Therapiekonzept - Hellweg

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Therapiekonzept
Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Januar 2013
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor Ihnen liegt die aktuelle Fassung des Therapiekonzeptes der Hellweg-Klinik Oerlinghausen, Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin.
In dem vorliegenden Therapiekonzept wird die ärztlich-therapeutische Arbeit der Mitarbeitenden der Hellweg-Klinik Oerlinghausen beschrieben. Dazu werden zunächst die wissenschaftlichen Grundannahmen skizziert, auf denen das Krankheits- und Therapiekonzept beruht.
Unser Therapiekonzept ist das Ergebnis aus einem fortlaufenden Diskussions- und Verbesserungsprozess. Als Grundlage dient unsere 45-jährige Erfahrung in der stationären
Entwöhnungsbehandlung, die ergänzt wird durch die aktuellen Forschungsergebnisse aus
dem Bereich der Grundlagenforschung und den aktuellen Therapieleitlinien. Ganz wertvolle Hinweise für das Therapiekonzept ergaben sich aus dem kontinuierlichen Diskussionsprozess mit Fachleuten aus den verschiedensten Bereichen der Suchtkrankenhilfe.
Unser Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit unseren Fragen und Antworten
konstruktiv kritisch auseinandergesetzt haben und selbstverständlich den Patienten der
Hellweg-Klinik Oerlinghausen, die durch ihr mutiges Beispiel zur Entwicklung dieses Therapiekonzeptes beigetragen haben. Die Autoren dieses Therapiekonzeptes fassen die Erfahrungen und Kompetenzen der Mitarbeitenden der Hellweg-Klinik Oerlinghausen zusammen, denen der Dank für diese Arbeit und für die alltägliche Arbeit mit den Suchtpatienten gilt.
Oerlinghausen, Januar 2013
Dr. med. Solmaz Golsabahi-Broclawski
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Suchtmedizinische Grundversorgung
Ärztliche Direktorin der Hellweg-Kliniken
Alexander Schweppe
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Facharzt für Allgemeinmedizin
Stellvertretender Direktor der Hellweg-Kliniken
Heike von Loh
Geschäftsführerin
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Inhaltsverzeichnis
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Wissenschaftliche Grundannahmen des Therapiekonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . 6
II.1 Kurzer Überblick über den derzeitigen Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
II.1.1 Medizinischer Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
II.1.2 Psychologisch-psychotherapeutische Theorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
II.2 Persönlichkeitsmodelle, bzw. Erklärungsmodelle menschlichen Verhaltens . . . 8
II.3 Erklärungsmodell der Abhängigkeitserkrankung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
II.4 Gesundheitsmodell der WHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
II.5 Entwicklung der Abhängigkeitserkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
II.6 Therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Definition, Symptome und Folgen der Abhängigkeitserkrankung . . . . . . . . . . 22
III.1 Indikationsspektrum Hellweg Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Therapie der Abhängigkeitserkrankung im Behandlungsverbund . . . . . . . . . 26
IV.1 Kombinationsmodelle der Deutschen Rentenversicherung Bund . . . . . . . . . . . . 27
Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
V.1 Organisationsstrukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
V.2 Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
V.3 Therapiebausteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
V.3.1 Suchtmedizinische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
V.3.2 Psycho-Soziotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
V.3.2.1 Bezugstherapeutensystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
V.3.3 Handlungsorientierte Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
V.3.4 Diakonische Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
V.3.5 Rückfallkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
V.4 Kombitherapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
V.4.1 Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Kommunikationsstrukturen der Klinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Entscheidungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Raumsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Therapie- und Hausordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
-3-
I. Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist eine
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin und stellt 100 stationäre Behandlungsplätze zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter zur Verfügung. Träger der Klinik ist das Ev. Johanneswerk in Bielefeld. Die Klinik ist eine
Einrichtung der Diakonie. Der federführende Leistungsträger ist die Deutsche
Rentenversicherung Bund.
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen begann
1966 ihre therapeutische Arbeit und liegt in
landschaftlich reizvoller Lage am Rande des
Teutoburger Waldes und gehört zum Kreis
Lippe. Das Klinikgelände liegt am Rande des
Naturerholungsgebiet Senne und umfasst
ca. 9,37 ha. Die Patienten wohnen in Einzelund Doppelzimmern. Das stationäre Behandlungsangebot (medizinische Rehabilitation) ist geeignet für entgiftete alkoholund medikamentenabhängige Männer. In
bestimmtem Umfang können gleichzeitig
bestehende psychiatrische Kormorbiditäten
und somatische Begleiterkrankungen mitbehandelt werden. Darüber hinaus können
polytoxikomane Männer, bei denen die Einnahme der illegalen Droge Heroin nicht im
Vordergrund steht, behandelt werden. Die
zusätzlich bestehend Verhaltenssüchte
(Glücksspielsucht, Internet- und Computerspielsucht) werden mitbehandelt.
machen. Durch enge Absprache mit den Zuweisern und durch ein Vorgespräch mit den
Ärzten der Klinik kann entschieden werden,
ob eine Therapie in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen zum jetzigen Zeitpunkt fachlich
indiziert ist, oder ob zunächst weitere stabilisierende Maßnahmen zur Erreichung
der Rehabilitationsfähigkeit erforderlich
sind. Derzeit werden in der Hellweg-Klinik
Oerlinghausen nur männliche Patienten behandelt. Aus diesem Grunde sind Therapieangebote entwickelt worden, die das biologische und soziokulturelle Geschlecht (Gender) in besonderer Weise berücksichtigen.
Das Therapieangebot ist geeignet für Patienten ab einem Alter von 18 Jahren.
Die Therapiezeit ist individuell und wird
durch den Behandlungsauftrag und die individuellen Therapieziele festgelegt. Die
Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist der stationäre Baustein eines regionalen Behandlungsverbundes. Eine enge Zusammenarbeit mit Einrichtungen der ganztägig ambulant Rehabilitation suchtkranker Menschen
bundesweit wird unsererseits angestrebt
und gepflegt. Vor dem Hintergrund ihrer
wissenschaftlichen Grundannahmen hat die
Klinik folgende Therapieschwerpunkte entwickelt:
Sucht und Angst
Sucht und Trauma
■ Sucht und Depression
■ Sucht und Persönlichkeitsstörungen
■ Sucht und Teilhabe am Arbeitsleben
■
■
Kontraindikationen für die stationäre medizinische Rehabilitation ergeben sich durch
schwere körperliche und psychiatrische Erkrankungen, die eine Akutbehandlung in
einem somatischen Krankenhaus oder in
einer psychiatrischen Klinik erforderlich
Hauptbeleger der Hellweg-Klinik Oerlinghausen sind die Deutsche Rentenversiche-
-4-
I. Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen
rung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Westfalen. Darüber hinaus erfolgt
die Belegung von Rentenversicherungen,
der Bundesknappschaft und der Postbeamtenkrankenkasse sowie verschiedenen
Krankenkassen.
Seit dem Jahre 2003 hat die Hellweg-Klinik
Oerlinghausen ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem und ist zertifiziert nach
DIN EN ISO 9001:2008 und den Richtlinien
der BAR.
Die Klinik ist Mitglied des Bundesverbandes
für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (BUSS)
und Mitglied des Gesamtverbandes für
Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk
der evangelischen Kirche (GVS).
-5-
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
Zunächst soll ein kurzer Überblick über die
derzeitigen Forschungskenntnisse gegeben
werden. Danach wird das zugrundeliegende Persönlichkeitsmodell bzw. Erklärungsmodell von menschlichem Verhalten
und Erleben dargestellt. Hier werden die
modernen Erkenntnisse des ICF berücksichtigt. Die angegebene Literatur dient als
Hinweis für die Informationsquellen, die
wir genutzt haben, um unsere Grundannahmen vor dem Hintergrund des aktuellen Kenntnisstandes abzuleiten. Abschließend werden die daraus resultierenden therapeutischen Maßnahmen vor dem
Hintergrund des derzeitigen evidenzbasierten Forschungsstandes beschrieben. Dabei
werden die aktuellen medizinischen Leitlinien der Postakutbehandlung (stationäre
medizinische Rehabilitation) und die Behandlungsleitlinien der Deutschen Rentenversicherung berücksichtigt.
II.1 Kurzer Überblick über den derzeitigen Forschungsstand
Die Abhängigkeitserkrankung stellt ein
komplexes und mehrschichtiges Störungsbild auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene dar. Aus diesem Grund spricht
man von einem bio-psychosozialen Störungsbild. Als Einrichtung der Diakonie ergänzen wir diese 3 Hauptaspekte durch eine
spirituelle Komponente.
II.1.1 Medizinischer Forschungsstand
Durch die neuen Forschungsmethoden
(bildgebende Verfahren, Neurotransmitterbestimmung) haben sich umfassende
Kenntnisse zu den neurobiologischen
Grundlagen der Abhängigkeitserkrankung
entwickelt. Einigkeit besteht heute darüber,
dass es eine genetische Disposition zur Entstehung der Abhängigkeitserkrankung gibt,
die sich in einer erhöhten Vulnerabilitätgegenüber dem Suchtmittel und der Entwicklung der Abhängigkeitssymptome zeigt. Das
Risiko für ein Individuum, suchtmittelabhängig zu werden, ist erhöht, wenn ein Elternteil oder andere Familienmitglieder abhängigkeitserkrankt sind. Diese genetische
Vulnerabilität als Risikofaktor wird jedoch
erst im Zusammenhang mit anderen Risikofaktoren wirksam. Diese Kenntnisse sind
besonders wichtig für die Prävention und
Frühintervention. Die neuen Forschungsergebnisse aus dem Bereich der neurobiologischen Grundlagenforschung ergeben Hinweise auf pathologische Veränderungen in
Stoffwechselprozessen im Hirnstamm und
anderen subcorticalen Hirnarealen. In diesem Zusammenhang ist das „Suchtgedächtnis“ und die Auswirkungen des regelmäßigen Suchtmittelkonsums auf das „Belohnungszentrum“ zu nennen. Die damit verbundenen Veränderungen der Transmitteraktivitäten und Rezeptorveränderungen an
den Membranen der Nervenzellen sind zunehmend belegt und haben deutlich gemacht, dass verschiedene Neurotransmitter
an dem Prozess der Entstehung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung beteiligt sind (Dopamin, Glutamat, Se-
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II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
rotonin, GABA). Die Erkenntnisse der neurobiologischen Grundlagenforschung verbessern das Verständnis von psychovegetativen Symptomen und geben wichtige Hinweise auf den Aufbau von Verhaltensänderungen im Sinne eines „Umlernens“ durch
verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Basierend auf den modernen psychiatrischen
Forschungsergebnissen über den Zusammenhang zwischen Sucht und Komorbidität,
wird nach einer entsprechenden Diagnostik
bei vorliegender Indikation psychopharmakologisch behandelt. Die dazu notwendige
Entscheidung wird vom behandelnden Psychiater getroffen vom Bezugstherapeuten
im Behandlungsplan berücksichtigt und in
der Fallbesprechung reflektiert. Die modernen Forschungserkenntnisse aus dem Bereich der somatischen Grundlagenforschung
(Innere Medizin, Ernährung, Neurologie
etc.) werden von den Fachärzten der Klinik
im Behandlungsplan der Patienten berücksichtigt. Im ärztlichen Gespräch und Informationsveranstaltungen (Medizinischer Unterricht) werden diese Ergebnisse den Patienten vermittelt, mit dem Ziel einer abstinenten und ganzheitlich gesunden Lebensweise, insbesondere im Bereich Ernährung,
Bewegung, Reduktion anderer Gesundheitsrisiken (z.B. Hypertonie) und Konsum anderer schädlicher Suchtmittel (z.B. Nikotin).
II.1.2 Psychologisch-psychotherapeutische Theorien
Es gibt eine Vielzahl von psychologisch-psychotherapeutischen Theorien über die Abhängigkeitserkrankung, die häufig schulenspezifisch sind und sich in ihren therapeu-
tischen Grundannahmen unterscheiden.
Keine der vorliegenden Theorien hat bisher
eine universelle Gültigkeit gefunden, was
vor dem Hintergrund der Komplexität auch
nicht zu erwarten ist. In evidenzbasierten
Untersuchungen haben sich besonders verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische Grundannahmen bestätigt. Es wird
davon ausgegangen, dass sich die Abhängigkeitserkrankung vor dem Hintergrund einer
genetischen Disposition bzw. Vulnerabilität
entwickelt, die zu neurobiochemischen Veränderungen führt. Diese Vulnerabilität
kommt zum Ausbruch, wenn sie durch bestimmte Lebensereignisse (persönliche, familiär geprägte, wirtschaftliche und/oder
politische Faktoren) ausgelöst wird. Das zugrundeliegende Menschenbild in unserer
Suchtkrankenarbeit ist geprägt durch unser
diakonisches Leitbild und durch eine ressourcenorientierte
Betrachtungsweise.
Dabei sehen wir den suchtkranken Menschen als ein von Gott gewolltes Individuum
mit Stärken und Schwächen, mit effektiven
und ineffektiven Problemlösestrategien, das
unter bestimmten Bedingungen eine Abhängigkeitserkrankung entwickeln kann.
Durch die Forschungsergebnisse von Prohaska und DiClemente angeregt, gehen wir
von einem dynamischen Prozess der Veränderungsbereitschaft aus, der durch die Methoden der motivierenden Gesprächsführung (Miller und Rollnik) gesundheitsfördernd beeinflusst werden kann. Aufgrund des vielschichtigen Störungsmodells
der Abhängigkeitserkrankung sind eine
Reihe von therapeutischen Interventionsansätzen entwickelt und empirisch überprüft
worden. Neben suchtmedizinischen und
psychotherapeutischen Ansätzen sind auch
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II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
sozialtherapeutische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ebenso Behandlungsansätze
aus dem Bereich der handlungsorientierten
Therapie (Kreativtherapie, Arbeitstherapie,
Körpertherapie), deren Stellenwert sich besonders im Bereich der arbeitsbezogenen
medizinischen Rehabilitation zeigt. Der
„Streit“ zwischen dem medizinischen
Krankheitsmodell und einem sozialwissenschaftlichen Krankheitsmodell hat zu einer
konstruktiven Integration der o.g. Ansätze
geführt. Aus diesem Grunde ist ein multiprofessionelles Behandlungsteam erforderlich, um den suchtkranken Menschen auf
dem Weg aus der Abhängigkeit zu begleiten.
II.2 Persönlichkeitsmodelle, bzw. Erklärungsmodelle menschlichen Verhaltens
Dem Therapiekonzept der Hellweg-Klinik
Oerlinghausen liegt ein verhaltensmedizinisch orientiertes Konzept zugrunde. Dabei
spielt die Funktionalität des Suchtmittels im
Rahmen der Lerngeschichte und in der aktuellen Situation des betroffenen Individuums eine wesentliche Rolle. Problemverhalten bzw. Krankheitsverhalten wird als
erlerntes Verhalten vor dem Hintergrund
somatischer und biologischer Wirkfaktoren
betrachtet. Dabei spielen praedisponierende, auslösende und aufrechterhaltende
Faktoren eine wichtige Rolle. Menschliche
Verhaltensweisen entstehen aus dem Zusammenwirken situativer Faktoren, kognitiver Prozesse (Erwartungen, Oberpläne)
und der Wirkung bestimmter Lernprinzipien (respondentes Lernen, operantes Lernen, Modell-Lernen, zustandsabhängiges
Lernen). So haben sich in den letzten Jahren
zunehmend sozial-kognitive Ansätze entwickelt. Menschliches Verhalten wird dabei als
gelerntes Verhalten angesehen, das unter
bestimmten Bedingungen erlernt worden
ist und auch wieder verlernt werden kann.
Dabei spielen kognitive Aspekte und das
vorhandene Verhaltensrepertoire eines
Menschen eine wichtige Rolle. Problemverhalten entsteht häufig durch ineffektive Problemlösestrategien vor dem Hintergrund inadäquater kognitiver Prozesse. Außerdem
finden die Ressourcen und die Umweltbedingungen des Patienten Beachtung. Durch
das Zusammenwirken der aufgezählten Faktoren entwickelt sich ein Individuum mit Fähigkeiten und Stärken sowie mit Schwächen
und Defiziten. Dabei verfügen Individuen
über kurz- und langfristig effektive Problemlösestrategien sowie über kurzfristig
effektive und langfristig ineffektive Bewältigungsstrategien. Menschliches Problemverhalten entsteht häufig dann, wenn kurzfristig effektive Problemlösestrategien angewandt werden, die langfristig aber negative
Konsequenzen für das Individuum haben.
Dazu zählt auch das Problemverhalten des
exzessiven Trinkens bzw. der Alkoholabhängigkeit. Durch die neuen bildgebundenen
Verfahren können diese Prozesse im Gehirn
sichtbar gemacht werden und bestätigen
die Erfahrungen der in der Praxis tätigen
Therapeuten. Somit kann das exzessive
Trinken im Rahmen der Alkoholabhängigkeit als erlerntes Verhalten beschrieben
werden, welches den allgemein gültigen
Lernprozessen unterliegt. Es existieren eine
Reihe von experimentellen Arbeiten, die zeigen, dass der pharmakologische Effekt des
Alkohols, von kognitiv vermittelten subjek-
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II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
tiven Erwartungen gesteuert, angesehen
werden kann und dass die von einer Person
in den Alkohol gesetzte Erwartung für die
subjektiv empfundene Wirkung von Alkohol
mitbestimmt ist. Im Sinne der Hervorhebung alkoholspezifischer Erwartungshaltungen hat Marlatt ein sozial kognitives Modell des Trinkverhaltens und der Alkoholabhängigkeit abgeleitet: Demnach ergibt sich
die Wahrscheinlichkeit des Alkoholkonsums
in einer Stresssituation, in Abhängigkeit von
dem in dieser Situation subjektiv wahrgenommenen Stresses, dem Repertoire an Bewältigungsfertigkeiten, der Einschätzung
persönlicher Kontrollfähigkeit bzw. der Verfügbarkeit des Alkohols und Erwartung der
Effektivität des Alkoholkonsums zur Stressbewältigung.
Der ausgewählte verhaltensmedizinische
Ansatz beeinflusst im Wesentlichen das psychotherapeutische Grundkonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen.
Der von uns gewählte integrative Ansatz
bezieht sich im Wesentlichen auf zwei Betrachtungsebenen:
1. Integration verschiedener psychotherapeutischer Erklärungs- bzw. Interventionsstrategien:
In den ärztlich-therapeutischen Fallbesprechungen wird die integrative Betrachtungsweise praktisch umgesetzt, indem der Bezugstherapeut seinen Patienten und dessen
Suchtmitteleinnahme vor dem Hintergrund
seiner individuellen Lebensgeschichte darstellt. Wir benutzen die analytisch-tiefenpsychologische Betrachtung, um das Störungsbild des Patienten zu verstehen. Diese
Betrachtungsweise hilft vor allen Dingen
unter diagnostischen Gesichtspunkten. Die
verhaltenstherapeutische Betrachtungsweise ist für uns nützlich, um vor dem Hintergrund der funktionalen Bedingungsanalyse das aktuelle Problemverhalten des exzessiven Trinkens zu verstehen und erfolgversprechende Veränderungen gemeinsam
mit dem Patienten zu planen und durchzuführen. Dabei liegt unser Interesse vor allen
Dingen darin, dem Patienten effektive Problemlösestrategien zu vermitteln, damit er
in Zukunft emotionale oder andere Stresssituationen ohne Einsatz von Suchtmitteln bewältigen kann. Die systemische Betrachtungsweise ist hilfreich, wenn wir den Patienten im Rahmen seiner sozialen Bezüge
betrachten und Hypothesen entwickeln,
welche Konsequenzen die individuellen Veränderungen des Patienten für sein soziales
System haben werden. Auch bei der Planung
und Durchführung der Paargespräche bzw.
