Diss.ETH Nr. 11340 Die Thermalwässer der Armutlu-Halbinsel und deren Beziehung zu Geologie (NW-Türkei) und aktiver Tektonik ABHANDLUNG zur Erlangung des Titels DOKTOR DER NATURWISSENSCHAFTEN der EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZÜRICH vorgelegt von Thomas Eisenlohr Dip. Natw. ETH Zürich, Geologe geboren am 13. September 1964 von Zürich. Angenommen im Antrag von: Prof. Dr. C. Schindler, Referent PD Dr. W. Balderer, Korreferent Prof Dr. E. Yüzer, Korreferent, Istanbul Technical 1995 University -2- ZUSAMMENFASSUNG interdisziplinären MARMARA-Projektes wurden die Thermalquellen Armutlu-Halbinsel (Bursa, NW-Türkei) und ihre geologische Umgebung untersucht. Im Rahmen des vorwiegend Die Halbinsel besteht aus metamorphen der Gesteinen. Die ältesten Serien stellen amphibolit-metamorphe Gneise und Amphibolite dar. Darüber folgt eine mächtige grünschiefer-metamorphe Serie aus Metavulkaniten (v.a. Epidot-Chlorit-Schiefer) und Metasedimenten (v.a. quarzitische Konglomerate). Ultramafische Gesteine, hervorragend erhal¬ tene Pillow-Strukturen und Radiolarite in dieser Serie deuten auf ozeanische Kruste. Im SE der Halbinsel wird abgeschlossen. Über die Serie durch einer Diskordanz hydrogeologisch bedeutenden Marmorzug folgen schwächer metamorphe Flyschgesteine und einen Kaya & Kozur (1987) als oberer Jura bis untere Kreide unmetamorphen Gesteine sind Kalke, Radiolarite und Flysche der rekristallisierte Kalke, welche datierten. Die ältesten erfolgte eine granitische bis granodioritische Intrusion und deren Heraushebung. Die Hauptphase eines regionalen, andesitischen Vulkanismus lässt sich anhand mächtiger Einschaltungen von Flyschgesteinen ins Eozän datieren. Evaporite im SE der Halbinsel deuten auf flachmarine Verhältnisse im Oligozän. Die aus Mergeln, Sanden, Kiesen und FlachwasserKalken bestehenden neogenen Gesteine sind bereits an tektonische Senken gebunden und weisen starke Wechsel in Mächtigkeit und Fazies auf. oberen Kreide. In der Zeit zwischen der oberen Kreide und dem mittleren Eozän strukturgeologischer Untersuchungen war die Unterscheidung verschiedener De¬ formationsphasen möglich. Die jüngste duktile Deformationsphase zeichnet sich durch eine ausgeprägte SE-Vergenz aus. Eine Überschiebung bringt amphibolit-metamorphe Gesteine auf schwach metamorphe Tonschiefer. Diese Phase kann in die untere bis anfangs obere Kreide datiert werden (früh-alpin). Stratigraphische Beobachtungen deuten auf eine N-S gerichtete Extensionskomponente bereits im Eozän. Über das Oligozän und den Beginn des Miozäns fehlen Informationen bezüglich der tektonischen Spannung. Ab dem mittleren Miozän gelangt das Untersuchungsgebiet in den Einflussbereich der North Anatolian Anhand Faultzone (NAF). Deren dextrale Scherdeformation wird einerseits konzentriert durch E-W streichende, dextrale Bruchzonen und andererseits in den Zonen dazwischen durch konju¬ gierte Bruchsysteme (Riedelbrüche) aufgenommen. Im Pliozän verstärkte sich der Einfluss der ägäischen Extensionstektonik auf Westanatolien (Mercier, 1989). Die aufgespaltenen Äste der NAF bilden im Marmara-Meer ein komplexes System von transtensiven Gräben (pull-apart basins) und Horsten (z.B. Armutlu-Halbinsel). Auf der Halbinsel treten NW-SE auf. Die sehr streichende (SW-Teil absenkend) häufig Abschiebungen Bewegungskomponente des fehlenden, konjugierten Systemes, wird vermutlich durch prä¬ existente Blattverschiebungen aufgenommen. Thermalquellen der Armutlu-Halbinsel wurden durch Feldmessungen, chemische Analysen, Gasanalysen und Isotopenanalysen (2H, 3H, 180,34S, 13C, He, Ne) untersucht. Sie lassen sich generell in zwei Gruppen unterteilen: Die 75°C bzw. Yalova und Armutlu weisen Temperaturen zwischen 60 und und einen von Na-, Ca- und SCU-dominierten Chemismus auf (NaCaS04(Cl)-Typ NaCaSCuHCOnCl-Tvp). Da das Sulfat (rund 700 mg/L) aufgrund seiner Isotopen- 1) Die Thermalquellen Zusammensetzung von aus Sulfidmineralien (Metallsuflide) der metamorphen und -3- magmatischen Gesteine stammen muss, können beide Wässer als kristalline Tiefenwässer interpretiert werden. Extrem tiefe HCO3 und CC^-Gehalte im Wasser von Yalova schliessen einen Kontakt mit karbonatischen Gesteinen aus. Das Wasser von Armutlu Gegensatz dazu durch eine intensive, zusätzliche Karbonat-Lösung aus. Wasserisotope deuten auf eine Infiltration von Niederschlagswasser oder Schmelzwasser mit einer Zusammensetzung, wie sie auch heute beobachtet wird. Im Untergrund dürfte das Wasser vorwiegend entlang von Klüften in den kristallinen Gesteinen (Gneise, Amphibolite, Granite und Vulkanite) fliessen. Die Riesszeit ist aufgrund der Tritium-Konzentrationen sicher grösser als 40 Jahre. Die anhand verschiedener Geothermometer ermittelten Reservoir-Temperaturen liegen bei 70 bis 100°C für Yalova und 