3.Teil Die Reformation und ihre Folgen

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3.Teil Die Reformation und ihre Folgen
1. Kaiser und Reich um 1500
Das "Heilige Römische Reich deutscher Nation" hatte diesen Namen, weil die deutschen Könige
seit Otto I. (936-973) auch den Titel eines "römischen Kaisers" führten. Aber der Kaisertitel
bekamen sie, nachdem sie von den Kurfürsten gewählt und vom Papst gekrönt worden waren.
So war es in der Reichsverfassung von 1355/56, der "Goldenen Bulle", noch einmal bestätigt
worden. Als im Jahre 1519 Kaiser Maximilian I. starb, gab es plötzlich zwei Bewerber (candidat)
um die Kaiserkrone: Karl, den Enkel des verstorbenen Kaisers, und den französische König
Franz I. Wie wurde der Streit um die Kaiserkrone entschieden?
Ein Kaiser aus Frankreich oder Österreich? - Seit dem Jahr 1452 hatte immer ein Herrscher
aus dem österreichisch-deutschen Haus Habsburg die Kaiserkrone getragen. KarI war Graf von
Burgund und Fürst der Niederlande, seit 1516 auch König von Spanien und seinen
überseeischen Gebieten, er war König von Neapel und Sizilien. Und nun, nach dem Tod
Maximilians I., war er der Erbe des mächtigen Reiches der Habsburger.
Der französische König Franz I., der damals auch Herzog von Mailand war, hatte sich ebenfalls
um die Kaiserkrone beworben (poser sa candidature). Denn er wollte nicht, dass die Habsburger
noch eine grössere Macht hatten und dass habsburgische Länder Frankreich einkreisten
(encercler). Papst Leo X. unterstützte Franz I. bei seiner Bewerbung um die Kaiserkrone.
Karl V. (1500 -1558)
Franz I. (1494 1547)
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Zugeständnisse (concession) an die Kurfürsten - Beide Bewerber versuchten, die Kurfürsten
auf ihre Seite zu ziehen. Die Kurfürsten versuchten ihre Rechte und die territoriale Macht in
ihren Fürstentümern gegen den Kaiser zu stärken. Gleichzeitig wollten sie den Machtanspruch
(prétention au pouvoir) des Papstes zurückdrängen (repousser). Konnte ihnen das gelingen?
Im Juni 1519 kam es zur Kaiserwahl. Die Kurfürsten wählten den Habsburger zum Kaiser Karl
V., denn sie wussten, dass auch er gegen den Machtanspruch des Papsts war. Karl hatte aber
auch für die Wahl fast eine Million Goldgulden Bestechungsgeld (pot-de-vin) gezahlt, das ihm
zum größten Teil das Bankhaus Fugger geliehen hatte. Karl V. hatte den Kurfürsten und
Reichsständen versprochen, ihre Rechte zu wahren (préserver) und ohne ihre Zustimmung
weder ein Heer im Reich aufzustellen noch Steuern zu erheben. Aufgrund (en raison de) dieser
Zugeständnisse war er zum Kaiser gewählt worden. Die Fürsten hatten die Doppelbewerbung
zu ihrem Vorteil nutzen können: Die Macht des Kaisers wurde weiter eingeschränkt und das
eigene Mitspracherecht (droit de regard) vergrössert
.
2. Die römische Kirche um 1500
Als Vertreter (représentant) Gottes auf Erden beanspruchten (revendiquer) der Papst und die
Kirche die umfassende geistliche Herrschaft. Seit dem 10. Jahrhundert forderte die Kirche auch
in weltlichen Dingen einen Führungsanspruch. Für die Menschen des Mittelalters war die Kirche
eine selbstverständliche Autorität. Doch um das Jahr 1500 war die Kirche selbst in einer Krise.
Wie sah diese Krise aus?
Krise der Kirche - Seit 1378 stritten sich Päpste in Rom und Gegenpäpste in Avignon um den
Heiligen Stuhl. Diese Spaltung (Lat.: Schisma) Iastete (peser) schwer auf der Kirche. Jeder
Papst verlangte ungeteilte Ergebenheit (dévouement); die Menschen mussten sich für einen von
ihnen entscheiden.
