Das Werk von Jürgen Habermas Ernestine Theil Seminararbeit Seminararbeit Ernestine Theil Inhalt Einleitung ................................................................................................................................................. 2 Biographie ............................................................................................................................................... 2 Seine Bedeutung ..................................................................................................................................... 4 Sein Werk ................................................................................................................................................ 4 Verschiedene Handlungsbegriffe: ................................................................................................... 6 Das Handeln nach Gehlen ............................................................................................................... 7 Der historische Materialismus ......................................................................................................... 8 Systeme ........................................................................................................................................... 9 Diskurs: .......................................................................................................................................... 11 Wissenschaftstypen ....................................................................................................................... 12 Hauptwerk ......................................................................................................................................... 13 Verhältnis von Politik zu Wissenschaft .............................................................................................. 14 Öffentlichkeit ..................................................................................................................................... 14 Demokratiemodelle ........................................................................................................................... 15 Religion .............................................................................................................................................. 15 Kritiker ................................................................................................................................................... 16 Resume .................................................................................................................................................. 16 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 17 Einleitung Was hat mich bewegt, ein Seminar über Habermas mitzumachen? In einem Forschungslabor hörte ich von der Idee eines engagierten Bürgertums, das die Politik mitbestimmen kann. So optimistische Gedanken wollte ich kennenlernen. Da mich nochhabe ich noch eine Philosophievorlesung über Habermas besucht und meine Arbeit damit ergänzt. Biographie Jürgen Habermas, geboren 18. Juni 1929, entstammt dem prostestantischen Bürgertum im überwiegend katholischem Rheinland. Den Umbruch von 1945 erlebte er im Alter von 16 Jahren. Demnach war er kein Kriegsteilnehmer wie Karl Otto Apel, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verbindet. Habermas studierte Philosophie, Geschichte, Germanistik und Psychologie. Auf den Universitäten, Honneth weist darauf hin, hatte noch keine Ablöse von nationalsozialistischen Professoren stattgefunden. Die Eliten, das heißt Ärzte, Richter, Beamte konnten ihr Leben einfach fortsetzen. Erich Rothacker ZB war Lehrer und hatte sich für den Nationalsozialismus engagiert, Jürgen Habermas Seite 2 Seminararbeit Ernestine Theil trotzdem arbeitete er am Institut weiter. Darüber wurde nicht gesprochen. Assistent bei Rothacker war Karl‐Otto Apel. Er dissertierte über Heidegger und interessierte Habermas für Heidegger. Erst als Heidegger sein Buch „Einführung in die Metaphysik“ von 1935! 1953 auflegte, ohne irgendeine Korrektur zu machen, änderte sich die Phase von philosophischer Unschuld. In diesem Werk stand eine Passage über die „(…) innere Größe und Wahrheit der Bewegung“. Damit war freilich die Nationalsozialistische Bewegung gemeint. Dieses Konversionserlebnis von Habermas führte zur ersten Veröffentlichung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, womit er Aufsehen erregte. In der Zeitung „Die Zeit“ kritisierte Christian Lewalter, dass Habermas das Denken nicht gelernt hätte. Habermas entschloß sich, als selbstständiger Autor für die FAZ und den Merkur zu arbeiten. Seine soziologischen Essays veranlassten Theodor W. Adorno, Habermas zur Mitarbeit am Institut für Sozialforschung einzuladen. Als Assistent lernte er Techniken der empirischen Sozialforschung kennen. In „Student und Politik“ wurden die Orientierungsmuster der Studentenschaft in der Bundespolitik der späten 50er Jahre dargestellt. In einer begonnen Habilitationsschrift setzte Habermas sich mit dem historischen Prozess auseinander in dem die bürgerliche Öffentlichkeit unter die ökonomische Zwänge des kapitalistischen Wirtschaftssystems gerät. Gegen diese Arbeit „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ hatte Max Horkheimer aber