Angehörigengruppe ist die systemische Betrachtungsweise hilfreich.
2. Integration verschiedener Behandlungsansätze
Unser integratives Behandlungskonzept berücksichtigt noch einen weiteren wichtigen
Aspekt: Die Integration von medizinischer
Behandlung, Psychotherapie, Soziotherapie,
handlungsorientierter Therapie und diakonischer Begleitung. Aufgrund des komplexen und mehrschichtigen Störungsbildes
der Abhängigkeitserkrankung sind wir fest
davon überzeugt, dass diese verschiedenen
Behandlungsansätze kombiniert bzw. integriert werden müssen. Dabei muss im Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden, wie viel
aus jedem Behandlungsbereich für den ent-
-9-
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
sprechenden Patienten angemessen ist. Wir
werden dieses Integrationskonzept im Rahmen unseres „Vier-Säulen-Modells“ der
Therapie (s. Kapitel V) erläutern.
II.3 Erklärungsmodell der Abhängigkeitserkrankung
Das zugrundegelegte Verständnis der Abhängigkeitserkrankung geht ebenfalls von
der Annahme aus, dass es sich bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung um ein multifaktorielles
Bedingungsgefüge handelt. Alle bisherigen
Versuche, die Abhängigkeitserkrankung monokausal zu beschreiben, sind unserer Ansicht nach unzureichend, um die Komplexität der Abhängigkeitserkrankung adäquat
zu erfassen. Außerdem ist es schwer, die Folgen und Ursachen zu trennen, zumal auch
die Konsequenzen der Alkoholeinnahme
häufig Auslöser für die erneute Einnahme
des Suchtmittels sein kann. Um die multifaktorielle Entstehung und Aufrechterhaltung
der Abhängigkeitserkrankung zu verstehen,
Individuum
Suchtmittel
Sozialfeld
sollen zunächst die drei Hauptwirkfaktoren
nach Feuerlein beschrieben werden:
1. Die spezifische Wirkung der Droge
(Suchtmittel), die zur Abhängigkeit führt.
2. Die spezifische Eigenschaft des konsumierenden Individuums.
3. Die Besonderheiten des Sozialfeldes.
Zu 1) Die spezifische Wirkung der Droge
(Suchtmittel)
Bei jedem Suchtmittel muss das spezifische
Abhängigkeitspotential beachtet werden
(psychotrope Wirkung, dispositionelle und
funktionelle Toleranz, etc.) und die Verfügbarkeit und Bewertung im sozialen Umfeld.
So ist z.B. die anxiolytische Wirkung von
Bromazepam stärker und verlässlicher als
die anxiolytische Wirkung von Alkohol. Alkohol ist unter wesentlich anderen Bedingungen verfügbar als Heroin oder andere illegale Drogen. Bei den häufiger werdenden
Verhaltenssüchten (Glücksspiel, Internet,
Mediensucht) gibt es eine hohe Verfügbarkeit und eine positive gesellschaftliche Bewertung, z.B. Internet oder neue Medien
(iPhone). An dieser Stelle kann nicht das
psychotrope Wirkungsspektrum jedes
Suchtmittels (Droge) dargestellt werden.
Wichtig ist es unserer Ansicht nach zu erwähnen, dass jedes Suchtmittel erwünschte
(kurzfristig) und unerwünschte (langfristig)
Wirkungen hat. Der Suchtmittel konsumierende Mensch sucht zunächst die kurzfristig
erwünschten Wirkungen (z.B. Euphorie,
Entspannung, Angstreduktion, etc.) und
missachtet die langfristig negativen Konsequenzen (Krankheit, Entzug, Verlust der
Partnerschaft und/oder Arbeitsstelle, etc.).
Abbildung 1: Hauptwirkfaktoren
- 10 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
Zu 2) Die spezifischen Eigenschaften des
konsumierenden Individuums
Das Individuum, welches Suchtmittel konsumiert, wird unter verschiedenen Aspekten betrachtet. Es gibt eine umfangreiche
Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen, die Einzelaspekte des Individuums (genetische Disposition, Persönlichkeitsstruktur, Lerngeschichte, etc.) ergründet haben.
Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass
verschiedene Wirkfaktoren für das Modell
der Abhängigkeitserkrankung berücksichtigt werden müssen, die im Folgenden kurz
dargestellt werden. Bei Untersuchungen zur
Vererbung wurde festgestellt, dass eine genetische Disposition angenommen werden
kann, die bei der Entstehung der Abhängigkeitserkrankung wirksam werden kann. Das
Ausmaß der genetischen Disposition ist
nicht eindeutig zu quantifizieren.
Sie kommt dann zum Ausbruch, wenn zusätzliche Ursachenfaktoren hinzukommen.
Die Existenz eines einfachen Vererbungsmechanismus konnte nicht nachgewiesen werden. Die pharmakologische Untersuchung
über die Wirkungen von Alkohol hat gezeigt,
dass es eine individuelle Toleranz gegenüber dem Suchtmittel Alkohol gibt, die sich
in einer unterschiedlichen pharmakologischen Verarbeitung zeigt. Es unterscheidet
sich z.B. die Toleranz von Männern und
Frauen gegenüber Alkohol. Aber auch die intraindividuelle, pharmakologische Toleranz
gegenüber Alkohol ist unterschiedlich und
muss im Einzelfall bei der Entstehung und
Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung berücksichtigt werden. Eine Reihe
von pharmakologischen und neurobiologischen Untersuchungen haben die Wirkung
des Alkohols auf verschiedene Rezeptorsysteme untersucht und dabei die Bedeutung
verschiedener Neurotransmittersysteme im
Hirnstamm, dem mesolimbischen System
und präfrontalem Cortex nachgewiesen.
Die neurobiologische Forschung arbeitet
mit der Annahme eines Dopamin gesteuerten Belohnungs- bzw. Erwartungssystems
und setzt dabei ein sogenanntes Suchtgedächtnis voraus. Dieses Suchtgedächtnis
nimmt subkortikal Einfluss auf Entscheidungs- und Handlungsprozesse und muss
bei der Auslösung und Aufrechterhaltung
der Abhängigkeitserkrankung berücksichtigt werden. Forschungsergebnisse im Tierversuch und neuere bildgebende Verfahren
haben nachgewiesen, dass durch den Aufbau abstinenter Verhaltensweisen ein Umlernen möglich ist, so dass suchtspezifische
Hinweisreize im Verlauf des therapeutischen Prozesses ihren auslösenden Charakter verlieren können. Dabei ist unbestritten,
dass bei Vorhandensein einer Abhängigkeitserkrankung ein kontrolliertes Trinken
nicht mehr das Ziel einer suchtmedizinischen Behandlung sein kann. Es hat viele
Versuche gegeben, die prämorbide Persönlichkeitsstruktur der Abhängigkeitserkrankung zu finden und zu beschreiben. Das
Ergebnis dieser Untersuchungen ist, dass es
keine eindeutige prämorbide „Suchtpersönlichkeit“ gibt. Anhand des Buches von Riemann lässt sich zeigen, dass die unterschiedliche Ausprägung der Persönlichkeit
eines Menschen in ein und derselben Situation zu einer anderen Bewertung, Erwartung oder Verhalten führen kann. Es reagiert z.B. der Mensch mit „zwanghaften“
Persönlichkeitsanteilen ängstlich auf Veränderungen in seiner Lebenssituation, wäh-
- 11 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
rend der Mensch mit „akzentuierten“ Persönlichkeitsanteilen diese Veränderung
sucht und den Stillstand als bedrohlich und
beängstigend erlebt. Aus diesem Grunde ist
es wichtig, die Persönlichkeitsanteile, die
wesentlichen Einfluss auf das menschliche
Verhalten haben, im diagnostischen Prozess
zu erfassen und bei der Therapieplanung zu
berücksichtigen. Dies geschieht durch psychiatrische und testpsychologische Untersuchungen. Für die Abhängigkeitserkrankung
bedeutet es, dass bei der Therapie eines Individuums z.B. mit narzisstischen Persönlichkeitsanteilen in bestimmten Bereichen
andere Interventionstechniken angewandt
werden müssen als bei einem Individuum
mit ängstlich-depressiven Persönlichkeitsanteilen. Die Funktionalität des Suchtmittels
spielt bei den beiden beispielhaft genannten
Patienten eine andere Rolle. Während der
ängstlich-depressive Patient z.B. Selbstsicherheit und Selbstachtung lernen muß und
Defizite im Bereich bestimmter Problemlösestrategien hat, wird der narzisstisch gestörte Patient die therapeutisch begleitete
Erfahrung machen müssen, dass Schwächen
und Niederlagen nicht so bedrohlich sind
und die ganze Person in Frage stellen, wie
er es immer wieder antizipiert hat. Während beim ängstlich-depressiven Patienten
der Alkohol als „soziales Schmiermittel“ eingesetzt werden kann, dient es beim narzisstisch gestörten Menschen zur Aufrechterhaltung seines inadäquaten hohen Selbstbildes. Diese beiden Beschreibungen sollen an
dieser Stelle exemplarisch für die Möglichkeiten der Wirksamkeit von Persönlichkeitsanteilen verwendet werden. Eine ganz
wesentliche Bedeutung haben lebensgeschichtliche Ereignisse (life events), die im
Rahmen des diagnostischen Prozesses (biographische Anamnese) erfasst werden.
Neben traumatischen Erlebnissen (Trennung von den Eltern, Verlust durch Tod und
Krankheit, Unfälle, etc.) haben auch „kleinere“, sich ständig wiederholende Verletzungen (Ablehnung, Vermittlung von Unerwünschtsein und Inkompetenz, Zurückweisung, etc.) eine wichtige Bedeutung. Diese
lebensgeschichtlichen Ereignisse werden
vom Patienten zu einer individuellen „Lebenserfahrung“ verarbeitet, die sich durch
bestimmte Lebensregeln (kognitive Regeln)
beschreiben lassen. So entwickelt jeder
Mensch seine „Lebensregeln“, die einen wesentlichen Einfluss auf sein Verhalten
haben. Häufig anzutreffende Lebensregeln
bei Suchtkranken sind: „Ich bin ein Versager,
ich bin nichts wert, das schaffe ich ja doch
nicht, ich halte das nicht durch, ich bin unfähig“. Diese dysfunktionalen Lebensregeln
(Kognitionen) lösen häufig negative Gefühle
und Bewertungen aus (Angst, Trauer, Unsicherheit, Anspannung, …), die vom Patienten als unangenehm und negativ erlebt werden. Häufig zeigen sich diese negativen Gefühlszustände in subjektiv unangehm erlebten, psychovegetativen Symptomen. Aufgrund der Lebensgeschichte und der vorhandenen Problemlösestrategien sind die
betroffenen Patienten häufig nicht in der
Lage, diese unangenehmen Zustände konstruktiv zu bewältigen, sondern vor dem
Hintergrund ihrer Lerngeschichte setzen sie
das Suchtmittel im Sinne einer negativen
Verstärkung ein, um diese unangenehmen
Zustände zu beseitigen. Dieses führt kurzfristig zum Erfolg, aber langfristig entwickelt sich ein chronischer Teufelskreis von
ineffektiven Bewältigungsstrategien, der
- 12 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
langfristig in die Abhängigkeitserkrankung
führt.Die Aspekte des sozialen Lernens (Modell-Lernen) ergänzen die verhaltensmedizinische Betrachtung. Im Rahmen des diagnostischen Prozesses werden die zuvor beschriebenen Aspekte des Individuums erhoben und in den therapeutischen Prozess eingearbeitet.
Zu 3) Die Besonderheiten des sozialen Umfeldes
Das Sozialfeld hat einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung.
Dabei müssen Herkunft und kultureller Hintergrund beachtet werden.
Bei den sozio-kulturellen Bedingungen hat
das Trinkverhalten der Gesellschaft eine
wichtige Bedeutung. In Deutschland existiert unserer Ansicht eine permissive Trinkkultur, in der Alkoholgenuss erlaubt ist,
Trunkenheit und andere pathologische Erscheinungen des Alkoholkonsums jedoch
abgelehnt werden. Weiterhin spielen die allgemein wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen (Arbeitslosigkeit, Kriminalität,
Bedrohung durch wirtschaftliche und kriegerische Ereignisse, etc.) eine suchtunterstützende Rolle. Das Familiensystem, in
dem das Individuum aufgewachsen ist und
dort meistens seine ersten Erfahrungen mit
Suchtmitteln macht, ist von besonderer Bedeutung. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass das Risiko für eine spätere Abhängigkeitserkrankung wesentlich erhöht
ist, wenn der Vater und/oder die Mutter
selbst abhängig sind. Auch das kontinuierli-
Abhängigkeitserkrankung
Suchtmittel
Individuum
Suchtmittel
Wirkung
Genetische Disposition
Verfügbarkeit
Persönlichkeitsstruktur
Abhängigkeitserkrankungen
naher Bezugspersonen
Bewertung
Individuelle Toleranz
Bewertung der Suchtmittel
durch die Gesellschaft
Lerngeschichte bezügl.
Suchtmittel
Trinkverhalten der
Gesellschaft
Frühkindliche Entwicklung
Soziale Bedingungen
Psychische Erkrankung
Wirtschaftliche
Bedingungen
Körperliche Erkrankung
Fehlen von Bezugspersonen
Abbildung 2: Wirkfaktoren
- 13 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
che Fehlen einer Bezugsperson (z.B. ein Elternteil) stellt einen nicht unerheblichen Risikofaktor dar. Der Stellenwert des Suchtmittels im Familiensystem bekommt somit
eine wichtige Rolle, da bei der Einnahme
von Suchtmitteln das Modell-Lernen eine
große Bedeutung hat. Bei Jugendlichen und
Heranwachsenden verlieren die Eltern als
Modell ihre Wirksamkeit. An ihre Stelle treten Mitglieder aus der Clique bzw. „Vorbilder“ aus der Musikszene oder dem Sport.
Diese „Vorbilder“ müssen in der Anamnese
erfasst werden und ggf. im therapeutischen
Prozess „korrigiert“ werden.
Anhand des Dreiecks-Modells von Feuerlein
sind die wesentlichen Faktoren aufgezählt
worden, die bei der Genese der Abhängigkeitserkrankung eine wichtige Rolle haben
(s. Abbildung 2).
Verhältnisprävention:
Eine bedeutende Rolle spielt dabei die gesellschaftliche Diskussion und die Bewertung durch die Gesellschaft. Hier kann durch
die Politik positiver Einfluss ausgeübt werden. Dies hat sich an dem Beispiel der Steuererhöhung bei Alkopops und dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen gezeigt. Auch die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln und in Zukunft auch – wie in
anderen EU-Ländern bereits vorhanden –
auf Flaschenetiketten, machen eine gesundheitspolitische Haltung sichtbar, die im
Sinne der Prävention wirkt und den Heilungsverlauf suchtkranker Menschen unterstützt. Es gibt es weder ein spezifisches Ursachenbündel, was das Ungleichgewicht
zwischen Innenwelt und Außenwelt auslöst,
noch ist der Suchtmittelmissbrauch die einzig mögliche Reaktion auf dieses Ungleichgewicht. Denkbar wären z.B. psychogene
Kriminalität, psychosomatische Krankheiten oder realitätsangepasste Versuche, das
Ungleichgewicht zu überwinden. Die jeweils
gewählten Ansätze mögen in bestimmten
Bereichen und in der Nomenklatur unterschiedlich sein. Wesentlich ist aber, dass
deutlich wird, dass die Entstehung der Abhängigkeitserkrankung mehrschichtig betrachtet werden muss, und dass bei dieser
mehrschichtigen Betrachtung sowohl medizinische wie auch psychologisch-psychotherapeutische und sozialtherapeutische
Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Jede Vernachlässigung der einen Komponente führt dazu, dass wesentliche Informationen in Vergessenheit geraten, die bei
einer adäquaten Therapie berücksichtigt
werden müssen. Wie bereits in Abschnitt
II.2 beschrieben ist, haben wir uns für eine
verhaltensmedizinische Betrachtung der
Abhängigkeitserkrankung als Grundlage für
unser Therapiekonzept entschieden. Dabei
ist exzessiver Alkoholkonsum ein erlerntes
Verhalten, welches den allgemein gültigen
Lernprozessen unterliegt. Hier müssen bei
der Entstehung und Aufrechterhaltung der
Abhängigkeitserkrankung weitere Aspekte,
wie z.B. soziokulturelle Lebensumstände,
Persönlichkeitsausgestaltung, soziale und
wirtschaftliche Bedingungen berücksichtigt
werden.
- 14 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
II.4 Gesundheitsmodell der WHO
Eine moderne Betrachtungsweise ergibt
sich aus der internationalen Klassifikation
der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
Gesundheit (ICF) der WHO (World Health
Organisation). Die ICF definiert Körperfunktionen als physiologische Funktionen der
Körpersysteme. Die Funktionsfähigkeit
einer Person ist das Ergebnis der Wechselwirkungen zwischen den Gesundheitsproblemen, den Körperfunktionen/-strukturen
der Person, ihren Aktivitäten/ihrer Teilhabe
und ihrem individuellen Lebenshintergrund
(Umwelt und personenbezogener Kontext).
Diese Aspekte werden im Therapiekonzept
der Hellweg-Klinik Oerlinghausen folgendermaßen umgesetzt:
chungen EKG-Messungen, Spirometrie,
Langzeit-Blutdruckmessung und Laboruntersuchungen zur Verfügung.
■ Neurologische Faktoren: Fachärztlich neurologische Eingangsuntersuchungen und
engmaschige neurologische Konsiliarkooperationen mit niedergelassenen Kollegen
Aktivität und Teilhabe
■
Körperfunktionen und Strukturen
Psychische Faktoren: Durch die psychiatrische Eingangsuntersuchung wird fachärztlich der psychopathologische Befund erhoben für die Bereiche Wachheit, Orientierung, kognitive Funktionen, Stimmung,
Wahrnehmung, Antrieb. Außerdem werden bestimmte psychopathologische Phänomene wie Wahnwahrnehmungen oder
Halluzinationen erfasst. Durch testpsychologische Untersuchungen können diese
Befunde spezifiziert werden, z.B. für die
Bereiche Intelligenz, Aufmerksamkeit,
Konzentration und Gedächtnis.
