Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit M 2

Werbung
M2
DIE KLASSISCHE ZEIT (509 – 404 V. CHR.)
Im 6. Jahrhundert v. Chr., verschoben sich die politischen Verhältnisse in Kleinasien, der persische
König Kambyses vereinte nicht nur das Land bis zum Indus unter seiner Herrschaft, sondern
auch bis zur Küste am Mittelmeer und bis nach Ägypten.
Im Jahre 500 v. Chr. erhoben sich die griechischen Kolonien, Ephesus und Milet, gegen diese
Herrschaft und baten das griechische Mutterland um Hilfe, allein Athen sandte eine kümmerliche
Flotte, die erstens zu spät kam und zweitens zu klein war. Allerdings muss man festhalten, dass sich
Athen zu diesem Zeitpunkt keine größeren Kontingente wahrscheinlich hätte leisten können. Die
Perser schlugen den ionischen Aufstand nieder. Angesichts mehrerer Aufstandsbewegungen in dieser
Zeit, so gerade auch in Ägypten, meinte der persische Großkönig Dareios, an den griechischen
Städten angesichts ihrer Hilfe ein Exempel statuieren zu müssen. Er sandte eine riesige Flotte gegen
sie, die 490 v. Chr. bei Marathon in der Nähe Athens landete und von in der Hauptsache athenischen
Truppen geschlagen wurde. Ein spartanisches Hilfskontingent kam zu spät.
Exkurs: Das athenische Bewusstsein I
Wie erklärt sich dieser Erfolg einer vergleichsweise unbedeutenden Polis in Griechenland?
Abgesehen von der strategischen und taktischen Meisterleistung des Miltiades, der die Massen der
persischen Truppen gar nicht erst sich auf dem Strand bei Marathon formieren ließ, spielte das
Bewusstsein der athenischen Kämpfer die entscheidende Rolle. Denn ihnen war einerseits
eingeimpft worden, dass sie gegen die Barbaren kämpften als Griechen, für die Freiheit aller
Griechen gegen die persische Supermacht und für ihre persönliche politische Freiheit in der
athenischen Demokratie gegen die verkommene Monarchie des dekadenten Persiens.
Wie war es dazu gekommen? Infolge des „Bevölkerungsbooms“ im 7. Jahrhundert v. Chr. war es
auf der attischen Halbinsel zu einer besonders hohen Knappheit an Ackerland gekommen, die zur
Folge hatte, dass die ärmeren Schichten sich bis zur so genannten Schuldsklaverei bei den adeligen
Grundbesitzern verschuldeten. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts hatte der Archon Solon, der führende
Beamte Athens, eine Reform erlassen, in der er einerseits die Schuldsklaverei abschaffte und
Athens Bevölkerung in Steuerklassen einteilte (wohl 594 v. Chr.). Je nach Steueraufkommen, also
nach dem Einkommen wurden Athens Bürger in vier Klassen eingeteilt, die unterschiedliche Rechte
besaßen; damit war die politische Macht des Adels, also der bisherigen Grundbesitzer, gebrochen,
weil nicht mehr das Geblüt, sondern das finanzielle Aufkommen über den politischen Einfluss
entschied. Denn nun waren auch die reichen Handelsleute an den politischen Entscheidungen
beteiligt.
Die Macht der Aristokratie wurde weiter unter dem Tyrannen Peisistratos (561 - 515 v. Chr.)
zurückgedrängt; denn Peisistratos stützte sich auf die ärmere Bevölkerung, er richtete allgemeine
Festspiele in Athen ein, zentralisierte Entscheidungen in der Polis, so dass die einzelnen Gemeinden
in der Polis und damit ihre adeligen Familien an Bedeutung verloren. Sein Sohn wurde 510 v. Chr.
in einem Aufstand unter Führung des Kleisterndes vertrieben.
Der Adelige Kleisterndes konnte die Tyrannen nur mit Hilfe des Volkes vertreiben; es ist zu
vermuten, dass er ihnen die Beteiligung an der politischen Macht versprochen hatte, die seine
Reformen 508/ 7 v. Chr. zur Folge hatte: Das Gebiet der Polis Athen wurde in künstliche
Verwaltungseinheiten unterteilt, Phylen, die ihrerseits aus drei Teilen, Küstenregion, Land- und
Stadtgebiet, bestanden. Jede Phyle schickte 50 gewählte Vertreter in den Rat der 500, die boulé, der
Gesetzesinitiativen vorbereitete und seinerseits aus seiner Mitte im Losverfahren alle zwei Monate
einen Exekutivrat, die Prytanie, bestimmte. Alle Bürger waren Mitglieder der Volksversammlung
und bestimmten die Gesetze, waren Richter in den Prozessen, zu denen sie per Los gewählt wurden.