Einwände, so dass Habermas das Institut verließ und eine andere Universität suchte. Wolfgang Abendroth, einer der wenigen Marxisten an westdeutschen Universitäten lud den Habilitanden ein und noch vor Abschluß seiner Habilitation wurde er zum Professor für Philosophie an die Universität Heidelberg gerufen. Nach 1964 folgte er einen Ruf an die Goethe‐Universität in Frankfurt, wo er den Lehrstuhl Horkheimers übernahm. Durch sein politisches Engagement wurde er nicht nur zum Dialogpartner der Studentenbewegung sondern auch zum Erneuerer der Kritischen Theorie. Die ältere Kritische Theorie geht hauptsächlich von Max Horkheimer und Adorno aus, deren Ziel die Überwindung des Kapitalismus ist. Die Aufklärung wurde als gescheitert angesehen. Diese ältere kritische Theorie wird auch Freudomarxismus bezeichnet, weil sie unter anderen von Freud, Marx, aber auch Hegel inspiriert wurden. Die Vertreter dieser Gesellschaftstheorie werden auch unter dem Begriff „die Frankfurter Schule“ zusammengefaßt. Die Intersubjektivitätstheoretische Erneuerung der Kritischen Theorie, das ist die jüngere kritische Theorie, hat Jürgen Habermas entwickelt. Sein spannungsreiches Verhältnis zur Studentenbewegung ließ ihn die Einladung der Marx‐Planck‐ Gesellschaft annehmen, wo er gemeinsam mit Carl Friedrich von Weizsäcker Direktor des „Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich‐technischen Welt“ in Starnberg wurde. Hier hatte er die Chance die Grundzüge seiner Kommunikationstheorie mit dem Titel „Theorie des kommunikativen Handelns“ zu entwickeln. 1982 wurde er auf die Frankfurter Goethe‐Universität zurückberufen und dort setzte er sein Engagement für Gegenwartsfragen fort. Auf wissenschaftlicher Ebene untersuchte er den Vernunftsbegriff und half bei der Auseinandersetzung des Historikerstreites mit und bei der Vereinigung der beiden deutschen Länder. 1994 wurde er emeritiert und er verlagerte seinen Lebensschwerpunkt nach Starnberg zurück. Er hat viele Preise und Auszeichnungen erhalten und befaßt sich nun mehr mit Moralphilosophie und Rationalitätstheorie. Er ist einer der international bedeutendsten Philosophen und Soziologen der Gegenwart. Jürgen Habermas Seite 3 Seminararbeit Ernestine Theil Seine Bedeutung Als übergeordnetes Motiv seines umfassenden Werks gilt ihm die Versöhnung der mit sich selber zerfallenden Moderne. Durkheim wurde inspiriert von der Erkenntnis‐ und Morallehre der Philosophie Kants, Weber von der Nihilismustheorie Nietzsches. Für Habermas war es die Einsicht in die rationalisierende Kraft der kommunikativen Verständigung. Vernunft steht unter dem Interesse der Vernunft. Es geht ihm um die Befreiung aus dogmatischer Abhängigkeit. Habermas entwickelte über eine Vielzahl von Auseinandersetzungen und konkurrierenden Ansätzen eine eigene Begriffssprache, ZB unterscheidet er Ethik und Moral, um das Potential der kommunikativen Rationalität zu verteidigen. Um unter nachidealistischen Bedingungen zum Charakter von Welt‐ und Selbstverständnis in der Gegenwart zu kommen, studierte Habermas die sozialen Institutionen und Praktiken, in deren jeweiligen Gestalt sich objektiv niedergeschlagen hat, welche Fort‐ oder Rückschritte die Menschen bei der Erzeugung gesellschaftlicher Ordnung gemacht haben. Durch die Erweiterung des kategoralen Bestandes soll eine Zunahme von kommunikativer Rationalität möglich sein. Eine „Industrie“ von Sekundärliteratur war die Folge. Sein Werk Schon am Anfang war Habermas‘ zentrales Motiv seiner späteren Gesellschafttheorie erkennbar. Der technische Fortschritt verursacht trotz Wohlstand einen negativen Effekt, eine Verarmung in der Lebenswelt1 der Menschen: Wenn auch das ökonomischen Elend beseitigt wurde, trat ein neue Form von Pauperismus in Form von Entfremdung in Erscheinung. Dieser Pauperismus entsteht durch die ¾ Industrieproduktion und durch den ¾ Massenkonsum: ¾ Durch die technische Rationalisierung verlieren die Arbeiter ihren Initiativspielraum. Jede Kenntnis des Material geht durch die Routinearbeit verloren und es entsteht eine Distanz zu den Dingen. ¾ Durch den stetigen Massenkonsum wird die Nachfrage der Bedürfnisbefriedigung so beschleunigt, dass die Menschen keine „verweilende Berührung“ mit den Objekten erleben. Die Wurzeln der Zweckrationalität sieht Habermas in der abendländischen Haltung des Verfügbarmachens. Als Mittel zur Verfügbarmachens der Natur wird die Wissenschaft des Westens 1 Der Begriff geht auf Husserl zurück, siehe Literaturverzeichnis. Jürgen Habermas Seite 4 Seminararbeit Ernestine Theil eingesetzt. Die Wahrheit wird reduziert auf Erfolgskriterien. Der Prozess dieser einseitigen, technischen oder instrumenten Rationalisierung muss durch eine erweiterte Rationalisierung korregiert werden, durch eine soziale Rationalisierung. Reflexive Bremsen in der Produktionsgestaltung und im Konsumverhalten könnten zu einer Regenerierung der sozialen Lebenswelt führen. Diese Entfremdungsideen stammen noch teilweise von Heidegger, der die negativen Folgen der technischen Rationalisierung an Verzerrungen ablesen möchte. Durch die politisch bedingte Ernüchterung über dessen Philosophie wandte Habermas sich an Karl Otto Apel. Dessen Vorstellung: Die Beschädigung der Lebenswelt muss an der sprachlich vermittelten Interaktion gemessen