Viele Bischöfe waren vom Kaiser zu Reichsfürsten eingesetzt worden, sodass sie über große
Ländereien und Steuereinnahmen verfügten. Auch Domherren sowie Äbte von Klöstern
besaßen einträgliche Pfründe (fonction lucrative). Doch viele Kirchenfürsten missbrauchten
(abuser) diese privilegierte Stellung: Der Kauf und Verkauf von geistlichen Ämtern war üblich (la
coutume) geworden. Mit Härte trieben sie von Bauern und Handwerkern Zehnten aller
Ernteerträge oder Verdienste ein. Um die kirchlichen Aufgaben kümmerten sie sich aber nicht.
Die überließen sie den ärmlichen, schlecht ausgebildeten "Leutpriestern".
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Die Kritik an diesem Amtsmissbrauch vieler Kirchenfürsten und des Papstes blieb nicht aus. Die
schärfsten Kritiker kamen aus der Kirche selbst. Einer davon war der böhmische Prediger Jan
Hus (ca. 1370-1415). Er sah die Bibel als einzige Grundlage des Glaubens. Geistliche, die zu
weltlich lebten, sollten nicht länger kirchliche Ämter besitzen.
Das
Konzil
von
Konstanz
-
1414
beriefen
die
Kirchenfürsten
ein
Konzil
(=
Kirchenversammlung) nach Konstanz ein (convoquer), um für die Kirche eine "Reform an Haupt
und Gliedern" zu beginnen. Mit der Wahl eines neuen Papstes konnte die Spaltung der Kirche
beendet werden, aber die Ideen zur Reform wurden nicht verwirklicht (réaliser). Auch Jan Hus
war auf dem Konzil. Der Kaiser hatte ihm freies Geleit (sauf-conduit) zugesichert, damit er seine
Lehre selbst vortragen konnte. Doch das Konzil verurteilte (condamner à) ihn zum Tod auf dem
Scheiterhaufen (bûcher).
Jan Hus wird nach dem Konzil von Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt
Die Frömmigkeit (piété) der Menschen – Für die einfachen Menschen des Mittelalters hatte
die Religion eine sehr große Bedeutung. Der Mittelpunkt ihres Lebens war, das Erlangung des
Seelenheils (salut de l’âme) zu erreichen. Nach der Lehre der Kirche war das harte Leben
gottgewollt. Wenn die Menschen fromm lebten und Busse (penitence) für begangene Sünden
(pèché) taten, konnten sie das Seelenheil und damit nach ihrem Tod einen Platz im Paradies
erreichen.
Auf Wallfahrten (pèlerinage) wollten die Menschen Buße tun für ihre Sünden oder auch um
Gottes Hilfe bitten. Die gläubigen Pilger nahmen lange und mühsame Wege zu heiligen Stätten
(lieu) auf sich, z. B. zum Grab des hl. Petrus in Rom oder nach Jerusalem zum Grab Christi.
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Wallfahrt zur Kapelle der hl. Maria in Regensburg (Holzschnitt 1519)
Die Verehrung von Reliquien (= Knochen oder Kleidungsstücke eines als heilig verehrten
Menschen) erlebte eine Blüte. Vom Besitz einer Reliquie oder der Reise an eine Stätte, wo
Reliquien verehrt wurden, versprachen sich die Menschen Schutz durch den Heiligen.
Es war aber auch möglich, Geld an die Kirche zu bezahlen. So bekamen sie einen Ablassbrief
(indulgence), und alle Sünden und die Bussen waren vergeben (pardonner). Die Leute konnten
auch gegen Geld Messen für Verstorbene lesen lassen, so konnten sie auch einen Platz im
Paradies finden. Bald gab es einen grossen Handel mit solchen Ablassbriefen. Welches waren
die Ursachen dafür?
Ablassbriefe: Geldquellen der Kirche - Der aufwendige (coûteux) Lebensstil vieler
Kirchenfürsten und auch der Bau neuer Kirchen und Klöster verschlang (engloutir) viel Geld.
Die Ablassbriefe waren daher eine willkommene Einnahmequelle (source de revenus) für die
Kirche. Selbst für die schwersten Verbrechen konnte man sie kaufen. Ein Ablassbrief Eltern- und
Geschwistermord kostete zum Beispiel 7 Dukaten. Als der Papst zu Beginn des 16.
