M2 DIE KLASSISCHE ZEIT (509 – 404 V. CHR.) Im 6. Jahrhundert v. Chr., verschoben sich die politischen Verhältnisse in Kleinasien, der persische König Kambyses vereinte nicht nur das Land bis zum Indus unter seiner Herrschaft, sondern auch bis zur Küste am Mittelmeer und bis nach Ägypten. Im Jahre 500 v. Chr. erhoben sich die griechischen Kolonien, Ephesus und Milet, gegen diese Herrschaft und baten das griechische Mutterland um Hilfe, allein Athen sandte eine kümmerliche Flotte, die erstens zu spät kam und zweitens zu klein war. Allerdings muss man festhalten, dass sich Athen zu diesem Zeitpunkt keine größeren Kontingente wahrscheinlich hätte leisten können. Die Perser schlugen den ionischen Aufstand nieder. Angesichts mehrerer Aufstandsbewegungen in dieser Zeit, so gerade auch in Ägypten, meinte der persische Großkönig Dareios, an den griechischen Städten angesichts ihrer Hilfe ein Exempel statuieren zu müssen. Er sandte eine riesige Flotte gegen sie, die 490 v. Chr. bei Marathon in der Nähe Athens landete und von in der Hauptsache athenischen Truppen geschlagen wurde. Ein spartanisches Hilfskontingent kam zu spät. Exkurs: Das athenische Bewusstsein I Wie erklärt sich dieser Erfolg einer vergleichsweise unbedeutenden Polis in Griechenland? Abgesehen von der strategischen und taktischen Meisterleistung des Miltiades, der die Massen der persischen Truppen gar nicht erst sich auf dem Strand bei Marathon formieren ließ, spielte das Bewusstsein der athenischen Kämpfer die entscheidende Rolle. Denn ihnen war einerseits eingeimpft worden, dass sie gegen die Barbaren kämpften als Griechen, für die Freiheit aller Griechen gegen die persische Supermacht und für ihre persönliche politische Freiheit in der athenischen Demokratie gegen die verkommene Monarchie des dekadenten Persiens. Wie war es dazu gekommen? Infolge des „Bevölkerungsbooms“ im 7. Jahrhundert v. Chr. war es auf der attischen Halbinsel zu einer besonders hohen Knappheit an Ackerland gekommen, die zur Folge hatte, dass die ärmeren Schichten sich bis zur so genannten Schuldsklaverei bei den adeligen Grundbesitzern verschuldeten. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts hatte der Archon Solon, der führende Beamte Athens, eine Reform erlassen, in der er einerseits die Schuldsklaverei abschaffte und Athens Bevölkerung in Steuerklassen einteilte (wohl 594 v. Chr.). Je nach Steueraufkommen, also nach dem Einkommen wurden Athens Bürger in vier Klassen eingeteilt, die unterschiedliche Rechte besaßen; damit war die politische Macht des Adels, also der bisherigen Grundbesitzer, gebrochen, weil nicht mehr das Geblüt, sondern das finanzielle Aufkommen über den politischen Einfluss entschied. Denn nun waren auch die reichen Handelsleute an den politischen Entscheidungen beteiligt. Die Macht der Aristokratie wurde weiter unter dem Tyrannen Peisistratos (561 - 515 v. Chr.) zurückgedrängt; denn Peisistratos stützte sich auf die ärmere Bevölkerung, er richtete allgemeine Festspiele in Athen ein, zentralisierte Entscheidungen in der Polis, so dass die einzelnen Gemeinden in der Polis und damit ihre adeligen Familien an Bedeutung verloren. Sein Sohn wurde 510 v. Chr. in einem Aufstand unter Führung des Kleisterndes vertrieben. Der Adelige Kleisterndes konnte die Tyrannen nur mit Hilfe des Volkes vertreiben; es ist zu vermuten, dass er ihnen die Beteiligung an der politischen Macht versprochen hatte, die seine Reformen 508/ 7 v. Chr. zur Folge hatte: Das Gebiet der Polis Athen wurde in künstliche Verwaltungseinheiten unterteilt, Phylen, die ihrerseits aus drei Teilen, Küstenregion, Land- und Stadtgebiet, bestanden. Jede Phyle schickte 50 gewählte Vertreter in den Rat der 