030112 Die Zauberflöte - N Tamer

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Ein wohlklingendes Mysterium
Die ursprünglich von Mozart komponierte und am Theater St.Gallen von Bernd Mottl modern inszenierte Oper
„Die Zauberflöte“ beginnt mit Dunkelheit. Nur eine düstere, glänzende Mauer ragt auf der Bühne empor und
beginnt sich beim Einsetzen der Musik des Sinfonierorchesters St.Gallen langsam zu drehen.
Während sich die gigantische
Bühnenkonstruktion bewegt,
werden die zwei Hauptpersonen
Tamino (Julien Behr) und Pamina
(Simone Riksman) sichtbar, die
jeweils auf der anderen Seite der
Wand stehen und somit zu
Beginn vorerst physisch getrennt
bleiben. In der restlichen Zeit
geht es darum, diese Mauer zu
durchbrechen und zueinander zu
finden, denn Pamina, die Tochter
der Königin der Nacht (Beate
Ritter), wurde von Sarastro (Roman Polisadov) entführt, der nun über den siebenfachen Sonnenkreis wacht
und der der Todesfeind ihrer Mutter ist. Es ist Taminos Aufgabe, Pamina aus Sarastros Händen zu entreissen
und zusammen mit dem wohlbekannten Vogelfänger Papageno (Markus Beam) macht er sich auf die gefährliche Reise. Sie müssen sich zwar auf viele Hindernisse gefasst machen, doch als Unterstützung dienen ihnen
drei Knaben (die hinreissend begabten Zürcher Sängerknaben), eine Zauberflöte und ein Glockenspiel.
Bis zum Ende des ersten Aktes wirkt die Geschichte auf den ersten Blick recht einfach, geht dennoch tiefer, da
Mozart Mitglied des Freimaurerordens war und viel der Symbolik in das Stück einfliessen liess, auf mystische
Vorankündigungen konnte das Publikum sich also vorbereiten. Im zweiten Akt wandelt sich die Stimmung,
denn Tamino und Papageno müssen drei Prüfungen bestehen, um ihre Liebsten zu gewinnen oder, wie in
Papagenos Fall, zu finden. Zuerst müssen sie ein Schweigegelübde ablegen. Unterdessen versucht die krankhaft, beinahe Irre Königin der Nacht die verwirrte Pamina zu einem Mord an Sarastro hinreissen zu lassen.
Atemberaubend wirkt das Bild von Paminas Unschuld, in Ballkleid und kitschiger Umgebung, im Kontrast zu
der in Sopran singenden, manisch bissigen Königin, die als schwere Alkoholikerin dargestellt wird. Sarastro
versteht Paminas Unwille, ihn zu töten und beruhigt sie mit Gesang aus tiefster Kehle. Pamina findet zu Tamino zurück, der sich eisern an das Schweigegebot hält und Zweifel an seiner Liebe in ihr heraufbeschwört. Tamino muss zwei weitere Prüfungen bestehen, um Sarastros Nachfolger zu werden und Pamina zu heiraten.
Die anfangsbewusst kindisch wirkende Inszenierung steigerte sich bis zum Ende des ersten Aktes enorm.
Leicht wie eine Feder begann die Oper, als Tamino aufwachte und zum ersten Mal Papageno traf, der als Hippie mit Rastas, Tattoos und einem Peter Lustig Stil dargestellt wird und mit Vogelpuppen spielt. Ein wahrliches
Vergnügen war Beate Ritter als Königin der Nacht, die mit ihrer Stimme brillierte sowie mit ihrer teuflisch
gebrechlichen Darstellung einer High Society Dame, die ihre besten Tage hinter sich hat. In einem Tweed Kos-
tüm, steifer Frisur, Gehstock und Alkohol bewaffnet, schafft sie es selbst im Liegen, die unfassbar hohen Töne
aufs Genauste zu treffen, ohne angestrengt zu wirken. Der zweite Akt war schwieriger zu folgen, da der Gesang erhöhte Aufmerksamkeit abverlangte und das Ende kam überraschend schnell zum Vorschein. Doch das
Bühnenbild machte dies alles wieder wett.
Die sich drehende Bühnenkonstruktion brachte es fertig, abwechslungsreiche und einzigartige Bühnenbilder
darzustellen (Ausstattung Friedrich Eggert); angefangen bei Taminos „Kinderzimmer“, in dem er mit seiner
Bettwäsche kämpft bis hin zu den Schlossräumlichkeiten des Sarastro. Zudem ermöglichte sie Flexibilität in
Bezug auf die Variation der Szenen, was sich als grosser Vorteil erwies, wenn es darum ging, schnell die Stimmung zu ändern. Das Licht erwies sich auch als sehr vielfältig und hilfreich, um die passende Stimmung aufkommen zu lassen, meist strahlte der Hintergrund, besonders beim Szenenwechsel durch das Drehen der
Mauer, eine klare Stimmungsfarbe ab oder grelles Licht in einer Farbe unterstrich die Bühnenaktion.
Die Musik des
Sinfonieorchesters unter
(Leitung Jeremy Carnall)
war ohne Makel und
kontrastierte klar die
modernen Kostüme und
Bühnenbilder. Das
Glockenspiel und die zur
Aufführung gehörenden
Tänze machten dazu
einen besonderen Reiz
aus und liessen die Oper
zugänglicher und lustiger
wirken.
Sarastro (Roman Polisadov) mit seinen Priestern
Das Publikum mochte wohl anfangs gemischte Gefühle gegenüber der Aufführung gehabt haben, da moderne Interpretationen von Klassikern konservativerem Publikum oft ein Dorn im Auge sind, doch diese Ausführung der „Zauberflöte“ schaffte es, trotz dem Fehlen eingestaubter Kostüme, die Audienz wie Kinder mit glänzenden Augen das Geschehen verfolgen und sich mit einem Schmunzeln in den Figuren wieder zu erkennen.
Die neuen Ideen waren geistreich und passend. Besonders interessant zu verfolgen war die Symbolik, die sich
auf unser Zeitalter übertragen lässt, was zum Beispiel bei Sarastros Untertanen zu erkennen war. Individualität und Meinungsfreiheit spielten bei ihm keine grosse Rolle, wie es bei vielen Diktaturen heute noch ist. Die
Unterordnung und Anerkennung, die Tamino erfahren muss, waren sehr beachtenswert. „Die Zauberflöte“
lädt selbst über 200 Jahre nach der Uraufführung noch zum Nachdenken ein.
Tickets und Aufführungsdaten unter www.theatersg.ch
27.12.2011 – Nicole Tamer, Kantonsschule Kreuzlingen
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