Damit war die Macht des Adels endgültig gebrochen, jeder einzelne war direkt an der
Gesetzesbeschließung und in seinem Leben wenigstens einmal an der Staatsverwaltung beteiligt.
Identifikationsobjekt war die Polis Athen, nicht mehr die einzelne Gemeinde mit der adeligen
Familie an der Spitze. In diesem Bewusstsein kämpften die Athener gegen Persien.
480 v. Chr. versuchten es die Perser erneut unter der Führung von Dareios´ Sohn, Xerxes, und
scheiterten an einer gemeinsamen griechischen Flotte unter der formalen Führung Spartas, aber unter
der faktischen Führung Athens und ihres Kommandanten Themistokles, der die persischen
Massenverbände in der Meerenge von Salamis vor Athen so einzwängte, dass die bewegungsunfähig
waren; mit den schnellen griechischen Schiffen griff er sie an und steckte die meisten an (im Übrigen
eine ähnliche Taktik, wie sie 1900 Jahre später Sir Francis Drake nutzte, als er mit den kleinen,
Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit
wendigen und schnellen Schiffen die machtvollen, riesigen und schwerfälligen der spanische Armada
schlug und so Englands Aufstieg als koloniale Supermacht begründete). 479 v. Chr. wurden die
persischen Heere bei Plataia nun auch unter der faktischen Führung Spartas besiegt. Bis 449 v. Chr.
zogen sich die Kampfhandlungen hin, bis Persien endgültig die ionischen Städte freigab und sich aus
dem Mittelmeer zurückzog. 449 v. Chr. waren die Perserkriege beendet. Eine Anmerkung sei
gestattet: Wer hier Parallelen zum clash of civilizations, der uns heutzutage ergreifen soll, sieht, ist
herzlich dazu eingeladen.
Exkurs: Das athenische Bewusstsein II
Man muss sich das vorstellen; die griechischen Städte hatten das riesige Reich Persiens besiegt,
unter Führung Athens vornehmlich zur See und Spartas vornehmlich zu Land. Die kleine
Demokratie Athens hatte die riesige Monarchie Persiens geschlagen. Athen hatte diesen Sieg mit der
Zerstörung der eigenen Stadt bezahlt und eine riesige Flotte schließlich aufgebaut, sie war zur
Führerin des so genannten attisch - delischen Seebundes aufgestiegen. Da jeder Bürger täglich mit in
die politischen und juristischen Entscheidungsprozesse der Polis einbezogen war (s. o.), projizierte
jeder Bürger diese Leistung Athens auch auf sich selbst.
Hinzukam, dass nun während des Kriegs durch die gesteigerten Produktionen und natürlich durch
die Beute (Sklaven) Athen über ungeheure Mittel verfügte, die es jetzt auszugeben bereit war. So
wurden einerseits Tagegelder für die Beamten eingerichtet (Diäten), so dass auch den ärmeren
Schichten der Dienst möglich wurde. Alle Ämter wurden nur jährlich und kollegial besetzt, bis auf
das Amt des militärischen Führers, des Strategen. Unter dem Strategen Perikles, der das Amt 443 429 v. Chr. ununterbrochen innehatte, wurde ein gewaltiges Bauprogramm durchgeführt, an dessen
Ende die heutige Akropolis stand, den Bürgern wurden für den Besuch der Dionysosfestspiele und
daraus resultierenden Theaterbesuche Gelder bezahlt.