■ Somatische Faktoren: Werden im Rahmen
der ärztlichen Eingangsuntersuchungen
untersucht und bei Einschränkungen entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Im
Hause stehen neben körperlichen Untersu■
Die Durchführung der erstellen Aufgaben
oder Handlungen durch den Patienten
wird stets unter therapeutischer Leitung
beobachtet und bewertet, u.a.: Lernen und
Wissensanwendung,
Kommunikation,
Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen
sowie Hobbys. Die Überprüfung und Förderung dieser Fertigkeiten zeigen sich im
Therapieplan u.a. durch folgende Angebote: Sozialkompetenz-Training, Freizeitkompetenz-Training, kreative Techniken
zur Freizeitgestaltung, Selbsthilfegruppe.
Umweltfaktoren
■
Umweltfaktoren stellen den gesamten Hintergrund des Lebens und der Lebenssituation des Menschen dar. Im Rahmen der Angehörigenarbeit und im Kontakt mit dem
Arbeitgeber sowie niedergelassenen Kollegen werden diese Faktoren berücksichtigt und finden sich im individuellen Therapieplan des Patienten wieder.
- 15 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
Personenbezogene Kontextfaktoren
Der spezielle Hintergrund des persönlichen
Lebens und der Lebensführung der Patienten steht im Mittelpunkt der Therapie. Im
Rahmen der Einzelgespräche sowie Indikationsgruppen mit thematischen Schwerpunkten finden personenbezogene Kontextfaktoren eine besondere Beachtung und
werden mit dem Patienten thematisiert und
bearbeitet.
II.5 Entwicklung der Abhängigkeitserkrankung
Bei der Entwicklung der Alkoholabhängigkeit wird von einem langjährigen, schleichenden Verlauf ausgegangen. In der Regel
erstreckt sich die Entwicklung vom sozialen
Trinken bis zu den deutlichen Zeichen der
chronischen Abhängigkeit auf einen Zeitraum zwischen 10 und 20 Jahren. In den
einzelnen Entwicklungsphasen der Alkoholabhängigkeit wirken die zuvor beschriebenen Faktoren in unterschiedlicher Ausprägung und an unterschiedlichen Stellen. Das
Auftreten und die Wirkung der einzelnen
Faktoren ist individuell und muss für jeden
einzelnen Abhängigkeitserkrankten im Rahmen des diagnostisch-therapeutischen Prozesses erkannt werden. Diese Individualität
soll anhand einiger Beispiele erläutert werden: nicht jedes Individuum mit zwanghaften Persönlichkeitsanteilen wird suchtmittelabhängig u.a der Verlust eines Elternteiles oder Partners führt nicht zwangsläufig
zur Alkoholabhängigkeit. Ebenso die Tatsache, dass der Vater oder andere Familienmitglieder suchtmittelabhängig gewesen
sind, hat nicht zwangsläufig eine Abhängigkeitserkrankung zur Folge. Es ist vielmehr
wichtig, im diagnostischen Prozess die
Funktionalität des Suchtmittels in Bezug auf
bestimmte Ursachenfaktoren herzustellen.
Wenn der Alkohol eine wichtige Bedeutung
(Funktionalität) bekommt, um die Auswirkungen eines bestimmten Faktors, z.B. Verlust eines Elternteiles zu kompensieren,
dann ist dies ein wichtiger Hinweis für die
Entstehung der Alkoholabhängigkeit. Diese
Erkenntnis kann dann für den therapeutischen Prozess nutzbar gemacht werden,
indem die Trennungserlebnisse therapeutisch bearbeitet werden, so dass sie ihren
destruktiven Einfluss auf das Individuum
bzw. Patienten verlieren. Viele Menschen
sind als „soziale Trinker“ (risikoarmer und
riskanter Konsum) einzuschätzen. Die Alkoholabhängigkeit entwickelt sich dann über
die Zwischenschritte wie Erleichterungstrinken, Konflikttrinken, Problemtrinken in
Richtung der chronischen Abhängigkeit, die
sich nach einem mehrjährigen Verlauf mit
den Symptomen des Kontrollverlustes, der
Abstinenzunfähigkeit und des morgendlichen Trinkens zeigt. Gleichzeitig werden die
durch den jahrelangen Alkoholgenuss hervorgerufenen körperlichen, psychischen
und psychosozialen Schädigungen sichtbar.
Jellinek hat aufgrund seiner empirischen
Untersuchungen verschiedene „TrinkerTypen“ zu klassifizieren versucht. Die Therapieziele erarbeiten sich je nach der Entstehungsgeschichte und Verlauf der Abhängigkeitserkrankung. Die Therapieziele bei
einem Patienten, der die Symptome des Erleichterungstrinkens zeigt, sind häufig auf
eine adäquate Stressbewältigungsstrategie
ausgerichtet. Die angewandten therapeuti-
- 16 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
schen Maßnahmen sollen ihm helfen, effektive Stressbewältigungsstrategien ohne Einsatz von Suchtmitteln zu entwickeln. Bei
einem Spiegeltrinker im chronischen Stadium reichen Problem- und Stressbewältigungsstrategien alleine nicht mehr aus. Die
Therapieziele müssen aufgrund der Ausprägung und des Fortschrittes der Alkoholabhängigkeit durch zusätzliche ergänzt werden wie z.B. Stabilisierung des Selbstbewusstseins, Einübung von Alkoholablehnungstraining, Wiederentdeckung alter Fähigkeiten, Zulassen und Erleben eigener Gefühle, Verbesserung des Gesundheitsverhaltens etc. Neben der Beschreibung der Typologie von Jellinek ist auch die zeitliche Entwicklung der Abhängigkeitserkrankung
wichtig. Diese werden in vier Phasen eingeteilt in praealkoholische, Prodromalphase,
kritische und chronische Phase. Die praealkoholische Phase ist gekennzeichnet durch
die „positiven Wirkungen“ des Alkohols, z.B.
als „soziales Schmiermittel“ und zur Angstreduktion. Die „positive Wirkung“ des Alkohols wird in immer mehr Situationen benutzt, und es kommt schnell zu einer Generalisierung. Es gibt eine Reihe von Patienten,
die von dieser „schönen Zeit“ während der
Therapie schwärmen und die für sich häufig
noch das geheime Therapieziel des „kontrollierten Trinkens“ haben. Die Prodromalphase ist dadurch gekennzeichnet, dass der
Alkohol einen immer breiteren Raum im
Leben des Patienten einnimmt. Der Patient
beginnt das heimliche Trinken, hat Schuldgefühle wegen des Trinkens und entwickelt
Strategien des Alkoholtrinkens, um nicht in
seiner sozialen Umgebung aufzufallen. In
der kritischen Phase häufen sich Kontrollverluste und Abstinenzversuche. Der soziale
Druck der Umwelt nimmt zu und der Patient
sucht immer neue Ausflüchte, um sein Trinken aufrechterhalten zu können. Es kommt
zu Veränderungen der Persönlichkeit, zur
Instabilität seiner sozialen Beziehungen
und zum Abbau kognitiver und emotionaler
Prozesse. Im sozialen Bereich ist der Arbeitsplatz häufig gefährdet, und in der Partnerschaft entstehen große Probleme bis hin
zur Scheidung. Es existieren die deutlichen
Zeichen der körperlichen Abhängigkeit mit
entsprechenden Entzugssymptomen und
medizinischen Erkrankungen (z.B. Delirium
tremens, Entzugskrampfanfälle. In der chronischen Phase finden wir alle Symptome der
chronischen Alkoholabhängigkeit auf körperlichem, psychischem und psychosozialem Gebiet. Der Patient zeigt eine körperliche Verwahrlosung, soziale Isolierung und
den zunehmenden Abbau ethischer und
moralischer Wertvorstellungen. Je weiter
die Alkoholabhängigkeit fortgeschritten ist,
desto umfangreicher und weit gefächerter
müssen die therapeutischen Interventionen
geplant werden. Während in der Prodomalphase psychologisch-psychotherapeutische
Interventionsschritte im Vordergrund stehen können, müssen in der chronischen
Phase zunehmend suchtmedizinische und
soziotherapeutische Interventionen einbezogen werden. Die Entwicklung der Medikamentenabhängigkeit benötigt einen
wesentlich kürzeren Zeitraum. Je nach
Wirkstoff können die ersten Zeichen der Abhängigkeit schon nach mehreren Wochen
bis Monaten festgestellt werden. Häufig erhalten Menschen in psychischen Krisensituationen psychotrope Medikamente mit
beruhigender, euphorisierender oder anxiolytischer Wirkung. Auch die Einnahme von
- 17 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
Schmerzmitteln ist häufig mit einer psychischen Wirkung verbunden, wie z.B. eine
Euphorisierung oder Sedierung, die vom Patienten missbraucht wird. Nach wenigen
Wochen kann sich schon aufgrund der
hohen und verlässlichen Wirkung des Medikamentes eine psychische und physische
Abhängigkeit entwickeln. Der ursprüngliche
Grund für die Medikamenteneinnahme
spielt dann keine wesentliche Bedeutung
mehr, sondern die Medikamente werden
kurzfristig wegen ihrer „positiven Wirkung“
und langfristig zur Vermeidung des Entzugssyndroms eingenommen. Wie bei der
Alkoholabhängigkeit finden wir auch hier
Zeichen der Toleranzentwicklung und eine
ausgeprägte Entzugssymptomatik. In aller
Regel ist das Entzugssyndrom beim Absetzen von psychotropen Medikamenten, wie
z.B. Benzodiazepinen, wesentlich ausgeprägter und gefährlicher für die Patienten,
so dass hier ein schrittweises Absetzen indiziert ist. Wir sehen zunehmend häufiger
Patienten in der stationären Entwöhnungsbehandlung, bei denen gleichzeitig eine Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit besteht. Nach unseren Ergebnissen ist das derzeit in ca. 10 % der von uns behandelten Patienten der Fall. Die Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und der Konsum
sonstiger psychotroper Substanzen (Polytoxikomanie) treten bei einer besonderen
Gruppe von Suchtmittel konsumierenden
Menschen auf. Diese Gruppe ist gekennzeichnet durch frühen Suchtmittelkonsum
im jugendlichen Alter, verbunden mit einer
erheblichen Reifungsstörung des heranwachsenden Gehirns. Häufig entstehen als
frühe psychosoziale Probleme, Probleme in
der Schule und Berufsausbildung, meist
ohne Schulabschluss, wechselnde Arbeitsplätze und das Auftreten juristischer Komplikationen (Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Straftaten im Zusammenhang
mit Aggression und Gewalt). Diese suchtkranken Menschen bedürfen einer längeren
und intensiveren therapeutischen Begleitung, weil der frühe Konsumbeginn und der
Konsum verschiedener Substanzen zu erheblichen Reifungs- und Problemlösedefiziten geführt hat. Bei dieser Patientengruppe
spiegeln sich auch die Veränderungen des
gesellschaftlichen Suchtmittelkonsums wieder. Es finden sich in dieser Gruppe häufig
junge Männer, die einen Konsum von Cannabis, Amphetaminen und Alkohol je nach
Wunsch und Befindlichkeit entwickelt
haben. Die psychoseauslösende Wirkung
von Cannabis und anderen Drogen ist mittlerweile belegt. Auch ist bekannt, dass 98%
der heroinabhängigen Menschen zuvor sogenannte „weiche Drogen“ konsumiert
haben.
Hierbei werden 2 Hauptgründe gesehen:
1. Der Wunsch nach einer stärkeren, schnelleren Reaktion des Organismus auf die
Droge durch schnelleres Anfluten (den
sogenannten „Kick“).
2. Die Selbstbehandlung des amotivationalen Syndroms, ausgelöst durch Cannabis,
durch antriebssteigernde Drogen wie
LSD, Amphetamine, Heroin.
In die Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Sucht kommen zunehmend auch
Menschen mit substanzunabhängiger Abhängigkeitserkrankung, die entweder komorbid
mit einer stoffgebundenen Abhängigkeit verbunden sind oder isoliert entstanden sind.
- 18 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
Zu diesen substanzunabhängigen Süchten
(Verhaltenssucht) zählen wir:
■ Pathologisches Glücksspielen
■ Internetsucht
■ Mediensucht
■ Kaufsucht u.a..
II.6 Therapeutische Maßnahmen
nach Ausprägung, Dauer und Schweregrad
der Suchterkrankung, die Entwöhnungsbehandlung ambulant, ganztägig ambulant
(teilstationär) oder stationär erfolgen kann.
Von zunehmender Bedeutung sind die Kombinationstherapien, bei denen passgenau
die einzelnen Therapiebausteine aufeinander abgestimmt werden. Die Kombinationsbehandlungen setzen eine gute Kommunikation zwischen den therapeutischen Mitarbeitern im ambulanten und stationären Sektor voraus. Das Therapiekonzept zur stationären medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter der Hellweg-Klinik Oerlinghausen beruht auf dem 4-Säulenmodell.
Dieses besteht aus der :
■ suchtmedizinischen Behandlung
■ Psycho-Soziotherapie
■ handlungsorientierte Therapie
■ Diakonische Begleitung
„Als Teil des „Gesundheitswesens übernimmt die medizinische Rehabilitation die
Aufgabe, drohenden Behinderungen vorzubeugen sowie die Teilhabe von chronisch
kranken Menschen am Leben in der Gesellschaft und in ihre Selbstbestimmung nachhaltig zu fördern. Auf diese Weise leistet sie
einen Beitrag dazu, dass Arbeitnehmer länger am Arbeitsleben teilnehmen können,
Frühverrentungen und Pflegebedürftigkeit
vermieden und so auch Beiträge für die Sozialversicherungsträger geleistet werden.“
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, sind
eine Vielzahl von therapeutischen Maßnahmen in verschiedenen therapeutischen Settings entwickelt worden. Bevor die therapeutischen Maßnahmen der stationären
Entwöhnungsbehandlung ausführlich beschrieben werden, ist festzustellen, dass je
Je nach Ausmaß und Stadium der Abhängigkeitserkrankung kommt eine Kombination
verschiedener therapeutischer Maßnahmen
aus den o.g. Bereichen zur Anwendung. Der
Therapieplan für jeden einzelnen Patienten
wird vom Bezugstherapeuten im Zusammenhang mit dem multiprofessionellen therapeutischen Team festgelegt. Dazu wird im
Rahmen des diagnostischen Prozesses vom
Bezugstherapeuten die funktionale Bedingungsanalyse für die Abhängigkeitserkrankung seines Patienten erstellt. In dieser
funktionalen Bedingungsanalyse werden
die auslösenden Faktoren, Umweltfaktoren,
Ressourcen, Variablen des Individuums, Kognitionen und Erwartungen sowie aufrechterhaltende Bedingungen erfasst. Gemeinsam mit dem Patienten werden die Therapieziele festgelegt und die dazu notwendi-
Aktuell werden Patienten der Hellweg-Klinik Oerlinghausen, bei denen eine komorbide stoffungebundene Abhängigkeit diagnostiziert wird, in speziellen Indikationsgruppen und mit speziellen einzeltherapeutischen Maßnahmen behandelt. Beim pathologischen Glücksspielen besteht auch
eine verbindliche Kooperation mit dem
Hellweg-Zentrum für Beratung und Therapie in Bielefeld.
- 19 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
gen therapeutischen Interventionen besprochen und durchgeführt. Nach der Durchführung der ersten therapeutischen Maßnahmen erfolgt die Überprüfung der eingangs
festgelegten Therapieziele und je nach Verlauf findet eine Modifizierung und Erweiterung des Behandlungsplanes statt. Dieser
Prozess wird kontinuierlich im Rahmen der
Fallbesprechungen vom multiprofessionellen Behandlungsteam reflektiert und supervidiert durch einen ärztlichen Leiter.
An dieser Stelle werden zusammenfassend
die Hauptbausteine der therapeutischen
Maßnahmen beschrieben.
1. Suchtmedinizinsche Behandlung
Die wesentlichen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen der Suchtmedizin
sind:
■ Ausführliche Krankheitsanamnese
■ Diagnostik von somatischen Begleiterkrankungen
■ Neurologische und psychiatrische Diagnostik
■ Medikamentöse Therapie
■ Psychoedukative Informationsveranstaltungen mit Schwerpunktthema Gesundheit, Ernährung, Bewegung, psychiatrische
Diagnosen und deren Bezug zur Abhängigkeitserkrankung.
■ Pflegerische Begleitung und Versorgung
der physischen und psychischen Beschwerden
■ Physikalische Behandlung bei gleichzeitig
bestehender somatischer Erkrankung
durch den Mitarbeiter der physikalischen
Abteilung.
Diese Maßnahmen erfolgen in der pflegerischen und ärztlichen Sprechstunde durch
das pflegerische bzw. ärztliche Gespräch
während der Visiten auf dem Patientenzimmer und bei den ärztlich und pflegerisch geleiteten Informationsveranstaltungen.
2. Psycho-Soziotherapie
Dieser Bereich umfasst folgende therapeutische Angebote:
2.1 Behandlungsmaßnahmen aus dem psychologisch-psychotherapeutischen Bereich
■ Einzelpsychotherapie
■ Gruppenpsychotherapie
■ Indikationsgruppen
■ Therapeutische Expositionsübungen
■ Angehörigengespräche
■ Testdiagnostik
■ Männergruppe (Gender)
■ Affektkontrolltraining
■ Gespräche mit Arbeitgebern
2.2 Behandlungsangebote aus dem sozialtherapeutischen Bereich:
■ Teilhabe am Arbeitsleben (SGB IX)
■ Einleitung von Maßnahmen zur Erhaltung
und Wiedererlangung des Arbeitsplatzes
■ Beratung und Einleitung von Maßnahmen
bei juristischen Komplikationen
■ Durchführung
gruppentherapeutischer
Maßnahmen
■ Sozialberatung im allgemeinen und insbesondere wirtschaftliche Sicherung
■ Beratung bei sozialen Angelegenheiten
■ Schwerbehindertenangelegenheit
■ Beratung bei verminderter Erwerbsfähigkeit
- 20 -
II. Wissenschaftliche Grundannahmen
des Therapiekonzeptes
3. Behandlungsangebote aus dem handlungsorientierten Bereich:
■ Ergotherapie mit Schwerpunkt der arbeitsbezogenen medizinischen Rehabilitation
■ Kreativtherapie
■ Körpertherapie
(Bewegungstherapie,
Sporttherapie)
■ Externe Belastungserprobung.
4. Diakonische Begleitung
Als Einrichtung der Diakonie bietet die Hellweg-Klinik Oerlinghausen den Patienten folgende diakonische Angebote interreligiös
an:
■ Gottesdienste
■ Indikationsgruppe „Sinn des Lebens“
■ Pastoral-psychologische Einzelgespräche
■ Seelsorgergespräche.
Kombinationen der Therapiebausteine:
Der integrative Ansatz bezieht sich nicht nur
auf die angewandten psychotherapeutischen Maßnahmen, sondern auch auf die
Kombination von verschiedenen Therapieschwerpunkten.
Es werden in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen psychotherapeutische Maßnahmen
in Einzel- und Gruppenform kombiniert mit
kreativtherapeutischen und arbeitstherapeutischen Maßnahmen sowie mit medizinischen Behandlungen und Körpertherapie.