werden. Kant versuchte eine Versöhnung zwischen Einzel‐ und Allgemeininteresse. Diese war allerdings nur auf den guten Willen zentriert. Horkheimer dagegen meinte, dass dies orientierungslos sei und für den Einzelnen nicht durchschaubar, dass Allgemein‐ und Eigeninteresse nicht mehr kalkulierbar wären und schlägt wie Schopenhauer die Mitleidsethik vor und die Politik, denn Materialismus bietet keinen Trost. Eine rationale Umgestaltung der gesamten Gesellschaft wäre notwendig. Horkheimers Projekt konnte aber durch die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nicht fortgesetzt werden. Über Kant und dessen Modell des öffentlichen Vernunftgebrauchs kommt Habermas zu der Idee der herrschaftsfreien Diskussion und entwickelt den Begriff des Kommunikativen Handelns2. Ein Philosoph muss sich nach Habermas auf die Wissenschaft einlassen und hat keinen privilegierten Zugang zur Wahrheit. Habermas holt den Philosophen vom Sockel herab. Ein Philosoph kann ein Interpret zwischen Expertenkultur und Alltagspraxis genauso wie ein Mittler zwischen Kunst und Leben sein. Bei einem Diskurs müssen Gegenargumente berücksichtigt werden, unabhängig davon, wer sie einbringt. Bessere Argumente sollten in der Vorstellung einer Rationalisierung genügend Überzeugungskraft besitzen. Alle sind gleichberechtigt. Ein Diskurs soll offen sein, dh. es kann immer Neues eingebracht werden. Und es geschieht ohne Gewalt. Doch diese Vorraussetzungen sind nie 2 Siehe Seite 7 Jürgen Habermas Seite 5 Seminararbeit Ernestine Theil vollkommen gegeben. Daher kann nur von idealer Sprechsituation gesprochen werden. Wird strategisches Vorgehen verwendet, sind keine Ideale mehr möglich. Kants transzentales Objekt war schon doppeldeutig. Im Solipsismusvorwurf wird darauf hingewiesen, dass wir alle ethisch handeln. Doch es ist wegen der Begrenztheit des eigenen Bewußtseins problematisch das eigene zum allgemeinem zu erheben. Die Reflexive Besinnung, als eine zweite Form der Rationalität, der der Rationalen Perpektive des Verfügbarmachens entgegengesetzt worden ist, wird nun mithilfe einer handlungstheoretischen Vertiefung des Öffentlichkeitsbegriffes, als Vernunftspotential in der zwangslosen Überzeugungskraft besserer Argumente sichtbar. Doch das Problem der Intersubjektivität ist ungelöst. Habermas verweist daher auf Humbold, dass das Telos3 die gegenseitige Verständigung ist, dass der Mensch in der Sprache denkt und fühlt und durch sie gebildet werden muß. Habermas will aber nicht die Universalpragmatik ins tranzendale Feld zurückführen. Es geht ihm um 1. 2. 3. 4. Verständlichkeit Wahrheit Normative Richtigkeit Wahrhaftigkeit Habermas hat später die ideale Sprechsituation und den Konsens als Kriterium der Wahrheit zurückgenommen, aber den Konsens für die Ethik gefestigt. (Jean‐François Lyotard, der Philosoph, der den Begriff der Postmoderne schuf, meinte, dass Konsens ein veralteter Begriff sei und heute der Dissens von Bedeutung ist). Jacques Derrida: ein idealer Konsenz mag eine regulative Idee sein, ist aber ein unendlich weiter Horizont. Verschiedene Handlungsbegriffe: Instrumentelles Handeln: Ein Handeln nach einer Methode auf dem schnellsten Weg zum Erfolg. Es ist ein zweckrationalisiertes Handeln und vollzieht sich nach technischen Erfolgskalkulationen. Es gleitet von der rationalen Wahl der Mittel mit dem Blick auf ein vorher gesetztes Ziel. Es berücksichtigt technische Regel auf Basis von empirischem Wissen. Möglichst wenig Input wie Material, und Zeitökonomischen Aufwand und viel Output. Um die Herbeiführung geplanter Effekte werden Gegenstände entwickelt. Dieses Handeln wird nicht zum sozialen Handeln gezählt. Strategisches Handeln: Dieses Handeln gehört zum Bereich des sozialen Handelns und findet in der Interaktion zwischen Menschen statt. Es ist fern‐ und nahstrukturiert und erfolgsorientiert. Es ist gekoppelt an (gesellschaftliche) Erfolgskalkulationen und eine egozentrische (nicht egoistische) Einstellung. Dieses Handeln ist monologisch verfaßt und läuft über Befehle. Es ist zweckrational, d.h. von rationaler Wahl der Mittel (nicht das Ziel), nach sozialtechnologischen Regeln. Es ist einem vor‐ und wissenschaftlichem Erfahrungswissen ähnlich oder analog. Es will gewünschte und angepeilte Wirkung auslösen und herbeiführen. Man handelt, tut so, wie man wünscht (Adressat), wie der Sender es wünscht. Perpektive: das gewünschte Verhalten des Anderen: 3 Ziel, Endzweck Jürgen Habermas Seite 6 Seminararbeit Ernestine Theil Offen strategisches Handeln: Imperativ durch die Herrschaft: Tu! Mach! Geh! Verdeckt strategisches Handeln: nach Freud eine bewußte Täuschung, Manipulation. Sie kann dem in der Interaktion Handelnden auch unbewußt sein. Oft folgt eine Erschütterung nach einer verdeckt strategischen Handlung. Oder es mündet in eine Pathologie: das hab‘ ich gar nicht gewollt. Ich habe die Beziehung völlig missverstanden. Es war ein Irrtum, eine Illusion (ein wunschgeleiteter Irrtum). Kommunikatives Handeln: es ist ein soziales Handeln, wird intersubjektiv reproduziert und ist auf Verständigung ausgerichtet. Da es koreflexiv ist, braucht es Zeit. Es ist nicht monologisch. Persona = Maske. Jemand kann die Zähne zeigen oder zubeißen. Diskurse: sprachsymbolisch vermittelte Interaktionen sind nach verpflichtenden Normen