Jahrhunderts einen Neubau der Peterskirche in Rom plante, wurde der "St.-Peter-Ablass" zu
einem besonders hohen Preis verkauft.
Ablasshandel im Reich Auch viele weltliche Fürsten beteiligten sich an (partriciper à) dem
Handel mit Ablässen. Als Papst Leo X. 1515 den Ablassbrief zum Bau der Peterskirche
erneuerte, ließ er ihn durch Albrecht von Brandenburg in Norddeutschland verkaufen. Die
erhofften Erlöse (recette) von 60000 Gulden wollten Albrecht und der Papst sich teilen.
Seit Anfang des Jahres 1517 zog der Mönch Johannes Tetzel im Auftrag (sur ordre de)
Albrechts durch die brandenburgischen Lande, um die "heilige Ware" möglichst schnell zu
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Ablasshandel. Holzschnitt von Lukas Cranach, 1521
verkaufen. Tetzel verband religiöse Inhalte mit seinem Talent als Schauspieler und Händler.
Seine Ankunft in einer Stadt hatte etwas vom Einzug (arrivée) eines Zirkus. Zu ihm kamen auch
Gläubige aus anderen Gegenden, zum Beispiel aus Wittenberg in Kursachsen, obwohl Friedrich
der Weise in seinem Herrschaftsgebiet den Verkauf von Ablassbriefen verboten hatte.
3. Luther: Gibt es einen gnädigen Gott?
Auf der einen Seite gab es um 1500 eine große Volksfrömmigkeit; auf der anderen Seite
waren in der Kirche selbst viele Missstände zu beklagen. Zwar gab es auch Kritiker, aber lange
Zeit änderte sich an den kirchlichen Missständen in Deutschland nichts. Doch dann trat in
Wittenberg ein weiterer Kritiker mit Namen Martin Luther auf. Wer war Luther und welche
Folgen hatte seine Lehre für die Kirche und für die Menschen?
Martin Luther in Wittenberg - 1483 wurde Martin Luther in Eisleben geboren. Seine Großeltern
waren Bauern, sein Vater war Besitzer einer kleinen Kupfermine. Das Jurastudium in Erfurt
beendete er nicht. Statt dessen wurde er gegen den Willen des Vaters Augustinermönch.
Bereits 1512 ging er als Professor an die neu gegründete Wittenberger Universität. Es gehörte
dort zu seinen Aufgaben, Vorlesungen über die Bibel zu halten (faire des cours).
Luther konnte nicht glauben, dass "äußere" Werke den Christen das Seelenheil bringen
könnten. Zu seiner Lehre gehörte, dass die Vergebung (pardon) der Sünden und die Gnade
(grâce) Gottes für die Menschen allein vom Glauben der Menschen abhängen. Mit seiner
Lehre wollte Luther den Widerspruch (contradiction) zwischen den Erwartungen der Gläubigen
und den Versprechungen der Kirche zur Diskussion stellen.
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Der Streit um den Ablasshandel - Luther geriet in einen Konflikt, als Gläubige mit ihren
Ablassbriefen zu ihm in die Beichte (confession) kamen. Die hatten sie bei Tetzel in
benachbarten brandenburgischen Gebieten gekauft. Wie verhielt sich Luther?
Ehrliche Reue (regret) war für diese Gläubigen scheinbar (apparemment) nicht mehr notwendig,
da sie ihren Sündenerlass bereits erkauft hatten. Doch Luther erkannte die Ablassbriefe nicht an
(reconnaître) und berief sich dabei auf (se référer à) die Heilige Schrift. Er veröffentlichte am
31. Oktober 1517 in Wittenberg 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasshandels
durch die Kirche. Er hatte seine Thesen in lateinischer Sprache verfasst, wie es damals alle
Gelehrten taten. Er wollte zuerst die Gelehrten und Geistlichen zur Diskussion aufrufen.
Martin Luther 1483-1546. Der Thesenanschlag an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg ist nicht belegt.
Vermutlich hat Luther seine Thesen in einem Schreiben an die kirchlichen Oberen festgehalten.