Aus unserer Sicht kann der multifaktoriellen
Genese der Abhängigkeitserkrankung nur
durch ein weitgefächertes Therapieangebot
adäquat begegnet werden. Der Prozess der
Therapiesteuerung ist ein wichtiger Bestandteil des Qualitätssicherungssystems
und wird im Rahmen der regelmäßig stattfindenden multiprofessionell besetzten Fallbesprechungen kontrolliert und supervidiert. Die bei diesen Fallbesprechungen gewonnenen Erkenntnisse werden gemeinsam vom Bezugstherapeuten mit seinem Patienten in den therapeutischen Alltag der
Hellweg-Klinik Oerlinghausen und bei Expositionsübungen und Belastungserprobungen außerhalb der Klinik umgesetzt.
- 21 -
III. Definition, Symptome und Folgen
der Abhängigkeitserkrankung
Es gibt eine Reihe von Definitionen zur Abhängigkeitserkrankung, die jeweils vom
ausgewählten Krankheitsmodell beeinflusst sind. Da die Begriffe „Alkoholismus“
und „Sucht“ relativ unpräzise zu definieren
waren, hat die WHO 1964 vorgeschlagen,
die Begriffe Abhängigkeit und Missbrauch
zu verwenden. Später wurde zwischen der
Abhängigkeit und den Folgeschädigungen
im körperlichen, psychischen und psychosozialen Bereich unterschieden. Neben der
körperlichen Abhängigkeit, die durch das
Auftreten von entsprechenden Entzugserscheinungen (psycho-vegetative Symptome, Toleranzentwicklung) gekennzeichnet ist, wird die psychische Abhängigkeit
unterschieden.
Die Abhängigkeitserkrankung wird im Kapitel „Psychische und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen“ (F10 – F19)
beschrieben:
■ F10 – Störung durch Alkohol
■ F11 – Störung durch Opioide
■ F12 – Störung durch Cannabinoide
■ F13 – Störungen durch Sedativa oder Hypnotika
■ F14 – Störungen durch Kokain
■ F15 – Störungen durch sonstige Stimulantien, einschließlich Coffein
■ F16 – Störungen durch Halluzinogene
■ F17 – Störungen durch Tabak
■ F18 – Störungen durch flüchtige Lösungsmittel
■ F19 – Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper Substanzen.
Die nicht stoffgebundenen Süchte (Verhaltenssüchte) werden folgendermaßen klassifiziert:
■ F63.0 – Pathologisches Glücksspiel
■ F63.8 – Sonstige abnorme Gewohnheiten
und Störungen der Impulskontrolle (z.B. Kaufsucht, etc.).
Im ICD 10 werden außerdem sechs diagnostische Leitlinien verwandt,
1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang,
psychotrope Substanzen zu konsumieren.
2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich
des Beginns, der Beendigung und der
Menge des Konsums.
3. Ein körperliches Entzugssyndrom (...) bei
Beendigung oder Reduktion des Konsums,
nachgewiesen durch die Substanz spezifischer Entzugssymptome oder durch die
Aufnahme der gleichen oder einer nahverwandten Substanz, um die Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden.
4. Nachweis einer Toleranz, um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, werden zunehmend
höhere Dosen erforderlich.
5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten
des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu
konsumieren oder sich von den Folgen zu
erholen.
6. Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie
z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmung infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte
Verschlechterung kognitiver Funktionen.
- 22 -
III. Definition, Symptome und Folgen
der Abhängigkeitserkrankung
Es sollte dabei festgestellt werden, dass der
Konsument sich tatsächlich über Art und
Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren
war, oder dass zumindest davon auszugehen ist.
Bei der Betrachtung der Abhängigkeitserkrankung sind die Folgeschäden von wichtiger Bedeutung. Die suchtmittelbedingten
Folgeschädigungen zeigen sich im körperlichen, psychischen und psycho-sozialen Bereich. In der anschließenden Darstellung
sollen beispielhaft für die Alkoholabhängigkeit die Folgeschäden aufgezeigt werden. Alkohol ist ein Zellgift, das jede Körperzelle
schädigen kann. Aus diesem Grunde gibt es
eine Vielzahl von somatischen Begleiterkrankungen, die bei der stationären Entwöhnungsbehandlung berücksichtigt werden sollten.
Zum psychopathologischen Bild der Abhängigkeitserkrankung gehören z.B. mangelndes Selbstwertgefühl, mangelnde soziale
Kompetenz, Ängste und depressive Verstimmungen. Im Rahmen psychiatrischen Differentialdiagnostik werden die psychiatrische
Komorbidität festgestellt und in den Therapieplan mit einbezogen. Oft ist es nach dem
langjährigen Krankheitsverlauf nicht mehr
sicher festzustellen, ob zuerst die Abhängigkeitserkrankung bestanden hat und sich
dann die psychische Erkrankung entwickelt
hat oder umgekehrt. Häufig ist der Suchtmittelkonsum ein ineffektiver Selbstheilungsversuch der primär bestehenden psychiatrischen Störung. Darüber hinaus findet
sich eine Vielzahl psychosozialer Probleme
im Rahmen der langjährigen Abhängigkeitsentwicklung. Diese zeigen sich vor allen
Dingen in folgenden Bereichen:
Trennung oder instabile Partnersituation
■ Drohender Arbeitsplatzverlust oder Arbeitslosigkeit
■ Führerscheinverlust mit juristischen Komplikationen
■ andere juristische Komplikationen durch
Gewaltdelikte oder Eigentumsdelikte
■ Drohender Verlust der Wohnung oder
sogar Obdachlosigkeit
■ Soziale Isolation
■ Inadäquate Freizeitgestaltung
■ Fehlende Tagesstruktur.
■
III.1 Indikationsspektrum der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Vor dem Hintergrund des Internationalen
Klassifikationssystems psychischer Störungen (ICD 10) kann das Indikationsspektrum
der Hellweg-Klinik Oerlinghausen folgendermaßen beschrieben werden. Zur stationären Entwöhnungsbehandlung aufgenommen werden können suchtkranke Männer,
bei denen eine Abhängigkeit besteht von
■ F10 – Störung durch Alkohol
■ F12 – Störung durch Cannabinoide
■ F13 – Störung durch Sedative und Hypnotika
■ F17 – Störung durch Tabak
■ F19 – Störung durch multiplen Substanzgebrauch (Schwerpunkt Alkohol, Cannabis, gelegentlich Amphetamine).
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen verfügt
über Erfahrungen in der Behandlung von
suchtkranken Männern, bei denen zusätzlich Verhaltenssüchte bestehen, dieses sind
insbesondere:
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III. Definition, Symptome und Folgen
der Abhängigkeitserkrankung
■
F63.0 – Pathologisches Glücksspielen und
pathologischer PC-Gebrauch.
Eine relative Behandlungsindikation ergibt
sich für Patienten mit einer Abhängigkeit
von
■ F11 – Störung durch Opioide
■ F14 – Störung durch Kokain
■ F15 – Störung durch sonstige Stimulantien
■ F16 – Störung durch Halluzinogene
■ F18 – Störungen durch flüchtige Lösungsmittel.
Wenn diese Suchtmittel in Verbindung mit
den zuvor genannten Suchtmitteln konsumiert werden, kann bei Unklarheiten in
einem Vorgespräch die Aufnahmemöglichkeit überprüft werden.
Die häufigsten psychiatrischen Diagnosen in
Zusammenhang mit der Abhängigkeitserkrankung werden fachärztlich psychopharmakologisch therapeutisch mitbehandelt,
sofern diese nicht im Stadium des floriden
Verlaufes sind und keine akute Gefahr bzw.
intensiv akut psychiatrische Betreuung voraussetzen.
Neue wissenschaftliche Untersuchungen
belegen die hohe Komorbidität zwischen
der Alkoholabhängigkeit und Angststörungen und depressiven Störungen.
Diese Krankheitsbilder sind nach dem
ICD 10:
■ F32 – Depressive Episode
■ F33 – Rezidivierende depressive Störung
■ F40 – Phobische Störung
■ F41 – Sonstige Angstreaktion
■ F43 – Reaktion auf schwere Belastungs-
und Anpassungsstörung
F45 – Somatoforme Störung
■ F48 – Sonstige neurotische Störung
■ F43.1 – Posttraumatische Belastungsstörungen.
■
Zur Behandlung dieser psychiatrischen
Krankheitsbilder hat die Hellweg-Klinik
Oerlinghausen seit 1992 spezielle Therapiegruppen entwickelt und mit dem federführenden Leistungsträger, Deutsche Rentenversicherung Bund (vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berlin) abgesprochen. In manchen Fällen entwickelt
sich die Alkoholabhängigkeit vor dem Hintergrund einer Persönlichkeitsstörung und
Verhaltensstörung, die als Mediatorvariable
eine wichtige Bedeutung bei der Entstehung
und Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung hat. Unser Therapiekonzept berücksichtigt diese Auswirkungen, wenn entsprechende Persönlichkeitsanteile vorhanden sind. Die Funktionalität dieser Persönlichkeitsanteile wird bei der Diagnostik und
Therapieplanung berücksichtigt:
■ F60.3 – Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
■ F60.4 – Histrionische Persönlichkeitsstörung
■ F60.5 – Anankastische Persönlichkeitsstörung
■ F60.6 – Ängstliche Persönlichkeitsstörung
■ F60.7 – Abhängige Persönlichkeitsstörung
■ F60. 8 – Sonstige näher bezeichnete Persönlichkeitsstörungen.
Die Patienten mit einer hirnorganischen
Leistungsstörung (F.0) können nur dann am
Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen teilnehmen, wenn die kognitive
- 24 -
III. Definition, Symptome und Folgen
der Abhängigkeitserkrankung
Leistungsminderung nicht zu sehr ausgeprägt ist. Es erfolgt in diesen Fällen eine psychiatrische und testpsychologische Differentialdiagnostik auf der Aufnahmestation,
um die Therapie- und Rehabilitationsfähigkeit zu überprüfen. Häufig handelt es sich
um eine alkoholtoxisch bedingte hirnorganische Leistungsminderung, die sich unter
Abstinenz bessert.
Aufgrund der Häufigkeit werden die somatischen Begleiterkrankungen besonders erfasst.
Dies sind:
■ Lebererkrankungen
■ Bauchspeicheldrüsenerkrankungen
mit
Diabetes Mellitus
■ Erkrankungen des Magen-Darmtraktes
■ Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems
■ Erkrankungen der peripheren Nerven.
Im Rahmen der ärztlichen Sprechstunde
und Visite werden ausführliche Gespräche
geführt, um das Gesundheitsverhalten der
Patienten zu verbessern. Darüber hinaus
finden regelmäßige psychoedukative Informationsgruppen statt. Auf orthopädischem
Fachgebiet werden häufig Beschwerden aus
dem Bereich der degenerativen Erkrankungen des HWS- und LWS-Bereiches sowie der
großen Gelenke im Schultergürtelbereich
und der unteren Extremität berichtet. Häufig kommen die Patienten mit Spätfolgen
oder Restsymptomen nach traumatischer
Verursachung. Die daraus resultierenden
chronischen Schmerzsyndrome werden
ärztlich, psychotherapeutisch und physikalisch behandelt. Dazu wird in der HellwegKlinik Oerlinghausen ein physikalisches Behandlungsprogramm angeboten und mehr-
mals wöchentlich kommt ein Krankengymnast in die Klinik, um mit den Patienten aktive Übungsprogramme zu absolvieren. Die
meisten somatischen Erkrankungen werden
von den Fachärzten der Klinik, vom Pflegedienst und den Physiotherapeuten behandelt. Darüber hinaus gehende Erkrankungen werden niedergelassenen Fachärzten
vorgestellt. Aufgrund der Gender-Thematik
widmen wir uns aktiv den Erkrankungen
des männlichen Urogenitalsystems (Prostatabeschwerden, Potenzbeschwerden), die
durch die niedergelassenen Urologen mitbehandelt werden. Mit den umliegenden somatischen Krankenhäusern in Detmold und
Bielefeld bestehen vertrauensvolle Kooperationsbeziehungen, die durch die jahrelange Zusammenarbeit entstanden sind.
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen verfügt im
Rahmen ihres Qualitätsmanagementsystems
über ein Notfallmanagement. Der nächste
Rettungswagen des Malteser-Hilfsdienstes
ist 1 km entfernt von der Klinik stationiert.
Kontraindikationen ergeben sich für folgende akute Erkrankungen:
■ Akute somatische Erkrankungen, die eine
akute stationäre Behandlung erforderlich
machen.
■ Akute oder dekompensierte psychiatrische
Erkrankungen, die eine akute stationäre
Krankenhausbehandlung erforderlich machen.
■ Akute Selbst- oder Fremdgefährdung
■ Ausgeprägte hirnorganische Leistungsminderung
■ Rollstuhlfahrer können z.Zt. wegen der
baulichen Gegebenheiten nicht aufgenommen werden.
- 25 -
IV. Therapie der Abhängigkeitserkrankung
im Behandlungsverbund
Der Königsweg (nach Wienberg) bestehend aus Suchtberatungsstelle – Fachklinik
– Selbsthilfegruppe ist ersetzt worden
durch den regionalen Behandlungsverbund. Dieser besteht aus den ambulanten
Beratungs- und Behandlungsstellen, den
teilstationären und stationären Einrichtungen zur qualifizierten Entzugsbehandlung,
mehrere regionale Fachkliniken zur Entwöhnungsbehandlung und den regionalen
Adaptionseinrichtungen. Darüber hinaus
hat der Behandlungsverbund intensiven
Kontakt zu den Hausärzten und zu den
Selbsthilfegruppen.
Die Grundidee des Behandlungsverbundes
ist es, eine passgenaue und angemessene
Behandlungsform für den Patienten zu finden, damit die Bausteine der ambulanten,
ganztägig ambulanten (teilstationär) und
stationären Entwöhnungsbehandlung optimal und kostengünstig miteinander kombiniert werden können. Dazu ist eine gute
Kenntnis und ein enger Kontakt zwischen
den therapeutischen Mitarbeitern des Behandlungsverbundes erforderlich, um einen
reibungsarmen Fortgang der Therapie zu
garantieren. Die Zusammenarbeit der Einrichtungen des regionalen Behandlungsverbundes ist in einem vom Rentenversicherungsträger genehmigten Therapiekonzept
geregelt. In diesem Therapiekonzept wird
insbesondere die Schnittstellenproblematik
bei Wechsel von einer Behandlungsform in
die andere geregelt, um eine qualifizierte
Fortführung der Entwöhnungsbehandlung
zu ermöglichen. Der Informationsfluss wird
garantiert durch:
Behandlungsverbund
Allgemeinkrankenhaus
Sucht-Akkut
SWCNKƂ\KGTVG
Entgiftung
Selbsthilfegruppe
Ambulanz
Hausarzt
SHG
Beratungsstelle
Ambulante
Therapie
Tagesklinik
Nachtklinik
Betreute
Wohngemeinschaft
Medizinische
Rehabilitation
Abbildung 3: Behandlungsverbund
- 26 -
IV. Therapie der Abhängigkeitserkrankung
im Behandlungsverbund
persönliche Übergabegespräche
zeitnahe Therapieberichte über jeden Therapiebaustein
■ regelmäßige Kooperationstreffen
■ regionale Fachtagungen.
■
■
Derzeit ist die Hellweg-Klinik Oerlinghausen nach Rücksprache mit den Leistungsträgern in folgende regionale Behandlungsverbünde integriert:
■ Behandlungsverbund Paderborn-Höxter
■ Behandlungsverbund Bielefeld-Gütersloh
■ Behandlungsverbund östliches Ostwestfalen.
Darüber hinaus findet im Rahmen des
Qualitätsmanagementprogramms ein qualifiziertes Aufnahmemanagement und Entlassmanagement statt. Ein wichtiger
Bestandteil darin ist der regelmäßige und
verbindliche Kontakt zu dem Zuweiser, um
diesen über Aufnahme, Therapieverlauf und
Entlassungsabsprachen zeitnah zu informieren.
Das Therapiekonzept der Hellweg-Klinik
Oerlinghausen versteht sich als der stationäre Baustein im regionalen Behandlungsverbund der medizinischen Rehabilitation.
Vor dem Hintergrund der regionalen Behandlungsverbünde haben sich Kombinationstherapien aus ambulanter, ganztägig
ambulanter und stationärer Entwöhnungsbehandlung entwickelt. Im Rahmen der
regelmäßigen Fallbesprechungen ist es verbindlicher Bestandteil der Therapiesteuerung, dass nach acht bzw. zwölf Wochen der
stationären Entwöhnungsbehandlung festgelegt wird, ob nicht eine Umwandlung in
eine ganztägig ambulante oder ambulante
Behandlungsform möglich ist.
IV.1 Kombinationsmodelle der
Deutschen Rentenversicherung
Bund
In der Hellweg-Klinik Oerlinghausen können nach Vorgabe durch den federführenden Leistungsträger, Deutsche Rentenversicherung Bund, folgende Kombinationstherapiemodelle umgesetzt werden:
■ Acht Wochen stationäre Rehabilitationsphase mit anschließend ambulanter Rehabilitation (40+4 Therapieeinheiten)
■ Ambulante Rehabilitation (40+4 Therapieeinheiten), bei Krisensituation Umwandlung in eine stationäre Rehabilitation von
maximal vier Wochen, danach Fortführung
der ambulanten Rehabilitation.
Diese Kombinationsmodelle werden mit
allen von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkannten Suchtberatungsstellen durchgeführt, wenn eine entsprechende Indikation vorliegt, der Patient dieser Umwandlung zustimmt und die weiter
betreuende Beratungsstelle ebenfalls aktiv
mit in den Entscheidungsprozess einbezogen ist. Über den stationären Therapiebaustein wird ein vorläufiger Entlassungsbericht erstellt. Durch verbindliche Übergabegespräche wird sichergestellt, dass die in
der Hellweg-Klinik Oerlinghausen begonnenen Therapieprozesse in der anerkannten
Suchtberatungsstelle fortgesetzt werden
können und dass die Schnittstellenproblematik verringert wird, sodass ein fast nahtloser Übergang der einzelnen Therapiebausteine erreicht werden kann. Weitere Voraussetzung für die Kombinationstherapien
ist, dass die Suchtberatungsstelle innerhalb
von 45 Minuten mit öffentlichen Verkehrs-
- 27 -
IV. Therapie der Abhängigkeitserkrankung
im Behandlungsverbund
mitteln erreicht werden kann. Der Leistungsträger wird vor dem Wechsel der Behandlungsform über die geplanten Maßnahmen informiert und um Zustimmung gebeten. Im Anschluss an eine reguläre Entwöhnungsbehandlung wird eine ambulante
Nachsorge im Umfang von 20+2 Therapieeinheiten bei einer anerkannten Suchtberatungsstelle beantragt. In Einzelfällen kann
nach Rücksprache mit dem Leistungsträger
auch ein mehrfacher Wechsel zwischen den
ambulanten und stationären Therapiebausteinen durchgeführt werden. Über jede
Therapiephase wird ein eigenständiger
Therapiebericht zeitnah erstellt. Seit Dezember 2009 werden in der Hellweg-Klinik
Bielefeld suchtkranke Menschen im Rahmen der ganztägig ambulanten Rehabilitation behandelt.