100 bis 130°C für Armutlu. Der Aufstieg erfolgt konzentriert entlang tektonischer Störungszonen. Die Quellaustritte sind an Intersektionen von Brüchen und Klüften gebunden. In Armutlu treten oberflächliche Mischungen mit Bachwasser auf. zeichnet sich im Die stabilen 2) Die schwach mineralisierten Quellen von Gemlik, Orhangazi, Sogucak und Keramet und werden chemisch durch die Karbonatlediglich Lösung dominiert (CaHCO*-Tvt> bis CJMg(Na)HCO_3(Cl)-Typ). Aufgrund der hydrogeologischen Untersuchungen können diese ergiebigen Quellen als Basisabflüsse von Karstsystemen der Berge nördlich von Gemlik interpretiert werden. Mit Hilfe der stabilen Wasser-Isotope konnten die mittleren Infiltrationshöhen der Wässer abgeschätzt werden. Im Untergrund folgen die Niederschlagswässer den verkarsteten Marmoren und lösen Calcit und untergeordnet Dolomit. Chemische Gleichtgewichts-Berechnungen zeigen, dass die erwärmten Quellen von Gemlik und Orhangazi ein geringfügiges und die stärker mineralisierten Quellen Keramet und Sogucak ein grosses Potential zur Kalkausfällung aufweisen. Die beiden Travertin-bildenden Quellen Sogucak und Keramet dürften durch aufsteigendes CÜ2-Gas beeinflusst werden. Die Tritium-Analysen und die numerischen Modellierungen deuten bei allen Quellen auf eine Mischung zwischen älterem, erwärmtem Wasser der tieferen Karstbereiche und jungem, kaltem Karstwasser, das entlang von offenen Karstkanälen in diese Zonen gebracht wird. Mischungen mit hochmineralisiertem Tiefenwasser spielen, abgesehen von den Quellen Keramet und Sogucak, eine sehr untergeordnete Bedeutung. Der Aufstieg der Wässer erfolgt entlang von Bruchzonen. Bei einigen Quellen treten Mischungen mit untiefem Grundwasser auf. sind zwischen 20 und 37°C Da im Marmara-Gebiet ein warm generell erhöhter Wärmfluss ausgeschlossen werden kann (Überprägung einer grossräumigen Anhäufung von Thermalquellen verantwortlich sein. Geodätische Messungen und Erdeben-Herdlösungen deuten auf eine starke NE-SW gerichtete Extensions-Komponente im heutigen regionalen Spannungsfeld (Schindler et al., 1995). Dadurch werden die tiefreichenden, EW-streichenden Blattverschiebungen der NAF aufgerissen, was zu Zonen erhöhter hydraulischer Durchlässigkeit führt. (Pfister, 1995), muss die neotektonische Konstellation Scherzone durch Extension) für die -4- ABSTRACT Within the framework of the MARMARA-project the thermal Springs of the Armutlu peninsula (Bursa, NW-Turkey) and their geological surroundings have been investigated. The Armutlu peninsula mainly consists of metamorphic rocks. The oldest units are amphibolite metamorphic gneisses and amphibolites. On top of these a thick greenschist meta¬ morphic sequence of meta-volcanites (mainly epidot-chlorite schists) and meta-sediments (mainly quartzites) occurs. Ultramafic rocks, perfectly preserved pillow structures and radiolarites within investigated greenschists. area this a sequence indicate oceanic crust. In the eastern part of the hydrogeologically important marble unit follows on top of the discordantely overlain by a low grade metamorphic flysch unit, by Kaya & Kozur (1987) as Upper Jurassic to Lower Cretaceous. The oldest non-metamorphic rocks are limestone, radiolarite and flysch Sediments of the Upper Cretaceous. A granite pluton intruded into the metamorphic complex during the time between the Upper Cretaceous (end of ductile deformation) and the Lower Eocene (rock boulders in dated flysch). An andesitic volcanism was established in the investigated area after a significant uplift of the rocks. Interbedded flysch Sediments allow a dating of the main volcanic activity as belonging to the Eocene. Evaporitic Sediments in the southeastern part of the peninsula indicate a coastal facies during the Oligocene. The Neogene rocks consist of marls, shallow water limestone, lignite, sand and gravel which are characterized by a big spatial variability in thickness. which was The latter is dated By the means of structural investigations it was possible to distinguish several different phases of ductile and brittle deformation. The youngest, early alpine ductile event is best preserved. It caused an intensive stretching and thrusting in a southeastern direction of the low grade metamorphic rocks. North of Kumla amphibolite metamorphic rocks are thrust on top of low grade metamorphic slates. A certain N-S orientated component of the regional stress field can be assumed during the Eocene. There are no structural informations available on the peninsula for the Oligocene and the early Miocene. The North Anatolian Fault zone (NAF) developed along northern Turkey mainly during middle Miocene (Sengör, 1985). In the Marmara region the NAF is characterised by a rather wide shear zone. The dextral shear defomation takes