Aus Luthers 95 Thesen, 1517:
1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: "Tut Buße" usw., hat er gewollt, dass das
ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
5. Der Papst will und kann keine Strafen erlassen, außer solchen, die er auf Grund [ ... ] der
kirchlichen Satzungen auferlegt hat.
21. Deshalb irren jene Ablassprediger, die sagen, dass durch die Ablässe des Papstes der
Mensch von jeder Strafe frei und los werde.
24. Deswegen wird zwangsläufig ein Großteil des Volkes durch jenes in Bausch und Bogen
großsprecherisch gegebene Versprechen des Straferlasses getäuscht.
36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlass von Strafe und Schuld,
auch ohne Ablassbrief.
62. Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und
Gnade Gottes.
(In: Plöse, 0., und Vogler, G. (Hg.): Buch der Reformation, Berlin 1989, S. 154 ff. Gekürzt)
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Luther im Konflikt mit der Kirche - Die Unsicherheit der Menschen in Glaubensfragen und ihr
Interesse an verständlichen Erklärungen der Bibel bewirkten, dass die Schriften Luthers in
kürzester Zeit in deutscher Sprache gedruckt und verbreitet (diffuser) wurden. Die Kirche
fühlte sich provoziert; der Papst wollte 1518 einen Glaubensprozess gegen Luther in Rom
beginnen. Doch der wandte der sich um Hilfe an seinen Landesfürsten, den sächsischen
Kurfürsten Friedrich den Weisen. Kurfürst Friedrich entschied, dass Luther erst einmal in
Augsburg von einem bedeutenden Theologen der Kirche, von Kardinal Cajetan, verhört
(interroger) werden sollte.
Der Papst bemühte sich gerade zu dieser Zeit darum, den sächsischen Kurfürsten für die
Kaiserwahl von 1519 auf seine Seite zu ziehen und für Franz l. von Frankreich zu gewinnen.
Papst Leo X. verzichtete daher auf das Erscheinen Luthers in Rom und akzeptierte vorerst, dass
der Kurfürst Martin Luther schützte.
Verhör Luthers durch den Kardinal Cajetan in Augsburg 1518
Luther wich in dem Augsburger Verhör 1518 jedoch nicht von seinem Standpunkt (point de vue)
ab (s’écarter de). Er forderte nun seinerseits die Einberufung eines Konzils, auf dem die
Glaubensfragen diskutiert werden sollten. Kurze Zeit später behauptete Luther während einer
Disputation (= Streitgespräch) mit dem Theologen Johannes Eck sogar, dass der Papst und die
Konzilien sich schon mehrfach geirrt hatten und nicht unfehlbar (infaillible) sind, zum Beispiel
in Konstanz bei der Verurteilung des Jan Hus. Jetzt musste der Papst reagieren, um seine
Autorität unter Beweis zu stellen (prouver).
Luther wird verurteilt - Im Sommer 1520 drohte Leo X. den Kirchenbann gegen Luther an. Er
forderte ihn auf, binnen 60 Tagen zu widerrufen. Doch Luther hielt an seiner Lehre fest. Er
wurde jetzt als Ketzer (= von der Kirche Abgefallener) (hérétique) angesehen, und im Januar
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1521 erging die päpstliche Bannbulle (bulle d’excommunication) gegen ihn. Luther war damit
exkommuniziert (aus der Kirche ausgeschlossen).
4. Luthers Lehre - zwischen Landesherren und Kaiser
Nachdem der Papst den Kirchenbann über Luther gesprochen hatte, war der Kaiser nach der
Reichsverfassung verpflichtet (obligé), über Luther die Reichsacht zu verhängen (frapper de
proscription). Das bedeutete, er war vogelfrei (hors la loi). Wie konnten Luther und seine Lehre
dennoch bestehen (sortir vainquer)?
Der Reichstag in Worms - Karl V. konnte aber nicht ohne weiteres die Reichsacht gegen
Luther verhängen. Er hatte bei seiner Wahl zum Kaiser den Reichsständen das Mitspracherecht
bei der Reichsacht zugestanden (concéder). Und der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise
sowie andere Kurfürsten und freie Reichsstädte unterstützten Luthers Ideen.