Federführender Leistungsträger ist ebenfalls die Deutsche Rentenversicherung
Bund. Das genehmigte Therapiekonzept
stammt aus dem Jahre 2010. Seit dem Januar 2012 gehört im Hellweg-Zentrum für
Beratung und Therapie (vormals Suchtberatungsstelle des Evangelischen Gemeindedienstes) suchtkranke Menschen beraten
und in stationäre oder ganztägig ambulante
Einrichtungen sein werden. Außerdem bestehen Angebote zur ambulanten Rehabilitation und Nachsorge für den Indikationsbereich Alkohol und pathologisches Glücksspielen. In der Hellweg-Klinik Lage werden
seit dem Jahre 2004 qualifizierte teilstationäre Entgiftungsbehandlungen zu Lasten
der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) durchgeführt. Je nach Ausprägung
der Erkrankung und Motivation des Patienten werden diese in ambulante, ganztägig
ambulante oder stationäre Einrichtungen
vermittelt.
- 28 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Die Leitung ist aufgebaut auf den Führungsgrundsätzen des Johanneswerkes.
V.1 Organisationsstrukturen
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist eine
Klinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
und stellt 100 Therapieplätze für suchtkranke Männer zur Verfügung. Nach dem Indikationsangebot besteht eine Behandlungsmöglichkeit für alkohol- und medikamentenabhängige Männer. Polytoxikomane
Patienten (Mehrfachabhängigkeit) können
stationär behandelt werden, wenn die Abhängigkeit von Opiaten nicht im Vordergrund steht. Komorbid bestehende stoffungebundene Abhängigkeiten werden mitbehandelt (Glücksspielsucht, Mediensucht).
Bei Gründung der Hellweg-Klinik Oerlinghausen im Jahre 1966 ergab es sich, in der
Einrichtung ausschließlich suchtkranke
Männer zu behandeln. Die Argumentationsliste für oder gegen diese Entscheidung ist
lang und wird in der Fachwelt immer wieder kontrovers diskutiert. Vor dem Hintergrund der aktuellen Gender-Diskussion
haben wir die geschlechtsspezifische Ausrichtung des Therapiekonzeptes verbessert
und die Auswirkungen des biologischen und
soziokulturellen Geschlechtes in dem Therapieangebot berücksichtigt. Die Schwerpunktthemen der Behandlung mit männlichen Patienten werden in diversen Indikationsgruppen thematisiert und erörtert.
der Behandlungszeit finden die ärztlichen
Untersuchungen und die psychiatrische Differentialdiagnostik in den ersten zwei Tagen
nach der Aufnahme statt. Die indikationsbezogene Aufnahme bestehend aus ergotherapeutische und sozialmedizinischen Teil sind
mit dem dritten Tag nach der Aufnahme beendet und dokumentiert. Im Rahmen der
Fallbesprechung nach einer Woche nach der
Aufnahme werden die Patienten in das multiprofessionelle Team besprochen und entsprechend des Störungsbildes in die Gruppen der Klinik eingeteilt.
Suchtmittelrückfällige Patienten sowie noch
zum Zeitpunkt der Aufnahme entzügige Patienten werden zur Überwachung auf den
dafür vorgesehenen Zimmern in unmittelbarer Nähe zur Pflege verlegt.
Das therapeutische Team setzt sich zusammen aus Mitarbeitern aus den Bereichen:
■ Medizinischer Dienst
■ Bezugstherapeuten (Einzel- und Gruppentherapeuten)
■ Ergotherapeuten,
■ Sporttherapeuten
■ Sozialdienst
■ Qualifiziertes Pflegepersonal
■ Pastoraldienst
Die Anzahl in einer Therapiegruppe beträgt
bis zwölf Patienten.
Jeder Patient wird am Tag der Aufnahme sowohl ärztlich als auch therapeutisch aufgenommen und pflegerisch versorgt. Während
- 29 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
V.2 Therapieziele der stationären
medizinischen Rehabilitation
Die medizinische Rehabilitation orientiert
sich an dem bio-psychosozialen Krankheitsmodell der Gesundheitsorganisation (WHO)
und der internationalen Klassifikation der
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Daraus ergibt sich ein ganzheitlich angelegtes interdisziplinäres Rehabilitationskonzept mit den entsprechenden
Therapiezielen, die das Ziel haben, die funktionale Gesundheit des Rehabilitanden zu
erhalten oder wiederherzustellen und dessen soziales und berufliches Umfeld zu berücksichtigen. Somit ist das übergeordnete
Therapieziel des stationären Rehabilitationsprozesses, die negativen Auswirkungen
einer Behinderung auf die Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Diese Grundannahmen haben in den
Fachgesellschaften zu intensiven Diskussionen der evidenzbasierten Leitlinien im Bereich der medizinischen Rehabilitation
(Postakutbehandlung) geführt. Die Behinderungen umfassen durch die Suchterkrankung bedingte Schädigungen der Körperfunktionen bzw. -strukturen sowie Beeinträchtigung der Aktivitäten und der Partizipation im Kontext umwelt- und personenbezogener Faktoren. Postakut-Behandlungen zielen demnach auf den Erhalt, die Verbesserung und die Wiederherstellung der
Funktions- und Leistungsfähigkeit des chronisch kranken oder behinderten Menschen
in Alltag und Beruf.
Danach sind behandlungsleitende Ziele:
Sicherung von Selbstbestimmung
■ Gleichberechtigte Teilhabe am Leben in
■
■
der Gesellschaft
Wiederherstellung von Arbeits- und Erwerbsfähigkeit.
Ziele der Postakut-Behandlungen sind nach
den evidenzbasierten Leitlinien in der
Suchtmedizin:
■ Erhaltung oder Wiederherstellung der
Teilhabe am Erwerbsleben
■ Erreichen
und Aufrechterhaltung der
Suchtmittelabstinenz
■ Besserung komorbider psychiatrischer
Störungen
■ Besserung somatischer Begleiterkrankung
■ Beseitigung, Reduktion oder Kompensation der somatischen, psychischen und
psychosozialen Folgen.
Prognostisch günstige Faktoren für eine zufriedene Abstinenz sind die Teilhabe am Erwerbsleben, das Vorhandensein von Wohnraum und eine stabile Partnerschaft bei
wirtschaftlicher Absicherung. Die allgemeinen übergeordneten Therapieziele können in Unterpunkte differenziert werden.
Aus suchtmedizinischer Sicht ist ein wesentliches Therapieziel die Übernahme der
Eigenverantwortung und Eigenkontrolle,
nachdem sich der Patient aus dem Teufelskreis der Abhängigkeit befreien konnte. Im
Verlauf der Suchterkrankung hat der abhängigkeitserkrankte Mensch diese Eigenkontrolle teilweise verloren. Durch die therapeutischen Maßnahmen und durch die Einhaltung der Hausordnung kann er die Eigenkontrolle und Eigenverantwortung im Rahmen der Abstinenz wieder erlangen. Das
Therapiekonzept und die Hausordnung sind
so aufgebaut, dass ein schrittweiser Abbau
der therapeutischen Fremdkontrolle zu
- 30 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Gunsten der Übernahme von Eigenkontrolle
und Eigenverantwortung möglich wird.
Dazu dienen die Ausgangsregelung und weitere therapeutische Regeln. Um die übergeordneten Therapieziele zu erreichen, sind
eine Reihe von individuellen Therapiezielen
erforderlich, die gemeinsam mit dem Patienten aus dem komplexen Störungsbild
abgeleitet werden können. Die Anzahl und
das Ausmaß der individuellen Therapieziele
sind im Wesentlichen abhängig von der
Dauer und Ausprägung der Abhängigkeitserkrankung und den damit verbundenen
Folgeschädigungen. Bei der Festlegung der
Therapieziele sind nicht nur die Schwächen
und Defizite der Patienten relevant, sondern
auch dessen Fähigkeiten und Stärken. Diese
Ressourcen können für das Erreichen der
Therapieziele konstruktiv genutzt werden.
Nach mehrwöchiger Abstinenz können Patienten die Erfahrung machen, dass es ihnen
gelingt, alte Fähigkeiten und Stärken wieder
zu entdecken. Dieses führt im Sinne einer
positiven Verstärkung zu einem motivationsfördernden Therapieprozess mit Verbesserung der Selbstkompetenz und der Selbstwirksamkeitserwartung.
gen und therapeutischen Besprechungen
dieser Prozess begleitet, überwacht und bei
Bedarf korrigiert. Im Nachfolgenden ist die
Aufzählung und Kategorisierung der häufigsten Therapieziele im Verlauf der stationären medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter dargestellt:
1. Suchtmedizinische Therapieziele
Verbesserung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit
■ Verringerung körperlicher Folgeerkrankungen, wie z.B. Lebererkrankungen, Polyneuropathie,
■ Aufbau einer gesundheitsfördernden Lebensweise bezüglich Essverhalten, Gesundheitspflege, Genuss,
■ Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen
■ Mitbehandlung der psychiatrischen Komorbidität
■
2. Therapieziele im psychotherapeutischen Bereich
Behandlung einer gleichzeitig bestehenden psychischen Komorbidität
■ Mitbehandlung der Auswirkung gleichzeitig bestehender Persönlichkeitsstörungen
■ Umgang mit Rückfallen
■ Verbesserung der Wahrnehmung von Gefühlen
■ Adäquater Umgang mit Enttäuschungen
und Rückschlägen
■ Wiederentdeckung von psychischen Stärken und Fähigkeiten
■ Verbesserung der sozialen Durchsetzungsfähigkeit
■
Die folgenden Therapieziele sind unserer
Ansicht nach erforderlich, um die Suchtmittelabstinenz zu erreichen und zu stabilisieren. Diese ist wiederum eine wichtige Voraussetzung zur Wiederherstellung und
zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit. Während
des individuellen Therapieprozesses werden mit dem Patienten gemeinsam diese
Therapieziele festgelegt und die dazu notwendige Therapieinterventionen geplant
und umgesetzt. Im Rahmen der Therapiesteuerung wird dann in den Fallbesprechun-
- 31 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Wiederherstellung und Aufbau eines adäquaten Selbstwertgefühles
■ Erprobung der erreichten Problemlösestrategien im realen Umfeld
■
3. Therapieziele im psycho-sozialen
Bereich
Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes
■ Unterstützung zur Bewältigung juristischer Komplikationen (Strafprozesse, Verkehrsdelikte)
■ Verbesserung der Kommunikation mit Sozialpartnern (Ehepartner, Kinder, Vorgesetzte)
■ Verbesserter adäquater Umgang mit Ämtern und Behörden
■ Adäquates Durchsetzen eigener Interessen
in der sozialen Gruppe
■
4. Therapieziele im arbeitstherapeutischen Bereich
Verbesserung
neuro-psychologischer
Funktionen, z.B. Aufmerksamkeit
■ Einübung und abgestufte Belastung zur
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit
■ Bewerbungstraining inkl. Unterstützung
bei der Erstellung einer Bewerbungsmappe, Beantragung fehlender Zeugnisse,
Vorbereitung au Vorstellungsgespräche
(Rollenspiele), Wege der Arbeitssuche
(Anzeigen und Ausschreibungen im Internet, Zeitung und Zeitschriften u.a.)
■ Work-Life-Balance
(Arbeit-Freizeit-Verhältnis als eine wichtige Form der Rückfallprävention).
■
Angemessener Umgang mit „Kollegen“ und
„Vorgesetzten“
■ Verbesserung von Ausdauer, Durchhaltevermögen und Flexibilität
■ Berufsorientierende Maßnahmen durch
interne und externe Belastungserprobung
■
5. Therapieziele im Bereich der Kreativtherapie und Freizeitgestaltung
Aufbau und Wiederentdeckung kreativer
Fähigkeiten
■ Bearbeitung dysfunktionaler emotionaler
Prozesse im Umgang mit Frustration und
Kränkungen
■ Förderung nonverbaler Ausdruckweisen
■ Nonverbaler Zugang zu sich und den Gefühlen
■ Selbstwertsteigerung
■ Wahrnehmung von eigenen Bedürfnissen
■ Trauerbearbeitung
■ Gestalterische Beschäftigung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
■ Wiederentdeckung von Freizeitaktivitäten
■ Übernahme von Verantwortung im Freizeitbereich
■
6. Therapieziele im Bereich der Körpertherapie
Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
Verbesserung der körperlichen Belastungsfähigkeit
■ Angemessenes sportliches Verhalten
■ Verbesserung der körperlichen Fitness
■ Verbesserung des Ernährungsverhaltens
■ Motivation zur Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen
■
■
- 32 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
■
■
Wiederentdecken des „Genießens im Alltag“
Selbstwahrnehmung und Selbststärkung
7. Therapieziele im Bereich sozialmedizinischer Fragestellungen
Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit auf
dem ersten Arbeitsmarkt, in Ausnahmefällen und bei gegebener Indikation Vermittlung auf dem zweiten Arbeitsmarkt
■ Bei Indikation die Einleitung der stundenweisen Wiedereingliederung
■ Arbeitgebergespräche im Beisein des Patienten und nach Möglichkeit des Suchtbeauftragten seines Arbeitsgebers
■ Hilfestellung bei sozialmedizinischen Fragestellungen
■ Hilfestellung bei Bedarf im Rahmen des
betreuten Wohnens
■
8. Therapieziele im Bereich der diakonischen Begleitung
Wiederentdeckung von Sinn- und Werteorientierung
■ Stärkung ethischer Orientierung zur Stabilisierung der Abstinenz.
■ Ergänzt und unterstützt die therapeutischen Ziele in Zusammenarbeit mit Bezugstherapeuten
■ Trauer- und Trennungsbewältigung
■ Stützende und entlastende Gespräche
■
Im Rahmen des hypothesengeleiteten, diagnostischen Prozesses erarbeitet der Bezugstherapeut mit seinen Patienten die zur Bewältigung seiner Abhängigkeitserkrankung
erforderlichen Therapieziele. Dann legt er
gemeinsam mit dem Patienten fest, welche
therapeutischen Maßnahmen (Therapiebausteine) zur Erreichung der festgelegten
Therapieziele erfolgversprechend sind. Im
Rahmen dieses diagnostisch-therapeutischen Prozesses werden Therapiefortschritte festgestellt und der o.g. Prozess modifiziert. In vielen Fällen ist die Fortführung
des therapeutischen Prozesses im ambulanten Rahmen erforderlich, um die in der Klinik erreichten Problemlösestrategien im
Alltag zu stabilisieren. Das Angebot der
Kombitherapien ist dafür ein geeignetes Instrument, wenn der begonnene Therapieprozess reibungslos im ambulanten Setting
fortgesetzt werden kann. Durch die verbindlichen Absprachen des regionalen Behandlungsverbundes sind die bekannten Schnittstellen und Transferprobleme deutlich verringert worden.
V.3 Therapiebausteine
In der Hellweg-Klinik Oerlinghausen wird
dem Patienten ein integratives Therapieangebot gemacht. Dazu werden die in der modernen stationären Suchtkrankenarbeit angewandten Therapiebausteine angeboten,
die sich im Rahmen der evidenzbasierten
Suchtmedizin bewährt haben. Sie werden
ergänzt durch praxisbewährte Therapieangebote.
Die vier Säulen der Therapie sind:
■ Suchtmedizinische Behandlung
■ Psycho-Soziotherapie
■ Handlungsorientierte Therapie
■ Diakonische Begleitung.
- 33 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Die vier Säulen der Therapie repräsentieren
ein weitgefächertes Therapieangebot zur
Behandlung der körperlichen, psychischen
und psychosozialen Symptome und Folgen
der Abhängigkeitserkrankung.
Im Folgenden werden die einzelnen Therapiebausteine, die zur Erreichung der festgelegten Therapieziele eingesetzt werden, beschrieben. Häufig werden mehrere Therapieinterventionen zeitgleich angeboten, um
die Therapieziele zu erreichen. Die Umsetzung und Steuerung erfolgt durch den Bezugstherapeuten, der Unterstützung durch
das therapeutische Team erhält. Das Bezugstherapeutensystem ist die Basis unseres Therapieangebotes. Die suchtmedizinische Behandlung dient der Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit und Erwerbsfähigkeit, die eine wesentliche Voraussetzung für ein suchtmittelfreies Leben
und für die Teilhabe am Erwerbsleben sind.
Im Rahmen der Psycho-Soziotherapie
werden sowohl Schwierigkeiten in der Per-
Diakonisch
Handlungsorientiert
Psycho-Sozial
Medizinisch
Therapieangebote
Abbildung 4: „Die vier Therapiesäulen“
son des Suchtkranken als auch die Schwierigkeiten des Patienten in der Interaktion
mit anderen Menschen bearbeitet. Dabei
spielen Prozesse aus der Vergangenheit
(biographische Bearbeitung) ebenso eine
Rolle, wie auch der Aufbau neuer alternativer Verhaltensweisen, um so Problemsituationen in Zukunft suchtmittelfrei bewältigen
zu können. Ziel ist es, inneres und von
außen zu beobachtendes Erleben und Verhalten zu verändern. Dahinter steht die Absicht, dysfunktionale Gefühle, Gedanken, Erwartungen und Reaktionen zu verändern
und fehlende Bewältigungs- und Regulierungskompetenzen aufzubauen. In diesem
Rahmen findet auch die Einbeziehung der
Angehörigen statt. Die handlungsorientierte Therapie umfasst eine Vielzahl von
praxisorientierten Behandlungsangeboten,
die den Patienten bei der Wiederherstellung
und Erhaltung seiner Erwerbsfähigkeit unterstützen. Dabei helfen ergo- und kreativtherapeutische Angebote sowie Maßnahmen der Körpertherapie. Zusätzlich erlernt
der Patient die Möglichkeiten des Freizeitverhaltens und der konstruktiven Tagesstrukturierung. Die diakonische Begleitung macht sichtbar, dass das menschliche
Leben in einem größeren Sinnzusammenhang steht. Die Auseinandersetzung mit der
Werteorientierung und die Begleitung von
Fragen nach dem Sinn des Lebens und wird
den Patienten angeboten, um ihre Suchterkrankung spirituell zu verstehen. Die vier
Säulen des Therapiekonzeptes der HellwegKlinik basieren in der Hauptsache auf den
modernen Erkenntnissen der evidenzbasierten Suchtmedizin. Im Rahmen der im
Qualitätsmanagement festgelegten Therapiesteuerung wird die Integration dieser
- 34 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Therapiemaßnahmen zur Erreichung der
festgelegten Therapieziele optimiert und regelmäßig supervidiert.