place on the one hand along E-W orientated dextral faults (Strands of the NAF) and on the other hand along conjugated strike-slip faults (Riedel faults) between these. NE-SW orientated sinistral faults on the peninsula can be explained by a clock wise block rotation of 15 to 40°. The influence of the Aaegean extensional regime increased in western Anatolia during the Pliocene (Mercier, 1989). Between the different Strands of the splitt NAF a complex System of pull-apart basins and horst-zones wase established in the Marmara region. The Armutlu peninsula represents such a horst-zone. On the peninsula NW-SE trending normal faults, which lower the southwestern part, occur frequently. The movement of the missing conjugated System is most probably taken over by pre-existing strike slipe faults. The geodetic measurements and the analysis of fault piain Solutions of the micro-earthquakes indicate a strong extensional component in the regional stress field today. Therefore an opening of the deep reaching strike-slip faults can be expected. This would cause vertical zones of high hydraulic permeability. -5- 1) The thermal Springs of Yalova and Armutlu reach temperatures between 60 and 75 °C. Cheraically the waters can be classified as NaCaSO^CD-type (Yalova) and a NaCaSOaHCO^Cl-tvpe (Armutlu). The isotopic composition of sulphate shows that the sulphur can only originate from sulphide minerals of crystalline rocks. Therefore both spring waters can be interpreted as deep waters of crystalline rocks. The very low HCO3 and CO2 Contents in the water of Yalova exclude the possibility of a contact with carbonate rocks. In Opposition to that the water of Armutlu is strongly influenced by Solution of carbonatic rocks. The stable water isotopes indicate a possible recharge with recent rain and snow melting. In the Underground the water follows most probably joints and fault zones in crystalline rocks. Several different geothermometers indicate reservoir temperatures of 70 to 100°C in Yalova and 100 to 130°C in Armutlu. Since the tritium concentration is below detection limit the residence time of the water has to be longer than 40 years. The to the surface. On the surface the upflowing thermal water follows tectonical fault zones Springs occur mainly at intersections of faults and joints. are affected by the mixing Some of the 2.) The Springs of Gemlik, Orhangazi, Sogucak and Keramet 37°C as warm in Armutlu are only between 20 and and low-mineralised. Due to the in Yalova recent water Springs with creek water. or high discharges the emitted energy is as high Armutlu. The stable water isotopes show that these Springs are part of the cycle. The infiltration ted in the mountain area areas of the Springs of Gemlik and north of Gemlik in altitudes of 600 to 900 Orhangazi m are situa- a.s.1. and 300 to respectively. The waters can be classified as bottom outlets of karstic Systems. In the Underground the water follows the karstified marble unit solving calcite (and dolomite). Therefore chemical composition of all waters is dominated by the ions Ca2+ and HCO3" (CaHCOj-type to CaMg(Na)HCCh(ClVtvpel The Springs Sogucak and Keramet are higher mineralised and precipitate travertine. According to chemical balance calculations the warm Springs of Gemlik and Orhangazi show a slight potential of calcite precipitation which may be the reason for the very low mineralisation. Tritium analysis and numerical finite dement modeling have shown that within the deeper part of the karstic Systems a mixing between hot stagnant water and cold young water occurs. The latter is injected along high permeable karstic Channels. From the karstic System the water follows tectonic fault zones to the surface. At the Springs of Gemlik ilipinar and Orhangazi ilipinar superfical mixing processes take place. 600 3.) m At more a.s.l. Adliye (S of Gemlik) a highly mineralised than water can which are cold mineral water spring occurs. The NaCl-type of water is the sea water. The isotopic investigations showed that this be explained neither by recent nor by fossil sea water. Most likely salt deposits, solved by meteoric water, occur in the evaporites of this regions. occurence of thermal Springs the peninsula major faultzones (Yalova, Armutlu) or karstic features (Gemlik, Orhangazi, Sogucak, Keramet). Since the geothermal heat flow is not generally increased in the Marmara region (Pfister, 1995) the occurence of such a high number of thermal Springs must be explained by tectonical fracturing of the Underground. The superimposing of the deep reaching strike slip faults of the NAF by a strong NE-SW orientated extension causes zones of high hydraulic permeability which are necessary for the upflow of the thermal water. The on is related to intersections of