Der Kaiser selbst war fest entschlossen, die Einheit der römisch-katholischen Kirche zu
erhalten. Dennoch musste er Luther 1521 zum Reichstag in Worms vorladen und anhören. Die
Reise von Wittenberg nach Worms war für Luther ein Triumphzug. Am 17./18. April 1521
erschien er vor dem Kaiser und dem versammelten Reichstag.
Auch in Worms verweigerte Luther unter Berufung auf den Text der Bibel und sein Gewissen als
Christ den geforderten Widerruf. Daraufhin wurde er vom Reichstag verurteilt. Das vom Kaiser
eigenhändig erlassene Wormser Edikt sah die Gefangennahme Luthers und die Verbrennung
seiner Schriften vor. Der sächsische Kurfürst suchte nach einer Lösung für Luther, der noch 21
Tage freies Geleit vom Kaiser zugesichert bekommen hatte. Friedrich der Weise ließ ihn zum
Schein (faire semblant de) entführen (enlever) und unerkannt auf die Wartburg bringen. Hier
lebte er mehrere Monate unter dem Namen Junker Jörg
Nicht alle Kurfürsten und Reichsstände hatten der Reichsacht Luthers zugestimmt. Mit ihrer
Unterstützung Luthers während des Reichstages zeigten sie, dass sie in ihren Territorien selbst
entscheiden und sich gegenüber dem Kaiser behaupten (s’imposer face à) wollten. In ihren
Ländern wurde das Wormser Edikt nicht umgesetzt (appliquer). Führte Luthers Lehre zum
Konflikt zwischen Kaiser und Reichsständen und zur Spaltung (scission) der Kirche?
Reformierte Gemeinden entstehen - Luthers Anschauung hatte sich schon vor dem Wormser
Edikt zu eigenen Glaubensbewegung, der Reformation, entwickelt. In vielen nord- und
mitteldeutschen Gebieten schlossen sich die Menschen der neuen Lehre (doctrine) an. Welche
Folgen hatte das?
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Luthers Lehre war, dass die Kirchengemeinden die Kirche erneuern sollten. Diese wählten jetzt
ihre Priester selbst und stellten die Worte der Bibel in den Mittelpunkt des Gottesdienstes. Die
katholischen Kirchengüter wurden beschlagnahmt (saisir) und die Klöster wurden aufgelöst. Der
Gewinn wurde oft für kirchliche und schulische Zwecke in den reformierten Gemeinden
verwendet. Die Gläubigen sollten die Missstände in der Kirche beseitigen. Doch bald schon
übernahmen die Landesfürsten die Leitung der neu zu organisierenden Kirche. Denn mit dem
Besitz der ehemals katholischen Kirchengüter wuchs ihre Macht gegenüber Kaiser und Papst.
Luther und die deutsche Sprache – Die Bibel war für Luther und seine Anhänger die wahre
Grundlage des Glaubens. Damit alle Gläubigen den Text der Bibel verstehen konnten, nutzte
Luther die Zeit auf der Wartburg, um die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen. Dabei
schuf er eine anschauliche (clair) und doch gehobene (soutenu) Umgangssprache, die die
meisten Deutschen verstanden und die Grundlage der deutschen Sprache wurde.
5. Die Glaubensspaltung im Heiligen Römischen Reich
Nach der Verurteilung Luthers und seiner Anhänger durch das Wormser Edikt von 1521 hatten
sich zwei politische Lager gebildet: auf der einen Seite die geistlichen sowie weltlichen Fürsten
und Städte, die das Edikt umsetzten (appliquer) und den katholischen Kaiser unterstützten. Auf
der anderen Seite standen die lutherischen Fürsten und Städte unter Führung der Kurfürsten
Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen. Welche Folgen hatte diese
Lagerbildung?
Die Anhänger Luthers protestieren - Kaiser Karl V. führte in der Zeit nach 1521 zahlreiche
Kriege mit Frankreich sowie gegen die Türken. Meist hielt er sich außerhalb Deutschlands auf
(séjourner). Da er auf die Unterstützung der deutschen Fürsten angewiesen war (dépendant de),
vermied (éviter) er einen offenen Konflikt und musste in der Religionsfrage nachgeben (céder).