500, die boulé, der Gesetzesinitiativen vorbereitete und seinerseits aus seiner Mitte im Losverfahren alle zwei Monate einen Exekutivrat, die Prytanie, bestimmte. Alle Bürger waren Mitglieder der Volksversammlung und bestimmten die Gesetze, waren Richter in den Prozessen, zu denen sie per Los gewählt wurden. Damit war die Macht des Adels endgültig gebrochen, jeder einzelne war direkt an der Gesetzesbeschließung und in seinem Leben wenigstens einmal an der Staatsverwaltung beteiligt. Identifikationsobjekt war die Polis Athen, nicht mehr die einzelne Gemeinde mit der adeligen Familie an der Spitze. In diesem Bewusstsein kämpften die Athener gegen Persien. 480 v. Chr. versuchten es die Perser erneut unter der Führung von Dareios´ Sohn, Xerxes, und scheiterten an einer gemeinsamen griechischen Flotte unter der formalen Führung Spartas, aber unter der faktischen Führung Athens und ihres Kommandanten Themistokles, der die persischen Massenverbände in der Meerenge von Salamis vor Athen so einzwängte, dass die bewegungsunfähig waren; mit den schnellen griechischen Schiffen griff er sie an und steckte die meisten an (im Übrigen eine ähnliche Taktik, wie sie 1900 Jahre später Sir Francis Drake nutzte, als er mit den kleinen, Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit wendigen und schnellen Schiffen die machtvollen, riesigen und schwerfälligen der spanische Armada schlug und so Englands Aufstieg als koloniale Supermacht begründete). 479 v. Chr. wurden die persischen Heere bei Plataia nun auch unter der faktischen Führung Spartas besiegt. Bis 449 v. Chr. zogen sich die Kampfhandlungen hin, bis Persien endgültig die ionischen Städte freigab und sich aus dem Mittelmeer zurückzog. 449 v. Chr. waren die Perserkriege beendet. Eine Anmerkung sei gestattet: Wer hier Parallelen zum clash of civilizations, der uns heutzutage ergreifen soll, sieht, ist herzlich dazu eingeladen. Exkurs: Das athenische Bewusstsein II Man muss sich das vorstellen; die griechischen Städte hatten das riesige Reich Persiens besiegt, unter Führung Athens vornehmlich zur See und Spartas vornehmlich zu Land. Die kleine Demokratie Athens hatte die riesige Monarchie Persiens geschlagen. Athen hatte diesen Sieg mit der Zerstörung der eigenen Stadt bezahlt und eine riesige Flotte schließlich aufgebaut, sie war zur Führerin des so genannten attisch - delischen Seebundes aufgestiegen. Da jeder Bürger täglich mit in die politischen und juristischen Entscheidungsprozesse der Polis einbezogen war (s. o.), projizierte jeder Bürger diese Leistung Athens auch auf sich selbst. Hinzukam, dass nun während des Kriegs durch die gesteigerten Produktionen und natürlich durch die Beute (Sklaven) Athen über ungeheure Mittel verfügte, die es jetzt auszugeben bereit war. So wurden einerseits Tagegelder für die Beamten eingerichtet (Diäten), so dass auch den ärmeren Schichten der Dienst möglich wurde. Alle Ämter wurden nur jährlich und kollegial besetzt, bis auf das Amt des militärischen Führers, des Strategen. Unter dem Strategen Perikles, der das Amt 443 429 v. Chr. ununterbrochen innehatte, wurde ein gewaltiges Bauprogramm durchgeführt, an dessen Ende die heutige Akropolis stand, den Bürgern wurden für den Besuch der Dionysosfestspiele und daraus resultierenden Theaterbesuche Gelder bezahlt. Schon Zeitgenossen kritisierten, dass durch die zunehmende Zersplitterung zentrale Entscheidungen schwinden und dass gerade auch inkompetente Personen politische Führungsämter innehaben konnten. Dieses Problem verschärfte sich unter der Führung des charismatischen Perikles, dem es immer wieder gelang, die Volksversammlung durch seine demagogischen Qualitäten zu beeinflussen. Dennoch