änderbar. Wie ist Gesellschaft möglich? Ohne Ordnung herrscht das Recht des Stärkeren. Die Regeln müssen von den Beteiligten verstanden werden. Das Handeln nach Gehlen Abendländische Haltung des Verfügbarmachens Ausdruck spezifischer Kultur Technische Rationalisierung Arnold Gehlen Form des Handelns Ziel der technischen Verfügung über unbelebte Gegenstände Technokratiethese Arbeit Gesellschaftliche Rationalisierung Dieses Handeln verfolgt nach Arnold Gehlen im Unterschied zur Interaktion das Ziel der technischen Verfügung über unbelebte Gegenstände. Interaktion Habermas löst sich weiter von Heidegger, indem er die Abendländische Haltung der Verfügung oder die Zweckrationalität nicht mehr als Ausdruck einer spezifischen Kultur sieht, sondern wie Arnold Gehlen, als interner Bestandteil einer Form des Handelns. Aus den beiden oben genannten Rationalitätstypen entwickelt Habermas die Unterscheidung von Arbeit und Interaktion für ein weiteres Konzept der gesellschaftlichen Rationalisierung. Die Technokratiethese, die Verselbständigung der Technik von Gehlen und Helmut Schelsky geben nach Habermas nur ein unvollständiges Bild der Moderne wieder. Habermas wendet sich ab von jenen Modellen einer Kritik der instrumentellen Vernunft der Frankfurter Schule. Denn wenn instrumentelle Einstellungen so sehr auf die Menschen, auf deren Handlungspraxis einwirken, geht die Chance verloren, eine solche Form der Rationalität mit irgendwelchen Machtinteressen oder einer besonderen Kultur zusammenzubringen. Jürgen Habermas Seite 7 Seminararbeit Ernestine Theil Nach der Beschäftigung mit Parson kann Habermas beweisen, dass die Verselbständigung der Technik nur durch die Unterdrückung oder Marginalisierung einer anderen Form sozial verkörperter Vernunft möglich ist. Dass das kommunikative Handeln steigerbar ist beweist er, indem er diesem dem Komplementärbegriff der „sozialen Lebenswelt“ zuordnet. Die lebensweltlichen Hintergrundüberzeugungen haben in den Institutionengefüge der Gesellschaft ihren Niederschlag gefunden. Haben sich darin instrumentale Handlungsphären entwickelt, können sie als Subsysteme zweckrationalen Handelns bezeichnet werden. Mit den Rationalisierungstheorien von Weber kommt Habermas zu dem Ergebnis, dass die beiden institutionalisierte Rationalisierungen der unterschiedlichen Handlungsphären noch steigerbar sind. Methodisches Wissen kann einerseits die Kontrolle über natürliche und soziale Vorgänge steigern. Ideologisch legimentierte Herrschaft jedoch kann durch systematische Beschränkung von Interaktion sprachliche Verständigung beschränken. In der Technokratiethese vollzieht sich die Verselbständigung der Technik im Sinne des Imperatives des kapitalistischen Wirtschaftssystems, aber auch die Bedrohung der kommunikativen integrierten Handlungsphären als ganzes. Noch dem historischen Materialismus verhaftet, sieht Habermas vor allem die kommunikative Rationalisierung in den Subsystemen Wirtschaft und Politik vollzogen. Doch mehr und mehr wird auch die Lebenswelt durch das beschleunigte Wirtschaftswachstum mittels Administration und zweckrationale Eingriffe ergriffen. Der historische Materialismus Der historische Materialismus, die Geschichtsauffassung des Marxismus, behauptet im Gegensatz zu Hegels Idealismus, dass die Entwicklung des menschlichen Geistes grundsätzlich in den materiellen (ökonomischen) Lebensverhältnissen wurzelt und nicht umgekehrt. Der Historische Materialismus wurde von Marx, Engels, Plechanow und Lenin zum dialektischen Marxismus geprägt (Stauffacher Lexikon). Der historische Materialismus ist eine methodologische Annäherung in Studien über die Gesellschaft, Ökonomie und Geschichte, der als erstes von Karl Marx artikuliert worden ist. Marx selbst hat diesen Begriff nie verwendet, aber er verweist zu dieser Annäherung in der „materiellen Konzeption von Geschichte“. Historischer Materialismus sucht die Ursachen von Entwicklungen und Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft in den Mitteln, in denen die Menschen gemeinsam die Notwendigkeiten des Lebens produzieren. Die nicht ökonomischen Merkmale von einer Gesellschaft (zB soziale Klasse, politische Strukturen, Ideologien) werden als das Herauswachsende aus ihren ökonomischen Aktivitäten gesehen. Den klassischen kurzen Kommentar von der Theorie machte Marx in dem Vorwort zu „Ein Beitrag zu der Kritik der politischen Ökonomie“ 1859.4 „Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der 4 wiki/Historical_materialism Jürgen Habermas Seite 8 Seminararbeit Ernestine Theil Produktions‐ und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche5“ (Engels). Systeme Habermas löst sich später vom historischen Materialismus und wendet sich der Evolutionstheorie von Jean Piaget zu, der sagt, dass sich die menschlichen Handlungsrationalitäten durch Lernprozesse entwickelt haben. Diese Gedanken verfolgt Habermas weiter und diskutiert mit Luhmann, den er berühmt gemacht hat. Habermas übernimmt Teile der Systemtheorie und sieht einzelnen Geltungsansprüche in Wertsphären institutionalisiert: • • • Wahrheitsansprüche in der Wissenschaft Diskursethik Wahrhaftig in der modernen Kunst Die Architektonik der Moderne von Habermas: Habermas geht aus von einer Universalpragmatik6 mit verschiedenen Geltungsansprüchen, um