Auf einem Reichstag 1526 in Speyer einigte man sich darauf, dass jeder Landesfürst in seinem
Land die Religion frei bestimmen konnte. Doch schon drei Jahre später, 1529, wollte der streng
katholische Karl V. die Anwendung des Edikts von Worms in allen Teilen des Reiches
durchsetzen (imposer) und die Lehre Luthers endgültig verbieten.
Dagegen protestierten mehrere Fürsten sowie 14 Reichsstädte. Sie wurden "protestantische
Stände" genannt. Daher stammt auch der bis heute gebräuchliche Name "Protestanten" für
Christen, die nicht der römisch-katholischen Kirche angehören.
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Der Konflikt spitzt sich zu (s’aggraver) - 1530 kam Karl V. zurück nach Deutschland, um die
drohende religiöse Spaltung abzuwenden. In Augsburg eröffnete er einen Reichstag. Die
protestantischen Stände legten die "Confessio Augustana" (= Augsburger Bekenntnis) vor, mit
der sie zwar die Lehre Luthers verteidigten, aber auch eine Lösung des Konflikts suchten. Doch
die Gegensätze (différences) ließen sich nicht überbrücken (concilier). Karl befahl den
Anhängern Luthers, zum katholischen Glauben zurückzukehren.
Überreichung des Augsburger Bekenntnisses an Kaiser Karl V. auf dem Reichstag von 1530
Der Schmalkaldische Krieg - Während der Kaiser erneut einen Krieg gegen Frankreich führte,
schlossen die evangelischen Reichsstände 1531 einen Bund, um sich dem Kaiser und seiner
kompromisslosen Religionspolitik widersetzen (résister à) zu können: den Schmalkaldischen
Bund. Erst 1544, nach seinem Sieg über Frankreich, reagierte Karl V. auf die gegen ihn
gerichtete Bedrohung. Sein Ziel war, die Macht der protestantischen Fürsten zu brechen und sie
unter die Herrschaft des Kaisers zu zwingen. Mit welchen Mitteln verfolgte er sein Ziel?
Karl V. verhandelte (négocier) zunächst mit einzelnen Fürsten. Es gelang ihm, den Herzog
Moritz von Sachsen, den Schwiegersohn des sächsischen Kurfürsten, durch Versprechungen
auf seine Seite zu ziehen. Damit hatte er in Sachsen selbst einen Verbündeten gegen den
sächsischen Kurfürsten und Führer der protestantischen Stände gewonnen. Dann begann der
Kaiser den Schmalkaldischen Krieg gegen die Kurfürsten Sachsens und Hessens.
Bei Mühlberg an der EIbe kam es 1547 zur Entscheidungsschlacht. Kurfürst Johann Friedrich
von Sachsen wurde mit anderen protestantischen Fürsten gefangen genommen. Damit hatte der
Kaiser fürs Erste gesiegt. Die Macht der protestantischen Reichsstände schien gebrochen.
Moritz von Sachsen erhielt für seine Unterstützung die Kurfürstenwürde.
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Schlacht bei Mühlberg an der Elbe, 1547
Die Reichsstände, ja sogar einige katholische Fürsten, befürchteten nun, dass die Macht des
Kaisers nach seinem Sieg über die protestantischen Fürsten zu groß werden konnte. Auch der
neue Kurfürst Moritz von Sachsen verbündete sich 1551 mit der Fürstenopposition. Sie
schlossen ein Geheimbündnis gegen Karl V. mit dem französischen König und zogen erneut
gegen den Kaiser zu Felde (faire campagne contre).
Karl V. musste nun doch Zugeständnisse (concession) an die Protestanten machen. Auch sein
Ziel von einem christlichen Universalreich musste er endgültig fallen lassen. Er übergab 1556
die Regierungsgeschäfte seinem Bruder und Nachfolger Ferdinand.
Der Religionsstreit wird beendet – Ferdinand I. suchte den Ausgleich mit den Fürsten und
wollte den Religionskonflikt beenden. 1555 berief er einen weiteren Reichstag nach Augsburg
ein. Dort vereinbarten (convenitr) die katholischen und protestantischen Reichsstände einen "für
ewig währenden Religionsfrieden", den Augsburger Religionsfrieden. Fortan (dorénavant)
galt,
- dass die katholische und die lutherische Lehre gleichberechtigt sind,
- dass die Landesherren über die Religion in ihrem Gebiet selbst entscheiden konnten; die
jeweiligen Untertanen mussten sich dem anschließen,
- dass die verstaatlichten Kirchengüter im Besitz der protestantischen Landesherren blieben.