sahen sich die Athener als die griechische Führungsmacht gegen die Monarchie und die Unterdrückung durch die Perser, als die geistige Elite, die "Schule Griechenlands" (Thukydides (454 - 396 v. Chr.)), die die größten Literaten (Aischylos, Sophokles, Euripides, Herodot, Thukydides), die größten Bauwerke (Akropolis) der besten Künstler (Phidias) und die beste Staatsform (Solon, Kleisterndes) hervorgebracht habe. 478 v. Chr. Gründung des attisch delischen Seebundes 450 v. Chr. Münzgesetz (alle Mitglieder des Seebundes werden verpflichtet, nur die attischen Münzen zu prägen) 449 v. Chr. Verlagerung der Staatskasse aus Delos nach Athen; Streben Athens nach Hegemonialstellung in Griechenland 431 - 404 v. Chr.: Peloponnesischer Krieg zwischen attischem Bund unter Führung Athens und peloponnesischem Bund unter Führung Spartas; Wie konnte es zu dieser Auseinandersetzung zwischen den ehemaligen Verbündeten gegen die Perser kommen? Exkurs: Das spartanische Bewusstsein Sparta war eine agrarisch geprägte Kriegergemeinschaft; Führungselite war eine kleine Schar landbesitzender Familien, die Spartiaken, die die einzigen Hopliten, also Kämpfer, und die politische Führungsschicht eines Ältestenrates, zweier Könige und einer „Volksversammlung“ bildete. Politisch machtlos, aber mit Rechtsstatus waren die Periöken, d. h. nichtspartanische Handelsleute, völlig machtlos waren die Heloten, die letztlich ein Sklavendasein fristeten. Die Heloten waren Nachkommen der Einwohner Messeniens, der fruchtbaren Landschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lakonien, das die Spartaner in mühsamen Kämpfen im 6. Jahrhundert v. Chr. erobert hatten, um so des „Bevölkerungsbooms“ Herr zu werden. Das gesamte Leben der Männer der Spartiaken, der Führungselite, war auf den Kampf im Feld ausgerichtet, die Jungen wurden früh aus dem Haus in Männergemeinschaften entlassen und dort für den Kampf gedrillt. Die Frauen besorgten eigenständig die Verwaltung des Landbesitzes. Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit Ein entsprechendes Bewusstsein prägte sie: aristokratisch elitär verachtete die Kriegerkaste die Athener und ihr kulturelles Bewusstsein; bezeichnenderweise sind keine Bauten aus der Polis Sparta erhalten, weswegen wir auch nicht dorthin fahren. Sie sahen sich als Kämpfer, die als Führer Griechenlands das griechische Mutterland von der monarchischen Bedrohung durch Persien befreit hatten. Es waren Aristokraten, die eine Beteiligung unterer Volksschichten an der Macht ablehnten. Angesichts der politischen (Aristokratie – Demokratie), der kulturellen (Kriegerstaat – kulturelles Programm), der wirtschaftlichen (agrarische – merkantile Prägung) Unterschiede und des beiderseitigen Anspruchs auf die politische Hegemonie in Griechenland war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Mächte aufeinanderstießen. Der Gegensatz zeichnete sich schon im Krieg bis 449 v. Chr. immer deutlicher ab, vertiefte sich durch die Bündnispolitik beider Poleis im so genannten attisch delischen bzw. peloponnesischen Bund und eskalierte schließlich anlässlich der merkantilen Konkurrenz zwischen Athen und der spartanischen Verbündeten Korinth (vgl. die ganz ähnliche Entwicklung im Verhältnis der Alliierten des 2. WK). 404 v. Chr. Niederlage bei Kynoskephalai (Hundsköpfe); Ende der athenischen Vormacht; Installation einer oligarchischen Regierung in Athen, Schleifung der Befestigungsanlagen, Reduzierung der athenischen Flotte, Auflösung des attischen Bundes. Hegemonialstellung Spartas. Eine Anmerkung sei gestattet: Wer hier Parallelen zum Kalten Krieg sieht, ist herzlich dazu eingeladen. Griechenland 2017, Griechische Geschichte: M2 Klassische Zeit