V.3.1 Suchtmedizinische Behandlung
Ziel der suchtmedizinischen Behandlung ist
es, die körperliche und psychische Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Es
arbeiten in der Klinik Ärzte mit entsprechender Facharztausbildung aus den Bereichen Psychiatrie und Psychotherapie und
Allgemeinmedizin/Innere Medizin. In Zusammenarbeit mit dem Pflegedienst werden ärztliche Behandlungen auf psychiatrischem, internistischem und neurologischem
Fachgebiet durchgeführt. Dazu dienen die
körperliche Untersuchung, das ärztliche Gespräch und die Verordnung entsprechender
Medikamente und physikalischer Maßnahmen. Erforderliche diagnostische Zusatzuntersuchungen werden in kooperierenden
Arztpraxen und Krankenhäusern durchgeführt. Andere akut oder chronische Erkrankungen werden kooperierenden Fachärzten
vorgestellt, die seit vielen Jahren mit der
Hellweg-Klinik zusammenarbeiten. Deren
Therapievorschläge werden nach Absprache mit den Ärzten der Klinik umgesetzt.
Entsprechend den Vorschriften des Qualitätsmanagementsystems wird jeder Patient
am Aufnahmetag allgemein-körperlich, neurologisch und psychiatrisch untersucht.
Zudem findet am Aufnahmetag ein therapeutisches Aufnahmegespräch statt.
Diese Aufnahmeuntersuchung wird ergänzt
durch entsprechende Laboruntersuchungen
und durch ein Elektrokardiogramm. Die er-
forderlichen Medikamente werden durch
die Ärzte der Klinik verordnet und durch
den Pflegedienst ausgegeben. Die psychologische Testdiagnostik wird entsprechend
der Leitlinien eingesetzt und durchgeführt
und als diagnostisches Kriterium eingesetzt.
Erforderliche Zwischenuntersuchungen und
Abschlussuntersuchungen finden regelmäßig statt. Es findet wöchentlich eine fachärztlich (psychiatrisch-internistische) Visite
im Zimmer der Patienten in Beisein der Bezugstherapeuten und Pflege statt. Im Rahmen der ärztlichen Gespräche während und
außerhalb der Sprechstunden bzw. im Verlauf der Visiten wird die Verbesserung des
Gesundheitsverhaltens vorgenommen. Die
psychiatrische und internistische Behandlung der vorherrschenden Diagnosen und
Störungen liegt im Vordergrund der Behandlung. Schwerpunkte der ärztlichen Interventionen sind das Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie der Umgang mit
anderen Suchtstoffen, vor allem Nikotin und
Psychoedukation. Die Bearbeitung des Essverhaltens wird unterstützt durch die Mitarbeit der Diätassistentin, die ebenfalls einzel- und gruppentherapeutische Angebote
macht. Im medizinischen Unterricht (Psycho-Edukation) erhalten die Patienten weitere wichtige Informationen zum allgemeinen Gesundheitsverhalten, Essverhalten,
Umgang mit Risikofaktoren und Krankheitsbildern. Innerhalb des medizinischen Unterrichtes finden ausführliche Informationsveranstaltungen über die Folgeschädigungen des Rauchens statt. Die Hellweg-Klinik
Oerlinghausen nimmt am Nichtrauchertraining des IFT München teil. Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen verfügt über ein erprobtes Notfallmanagement. Der ärztliche Be-
- 35 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
reitschaftsdienst findet in Form von Rufdiensten statt. Einbezogen in den Rufdienst
sind niedergelassene kooperierende Fachärzte. Eine notfallmäßige medizinische Versorgung kann durch die Notärzte des zuständigen Rettungsdienstes erfolgen. Der
RTW des Malteser Hilfsdienstes ist 1 km
entfernt von der Klinik stationiert.
Zur Unterstützung der medizinischen Behandlung ist ein Masseur und med. Bademeister beschäftigt, der therapeutische Angebote zur Linderung der Beschwerden des
Stütz- und Bewegungsapparates macht.
Dazu kommen klassische Massagen, Fangopackungen, und medizinische Bäder, beispielsweise Entspannungs-, Beruhigungs-,
Öl- und Rheumabäder. Mehrmals wöchentlich ist auch ein Krankengymnast im Hause,
der die entsprechenden ärztlichen Verordnungen aktiv mit den Patienten umsetzt.
V.3.2 Psycho-Soziotherapie
Die Post-Akutbehandlung von Alkoholabhängigen wird in der Regel mit einem integrierten Behandlungsplan umgesetzt,
indem psychotherapeutische, soziotherapeutische und suchtmedizinische Interventionen in Kombination angewandt werden.
Das Ziel der medizinischen Rehabilitation
ist der Erhalt der funktionalen Gesundheit.
Aus diesem Grunde werden motivationsfördernde und kompetenzerhöhende Therapiemaßnahmen eingesetzt, um die Krankheitsakzeptanz zu vertiefen und die Suchtmittelabstinenz langfristig zu erhalten. Die
umfangreichen Therapieinterventionen aus
dem Bereich der Psycho-Soziotherapie be-
inhalten sowohl evidenzbasierte Maßnahmen als auch Interventionen, deren Wirksamkeit im Einzelnen noch nicht nachgewiesen ist. Die evidenzbasierte Suchtmedizin hat nachgewiesen, dass integrierte Behandlungen wirksamer sind als die Anwendung separater Behandlungskomponenten.
Der psycho-soziotherapeutische Prozess ist
ein fortlaufender, ineinander verzahnter
Prozess, in dem der Bezugstherapeut gemeinsam mit dem Patienten die zentrale
Rolle spielt. Die folgende Aufzählung der angewandten Therapiebausteine stellt eine
künstliche Trennung dar. Die Elemente können im realen Therapieprozess nicht so
deutlich voneinander getrennt werden. Es
werden Interventionstechniken der Einzelund Gruppenpsychotherapien mit Interventionsstrategien der Soziotherapie verbunden.
V.3.2.1 Bezugstherapeutensystem
Die Basis des psycho-soziotherapeutischen
Prozesses ist das Bezugstherapeutensystem. Jeder Patient bekommt bei der Aufnahme in seine Therapiegruppe einen Bezugstherapeuten. Der Bezugstherapeut ist
Hauptansprechpartner des Patienten für
alle wesentlichen Belange mit Ausnahme
der medizinischen Behandlung. Der Bezugstherapeut arbeitet im multiprofessionellen
Team, in denen alle Mitarbeitergruppen der
Hellweg-Klinik vertreten sind.
Der Bezugstherapeut führt mit seinem Patienten regelmäßig Einzelgespräche (1 x
wöchentlich), in denen die biographische
Anamnese und die Suchtmittelanamnese erhoben wird. Es ergeben sich in diesen Gesprächen Hinweise für frühe Traumatisie-
- 36 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
rungen und wichtige Informationen über
die Sozialisationsbedingungen des Patienten und seine entsprechende Lerngeschichte. Im Anschluss daran werden die
ersten Hypothesen über das Störungsbild
des Patienten gebildet, und es werden gemeinsam mit dem Patienten die ersten Therapieziele festgelegt. Die später beschriebenen therapeutischen Angebote werden von
psychologischen Psychotherapeuten, Dipl.
Psychologen mit Zusatzausbildung und Dipl.
Sozialarbeitern mit sozialtherapeutischer
Weiterbildung durchgeführt.
Folgende Interventionsstrategien werden
angewandt:
■ Einzelgespräche/Einzelpsychotherapie
■ Gruppentherapie
■ Indikations- und psychoedukative Gruppen
■ Expositionsübungen
■ Sozialtherapeutische Maßnahmen
■ Milieutherapeutische Elemente
■ Angehörigenarbeit
■ Sozialberatung
Einzelgespräche – Einzelpsychotherapie
Schwerpunkte einer abhängigkeitsspezifischen Psychotherapie sind motivationsfördernde und kompetenzerhöhende Maßnahmen zur Erreichung und Aufrechterhaltung
der Abstinenz. Dazu wird die motivierende
Gesprächsführung nach Miller und Rollnik
angewandt, um die vorhandene Ambivalenz
des Patienten konstruktiv für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Abstinenz
zu nutzen. Im Rahmen der Einzeltherapie
kommen die Grundlagen der verhaltensmedizinischen Behandlung zum Tragen. Dazu
werden im Wesentlichen kognitiv-behavio-
rale Ansätze genutzt, die ergänzt werden
durch Expositionsübungen mit therapeutischer Begleitung. Neben der Arbeit mit dem
Bezugstherapeuten ist die Arbeit in der Therapiegruppe zentraler Bestandteil des Therapieangebotes.
Gruppentherapeutische Angebote
In der Hellweg-Klinik Oerlinghausen wird
die Gruppentherapie in Form halboffener
Therapiegruppen angeboten, in denen soziales Lernen (Modelllernen) gefördert
wird. „Neue Patienten“ können von den „älteren Patienten“ lernen, die kurz vor der
Entlassung stehen und die von ihrer erfolgreichen Umsetzung der Bewältigungsstrategien in der Klinik und dem realen Umfeld
berichten können. Den zentralen gruppentherapeutischen Prozess führt der Patient in
seiner Therapiegruppe durch, in der sein
Bezugstherapeut gruppentherapeutisch tätig ist. Die Therapiegruppe findet dreimal
wöchentlich über 90 Minuten statt. Weiterhin findet verbindlich dreimal Entspannungstraining und einmal die Gruppe „Ich
und die Anderen“ statt. Innerhalb der Gruppentherapie werden Interventionsstrategien des sozialen Kompetenztrainings angewendet, um das Erlernen von effektiven Bewältigungsstrategien zu verbessern. Auch
die Prinzipien eines erfolgreichen Rückfallmanagementes werden in der Therapiegruppe erarbeitet. In psycho-edukativen
Gruppen findet Informationsvermittlung
zur Abhängigkeitserkrankung, zum Rückfallmanagement und zum Gesundheitsverhalten statt. Eine wesentliche Besonderheit der
Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist das Angebot von Therapiegruppen mit besonderen
Schwerpunkten. Aufgrund der langjährigen
- 37 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Praxiserfahrung in der stationären Entwöhnungsbehandlung von Suchtpatienten und
den modernen Ergebnissen der evidenzbasierten Suchtmedizin sind in der Klinik diese
Therapiegruppen entwickelt worden.
In der Therapiegruppe „Sucht und Angst“
werden Patienten aufgenommen, bei denen
nach entsprechender Diagnostik neben der
Suchterkrankung auch eine behandlungsbedürftige Angsterkrankung festgestellt
worden ist. Diese Patienten erhalten durch
entsprechend ausgebildete therapeutische
Mitarbeiter verhaltenstherapeutische Therapieangebote sowohl bezüglich der Abhängigkeitserkrankung als auch in Bezug auf die
Angsterkrankung. Dazu werden einzel- und
gruppentherapeutische Maßnahmen ergänzt durch das Selbstsicherheitstraining
und die Angstgruppe angeboten. Zusätzlich
wird im Rahmen der Körpertherapie das
psycho-vegetative System stabilisiert und
das Vermeidungsverhalten abgebaut und
Entspannungsverfahren zur eigenständigen
Durchführung vermittelt. In der Therapiegruppe „Sucht und Depression“ werden
Patienten aufgenommen, bei denen nach
entsprechender Diagnostik neben der Suchterkrankung auch eine behandlungsbedürftige depressive Erkrankung festgestellt worden ist. Der Behandlungsansatz beruht auf
den Erkenntnissen der Verhaltensmedizin
und ist darauf ausgerichtet, dysfunktionale
depressive Kognitionen zu identifizieren und
umzustrukturieren. Gleichzeitig wird ein Aktivitätsprogramm zur Verbesserung und zur
Optimierung von positiven Verstärkern angewandt und ein adäquates Genusstraining
und Freizeitverhalten angeboten. In der Therapiegruppe „Sucht und Trauma“ werden
Patienten aufgenommen, bei denen eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung besteht und der Suchtmittelkonsum die Funktion hat, die damit verbundene körperliche und psychische Symptomatik kurzfristig zu lindern (negative Verstärkung). In dieser Therapiegruppe werden
zunächst bewährte Stabilisierungstechniken
vermittelt und störungsspezifische Aspekte
besonders berücksichtigt. Gemeinsam mit
den Patienten wird das therapeutische Vorgehen abgesprochen. Darüber hinaus werden Entspannungstechniken und positive
Verstärker angewandt. Häufig besteht bei
diesen Patienten eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung, die einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung und Aufrechterhaltung der Abhängigkeitserkrankung hat.
Durch evaluierte Interventionstechniken
werden die Auswirkungen der Persönlichkeitsstörung auf den Suchtmittelkonsum positiv beeinflusst. Die Abhängigkeitserkrankung und ihre Folgen am Arbeitsleben ist
stets im Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit. Die Wiedereingliederung des Patienten
ins berufliche Leben und Strukturierung des
Alltagslebens, die Neudefinition des Rollenbildes in der Gesellschaft steht im Mittelpunkt der Therapie. Seit vielen Jahren werden in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
junge Männer behandelt, deren Suchtmittelkonsummuster besteht aus Alkohol, Nikotin,
Cannabis, Amphetamine, Ecstasy und gelegentlich Kokain. Einmal wöchentlich finden
Indikationsgruppen statt, die von den therapeutischen Mitarbeitern angeboten werden. Die Zuweisung in diese Gruppen trifft
der Bezugstherapeut gemeinsam mit dem
Patienten. Der durchführende Therapeut dokumentiert die Ergebnisse und Erfolge der
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
Indikationsgruppen im Patientendokumentationsystem (PaDo), wo sie von allen therapeutischen Mitarbeitenden einsehbar sind.
■
Folgende Indikationsgruppen werden angeboten:
■ Berufliche Orientierung
■ Hirnorganisches Leistungstraining
■ Männergruppe
■ IG-Laufen
■ Nordic-Walking
■ Sozialkompetenztraining
■ Abhängigkeitspräventionsgruppen (Stressbewältigung, Motivation, Rückfallmanagement)
■ Freizeitkompetenztraining
■ Sinn des Lebens
■ Lehrküche
■ Genusstraining
■ Affektkontrolltraining
■ Pathologisches Glücksspielen / Mediensucht
Diese Expositionsübungen werden zunächst
mit dem Bezugstherapeuten vorbereitet
und in der Therapiegruppe im Rollenspiel
eingeübt. Danach werden entsprechend der
Leitlinien die Expositionsübung verhaltenstherapeutisch begleitet. Im Einzelgespräch
und in der Therapiegruppe werden die Ergebnisse und Fortschritte ausgewertet und
notwendige Verbesserungen für weitere Expositionsübungen geplant. Erfolgreich
durchgeführte Expositionsübungen und Belastungserprobungen erhöhen die subjektive Selbstkompetenz. Diese erhöhte subjektive Selbstkompetenz ist für den Patienten
insofern besonders wichtig, weil er nach der
Entlassung in realen Belastungssituationen
auf diese positiven Bewältigungserlebnisse
zurückgreifen kann.
In der Indikationsgruppe kann der Patient
spezielle Therapieziele bearbeiten, die in
der Therapiegruppe keinen ausreichenden
Platz finden oder die eine spezielle therapeutische Interventionstechnik benötigen.
Soziotherapie / Sozialberatung
In der Soziotherapie werden vorwiegend
die sozialen Belange des Patienten berücksichtigt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse
haben eindeutig gezeigt, dass suchtkranke
Patienten mit Arbeit, Wohnung und stabiler
Partnerschaft eine bessere Abstinenzprognose haben als Patienten, die sich in einer
wirtschaftlich, beruflich und psychosozial
negativen Situation befinden. Gerade am
Anfang der stationären Entwöhnungsbehandlung ist die Sozialberatung wichtig geworden, weil durch die modernen Sozialgesetze (SGB IX, Hartz IV) neue sozialrechtliche Probleme entstanden sind, die zeitnah
gelöst werden müssen. Ziel der Sozialberatung ist, den Patienten zu befähigen, un-
Expositionsübungen/Belastungsübungen
Therapeutische Übungen in der realen Lebenssituation (Expositionsübungen) werden durchführt, um die in der Psychotherapie
erarbeiteten und erlernten Problemlösestrategien auf Alltagsfähigkeit zu überprüfen.
Beispiele für Expositionsübungen sind:
Busfahren oder Bahnfahren bei Angstpatienten
■ Selbstsicherheitsübungen bei Ämtern und
■
Gerichten, Arbeitgebergespräche
Arbeitsplatzbesuche
■ Familienheimfahrten.
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
günstige soziale Verhältnisse zu verändern
und seine sozialen Belange wieder eigenverantwortlich zu regeln.
Dazu gehören folgende Bereiche:
■ Sicherung des Lebensunterhaltes
■ Unterstützung bei der Wohnungssuche
■ Vermittlung juristischer Beratung
■ Lösung von Problemen am Arbeitsplatz
■ Lösung von Problemen mit der Agentur für
Arbeit
■ Beratung und Kontaktherstellung bei finanzieller Angelegenheiten
■ Vermittlung in Beschäftigungsprogramme.
Die Sozialberatung wird vor Ort von ausgebildeten Diplom-Sozialarbeitern/Sozialpädagogen angeboten, die engmaschig mit den
Bezugstherapeuten zusammenarbeiten. Die
Sozialtherapie/-beratung findet in Einzelund Gruppenformen statt. Den Patienten
steht in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
das Internet kostenlos zur Verfügung, um
sich entsprechend sachkundig zu machen
und Informationen und Hilfsmöglichkeiten
vor Ort zu finden. Ein besonderer Schwerpunkt der Sozialtherapie ist die Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit. Dies ist
vor allen Dingen bei langjährig arbeitslosen
Patienten erforderlich.
Dazu werden Kontakte zur Agentur für Arbeit aufgenommen und es werden die Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation genutzt. In der letzten Therapiephase findet
im therapeutischen Team eine intensive Bearbeitung dieses Themas statt unter Einbeziehung des Bezugstherapeuten, des Ergotherapeuten, des Arztes und des zuständigen Mitarbeiters aus dem Sozialdienst.
Weiterhin werden milieutherapeutische
Elemente angewandt. So werden dem Patienten Aufgaben übertragen, bei denen er zunehmend mehr Verantwortung für sich und
andere übernimmt. Es beginnt damit, dass er
selbst für die Sauberkeit und Reinigung seines Zimmers verantwortlich ist. Die von der
Therapiegruppe benutzten Gemeinschaftseinrichtungen werden auch gemeinschaftlich
gereinigt. Hier entsteht ein wichtiges Übungsfeld für angemessenes soziales Durchsetzungsvermögen und faires Zusammenarbeiten. In der Therapiegruppe werden regelmäßig Gruppenaktivitäten mit und ohne Bezugstherapeuten durchgeführt. Diese fördern ein
besseres Verständnis der Gruppenmitglieder
untereinander und bieten ein Übungsfeld
dafür, dass Freizeitaktivitäten auch ohne Alkohol Spaß machen, so dass auch durch Gruppenaktivitäten verhaltensmedizinisches Umlernen stattfinden kann.