Diese Einigung war ein religiöser Kompromiss, der gleichzeitg die Stellung der Landesfürsten
weiter stärkte.
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6. Das Zeitalter der Konfessionen in Europa
Auch in anderen Ländern Europa gab es im 16. Jahrhundert Reformatoren, die ähnliche Lehren
wie Luther vertraten. In welchen Ländern konnte sich die Reformation durchsetzen?
Reformation in der Schweiz - Erste reformatorische Veränderungen bewirkte der Prediger
Ulrich Zwingli in Zürich. Mit der Unterstützung des Rates der Stadt errichtete (instaurer) er
zwischen 1523 und 1525 eine "Kirche der Bürger". Das Leben in der Stadt Zürich wurde nach
strengen christlichen Regeln organisiert.
Nach Zwinglis Tod schlossen sich seine Anhänger der Glaubenslehre des Reformators
Johannes Calvin an (se joindre à). In Genf hatte Calvin mithilfe des Rates der Stadt 1541 eine
Kirchengemeinde nach seinen Regeln geschaffen. Die Kirchenordnung der Calvinisten regelte
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nicht nur die religiösen Dinge, sondern auch das ganze öffentliche und private Leben der
Bürger. Wirtshausbesuche, Glücksspiele, Tanzvergnügungen oder teurer Schmuck waren
verboten. Man führte sogar Hauskontrollen durch. Wer gegen die Regeln verstieß
(transgresser), wurde hart bestraft.
Im "Gottesstaat" Calvins sollten die sozialen Unterschiede zwischen den Bürgern gering sein.
Auch die Spitäler und Schulen waren für alle da. Aber es gab keine Toleranz gegen
Andersdenkende. Anhänger der Lehren Luthers oder Calvins gab es bald auch in den
Niederlanden und den skandinavischen Ländern. In England und Schottland nannten sich die
Anhänger Calvins Puritaner (Dt.: "die Reinen"), in Frankreich Hugenotten.
Hugenotten in Frankreich - Calvin war gebürtiger (de naissance) Franzose. Zu den
Hugenotten hielt er daher enge Verbindungen. Anfangs waren es Handwerker und
wohlhabende Kaufleute, die sich der Lehre Clavins angeschlossen hatten. Doch kamen bald
auch Adlige hinzu, die im Gegensatz zum französischen König standen und eine
Machterweiterung des katholischen Königs verhindern wollten.
Die religiösen Gegensätze lösten auch in Frankreich blutige Kämpfe aus. Sie konnten erst 1598
durch König Heinrich IV. mit dem Edikt von Nantes beendet werden. Darin wurde die
katholische Religion als die herrschende bestätigt, aber den Hugenotten wurde weitgehende
Religionsfreiheit zugestanden (concéder).
Verändert sich die katholische Kirche? Die Missstände in der katholischen Kirche hatten zur
Reformation und schließlich
zur Anerkennung der protestantischen Religion geführt. Wie
reagierte die katholische Kirche auf die von den Reformatoren beklagten Missstände?
Das Konzil von Trient - Der Papst berief ein Konzil (= Versammlung der Bischöfe) in die
norditalienische Stadt Trient ein (1545-1563). Auch die Fürsten Europas lud er. ein Durch
Reformen in der katholischen Kirche sollten wirksame Maßnahmen gegen die Ausbreitung
der Reformation in Europa eingeleitet werden. So wurde unter anderem beschlossen:
•
Die Bibel und die Lehre der Kirchenväter sind die Grundlage des Glaubens.
•
Nur die Kirche hat das Recht, die Bibel auszulegen (interpréter).
•
Der Ablasshandel wird verboten.
•
Der Papst allein leitet die Kirche. Beschlüsse des Konzils sind nur gültig (valable), wenn
der Papst sie bestätigt.
