Kaiser Karl der Grosse im Bad

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Datum: 14.07.2014
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Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
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Seite: 8
Fläche: 57'382 mm²
Kaiser Karl der Grosse im Bad
Ungewöhnliche Momentaufnahmen aus dem Leben Karls des Grossen: Das Origen Festival Cultural unter der Leitung
von Giovanni Netzer hat am Samstag das Musikheater «Der Kaiser im Bad» in der Burg Riom uraufgeführt.
JUSCHA CASAULTA
rücken. Es gehe um die Frage nach in Shorts. Mutter Bertrada (Rikka Läder Quintessenz. Was bleibt von ser) wird zur Königin und Karls viele
Karl? Der «Kaiser im Bad» ist eine Frauen vereinen sich in einer einzisubjektive Bestandesaufnahme. Es gen Darstellerin (Fabienne Johanne
gehe weder um politische Relevanz Vegt). Erinnerungen tauchen auf,
noch um kulturpolitische oder phi- Szenen, Bilder aus dem Leben eines
Für das Origen Festival Cultural ist losophische Bedeutung. Sondern längst verstorbenen Kaisers.
die zehnte Spielzeit, in der Karl der eben, was von Karl bleibt.
Die Grundstruktur ist einfach, Bad der Erinnerungen
Grosse im Mittelpunkt steht, eine
äusserst intensive. Mit dem Musik- linear, es sind Stationen seines Musikalisch besteht «Der Kaiser im
theater «Der Kaiser im Bad» hat am Lebens. Karl wird geboren, er Bad» aus zwei verschiedenen KlangSamstag eine weitere und zugleich wächst heran, er lebt, liebt, streitet, welten. Die Motetten des französi-
letzte Uraufführung des Sommers fürchtet sich und stirbt. Netzer
in der Burg Riom stattgefunden. Ori- nennt diese Zusammenfassung von
gen betritt damit szenisches Neu- Karls Leben eine kleine, scheinbar
land. Im Zentrum des Werks steht wahllose Anhäufung von Erinne-
schen Komponisten Francis Poulenc (1899-1963) gehören in die
Weihnachts-, beziehungsweise Fas-
tenzeit. Denn Karl lässt sich an
eine Eigenart Karls des Grossen: Er rungen an einen Menschen, den wir Weihnachten krönen, als vermeintbadete gerne und häufig. Das ist ge- alle nicht gekannt haben. «Und des- lich nachgeborener Christi. Die Moschichtlich belegt. Die Pfalz in wegen sind die Erinnerungen an tetten zur Fastenzeit charakterisieAachen mit seinem Bad war der Karl immer persönliche Erinnerun- ren den alternden Kaiser, der den
Lieblingsort des Kaisers, nicht zu- gen, die in der eigenen Fantasie Tod und das Endgericht fürchtet
letzt, weil er an Gicht litt. Das heisse gründen.» Darin bestehe die Legen- und Busse tut. Das Origen Vocal EnWasser, angereichert mit Schwefel, de. «Die Nachwelt ist Gedanken- semble unter der Leitung von Clau
linderte die Schmerzen. Immer welt.» Das Spannende für Netzer bei Scherrer tritt in farbigen, hautengen
wenn sich Gelegenheit bot, ver- der Suche nach dem Material, wo- Kostümen mit Badekappen auf.
Zu diesem schönen Gesang gibt
brachte der Kaiser Zeit im Wasser, mit man eine solche Geschichte erum zu schwimmen, sich zu entspan- zählen kann, war, dass er plötzlich es eine Gegenwelt, eine weitere munen, sich zu unterhalten und zu merkte: Je mehr man diesen Karl sikalische Schicht. Sie stammt aus
amüsieren. Karls Biograf Einhard reduziert, je mehr man nach den perkussiven Momenten, aus kleiberichtet, Karl habe nicht nur die Fa- wichtigen Momenten in dessen Le- nen Trommeln, aus Triangelklänmilie, sondern auch Adelige und ben fragt, um so mehr nähert man gen. Sie drücken Chaos und AnarFreunde, gelegentlich sogar sein Ge- sich dem Leben eines sogenannt ge- chie aus. Diese Klangwelten (Peter
folge zum Baden eingeladen. Oft wöhnlichen Menschen. So besteht Conradin Zumthor) sind Inspiratiohätten über hundert Leute mit dem der «Der Kaiser im Bad» aus Assozia- nen aus Karls Biografie. Die Tänzer
und Sänger sind gleichzeitig auf der
Kaiser gebadet.
tionen, die im schnellen Wechsel aneinandergereiht werden. Die Handlung findet in einem alten, entleerDieses Bild des Regenten, der seine ten Schwimmbad statt, im Bad der
Kleidung, die Status bedeutet, ab- Erinnerung. Die archaischen Wänstreift, auf die Badehose reduziert, de der Burg spiegeln sich im
ist ein sehr persönliches Bild. Mit Schwimmbecken. Figuren tauchen
dieser Vorführung will Origen laut auf. Karl (Wolfgang Tietze) wird erIntendant Giovanni Netzer, der das kennbar im silbernen Harnisch.
Das, was von Karl bleibt
Bühne. Es ist nicht so, dass die Tän-
zer das ausdrücken, was der Chor
singt. Beide Gattungen tragen zu
den collageartigen Bildern im Bad
der Erinnerungen bei. Die Musik
schafft Eindringlichkeit, so in Poulencs «Timor et tremor». Hier bedarf
es keiner Darstellung. Die Men-
Spielbuch verfasst hat und Regie Sein jüngerer Bruder Karlmann schen erstarren an der Wand, wenn
führt, dem Menschen Karl zu Leibe (Kristian Achberger) tanzt verspielt Karls Tross vorbei zieht.
Karls Tod ist still. Er stirbt als
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alter Mann. All das spielt in einem al-
ten Bad, im Bad der Erinnerungen.
Die Burg ist der rechte Ort für das Er-
innerungsbad. Es ist selber ein Ort
der Erinnerungen. Vormals stand
hier ein karolingischer Königshof.
Wie Netzer sagt, hat Karl hier viel-
leicht einmal auf seinen Reisen
nach Italien übernachtet. Histo-
Ink
risch sei das nicht belegt, aber auch
nicht widerlegt. Die Aufführung
zieht in den Bann. Die Fragmente
aus dem Leben Karls lassen dem Pu-
blikum bewusst Freiräume, die mit
Fantasie gefüllt und belebt werden
können.
Weitere Aufführungen: 19. /22. /26. /
29. Juli und 2. / 5. / 9. August,
jeweils um 21 Uhr; Einführung in der
Scola um 19.30 Uhr. Vorverkauf:
www.origen.ch oder Telefon
-A7
081 63716 81.
Dem Menschen Karl zu Leibe rücken: Wolfgang Tietze (silbernes Gewand)
spielt Karl den Grossen in «Der Kaiser im Bad» am Origen Festival Cultural
in Riom. (FOTOS zvG)
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