwarterBuerger
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Ursache
schubweise verlaufende
nicht atheromatöse
Angiitis der mittelgroßen
Arterien und Venen
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Leitsymptome
bevorzugter Befall der
oberen Extremitäten mit
Finger- und Zehenkuppennekrosen, Phlebitis
migrans
Kawasaki-Syndrom akute Panvaskulitis
Fieber, mukokutanes
mittelgroßer und kleiner Lymphknotensyndrom,
Arterien und Venen,
ödematöses Palmar- und
häufiges Betroffensein
Plantarexanthem
der Koronararterien, ggf. (Desquamation), BSG-,
auch der Aorta
IgG-, IgE-Erhöhung
Panarteriitis nodosa granulomatöse und
Livedo racemosa,
(Kussmaul-Maiernekrotisierende Vaskulitis Myalgien,
Syndrom)
mittelgroßer und kleiner, Neuropathie,
insbesondere viszeraler
Glomerulopathie
Arterien, Kapillaren und
Venolen
Bemerkungen
Männer < 50 Jahre
betroffen, Raucher,
möglicher Befall
der intrazerebralen
Gefäße
Manifestation im
Kindesalter,
Häufung in Japan
Männer häufiger
betroffen, Manifestation im
mittleren Lebensalter, Assoziation
mit HBV und HCV
sowie Drogenabusus
Wegenersubakut verlaufende
Initialstadium: entzünd- Männer häufiger
Granulomatose
granulomatöse und
licher Prozess der oberen betroffen, Maninekrotisierende Vaskulitis Luftwege, nasale oder
festation im
der Kapillaren, Venolen, orale Ulzera, Fieber,
mittleren LebensArteriolen und Arterien
Arthritis
alter, cANCA
Generalisationsstadium: positiv, OverlapLungeninfiltrate,
Syndrom mit
Glomerulonephritis,
Arteriitis tempoHautexanthem
ralis Horton und
Panarteriitis
nodosa
Churg-Strausssubakut verlaufende
Phase I: allergische
Männer häufiger
Syndrom
nekrotisierende Vaskulitis Rhinitis, Sinusitis, Asthma betroffen, Manimittelgroßer bis kleiner
bronchiale
festation im
Arterien (histologisch:
Phase II: periphere
mittleren Lebensextravasale Eosinophilen- Eosinophilie > 10 %,
alter, Verlauf über
akkumulation)
flüchtige Lungeninfiltrate, Jahre, IgE-ErPleuraergüsse
höhung, 20 %
Phase III: pektanginöse
cANCA und
Beschwerden, Glomeru- pANCA positiv
lonephritis, Hepatitis,
palpable Purpura
Schoenlein-Henoch- nekrotisierende leukozyto- hämorrhagisches oder
männliche
Purpura
klastische Immunkomplex- nekrotisierend-ulzeröses Patienten häufiger
vaskulitis kleinerer Gefäße Exanthem mit Bevorzu- betroffen
(Kapillaren, Venolen,
gung der Streckseiten
(< 20 Jahre), bei
Arteriolen), palpable
der Beine, Fieber, Gelenk- 60 % bakterielle
symmetrische Purpura
schwellung, kolikartige
oder virale InfekBauchschmerzen,
tionen vorausGlomerulonephritis
gehend
Tab. 13 Synopsis primärer Vaskulitiden mittelgroßer und kleiner Gefäße (Auswahl)
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240 Augenveränderungen
Buphthalmus, Leukokorie, Katarakt
Bei dem auf Abb. 399 abgebildeten 1,5 Monate alten Kind besteht ein beidseitiger
Buphthalmus (Glaukom, »grüner Star«). Er besteht bei 35 % der Patienten schon
zum Zeitpunkt der Geburt; bei 70 % ist die Erkrankung bis zum 6. Lebensmonat
manifest. In über zwei Dritteln der Fälle sind beide Augen betroffen, in 30 % ein
Auge. Vom Aspekt her imponiert eine Vergrößerung des gesamten Augapfels
(Pseudoexophthalmus) mit vergrößertem horizontalem Hornhautdurchmesser
(Megalokornea). Als Frühsymptome bestehen bei höherem Augendruck Photophobie, Epiphora und ein auffälliges Verhalten des Kindes bei Lichteinfall. Die
Hornhaut ist umso trüber und das Auge gerötet, je höher die Druckwerte sind
(vgl. Abb. 405, S. 243). Ein primärer Buphthalmus findet sich bei einigen Phakomatosen (vgl. Tab. 22, S. 187, und S. 192), Marfan-Syndrom, Trisomien, UllrichTurner-Syndrom, Cushing-Krankheit/Cushing-Syndrom, Lowe-Syndrom, Homocystinurie u.v. a., ein Sekundärglaukom z. B. bei intrauteriner Uveitis durch Lues,
Toxoplasmose und Röteln, posttraumatisch, bei Zoster ophthalmicus und langer
Glucocorticoidbehandlung.
Auf den Horner-Symptomenkomplex haben wir auf S. 230 hingewiesen
(Abb. 383, S. 231). Eine andere bedeutende Pupillenstörung stellt der bei direkter
Belichtung erscheinende »weiße Pupillenreflex« bei Kindern dar; diese sog.
Leukokorie weist auf ein Retinoblastom hin (Abb. 400, Fehlen des roten
Pupillarreflexes am linken Auge), kann aber auch durch andere Zustände hervorgerufen werden: Astrozytome, Hamartome, Toxoplasmose, Cytomegalie-VirusRetinitis, Toxocara canis usw.
Bei der Katarakt (»grauer Star«) leuchtet die Pupille, die normalerweise
schwarz erscheint, bei Lichteinfall grau auf (Abb. 401). Wir unterscheiden eine
kongenitale Katarakt und eine im Laufe des späteren Lebens erworbene Katarakt,
zentrale und oberflächliche Linsentrübungen. Am häufigsten entstehen sie bei
intrauteriner Rötelninfektion bzw. embryopathischem Gregg-Syndrom (40–60 %
aller Fälle mit Cataracta congenita). Die nächsthäufigen Verursacher sind Mumps,
Hepatitis und Toxoplasmose. Andere Ursachen einer nicht traumatischen Linsentrübung sind chromosomale Aberrationen, Stoffwechselstörungen und intrauterine
Fruchtschädigungen verschiedener Genese. Eine Kataraktbildung findet sich auch
bei myotoner Dystrophie Curschmann-Steinert (Cataracta myotonica, s. S. 236),
hypokalzämischer Tetanie (Cataracta tetanica), unter längerer Glucocorticoidbehandlung, strahlenbedingt und nach traumatischer Linsenkapseleröffnung.
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