Angehörigenarbeit
Die Abhängigkeitserkrankung findet häufig
im Familiensystem statt, in dem jeder Beteiligte eine bestimmte Rolle übernimmt. Die
Angehörigen des Patienten zeigen manchmal ein co-abhängiges Verhalten, welches
unserer Ansicht nach häufig auf ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild beim Angehörigen hinweist. Um die Partnersituation
zu klären und zu stabilisieren, werden Paargespräche angeboten. Einmal wöchentlich
findet eine Angehörigengruppe statt, zu der
alle Angehörigen eingeladen werden. In den
meisten Fällen gelingt es, die Partnerschaftsbeziehung zu stabilisieren und zu
verbessern oder einen angemessenen Weg
zu finden, die Partnerschaft in Frieden zu
beenden. Günstig ist es auch, wenn Arbeits-
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
kollegen und Vorgesetzte aus Betrieben des
regionalen Bereiches mit in den Therapieprozess einbezogen werden können. Besonders wichtig ist es, den beruflichen Wiedereinstieg des Patienten vorzubereiten und
Ängste in diesem Bereich abzubauen. Dazu
bieten wir Gespräche mit Vorgesetzten oder
Mitarbeitern aus Betrieben an. In Einzelfällen gibt es die Möglichkeit der externen Belastungserprobung im eigenen Betrieb.
Von den Ärzten der Klinik wird die Möglichkeit geprüft, ob eine stufenweise Wiedereingliederung für den Patienten aus medizinischen Gründen erforderlich ist.
V.3.3 Handlungsorientierte Therapie
(arbeitsbezogene medizinische Rehabilitation)
Diese Form der therapeutischen Arbeit ergänzt das Sprechen über Schwierigkeiten
oder Probleme durch aktives Handeln in
verschiedenen Aufgabenbereichen. Folgende Beobachtungen liegen diesem Behandlungsansatz zugrunde:
Während des mehrjährigen Alkoholkonsums lassen die kreativen Fähigkeiten der
Patienten sehr schnell nach, und sie werden
von ihren Angehörigen teilweise als „abgestumpft, passiv und ideenlos“ beschrieben.
Ihre beruflichen Kompetenzen und Fähigkeiten können die Patienten häufig länger
aufrechterhalten. Jedoch kommt es im Laufe
des weiteren Suchtmittelkonsums zu einem
Verlust der praktischen und theoretischen
Fähigkeiten, die sich in mangelnder Arbeitsleistung, häufigen Fehlzeiten und Abmahnungen am Arbeitsplatz zeigen. Diese Miss-
erfolge wiederum führen zu einer Abnahme
des Selbstbewusstseins und verstärken häufig den Suchtmittelkonsum. Damit befinden
sich die Patienten in einem Teufelskreis von
Misserfolg, zunehmender Selbstunsicherheit und Suchtmittelkonsum.
Durch eine gezielt angewandte handlungsorientierte Therapie sollen sie in die Lage
versetzt werden, alte Fähigkeiten wiederzuentdecken und Erfolgserlebnisse zu erzielen. Damit wird eine Verbesserung der subjektiven Selbstkompetenz erreicht, die sich
auch günstig auf den psycho-soziotherapeutischen Verlauf auswirkt. Zentraler Bestandteil der handlungsorientierten Therapie ist
die Ergo- und Arbeitstherapie. Die Ergotherapie ermöglicht die Einübung und abgestufte Belastung des Patienten zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit. Neben
der Berufsanamnese wird eine Diagnostik
zu den arbeits- und berufsbezogenen Fertigkeiten und Fähigkeiten durchgeführt, um
mit diesem Wissen die gezielte Ergo- und
Arbeitstherapie in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen zu planen und umzusetzen. Bei
Indikation kommen diagnostische Verfahren wie z.B. MELBA zum Einsatz. In diesen
Besprechungen werden neben den psychotherapeutischen Therapiezielen auch die für
die Arbeitswelt bezogenen Therapieziele
festgelegt. Die Ergo- und Arbeitstherapie
findet in der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
in Gruppenformen statt und wird ergänzt
durch die Einzelgespräche mit dem zuständigen Ergotherapeuten. Einige Arbeitstherapiebereiche sind den Produktionsabläufen einer Firma angepasst. Die ergotherapeutischen Interventionsstrategien werden
indikationsgeleitet eingesetzt und prozess-
- 41 -
V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
begleitend dokumentiert. Bei der Einteilung
in die Arbeitstherapie werden die medizinischen Vorerkrankungen berücksichtigt und
mit dem Arzt besprochen.
Folgende Therapieziele können mit Hilfe
der Ergo- und Arbeitstherapie erreicht werden:
■ Übung von Kontinuität und Ausdauer
■ Erlernen und Umgehen mit Forderung,
Über- und Unterforderung
■ Erleben und Verarbeitung von Erfolg und
Misserfolg
■ Positiver Umgang mit Fehlern und deren
Überwindung
■ Entwicklung und Stabilisierung eines realistischen Selbst- und Leistungsbildes
■ Erwerb neuer Problem- und Konfliktlösestrategien
■ Verbesserung der sozialen Kommunikationsfähigkeit
■ Verbesserung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit
■ Überwindung von Unlustgefühlen
■ Berufsfindung, Hobbyfindung
Folgende „Arbeitsplätze“ stehen zur Verfügung:
Werkstätten:
■ Medienwerkstatt
■ Schlosserei
■ Tischlerei
■ Gärtnerei
Dienstleistungszentren:
Cafeteria
■ Info- und Service
■ Freizeithalle
■ Bücherei
■
Fahrradwerkstatt
Küster/Kirchenraum
■ Physikalische Therapie
■
■
Bei bestimmter Indikation werden die o.g.
Therapieziele im Rahmen einer externen
Belastungserprobung/Arbeitstherapie vermittelt. Dazu haben wir eine Vielzahl von
Betrieben in der Umgebung als Kooperationspartner gewinnen können. Die externe
Belastungserprobung wird dann in Anspruch genommen, wenn für das Einüben
alternativer Verhaltensweisen zur Bewältigung von Problemen am Arbeitsplatz ein
reales Übungsumfeld gesucht werden muss.
Der Patient führt dann vier Stunden pro Tag
die Arbeitstherapie in dem ausgewählten
Betrieb durch. Die Einzel- und Gruppentherapie findet weiterhin statt.
Die externe Belastungserprobung hat mehrere Funktionen:
1. Überprüfung der Belastbarkeit und der
Stressbewältigungskompetenz unter realen Arbeitsbedingungen
2. Nach entsprechender therapeutischer
Vorbereitung die Konfrontation mit rückfallgefährdenden Situationen, wenn Problemsituationen am Arbeitsplatz in der
Lerngeschichte des Patienten eine wichtige Rolle gespielt haben.
3. Kennenlernen von neuen beruflichen Praxisfeldern, wenn z.B. aus medizinischen
Gründen eine berufliche Neuorientierung
erforderlich ist.
In den Fallbesprechungen findet ein intensiver Austausch zwischen dem Bezugstherapeuten, dem Arzt und dem Ergotherapeuten statt, um die erreichten Therapiefort-
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
schritte rückzumelden und eine Modifikation des Therapieprozesses unter Supervision vorzunehmen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der
handlungsorientierten Therapie ist die
Kreativtherapie, welche eigene Räumlichkeiten direkt in den Werkstattgebäuden der
Klinik hat. Die Angebote der Kreativtherapie
werden sowohl in Einzelarbeiten als auch in
Gruppenarbeiten angeboten.
Folgende Therapieziele können mit Kreativtherapie erreicht werden:
■ Aufbau und Wiederentdeckung kreativer
Fähigkeiten
■ Verbesserung des emotionalen Zugangs
über kreatives Gestalten
■ Selbstwertsteigerung
■ Bearbeitung dysfunktionaler emotionaler
Prozesse
■ Wahrnehmung von eigenen Bedürfnissen
■ Integration biographischer Themen über
nonverbalen Ausdruck
Der Patient wird im Rahmen dieses Therapieprozesses mit nichtsprachlichen Medien vertraut gemacht. Die Kreativtherapie
ist eine handlungsorientierte erlebnisintensive Therapieform, in der das Tun im Vordergrund steht und nicht das Werk. Es besteht keine Leistungsanforderung von
außen. Der Patient soll da beginnen, wo er
steht und so angenommen werden, wie er
sich einbringen kann. Dadurch erlebt er positive Kräfte, die er für den gesamttherapeutischen Prozess nutzen kann. Ausgangspunkt der Kreativtherapie ist die Überzeugung, dass kreative Kräfte in jedem Menschen stecken, und dass diese kreativen
Kräfte für die Verbesserung und den Neuaufbau des Selbstbewusstseins konstruktiv
genutzt werden können. Im Rahmen der
Kreativtherapie können erforderliche emotionale Prozesse angestoßen werden, die
vom Therapeuten konstruktiv für die weitere Bearbeitung der Therapieziele wie z.B.
Selbstbewusstsein, Verbesserung der
Selbstkompetenz usw. eingesetzt werden
können. Die therapeutische Arbeit mit den
nichtsprachlichen Medien unterstützt den
psychotherapeutischen Prozess in der Einzel- und Gruppentherapie und bringt wertvolle Informationen, die dem Patienten
manchmal noch nicht kognitiv oder verbal
zugänglich sind. Die Kreativtherapie wird
von ausgebildeten Ergotherapeuten durchgeführt.
Der dritte Schwerpunkt der handlungsorientierten Therapie ist die Körpertherapie.
Diese gliedert sich in zwei Hauptbereiche.
Bei Indikation sollen die Patienten ein aktives Entspannungsverfahren erlernen, was
sie später eigenständig durchführen können. Dadurch werden die Selbstwirksamkeitserwartung und das Selbstwertgefühl
des Patienten positiv beeinflusst. Mit dem
Erlernen von Entspannungstechniken verfügt der Patient über Bewältigungsstrategien, die er sowohl bei Rückfallgefahr als
auch zur Überwindung komorbider Störungen einsetzen kann. Angeboten wird zusätzlich der körperorientierte Ansatz des Affektkontrolltrainings A.K.T. Darin erleben und
überprüfen die Klienten u.a. mit Hilfe asiatische Bewegungsformen und Kampfkünsten wie z.B. Qi Gong, Kung Fu oder Aikido
aktuelle Handlungsmuster und Konfliktstrategien. Sie fügen Alternativen hinzu, die
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
durch kontinuierliches Training erweitert
und abrufbar werden, um dadurch schließlich mehr Selbststärkung zu erlangen. Die
klassische Sporttherapie verbessert die
Fitness und körperliche Leistungsfähigkeit
und hat damit unmittelbaren Einfluss auf
die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit zur Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Damit wird gesundheitsorientiertes Verhalten verbessert,
was sich vor allen Dingen im Bereich der Bewegung und Ernährung zeigt. Gerade in der
Sporttherapie ist es erforderlich, dass der
Patient ein angemessenes Umgehen mit
sportlichen Angeboten erlernt, da die Suchtpatienten häufig dazu neigen, sich zu überoder zu unterfordern. Die Arbeit in der
Sporttherapie ist durch diese ständige Auseinandersetzung gekennzeichnet.
Wesentliche Ziele der Sporttherapie sind:
■ Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
■ Erkennen und Akzeptieren von körperlichen Grenzen
■ Erleben von Spaß und Gemeinsamkeit
durch sportliche Aktivität
■ Verbesserung der sozialen Kommunikationsfähigkeit
■ Möglichkeiten der Freizeitgestaltung
■ Rücksichtnahme auf andere Mitpatienten
■ Erleben von Sport ohne Suchtmittelkonsum.
Jede Therapiegruppe erhält pro Woche zwei
Sporteinheiten à 90 Minuten. Ein Termin
findet in der Schwimmhalle statt und ein
Termin in der Sporthalle oder im Freien. In
der Hellweg-Klinik Oerlinghausen sind vor
einigen Jahren wissenschaftliche Untersu-
chungen zur positiven Wirkung des langsamen Ausdauerlaufens gemacht worden.
Diese haben gezeigt, dass langsames Ausdauerlaufen die Handlungskompetenz und
Selbstsicherheit erhöht.
Aus diesem Grund wird den Patienten regelmäßig Ausdauerlaufen auf dem gesunden
Sennesandboden angeboten und viele Patienten absolvieren das DLV-Laufabzeichen
über 15, 30, 60 oder 90 Minuten Ausdauerlauf. Ebenso ist es möglich ein entsprechendes DLV-Walkingabzeichen zu erlangen.
V.3.4 Diakonische Begleitung
Die Hellweg Klinik Oerlinghausen ist eine
Einrichtung der Diakonie. Sie ist dem christlich-diakonischen Wertekanon verpflichtet.
Anschaulich umgesetzt wird dieser Wertekanon in den Bereichen
■ Personalplanung
■ Menschenbild
■ Räumliche Angebote
■ Angebote diakonischer Begleitung.
Das pastoralpsychologische Gesprächsangebot der Pastorin ergänzt die therapeutischen Angebote der Psychosozialen Säule.
Die inhaltliche Ausrichtung ihrer Arbeit ist
dem therapeutischen Kontext entsprechend
nicht-missionarisch, sondern emanzipatorisch und seelsorgerlich-begleitend.
Die Besinnungsorte
Besinnungsorte laden zum Nachdenken und
Innehalten ein und ermöglichen einen Zugang zu eigenen Ressourcen. Sie sind Quel-
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
len positiver Kraft, von denen Impulse für
einen heilsamen Veränderungsprozess ausgehen können.
gebung außerhalb des Klinikgeländes einen
Wald, einen See im Wald, die Ruine einer
historischen Kapelle u.v.m.
Besinnungsorte werden bereitgestellt
■ durch natürliche Gegebenheiten im Umkreis der Klinik
■ im Außengelände der Klinik
■ im Innenbereich der Klinik
Angebote diakonischer Begleitung
Durch die Arbeit der Pastorin stellt die Klinik den Patienten ein zusätzliches, freiwilliges Gesprächsangebot zur Verfügung. Die
seelsorgerliche Blickweise und pastoralpsychologische Ausrichtung ergänzt die Arbeit
der Bezugstherapeuten und Ergotherapeuten. Die Seelsorgegespräche finden unter
den Bedingungen der Amtlichen Schweigepflicht statt. Die Durchführung des Gottesdienstes findet sowohl im Liturgischen Gottesdienstteil als auch im Biblischen Auslegungsteil im interaktiven Dialog mit den Patienten statt. Im liturgischen Teil geht es
dabei um die Erfahrung, in fremdbestimmter Umgebung Möglichkeiten zu selbstbestimmter Teilnahme zu entdecken und zu
entwickeln. Im Gottesdienstteil der Biblischen Auslegung ermöglicht das Einbringen
interaktiver Elemente den Patienten das
mögliche Wiedererkennen einer selbst erlebten Situation, die Identifikation mit Personen der biblischen Geschichte, das Herbeiführen einer Lösung in der Situation und
die Übertragung der Zusage Gottes auf das
eigene Leben.
Besinnungsorte begegnen einem Menschen
in seiner in ihm jetzt aktuell lebenden Thematik und geben nonverbale Impulse zu einer
Auseinandersetzung mit ihren Inhalten.
Im suchttherapeutischen Umfeld immer
wiederkehrende Themenkreise sind:
■ Trauer, Abschied, Loslassen
■ Vertrauen
■ Liebe, Geborgenheit
■ Hoffnung, Zuversicht
■ Sinn des Lebens
■ Selbstwert,
Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein
■ Ruhe, Kraft, Stärke
Folgende Besinnungsorte werden in der
Hellweg-Klinik Oerlinghausen angeboten
Im Außenbereich:
■ Das Feld der Erinnerung
■ Die Quelle der Zuversicht
■ Ein Steinkreis
■ Bank um die Eiche
Im Innenbereich:
■ Der Kirchenraum
■ Der Engelraum
■ Der Warteraum „Raum für Zeit“
Darüber hinaus bietet die unmittelbare Um-
Die Indikationsgruppe Sinn des Lebens
Die Indikationsgruppe Sinn des Lebens ermöglicht durch geeignete Übungen sowie
eine wertschätzende Deutung der individuellen Vergangenheit einen entdeckenden
Zugang zu den persönlichen Ressourcen
und einen zuversichtlichen, planvollen Blick
auf die Herausforderungen der Zukunft. In
Zusammenarbeit mit einer Therapeutin/
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
einem Therapeuten der Ergotherapie betreut die Pastorin einen Patienten auf dem
Ergotherapieplatz „Kirchenraum“. Zur Aufrechterhaltung einer dauerhaften, zufriedenen Abstinenz ist ein beständiges Wertesystem für den Patienten und seine Angehörigen hilfreich. Als Einrichtung der Diakonie
bieten wir einige spirituelle Bausteine an
und machen regelmäßige Angebote zur Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen
Orientierung. In der Indikationsgruppe
„Sinn des Lebens“, ermöglicht durch geeignete Übungen sowie eine wertschätzende
Deutung der individuellen Vergangenheit
einen entdeckenden Zugang zu den persönlichen Ressourcen und einen zuversichtlichen planvollen Blick auf die Herausforderungen der Zukunft. In den Einzelgesprächen der diakonischen Begleitung werden
die von den Patienten eingebrachten Themen unter pastoralpsychologischen und
seelsorgerlichen Gesichtspunkten aufgenommen und bearbeitet.
V.3.5 Rückfallkonzept
Der erneute Suchtmittelkonsum (Rückfall /
Vorfall) ist ein Hauptsymptom der Suchterkrankung und kann auch während einer effektiven psychotherapeutischen Behandlung auftreten. Wir verstehen unter einem
Rückfall die erneute Einnahme eines Suchtmittels (Alkohol, Medikamente, die nicht
vom Arzt verordnet sind, illegale Drogen).
Der Rückfallpatient stellt eine medizinischtherapeutische Krise dar und aus diesem
Grunde wird der rückfällige Patient ärztlich
und therapeutisch untersucht und in sei-
nem Rückfallgeschehen begleitet.
Folgende Entscheidungen sind unter ärztlicher Verantwortung möglich:
■ Sofortige Entlassung aus der stationären
medizinischen Rehabilitation
■ Verlegung in ein Akutkrankenhaus (Allgemeinkrankenhaus / Psychiatrisches Krankenhaus)
■ Bei medizinischer Indikation Verlegung
auf die Aufnahmestation
■ Verbleib in der Therapiegruppe
Der Patient arbeitet nach seinem Rückfall
gemeinsam mit seinem Bezugstherapeuten
an der Frage, ob er aus dem Rückfallgeschehen konstruktive Veränderungsschritte entwickeln kann. Dazu werden Einzelgespräche geführt, er stellt sein Rückfallgeschehen
in der Therapiegruppe vor und das Rückfallgeschehen wird reflektiert. Die sofortige
Entlassung aus der stationären Entwöhnungsbehandlung erfolgt, wenn eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung besteht.
Dann wird der Patient in eine entsprechende psychiatrische Klinik verlegt. Die sofortige Entlassung erfolgt auch dann, wenn
der Patient andere Patienten zum Mitkonsumieren von Suchtmitteln animiert, gewalttätig geworden ist oder die Suchtstoffe
nüchtern in die Klinik gebracht hat. Zur
Überwachung der medizinischen Notfällen
werden sogenannte Notfallbetten zur Verfügung stehen, welche ganz nah zu den Räumlichkeiten der Pflege angesiedelt sind.