seine Gesellschaftstheorie zu entwickeln. In den Institutionen sind die Geltungsansprüche vereint, ausdifferenziert und institutionalisiert. Die Wissenschaft gilt als Institutionalisierung des Wahrheitsanspruchs. Den Wahrhaftigkeitsanspruch sieht Habermas in der Kunst so wie Weber die Wertsphären moderner Gesellschaft erklärt. (Der Bereich Kunst kann hinterfragt werden, da gab es noch nicht viele Debatten). Habermas sieht die Moderne als unvollendetes Projekt. Die Moderne kann als Prozess der Rationalisierung gesehen werden. In der Wissenschaft, Moral, Kunst sind Fortschritte erzielt worden. Wertsphären Subsysteme Wissenschaft Moral Kunst Staat Ökonomie Habermas schränkt demnach die Systemtheorie auf den Verwaltungsstaat und die moderne Marktwirtsschaft ein und nennt sie Systeme. Die Subsysteme funktionieren nicht über Geltungsansprüche. In der Markwirtschaft funktioniert der geldvermittelnden Tausch. Geld verkürzt die Handlungskoordinierungen.. Das Medium Geld spart argumentative Abstimmungsprozesse. Im Staat ist das Medium die Macht. Das erklärt den Zusammenhalt der modernen Welt noch nicht. Habermas möchte eine Denunzierung der Wissenschaft vermeiden, aber auf Pathologien hinweisen. 5 Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 487. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8118 (vgl. MEW Bd. 20, S. 248‐249) 6 „Universalpragmatik hat die Aufgabe, universale Bedingungen möglicher Verständigung zu identifizieren und nachzukonstruieren“ (Habermas 1997). Jürgen Habermas Seite 9 Seminararbeit Ernestine Theil Die Subsystem schagen auf die Wertsphären zurück als auch auf die Lebenswelt. Er nennt dies: Kolonisierung7 der Lebenswelt. Wissenschaft, Moral und Kunst trennen sich von der Lebenswelt ab. Wissenschaftskulturen schirmen sich hermetisch ab. Es kommt zur Verarmung der Lebenswelt. Es fließt nichts mehr in diese Welt hinein. Nur das Wissen vermehrt sich. Wie kann es zu einem Gleichgewicht von Subsystemen und Wertphären kommen? Ist die Wissenschaft tatsächlich nur auf Naturbeherrschung aus? Da sich die postmoderne Kritik in radikale Kritik verstrickt und anarchistisch wird, sucht Habermas ein Gegenrezept. Um das Gleichgewicht zwischen allen Wertsphären und den Subsystemen herzustellen, sieht er die Lösung in einem demokratischen Rechtsstaat. Habermas hat sich auf diese Weise von Luhmann abgegrenzt, der auch die Liebe als System sieht. Da aber Systeme autopoietisch funktionieren, stellt Luhmann die Ansprüche, diese Systeme steuern zu können, in Frage. (Habermas entwickelt dagegen verschiedene Demokratiemodelle8.) Die nebenstehenden Theorien führen Habermas seinem Ziel näher: Luhmann: Systeme konstituieren sich über Rettungsaktionen gegenüber Umwelten Habermas wirft den Begriff des Diskurs ins Spiel. Diskurs ist kein System, denn er funktioniert unter Suspendierung des Zwangs, Imperativen gehorchen zu müssen. 7 8 Gesellschaften haben Gemeinschaften abgelöst. Siehe Seite 15. Jürgen Habermas Seite 10 Seminararbeit Ernestine Theil Diskurs: Begriff der Begründung 1. Rationale Begründung = Deduktion von Sätzen 2. Naturwissenschaften monopolisieren Begründungen 3. Aus Tatsachenfeststellungen lassen sich keine Werturteile ableiten. Hans Albert spricht von der Unmöglichkeit einer Letztbegründung. ¾ Unendlicher Prozess ¾ Norm dogmatisch festgesetzt ¾ Zirkelschluß Problematisch sind Strategien. Sie gehen auf Kosten Dritter. Achsenzeitliche Kulturen, der Begriff stammt von Karl Jaspers, haben daher ein kritisches Verhältnis zur eigenen Kultur entwickelt. Für Habermas ist der Wahrheitsgehalt in den modernen Wissenschaften aufgehoben. Nach Wilhelm Dilthey konstituieren wir die Natur vielfältig. Sie ist Teil der Lebenswelt. Dadurch verliert die Naturwissenschaft ihre Monopolstellung. Nach Albrecht Wellmars „Ethik und Dialog“ gibt es Grenzen. Diskursnormen beinhalten keine moralischen Normen. Der Diskurs, wie oben bereits geschrieben, verläuft ohne Ansehen der Person. Bei moralischen Normen ist das Ansehen der Person wichtig. Die Moral kann phänomenologisch beschrieben werden. (Wenn sich jemand empört, empfindet er die Verletzung einer Norm. Die Moral vom Gefühl ist aber nicht argumentativ zugänglich.) Universalisierungsgrundsatz: „Jede gültige Norm muß der Bedingung genügen, dass die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus ihrer allgemeinen Befolgen für die Befriedigung der Interessen jedes Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert werden können.“ (Apel 1984, 122 vgl. 75f.103). Für Habermas ist die Ethik das Feld praktischer Vernunft, wie wir unser Leben als ganzes zu führen haben. Im Sinne des allgemeinen lnteresses ist dies streng von den Fragen der Gerechtigkeit zu unterscheiden. Bei der Moral sieht Habermas eine Normenlegitimation im Sinne der Gerechtigkeit. Die Kulturelle Vielfalt von Moralbegriffen ist ernstzunehmen. Habermas weigert sich eine übergeordnete Vernunft einzusetzen. Habermas möchte seinen eigenen Ansatz gründen und setzt sich daher mit weiteren großen Denkern auseinander. Er möchte der geschichts‐ philosophischen Diagnose einer Dialektik der Aufklärung eine kommunikations‐ theoretische Wendung geben. Jürgen Habermas Seite 11 Seminararbeit Ernestine Theil Adorno weist darauf hin, dass die Kulturindustrie ablenkt von den eigenen