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Konzil von Trient
7. Der Dreißigjährige Krieg 1618 -1648
Im 16. Jahrhundert hatten die deutschen Reichsstände gegen den Kaiser durchsetzen können,
dass allein sie über die Religion in ihren Gebieten entscheiden konnten. Neben der
Religionsfrage ging es aber vor allem um die Machtverhältnisse im Reich: Im Augsburger
Religionsfrieden von 1555 hatten die Landesherren ihre territoriale Selbstständigkeit gegen den
Kaiser stärken können. Doch Anfang des 17. Jahrhunderts brach der Konflikte erneut auf. Die
Folge war der Dreißigjährige Krieg. Welche Auswirkungen hatte der Krieg und wie konnte er
beendet werden?
Konflikte in Böhmen - Kaiser Ferdinand II. war seit 1617 auch König von Böhmen. Gleich zu
Beginn seiner Regentschaft (règne) hatte er den böhmischen Reichsständen verbriefte (garanti
par écrit) politische und religiöse Freiheiten verweigert (refuser). Dagegen revoltierte der
böhmische Adel: Er erklärte Ferdinand II. für abgesetzt und wählte Friedrich von der Pfalz zum
neuen König von Böhmen. Zuvor hatte der böhmische Adel sich der Zustimmung (aval) der
Protestantischen Union, eines Schutzbundes protestantischer Fürsten und Reichsstädte,
versichert (s’assurer).
Ferdinand II. setzte seine habsburgische Hausmacht gegen den böhmischen Adel ein.
Militärische Unterstützung erhielt er von der katholischen Liga, einem Bündnis katholischer
Fürsten, Bischöfe und Äbte, sowie vom habsburgisch regierten Spanien. 1620 siegte das
kaiserliche Heer. Der böhmische Adel wurde vom Kaiser entmachtet (renverser) und ganz
Böhmen
musste
wieder
den
katholischen
Glauben
annehmen.
Die
Truppen
der
Protestantischen Union hatten sich in diesen Konflikt bis jetzt nicht eingemischt.
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Der Kaiser will die Restauration - 1620 ließ der Kaiser das Heer der katholischen Liga von
Böhmen aus gegen die protestantischen Gebiete Mittel- und Norddeutschlands vorrücken
(marcher). Er wollte die Rekatholisierung auch diesen Gebiete einleiten und die Macht der
Fürsten brechen.
Nun kam es zu einem grossen Militärbündnis der Fürsten gegen den Kaiser. Auch die Könige
von Dänemark, Schweden, Frankreich und Spanien griffen mit Truppen und finanzieller
Unterstützung in den Krieg ein (intervenir). Die protestantischen Fürsten wollten weder die
konfiszierten früheren Bischofssitze und Klöster verlieren noch die gegen den Kaiser erstrittene
Macht in ihren Territorien preisgeben (abandonner). Dem Dänenkönig ging es um die Kontrolle
der
norddeutschen
Hansestädte.
Der
schwedische
König
fürchtete
einen
weiteren
Machtzuwachs des Kaisers und sah die eigene Vormacht im Ostseeraum bedroht. Und
Frankreich bemühte sich bereits seit langem, die territoriale Umklammerung (étreinte) durch die
Habsburger, die im deutschen Reich, in Spanien, in den spanischen Niederlanden und in Teilen
Italiens herrschten, zu durchbrechen und die Macht des Kaisers zu schwächen.
Soldaten plündern ein Dorf. Illustration von Jacques Callot, 1633
Ein Friedensschluss nach 30 Jahren Krieg - Die Söldnerheere zogen marodierend kreuz und
quer (dans tous les sens) durch Deutschland. Aufgrund direkter oder indirekter Kriegsfolgen
verlor ein Drittel der Bevölkerung das Leben. Da keine der Kriegsparteien einen Sieg erringen
konnte, schlossen sie 1648 den Westfälischen Frieden. Darin wurden:
•
die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 bestätigt (confirmer)
•
und die Stellung der deutschen Reichsstände gegen den Kaiser weiter gestärkt.
•
Die Schweiz und die Niederlande schieden aus dem Gebiet des deutschen Reichs aus
(quitter) und wurden selbstständige Staaten. Schweden erhielt Vorpommern und das
Herzogtum Bremen; Frankreich gewann Gebiete in Lothringen.
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