V.4 Kombitherapien
Angeregt durch die Diskussion über die The-
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
rapiekosten hat sich in Deutschland in den
letzten Jahren folgende Weiterentwicklung
der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter ergeben. Die ambulante medizinische Rehabilitation wird verstärkt an
vielen Orten angeboten. Gleichzeitig ist die
Verweildauer in den stationären Einrichtungen zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter zurückgegangen. Für
diese Entwicklung waren nicht nur wissenschaftliche Argumente verantwortlich, sondern auch Kostengründe. Aus dieser Not hat
sich eine sinnvolle Tugend entwickelt, nämlich die Möglichkeit von Kombitherapien
und die Behandlung im regionalen Behandlungsverbund. Die Kombitherapien stellen
eine sinnvolle und passgenaue Kombination
von ambulanten und stationären Angeboten
zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker dar. Durch den Aufbau von regionalen Behandlungsverbünden wurde die
Grundlagen für eine qualitätsgesicherte
Kombitherapie geschaffen. In der HellwegKlinik Oerlinghausen wird die Kombinationsbehandlung entsprechend dem Kombimodell der Deutschen Rentenversicherung
Bund durchgeführt.
Beginn der Kombinationstherapie mit einer
stationären Rehabilitationsphase mit anschließender ambulanter Rehabilitation.
Aufgrund von neueren wissenschaftlichen
Erkenntnissen hat sich die Kombination von
8 Wochen stationärer Rehabilitationsphase
mit anschließend ambulanter Rehabilitation
von 40+4 Therapieeinheiten bewährt. Diese
Behandlungsform ist besonders geeignet für
suchtkranke Menschen, bei denen die Abhängigkeitserkrankung noch nicht so weit
fortgeschritten ist und die körperlichen, psy-
chischen und sozialen Komplikationen noch
nicht so ausgeprägt vorhanden sind. Diese
Kombinationstherapie wird in Zusammenarbeit mit anerkannten Suchtberatungs- und
Behandlungsstellen durchgeführt. Durch die
jahrelange regionale Arbeit der Hellweg-Klinik Oerlinghausen besteht ein guter Kontakt
zu den regionalen Suchtberatungs- und Behandlungsstellen, sodass der stationäre Therapieprozess ohne größere Reibungsverluste im ambulanten Rahmen fortgesetzt
werden kann. Dazu dienen die von den Leistungsträgern festgelegten Qualitätskriterien
für eine patientenorientierte Kooperation.
Die zuweisende und später weiterbehandelnde Beratungsstelle und die Hellweg-Klinik Oerlinghausen stimmen die erforderlichen Therapieprozesse aufeinander ab,
damit die Kombinationstherapie nutzbringend für den Patienten durchgeführt werden
kann. Im Vorfeld der stationären Aufnahme
hat eine ausreichende Motivationsphase
stattgefunden, in der der Patient sich für
eine Suchtmittelabstinenz entschieden hat.
Nach Einschätzung der zuweisenden Beratungsstelle ist der Patient für die Kombinationstherapie geeignet und der Patient ist
über diese Behandlungsform von der zuweisenden Beratungsstelle ausführlich informiert worden. Er hat seine verbindliche Teilnahme an den Einzel- und Gruppengesprächen erklärt und hat schon in der Beratungsphase zuverlässigen Kontakt zur Beratungsstelle gehalten. Von der zuweisenden Beratungsstelle wird dann der Antrag auf Kombitherapie zusammen mit der Hellweg-Klinik gestellt und im Rahmen des Übergabemanagements wird die Klinik schriftlich (Sozialbericht, Arztgutachten) und telefonisch
über die gewünschte Kombitherapie und die
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V. Therapiekonzept der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Fachklinik für Psychotherapie und Suchtmedizin
damit verbundenen Therapieziele informiert. Diese Informationen werden vom
Aufnahmetherapeuten in der Hellweg-Klinik
Oerlinghausen bei der Therapiegruppeneinteilung berücksichtigt und finden auch ihren
Niederschlag in der Therapiezielplanung.
Nach Wechsel in die Bezugsgruppe erarbeitet der Patient zusammen mit dem Bezugstherapeuten die verbindlichen Therapieziele
für die stationäre Phase und die Therapieziele für die anschließende ambulante Rehabilitation werden schon mit in die Überlegungen einbezogen. Voraussetzung für die
Kombinationstherapie ist ein konstruktiver
Therapieverlauf mit einem Patienten, der
eine aktive Veränderungserwartung und
Veränderungskompetenz hat. Bei einem
Rückfallgeschehen während der stationären
Phase muss die Indikation für die Kombinationstherapie überprüft werden. Im Rahmen
der Fallbesprechungen wird in einem multiprofessionellen Besetzung bestehend aus
Bezugstherapeuten, Ergotherapeuten, Sozialdienst, Sporttherapeuten, Pflege, behandelnde Arzt sowie einem Facharzt der Psychiatrie der bisherigen Therapieverlauf besprochen und die erreichten Therapieziele
und überprüft. Darauf folgend werden sowie
sozialmedizinischen Fragestellungen erörtert und die nachfolgende Therapie im Sinne
der Nachsorge und Kombibehandlung reflektiert. In diesem Zusammenhang wird die
Frage der Erwerbstätigkeit und der eventuellen Teilhabe am Arbeitsleben in Raum gestellt und gemeinsam ein Behandlungsplan
erstellt, welche darauffolgend in der ärztlichen Visite und der bezugstherapeutischen
Einzelgesprächen mit dem Patienten gemeinsam erarbeitet werden. In Einzelfällen
kann die Kombinationstherapie auch daraus
bestehen, dass ein zusätzlicher Therapieblock im ganztägig ambulanten Rahmen
(z.B. in der Hellweg-Klinik Bielefeld) hinzugefügt wird, wenn dies aufgrund der vereinbarten Therapieziele und der komorbiden
Störungen bzw. der psychosozialen Situation
erforderlich ist. Dieses geschieht nur mit Zustimmung des Patienten, des Leistungsträgers und der zuweisenden Beratungsstelle.
V.4.1 Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen
Der regelmäßige Selbsthilfegruppenbesuch
nach der Entwöhnungsbehandlung ist ein
wichtiger prognostischer Faktor für längerfristige Suchtmittelabstinenz. Aus diesem
Grund ist es ein wesentliches Therapieziel,
dass sich jeder Patient nach der stationären
Entwöhnungsbehandlung langfristig an eine
Selbsthilfegruppe anschließt. Um die Arbeit
der verschiedenen Selbsthilfegruppen kennen zu lernen, bieten verschiedene Selbsthilfegruppen (Anonyme Alkoholiker, Freundeskreise, Kreuzbund, Guttempler, BlaukreuzGruppen...) ihre Selbsthilfegruppenarbeit in
der Hellweg-Klinik an. Es ist für jeden Patienten verpflichtend, an vier Selbsthilfegruppenabenden teilzunehmen. Die Patienten aus dem regionalen Bereich haben die
Möglichkeit, im Rahmen der Ausgangsregelung ihre „alte“ Selbsthilfegruppe zu besuchen. Der Selbsthilfegruppenbesuch ist für
die Patienten im ambulanten Bereich eine
wichtige Ressource, die auch im Verständnis
des ICF eine wichtige Bedeutung hat.
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VI. Kommunikationsstrukturen
In der Hellweg-Klinik Oerlinghausen arbeiten verschiedene Mitarbeitergruppen im
Rahmen des integrativen Therapieansatzes
zusammen.
Im Zentrum der therapeutischen Arbeit mit
dem Patienten steht der Bezugstherapeut,
der gemeinsam mit dem Patienten die Therapie plant, durchführt und die Erreichung
der Therapieziele überprüft. Dieses wird im
Kapitel Therapiesteuerung im Qualitätsmanagementsystem der Klinik ausführlich
beschrieben. Voraussetzung für diese Therapiesteuerung ist der Informationsfluss
von den verschiedenen Berufsgruppen zum
Bezugstherapeuten. Das therapeutische
Team besteht aus Bezugstherapeuten (psychologische Psychotherapeuten, DiplomPsychologen, Diplom-Sozialarbeiter mit Zusatzausbildung), Arzt, Pflegedienstmitarbeiter, Ergotherapeuten und Körpertherapeuten. Die Therapieverantwortung hat der Leitende Arzt, der für die Umsetzung der medizinischen Rehabilitation verantwortlich
ist. Es finden täglich Mitarbeiterbesprechungen statt, in denen der Alltag der Patienten „geregelt“ wird.
In den wöchentlichen Fallbesprechungen
wird die Therapiesteuerung jedes einzelnen
Patienten vorgenommen. Hier werden nach
3 und nach 6 Wochen vom Bezugstherapeuten die Therapiefortschritte und geplanten
Therapiemaßnahmen vorgestellt, diskutiert
und modifiziert. Dieser Prozess wird intern
supervidiert durch den ärztlichen und therapeutischen Leiter. Zu wichtigen Themen
aus dem Bereich der Suchtmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie wird der Kenntnisstand der Mitarbeiter kontinuierlich verbessert. Dies geschieht durch die interne Fortbildung. Diese wird ergänzt durch externe
Referenten. In der Hellweg-Klinik Oerlinghausen findet derzeit eine externe Supervision statt. In den täglichen Klinikübergaben
treffen sich alle therapeutischen Mitarbeiter,
um aktuelle Entwicklungen, Schwierigkeiten und Veränderungen zu besprechen. Der
regelmäßig stattfindende Lenkungskreis
des Qualitätsmanagementsystems ergänzt
diesen Prozess und verbessert fortlaufend
die Arbeit der Mitarbeiter in der Klinik.
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VII. Qualitätsmanagement
Die Mitarbeiter überprüfen und verbessern
ständig die Qualität ihrer Arbeit. Dieses
geschieht in einer Reihe von Prozessen.
Zunächst wird das Qualitätssicherungsprogramm der Leistungsträger umgesetzt und
dient zur Verbesserung des therapeutischen Angebotes, der Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität. Es umfasst Patientenbefragungen, Visitationen, Peer-Review-Verfahren der Entlassungsbriefe,
Messung der Laufzeiten der Entlassungsbriefe und Erfassung und Auswertung der
therapeutischen Leistungen (KTL).
Seit Dezember 2003 ist die Hellweg-Klinik
Oerlinghausen zertifiziert nach DIN EN ISO
9001:2008 und den Richtlinien der „DeQus“
(Deutsche Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie e.V.).
Seit dem Jahre 2009 erfüllt die Hellweg-Klinik Oerlinghausen auch die Qualitätskriterien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). Die Steuerung des Qualitätsmanagementsystems erfolgt regelmäßig über den Lenkungskreis, der unter Federführung der Geschäftsführung steht. In
diesem Lenkungskreis sind Mitarbeiter aus
allen Bereichen der Klinik vertreten. Als
Grundlage des Zertifizierungsprozesses ist
ein Qualitäts-Handbuch entstanden, in dem
die Prozesse und Abläufe der Hellweg-Klinik
verbindlich für alle Mitarbeiter geregelt
werden.
Weiter gehören zu diesem Qualitätsmanagementsystem eine regelmäßige anonyme interne Patientenbefragung und die jährliche
Festlegung von Qualitätszielen. Diese Qualitätsziele werden regelmäßig mit den Mitarbeitern kommuniziert und ihr Zielerreichungsgrad gemessen sowie dokumentiert.
In jährlichen Abständen wird das Qualitätsmanagementsystem auf seine Anwendung
im Management-Review überprüft. Ein ausgebildeter Qualitätsmanagementbeauftragter überwacht im Rahmen von internen Audits zusätzlich diesen Prozess. Die Mitarbeiter der Hellweg-Klinik Oerlinghausen haben
gemeinsam ein Leitbild erarbeitet. In diesem Leitbild verpflichten sich die Mitarbeiter vor dem Hintergrund eines christlichen
Menschenbildes zu einer qualitativ hochwertigen, wertschätzenden und patientenorientierten therapeutischen Arbeit.
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist Mitglied in folgenden Fachverbänden:
■ Bundesverband für stationäre Suchtkrankentherapie in Kassel (BUSS)
■ Deutsche Gesellschaft für Qualitätsmanagement e.V. (deQus)
■ Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im
Diakonischen Werk der Ev. Kirche
Deutschland (GVS) in Berlin.
■ Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung
und Suchttherapie (GSS)
■ Evangelischer Fachverband Sucht Rheinland Westfalen-Lippe
■ Verband Evangelischer Krankenhäuser in
Westfalen (Valeo).
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VIII. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist eine
Einrichtung des Ev. Johanneswerkes e.V. in
Bielefeld, welches mehr als 70 Einrichtungen
in Europa umfasst. Zum Ev. Johanneswerk
e.V. gehören mehr als 6.200 Mitarbeiter.
Die Einstellung der Mitarbeiter erfolgt nach
den festgelegten Richtlinien des Ev. Johanneswerkes e.V.. Grundlage der Dienstverträge der Mitarbeiter sind die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonischen Werke
der Ev. Kirche in Deutschland (tarifrechtlich
wird die AVR angewandt). Ziel unseres Personalmanagement ist es, hochqualifizierte
und gut motivierte Mitarbeiter zu haben.
Dazu werden im Ev. Johanneswerk e.V. verbindliche Instrumente der Personalentwicklung und Mitarbeiterführung angewandt. Die therapeutisch Mitarbeitenden
der Hellweg-Klinik Oerlinghausen haben
eine bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (BAR/vormals Verband der
Deutschen
Rentenversicherungsträger
(VDR) anerkannte therapeutische Ausbildung oder befinden sich aktuell in einer anerkannten Weiterbildung. Das medizinischtherapeutische Team setzt sich zusammen
aus folgenden Berufsgruppen:
Fachärztinnen und -ärzte ( Psychiatrie, Allgemeinmedizin)
■ Psychologische Psychotherapeutinnen und
-therapeuten
■ Diplom-Psychologinnen und -Psychologen
in psychotherapeutischer Weiterbildung
■ Diplom-Sozialarbeiterinnen und -Sozialarbeiter, Diplom-Sozialpädagoginnen und
Sozialpädagogen mit sozialtherapeutischer Zusatzausbildung (BAR anerkannt /
vormals VDR)
■ Ergotherapeutinnen und -therapeuten
■ Pflegedienst
■ Medizinischer Masseur und med. Bademeister und Krankengymnast
■ Sportübungsleiter und Sportwissenschaftlerin
■ Pastorin
■ Diätassistentinnen und ein diätetisch geschulter Koch
■
Das therapeutische Mitarbeiterteam wird
unterstützt durch MitarbeiterInnen aus der
Verwaltung, aus dem Sekretariat und
Schreibdienst, aus dem Wirtschafts- und
Versorgungsdienst, der Haustechnik und
dem klinischen Hauspersonal.
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IX. Entscheidungsstrukturen
Die operative Verantwortung der Patientenversorgung liegt in der Verantwortung
der Ltd. Ärzte, die strategische Verantwortung der Hellweg-Klinik Oerlinghausen
und der anderen Hellweg-Kliniken liegt in
der Verantwortung der Geschäftsführung.
Der fachlich-inhaltliche Schwerpunkt und
das Qualitätsmanagement werden von der
ärztlichen Direktion verantwortet, die wirtschaftlichen und administrativen Prozesse
von der Geschäftsführerin.
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X. Raumsituation
Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen ist eine
Fachklinik mit mehreren Gebäuden auf
einer großen Fläche in landschaftlich reizvoller Lage. Im Haus Hellweg befinden sich
die Stationen und alle Therapiegruppen. In
diesem Gebäudekomplex befinden sich
auch die Verwaltung, der medizinische Bereich und der Wirtschaftsbereich.
Zur Klinik gehören weiterhin Räume für die
Ergotherapie: Medien-Werkstatt, Tischlerei,
Schlosserei und Räume für die Kreativtherapie. Weiterhin verfügt die Klinik noch
über eine Gymnastikhalle, zwei Sportspielanlagen und eine Beachvolleyballanlage. Die
Hallen- und Freibäder in der direkten Umgebung werden regelmäßig genutzt. Im
Fahrradkeller stehen Tourenräder zur Nutzung in der Sporttherapie zur Verfügung. In
der gegenüberliegenden Segelflugschule
sind verschiedene Funktionsräume für eine
regelmäßige Nutzung angemietet worden
(z.B. Kraftraum, Sauna). Es stehen ausreichend Freizeiträumlichkeiten und eine Freizeithalle zur Verfügung, in denen Tischtennis, Gesellschaftsspiele und andere Freizeitaktivitäten durchgeführt werden können. Es
gibt Aufenthaltsräume, die mit Fernsehern
ausgestattet sind.
Im Eingangsbereich der Klinik befinden sich
zwei Internetplätze, die den Patienten unentgeltlich zur Verfügung stehen. Die Hellweg-Klinik Oerlinghausen verfügt über Einund Zweibettzimmer in etwa gleicher Anzahl. Im neuen Bettentrakt befinden sich 37
Einzel- und einige Doppelzimmer mit eigener Dusche und WC sowie ebenerdig liegenden Terrassen. Jedes Zimmer ist ausgestattet mit einem eigenen Telefonanschluss, der
auf Wunsch gemietet werden kann. Die Klinik ist mit einer Notrufanlage ausgestattet.
Die Räumlichkeiten des zentralen Pflegedienstes sind in Verbindung mit den Notfallbetten eingerichtet und können von jedem
Patienten jederzeit erreicht werden. Die
Physikalische Abteilung bietet Räume für
Bäder, Massagen, Fangopackungen, Lymphdrainage, Kurzwelle und Reizstrom, Inhalationen, Krankengymnastik.
Weitere Räumlichkeiten der Hellweg-Klinik
Oerlinghausen stehen der diakonischen
Säule zur Verfügung: diese sind u.a. Kirchenraum, Raum für Gespräche, Besinnungsorte.
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XI. Therapie- und Hausordnung
Eine große Klinik mit 120 Patienten und
mit über 60 Mitarbeitern bietet ein reales
Lebens- und Übungsfeld für alltagsnahe
Konfliktbewältigung. Diese können teilweise für den therapeutischen Prozess genutzt werden. Allerdings ist es erforderlich,
eine verbindliche Therapie- und Hausordnung zu haben, die dem Patienten zur verbindlichen Orientierung dient. Die derzeitigen Therapieregeln können der aktuellen
Hausordnung entnommen werden, die
jedem Patienten bei Aufnahme zur Verfügung gestellt wird.
Zentrale Punkte der Hausordnung sind:
Wertschätzender Umgang miteinander
■ Suchtmittelabstinenz
■ Gewaltfreiheit
■ Verbindliche Teilnahme an allen verordneten therapeutischen Maßnahmen
■
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XII. Literaturverzeichnis
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Alkoholabhängigkeit“, Hogrefe, Göttingen, 2004
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XIII. Kontakt
Hellweg-Klinik Oerlinghausen
Robert-Kronfeld-Str. 12
33813 Oerlinghausen
Tel. 05202 702- 0
Fax 05202 702- 110
[email protected]
www.hellweg-klinik-oerlinghausen.de
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