Problemen und dadurch die etablierten Herrschaftsverhältnisse verfestigt und dies führt zum Totalitarismus. (Das Denken wird als die Wurzel des Bösen gesehen, doch haben wir nichts anderes.) Wenn Horkheimer sich in seinen frühen Jahren der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, also den Idealen der Aufklärung verschrieben hatte, so wurde später seine Gesellschaftskritik radikal. Horkheimer wendete sich Hegel zu und ab. Die Geschichte ist ein Inbegriff von Kämpfen, ein Bekämpfen von Strukturen, die Elend produzieren. Horkheimer und Adorno geben jede Hoffnung auf Planung von Gesellschaft auf, weil dieser Weg in eine totalitäre Richtung führt. Es war nicht mehr ein Appell zur Aufklärung, sondern die Aufklärung selbst wurde zum Subjekt der Kritik. Weil die Vernunft selbst, die die Vorraussetzung für Planung ist, nun problematisiert wird. Faschismus und Stalinismus sind Manifestationen der Aufklärung. Aufklärung führt demnach ins Unheil. Die Fortschrittskritik soll nach Habermas aber nicht den Feinden überlassen werden. Der Mythos Aufklärung wird relativiert: Descard trennte Unvernunft von Vernunft und appellierte an den Verstand ohne Leitung des Anderen: (Odyseus muß kalt sein, um selbst zu überleben.) Odyseus läßt sich am Schiff an den Mast binden, um den Gesang der Sirenen hören zu können. Der Mannschaft wurden die Ohren mit Wachs verstopft. Die Aufklärung zeigt die Unterdrückung der inneren Triebe und das setzt sich fort in der Unterdrückung der Anderen (die disziplinierten Arbeiter). Die Rationalisierung der Gesellschaft beruht auf Machtprozessen. Horkheimer und Adorno sehen Machtprozesse destruktiv. Sie sehen die Vernunft im Dienste der Naturbeherrschung und dort wirkt das Machtmoment zerstörerisch. Vernunft kann auch keine Instanz der moralischen Begründung sein. Adorno nahm Abschied von einer Theorie der Gesellschaft, wies frühe Ideen zurück und schrieb nur mehr Essays und Aufsätze: „(…) man wagt das ganze nicht mehr zu denken, weil man verzweifeln muss, es zu ändern.“ Eine rationale Theorie im Blick auf das Geschehen durch die Atombombe wäre nicht mehr möglich. Habermas sieht in Nietzsche einen radikalen Antiaufklärer. Wissenschaftstypen Habermas erarbeitet verschiedene Typen von Wissenschaft, die auf unterschiedliche erkenntnisleitende Interessen gründen: • • • Eine Wissenschaft setzt auf Naturbeherrschung als materiellen Überlebenshilfe Die historische, hermeneutische Wissenschaft sucht Verständigung innerhalb der sozialen Welt Eine weitere Wissenschaft setzt auf ein emanzipatorisches, erkenntnisleitendes Interesse Jürgen Habermas Seite 12 Seminararbeit Ernestine Theil Hauptwerk Habermas baut sein Werk, die Theorie des Kommunikativen Handelns, etwa so auf wie Parson, indem er klassische Autoren der Soziologie zu Wort kommen läßt und seine Betrachtungen dazwischen fügt. 1. Den Begriff der Lebenswelt grenzt er ab gegen die phänomenologische Tradition und stellt ihn als Komplementärbegriff zum kommunikativen Handeln auf. Da jeder Akt von Verständigung einer intersubjektiv anerkannten Situationsdefinition bedarf und somit an eine unüberblickbare Anzahl von bereits eingelebten Überzeugungen angeknüpft wird, nennt Habermas diesen intersubjektiv geteilten Hintergrund die Lebenswelt. Das historische Produkt der Interpretationsanstrengungen vorangegangener Generationen ist ein stabiles Resultat des kommunikativen Handelns. 2. Unvermeidbare Lernprozesse erweitern dies zu einem dynamischen Konzept. 3. In Differenz zu den kommunikativen Handlungen lassen sich zweckrationale Tätigkeiten, die zur materiellen Reproduktion einer Gesellschaft beitragen, nur über funktionale Mechanismen abstimmen. Die symbolische Reproduktion von Gesellschaft vollzieht sich über den Mechanismus kommunikativen Handelns. Die materielle Reproduktion von Gesellschaft muss als ein Prozess der Systemerhaltung analysiert werden. Habermas beschreibt dabei die gesellschaftliche Entwicklung einerseits als Rationalisierung der Lebenswelt und andererseits als Steigerung der Systemkomplexität, wofür er in der Sekundärliteratur heftig kritisiert worden ist. 4. Der methodische Dualismus von System‐ und Sozialintegration wandelt sich auf dem Weg der Rationalisierung sozialen Handelns in den faktischen Dualismus von System und Lebenswelt. Mit der Entwicklung des Geldes und der Etablierung staatlich organisierter Macht entstehen in der sozialen Evolution die beiden Steuerungsmedien, die unter Umgehung jedes sprachlichen Kommunikationsaufwandes die zweckrationalen Handlungen zu koordinieren vermögen, die zur Bewältigung der materiellen Reproduktion beitragen. Normfreie Handlungsphären wären allerdings nach diesem zweistufigen Konzept nicht vorhanden. Jede Analyse von Verständigungsprozessen verlangt heute eine Ergänzung durch die Systemanalyse, mit deren Hilfe die materielle Reproduktion untersucht werden kann. 5. Schließlich entwickelt Habermas eine Zeitdiagnose und meint, dass die resignativen Konsequenzen, zu denen sich Adorno und Horkheimer getrieben sahen, vermeidbar werden. Während Letztgenannte nur die Endstufe der Logik der Naturbeherrschung sahen, kann Habermas auf die systemisch verselbständigten Organisationskomplexe verweisen, welche als die sozialen Produkte einer Rationalisierung der sozialen Lebenswelt gelten können. Das Eindringen in Binnenbereiche der Gesellschaft sieht auch Habermas kritisch. An dem Phänomen einer Kolonialisierung der sozialen Lebenswelt äußert er seine Diagnose einer Pathologie der Moderne: „Die Rationalisierung der Lebenswelt ermöglicht eine Steigerung der Systemkomplexität, die so hypertrophiert, dass die losgelassenen Systemimperative die Fassungskraft der Lebenswelt, die von ihnen instrumentalisiert wird, sprengen.