Schon Zeitgenossen kritisierten, dass durch die zunehmende Zersplitterung zentrale Entscheidungen
schwinden und dass gerade auch inkompetente Personen politische Führungsämter innehaben
konnten. Dieses Problem verschärfte sich unter der Führung des charismatischen Perikles, dem es
immer wieder gelang, die Volksversammlung durch seine demagogischen Qualitäten zu
beeinflussen. Dennoch sahen sich die Athener als die griechische Führungsmacht gegen die
Monarchie und die Unterdrückung durch die Perser, als die geistige Elite, die "Schule
Griechenlands" (Thukydides (454 - 396 v. Chr.)), die die größten Literaten (Aischylos, Sophokles,
Euripides, Herodot, Thukydides), die größten Bauwerke (Akropolis) der besten Künstler (Phidias)
und die beste Staatsform (Solon, Kleisterndes) hervorgebracht habe.
478 v. Chr.
Gründung des attisch delischen Seebundes
450 v. Chr.
Münzgesetz (alle Mitglieder des Seebundes werden verpflichtet, nur die attischen Münzen zu prägen)
449 v. Chr.
Verlagerung der Staatskasse aus Delos nach Athen; Streben Athens nach Hegemonialstellung in
Griechenland
431 - 404 v. Chr.:
Peloponnesischer Krieg zwischen attischem Bund unter Führung Athens und peloponnesischem Bund
unter Führung Spartas; Wie konnte es zu dieser Auseinandersetzung zwischen den ehemaligen
Verbündeten gegen die Perser kommen?
Exkurs: Das spartanische Bewusstsein
Sparta war eine agrarisch geprägte Kriegergemeinschaft; Führungselite war eine kleine Schar
landbesitzender Familien, die Spartiaken, die die einzigen Hopliten, also Kämpfer, und die
politische Führungsschicht eines Ältestenrates, zweier Könige und einer „Volksversammlung“
bildete. Politisch machtlos, aber mit Rechtsstatus waren die Periöken, d. h. nichtspartanische
Handelsleute, völlig machtlos waren die Heloten, die letztlich ein Sklavendasein fristeten. Die
Heloten waren Nachkommen der Einwohner Messeniens, der fruchtbaren Landschaft in
unmittelbarer Nachbarschaft zu Lakonien, das die Spartaner in mühsamen Kämpfen im 6.
Jahrhundert v. Chr. erobert hatten, um so des „Bevölkerungsbooms“ Herr zu werden.
Das gesamte Leben der Männer der Spartiaken, der Führungselite, war auf den Kampf im Feld
ausgerichtet, die Jungen wurden früh aus dem Haus in Männergemeinschaften entlassen und dort für
den Kampf gedrillt. Die Frauen besorgten eigenständig die Verwaltung des Landbesitzes.
Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit
Ein entsprechendes Bewusstsein prägte sie: aristokratisch elitär verachtete die Kriegerkaste die
Athener und ihr kulturelles Bewusstsein; bezeichnenderweise sind keine Bauten aus der Polis Sparta
erhalten, weswegen wir auch nicht dorthin fahren. Sie sahen sich als Kämpfer, die als Führer
Griechenlands das griechische Mutterland von der monarchischen Bedrohung durch Persien befreit
hatten. Es waren Aristokraten, die eine Beteiligung unterer Volksschichten an der Macht ablehnten.
Angesichts der politischen (Aristokratie – Demokratie), der kulturellen (Kriegerstaat – kulturelles
Programm), der wirtschaftlichen (agrarische – merkantile Prägung) Unterschiede und des
beiderseitigen Anspruchs auf die politische Hegemonie in Griechenland war es letztlich nur eine
Frage der Zeit, bis die beiden Mächte aufeinanderstießen. Der Gegensatz zeichnete sich schon im
Krieg bis 449 v. Chr. immer deutlicher ab, vertiefte sich durch die Bündnispolitik beider Poleis im
so genannten attisch delischen bzw. peloponnesischen Bund und eskalierte schließlich anlässlich der
merkantilen Konkurrenz zwischen Athen und der spartanischen Verbündeten Korinth (vgl. die ganz
ähnliche Entwicklung im Verhältnis der Alliierten des 2. WK).
404 v. Chr.
Niederlage bei Kynoskephalai (Hundsköpfe); Ende der athenischen Vormacht; Installation einer
oligarchischen Regierung in Athen, Schleifung der Befestigungsanlagen, Reduzierung der athenischen
Flotte, Auflösung des attischen Bundes. Hegemonialstellung Spartas. Eine Anmerkung sei gestattet:
Wer hier Parallelen zum Kalten Krieg sieht, ist herzlich dazu eingeladen.
Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit
Herunterladen