SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 13.01.1782: In Mannheim werden Schillers "Räuber" uraufgeführt Von Hans-Peter Kensy Sendung: 13.01.2015 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2015 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: „Der Ort der Handlung ist Deutschland“, so sagt’s der erste Satz im „Seflierbuch“ der Uraufführung der „Räuber“ am 13. Januar 1782 am Nationaltheater in Mannheim. Und gleich der folgende Satz markiert eine bedeutsame Veränderung, nicht vom „Verfasser, Herrn Schiller“, sondern vom Mannheimer Intendanten von Dalberg. Der verlegte das Stück vorsichtshalber zurück ins ausgehende Mittelalter, in die Zeit „Als Kaiser Maximilian den ewigen Landfrieden für Deutschland stiftete“. Vergebens hatte Schiller sich noch vier Wochen zuvor – halbherzig – dagegen gewehrt; schließlich bestand er nur darauf, im Druck sein Original zu retten: „Auf dem Theater prätendiere ich keine Stimme.“ Heimlich und ohne Urlaub vom Militär aus Stuttgart herbeigereist, erlebte der hoffnungsfrohe Jungautor, incognito in einer Loge, den durchschlagenden Erfolg seines Erstlings. „Das Theater glich einem Irrenhaus; rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Thüre ….“ schrieb ein Augenzeuge, und ein anderer berichtete nach Berlin. „Schwerlich hat je ein Stück in Deutschland mehr Wirkung auf dem Theater gemacht als diese Räuber. Zermalmend für den Zuschauer war besonders die Scene, in welcher Iffland in der Rolle des Franz Moor seinen Traum von dem jüngsten Gericht erzählte, mit aller Seelenangst die Worte ausrief: „richtet einer über den Sternen? Nein! Nein! Und bei den zittern und nur halblaut gesprochenen Worten, Ja!“ Ja die Lampe in der Hand welches sein geisterbleiches Gesicht leuchtet – zusammensank.“ Von heute aus betrachtet war dieser 13. Januar der Geburtstag des Dramatikers Friedrich Schiller, und er schrieb auch unter dem 17. Ersten an Dalberg: „Wenn Teutschland eins einen Dramatischen Dichter in mir finden wird, so muss ich die Epoche vor der vorigen Woche zählen ….“ Doch der Regimentsmedicus Friedrich Schiller war sich – nach Stuttgart zurückgekehrt – schicksalsergeben sogleich wieder auf die ungeliebte Medizin; betrieb zwar in (brieflichen) Gedankenspielen sein „Entschwäbung“; aber erst ein Treppenwitz der Literaturgeschichte trieb ihn dann zur Entscheidung: ein Nebensatz, eine Anspielung auf einen verhassten Aufpasser graubündischer Herkunft an der Hohen Karls-Schule, hatte ungeahnte Folgen. „Einen honetten Mann“ sagte Spiegelberg im Stück „kann man aus jedem Weidenstumpen formen, aber zu einem Spizbuben will Grüz – auch gehört dazu ein eigenes NationalGenie, ein gewisses, das ich so sage, Spizbuben Klima. Und da rath ich dir, reis du ins Graubündener Land, das ist da Athen der heutigen Jauner.“ In Graubünden, vom Hören – sagen unterreichtet, nimmt man Anstoß, lässt Verbindungen spielen auf die Solitude, und decouvriert den comedienschreiber bei seinem Souverän: „Dieser verabscheute das Betragen sehr, ließ solchen vor sich rufen, wäscht solchen über die Maassen, und bedeutete ihm bei der größten Ungnad, niemalsl mehr Comedien noch sonst was zu schreiben, sondern allein bei seiner Medicin zu bleiben ….“ Jetzt erst ist das Maß voll, jetzt erst organisiert Schiller sein „Entweichen“, seine Desertion nach Mannheim, am Abend des 22. September 1782. Fünf Tage später bewirbt sich der Jungliterat, der von nun an (wenns sein muss) ganz der Thalia leben möchte, um den Posten des Theaterdichters am Nationaltheater. „Die Räuber kosteten mir Familie und Vaterland“, schreibt er wenig später, „Das Publikum ist mir jetzt alles, mein Studium, mein Souverain, mein Vertrauter. Ihm allein gehör ich jetzt an. 1