“ Anschließend hat Habermas die Mechanismen einer Beschränkung der demokratischen Öffentlichkeit untersucht und wendet sich damit an die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit. Jürgen Habermas Seite 13 Seminararbeit Ernestine Theil Verhältnis von Politik zu Wissenschaft Habermas bezweifelt, dass die Poppersche Methodologie wertfrei ist und weist auf Weber’s Wissenschaft als Beruf zurück und kommt zum Polytheismus der Werte. Die Demokratie ist ein Wert davon. Also es wird nicht nach einer aristotelischen Letztbegründung gesucht, die einen Wert darüber stellte. Habermas entwickelt drei Modelle zum Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft: 1. Dezisionistische Modell: Die Wissenschaft liefert Analysen, doch der Politiker entscheidet, da über die letzte Zwecksetzung keine rationale Entscheidung möglich ist. Öffentliche Diskussionen sind entbehrlich. 2. Technokratisches Modell: Die Wissenschaft hat einen Vorzug. Die Politiker übernehmen den Rat der Wissenschafter und sprechen dann von Sachzwang. In dieser Expertokratie ist die Politik bloß Fassade. Auch ein nichtdemokratisches System kann dies leisten. Technisch‐ wissenschaftliche Entscheidungen können nicht durch die Öffentlichkeit getroffen werden. 3. Pragmatisches Modell: Wechselmodell von Politik und Wissenschaft. Von beiden Seiten wird auf die Öffentlichkeit hingewiesen. Einigkeit ist nicht möglich. Einigkeit zielt auf Kompromißbildung mit einer strategischen Perspektive. Inhaltliches bleibt ausgeblendet. Bei dieser Institutionalisierung des demokratischen Ideals findet die Argumentation öffentlich statt, sonst kann dies nicht Demokratie genannt werden. Historisch gesehen gab es gerade zu Beginn der Demokratie im 19.Jhd. keinen Philosophen, der die Demokratie stützte. Sie wurde von den dominierenden Theorieansätzen eher ausgehölt. Daher sahen Apel und Habermas eine große Forderung an die Philosophie, wenn diese die Demokratie stützen wollte, dass sie dann eine moralische Vernunft finden müsse, was nach Weber allerdings nicht möglich ist. Öffentlichkeit In der Habilitationsschrift von Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ wird eine Rekonstruktion der Entstehung und des Zerfalls der bürgerlichen Öffentlichkeit behandelt. Das Volk wurde nach dem historischem Rückblick in der Antike und im Mittelalter nicht repräsentiert. Es repräsentierte sich die Herrschaft. Die bürgerliche Öffentlichkeit, die sich in privaten Bürgerhäusern, in den Salons mit Dichtern traf, um die sich Privatleute zum Publikum versammelten, ist dagegen für Habermas entscheidend. Es ist ein diskursiver Raum entstanden. Zentrale Fragen der Gesellschaft wurden behandelt. Das entsprach einer resonierenden Öffentlichkeit. Die Zulassungskriterien von Geld und Besitz mußten allerdings erfüllt werden. Ein Strukturwandel setzte im 19.Jhd ein. Durch die Bildung von Massenparteien kam es zur Vermachtung und Kommerzialisierung von Öffentlichkeit. Die Parteien waren nicht mehr der Knotenpunkt, sondern sie bearbeiteten die Öffentlichkeit. Durch die Vermachtung und Kommerzialisierung der Öffentlichkeit wurden (und werden) die Parlamentsdebatten zur Show stilisiert, die gleichsam eine Bearbeitung der Öffentlichkeit durch die Medien zum Ziel hat. Die kritische Öffentlichkeit als Motiv ist das Salz einer Demokratie. Jürgen Habermas Seite 14 Seminararbeit Ernestine Theil Demokratiemodelle Der Rechtsstaat ist ein Steuerungssystem komplexer moderner Gesellschaften. 1. Demokratietheorie Habermas grenzt sich ab vom liberalen Demokratieverständnis, das die Politik nur als Bündelung von Privatinteressen gegenüber Staatsinteressen sieht. Der Erfolg misst sich am Quantum an Wählerstimmen. Demokratische Prozesse werden verstanden in Analogie zu Marktprozessen. 2. Republikanische Modell Wie bei Hanna Arendt wird dieses von der Lebenswelt her betrachtet. Die Politik ist eine Reflexionsform eines sittlichen Lebenszusammenhangs. Eine naturwüchsige Solidargemeinschaft. Das Paradigma ist nicht der Markt, sondern das Gespräch. In diesem Ethos verankert liegt die Gefahr in eine Tugendrepublik abzugleiten. Religion In letzter Zeit analysierte Habermas weltweite Revitalisierungen und Politisierungen religiöser Glaubensgemeinschaften und vermutet darin postsäkulare Zustände, in denen die semantische und kulturelle Verarmung der modernen Lebenswelt nur noch durch die Wiederbelebung religiöser Kräfte kompensiert werden kann. Ob Habermas diese Entwicklung funktional oder normativ stützt? Bei letzterem Argument ist anzunehmen, dass eine Wiederbelebung religiöser Energien wünschenswert ist, da sich nur in der Erfahrung der Transzendenz sittliche Motive eines Einspruchs gegen Kolonialisierungstendenzen bilden können. Habermas stellt 3 Forderungen an religiöse Menschen und moderne Menschen: 1. Das religiöse Bewußtsein muss kognitive Resonanz mit anderen Religionen verarbeiten. Dadurch ergeben sich Relativierungen. Sarte hat formulierte: Selbst wenn es einen Gott gibt, müssen wir das deuten! 2. Religionen müssen sich auf die Autoritäten der Wissenschaften einstellen. Sie sollen keinen Feldzug gegen moderne Wissenschaften führen! 3. Religionen müssen sich mit dem Verfassungsstaat einlassen, sonst sind sie eine Parallelgesellschaft. Habermas ermutigt die säkularen Bürger sich zu öffnen, sich auf Dialoge einzulassen, aus denen Gründe für mögliche Argumente hervorgehen, um diese allgemein zugänglich zu machen. Die Gläubigen sollen nicht entmutigt werden, damit sie nicht abgeschnitten werden. Aufgeklärte religiöse Menschen stehen vor den selben Problemen wie säkulare Bürger. Jürgen Habermas Seite 15 Seminararbeit Ernestine Theil Kritiker Gegner in der Verteidigung der Moderne sind: 1. Neokonservative Gruppen (Nachkriegssoziologen) (Michel Foucault?) Diese Gruppen suspendieren die kulturelle, moderne, kosmopolitische Ethik der Aufklärung. Modernere Varianten haben ein affirmatives Verhältnis zu den Subsystemen. Sie wollen die Marktwirtschaft stärken, sind aber wertkonservativ im kulturellen Bereich. Sie sprechen von einer Dynamik, die nicht steuerbar ist, die die kulturelle Moderne zurückdrängt. 2. Anarchistische Gruppen: Michel Foucault, Jacques Derrida Es geht hier primär um die Freisetzung eines entgrenzten Objektes. Das gewährt den Zugang zum Dionysischen um den Preis der Ekstase. Die nietzscheanische Idee wird nach Habermas in der philosophischen Postmoderne zum Kriterium einer modernen Kritik, wo auch Wissenschaft und Moral als zentrale Bereiche der kulturellen Moderne problematisiert werden . Ein Gesellschaftsverständnis im Sinne eines ewigen Fortschrittes hielt Lyotard aufgrund des technologischen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel des späten 20.Jahrhunderts für überholt. Das alles nur ein Rationalitätsprozess sei, diese Vorstellung ist für Johann Schelkshorn ein Problem, denn so meint jener: „Dann bedeutet das, dass alle Kulturen diesen Prozess durchmachen müßten.“ Résumé Habermas zeigt, dass durch eine neue Begriffsprache manche Unterschiede deutlicher werden und dadurch auf neue Weise weitergedacht werden kann. Durch Habermas findet ein Paradigmenwechsel von der Bewußseinsphilosophie zur Sprachphilosophie statt. Die reflexiven Bremsen in der Produktgestaltung und in der Reduzierung des Konsumverhaltens haben sich in einigen Bevölkerungskreisen schon entwickelt9. Ziel ist nicht mehr die Beherrschung der Natur, sondern die Verständigung mit derselben. Habermas hat nach seinen Bewertungen über Wahrhaftigkeit ein positiveres Verhältnis zu Kunst als zu Religion. (Gerade in der modernen Kunst wird die Unvernunft, die durch Descard ausgeschlossen wurde, wieder hereingeholt: Kunst als „begriffslose Erkenntnis“). Habermas sieht allerdings auch die Wissenschaften kritisch, auch wenn er sie vielfältiger, wie oben bereits erwähnt, darstellt. Dass die Wissenschaft frei ist, der Satz steht im Wiener Neuen Institutsgebäude, hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren überholt, weil Ethikkommissionen eingeführt werden mussten. Habermas‘ erste Forderung nach kognitiver Resonanzverarbeitung in Bezug auf andere Religionen geschieht bereits im Kleinen10. Für micht entsteht nach dieser Arbeit der Eindruck, dass Habermas bei seiner zweiten Forderung an religiöse Menschen, Wissenschaftliche Autoritäten über die Religion zu stellen, von seiner sonstigen polytheisten Sichtweise sowie der Verweigerung der aristotelischen Letztbegründung abweicht. 9 Verfasser des neuen solidarischen und ökologischen Lebensstils nach SOL. www.nachthaltig.at Christen praktizieren Zen. 10 Jürgen Habermas Seite 16 Seminararbeit Ernestine Theil Die durch Systeme gefährdete Lebenswelt kann durch Kommunikation mittels besserem Argument gerettet werden, weil Sprechakte oft Handlungen einleiten. Ob Menschen kraft instrumentellen Handelns glücklicher werden, ist zu bezweifeln, erfolgreich können sie werden. Siege der äußeren Natur werden mit den Niederlagen der inneren erkauft. Kranke Menschen können mehr auf Werte konzentriert sein als Menschen, die bequem im Systemrädchen mitlaufen. Man muss Widerstand aushalten. Dafür braucht mensch Zeit. Richard Sennett empfiehlt daher, eine Auszeit zu nehmen. Auch für die Veränderung von Wissenschaft braucht frau Zeit. Ein System braucht dagegen keinen Diskurs. Die Dissonanzen der Globalisierung sind nicht wegkommunizierbar. Es ist zu hoffen, dass auch in Zeiten von Krisen, ein kommunikatives Handeln möglich bleibt. Habermas ist optimistischer als Weber im Glauben an die Diskursfähigkeit von Menschen und Kulturen. Literaturverzeichnis Apel Karl Otto, 1984: Diskurs und Verantwortung. Frankfurt/Main: Verlag Suhrkamp. Engels Friedrich, 1956: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. Verlag Dietz Horst D., 2006: Jürgen Habermas zur Einführung, Hamburg. Honneth A., 2007: In: D. Kaesler (Hg), Klassiker der Soziologie. Von Talcott Parson bis Anthony Giddens, München. Habermas Jürgen, 1997: Was heißt Universalpragmatik? Husserl Edmund, Held Klaus, 1986: Ausgewählte Texte. Stuttgart: Reclam. Stauffacher Lexikon, 1972: Zürich: Stauffacher Verlag Jürgen Habermas Seite 17